Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. August 2001
Aktenzeichen: 11 W (pat) 5/01

(BPatG: Beschluss v. 06.08.2001, Az.: 11 W (pat) 5/01)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die zugrunde liegende Patentanmeldung ist am 27. Januar 1997 beim Patentamt eingereicht worden. Das darauf nach Prüfung erteilte Patent mit der Bezeichnung "Vorrichtung zur drahtlosen Übertragung von mindestens einem Meßwert aus bewegten Teilen" wurde am 23. April 1998 veröffentlicht. Nach Prüfung des Einspruchs der Siemens AG Berlin und München hat die Patentabteilung 32 des Patentamtes mit Beschluß vom 18. Juli 2000 das Patent aufrechterhalten. Der Fachmann entnehme aus den Entgegenhaltungen zwar den Vorschlag, als Meßwertgeber einen Resonator vorzusehen, diesen zum Schwingen anzuregen, das Nachschwingen des Resonators zur Meßwerterfassung zu nutzen, die erhaltenen Schwingungen abhängig vom Meßwert zu verändern und an eine stationäre Empfangseinrichtung zu senden, einen Hinweis darauf, nach einer Anregung des Resonators die Modulation der Speisefrequenz periodisch abzuschalten oder zu verändern, erhalte er daraus aber nicht.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.

Sie hat mit Eingang vom 23. August 2000 (im Protokoll irrtümlich: 26. 7. 2001) schriftsätzlich beantragt, den Beschluß der Patentabteilung 32 aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen (im Protokoll irrtümlich: aufrechtzuerhalten).

Eine Beschwerdebegründung hat die Einsprechende nicht vorgelegt, sie hat auch - wie am 25. Juli 2001 schriftlich angekündigt - an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Während bei allen aus dem Stand der Technik bekannten Vorrichtungen zu drahtlosen Übertragungen unterbrochene, also gepulste Abfragesignale zur Anregung eines meßwertbeaufschlagten Resonators dienten, würde bei der Erfindung demgegenüber der Weg beschritten, den Resonator mittels einer modulierten Speisefrequenz anzuregen und nach erfolgter Anregung des Resonators nur die Modulation der Speisefrequenz periodisch abzuschalten oder so zu verändern, daß keine Anregung des Resonators mehr stattfinde, während die Trägerfrequenz bestehen bleibe. Erst mit der Erfindung seien Störungen von außen praktisch ausgeschaltet. Den Begriff der "Speisefrequenz" verstehe der Fachmann ganz allgemein als Speiseschwingung und nur so sei die beanspruchte Lehre zu verstehen.

Es gelten die erteilten Ansprüche, Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

"Vorrichtung zur drahtlosen Übertragung von mindestens einem Meßwert aus bewegten Teilen, insbesondere ein System zur Messung des Reifendrucks in Kraftfahrzeugen, bestehend aus - - einem Meßwertgeber, insbesondere Druckmesser im Reifen, und - einem Meßsystem, welches seinerseits aufweist:

- mindestens eine Antenne in der Nähe des Meßwertgebers,

- einen Empfänger und - mindestens eine Elektronikbaugruppe, wobei im Meßsystem mindestens eine modulierte Speisefrequenz erzeugt und an den Meßwertgeber abgestrahlt und von diesem empfangen wird, dadurch gekennzeichnet, daß

- - der Meßwertgeber (MG1) über mindestens einen nachschwingenden Resonator (Q1) verfügt und der Resonator (Q1) in seiner Frequenz- oder Absorptionscharakteristik vom zu messenden Wert beeinflußt wird,

- - durch den Empfang der modulierten Speisefrequenz im Meßwertgeber (MG1), wenn eine Übereinstimmung der Modulationsfrequenz der modulierten Speisefrequenz ( indirekte modulierte Anregung) mit der Resonatorfrequenz vorliegt, der Resonator (Q1) zum Schwingen angeregt wird,

- -nach erfolgter Anregung des Resonators (Q1) die Modulation der Speisefrequenz periodisch abgeschaltet oder so verändert wird, daß keine Anregung des Resonators (Q1) mehr stattfindet,

- -der Resonator (Q1) hiernach nachschwingt, dabei diese Nachschwingungen ihrerseits durch den zu messenden Wert moduliert und diese modulierten Nachschwingungen vom Meßwertgeber (MG1) abgestrahlt werden, und - -der im Meßsystem vorhandene Empfänger diese modulierten Nachschwingungen erfaßt und daraus durch Frequenzanalyse und Umrechnung den mindestens einen Meßwert ableitet."

Wegen der geltenden Unteransprüche 2 bis 9 und weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

In der Patentschrift ist als Aufgabe angegeben, eine "gattungsgemäße Vorrichtung so weiterzubilden, daß bei hoher Zuverlässigkeit mindestens ein Meßwert aus dem rotierenden Reifen ermittelt und übertragen wird".

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Als Fachmann ist hier ein Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik oder ein Diplom-Physiker, jeweils mit Spezialisierung und Berufserfahrung auf dem Gebiet der Meßtechnik zuständig.

1. Die geltenden Ansprüche 1 bis 10 sind zulässig. Sie sind aus den ursprünglichen Ansprüchen entstanden und im Prüfungsverfahren überarbeitet worden. Bei den vorgenommenen Änderungen handelt es sich um sprachliche Klarstellungen, die auch in der ursprünglichen Beschreibung zu finden sind.

Zwischen Anspruch 1, in welchem eine modulierte Speisefrequenz genannt ist, und Anspruch 2, in welchem die Modulation als Amplitudenmodulation bestimmt ist, bzw. der Beschreibung, die Amplituden und Inphase/Quadratur-Modulation (I/Q-Modulation) angibt, besteht kein Widerspruch. Der Fachmann benutzt nämlich, wie von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt wurde, den Begriff "Frequenz" ganz allgemein um eine Schwingung zu bezeichnen. Dabei ist jedem Fachmann bewußt, daß neben der Frequenz bzw. Wellenlänge auch die Amplitude eine Bestimmungsgröße einer Schwingung ist. Somit steht der im Anspruch 1 zu findende Begriff "Speisefrequenz" für die Speiseschwingung, von der gemäß Anspruchswortlaut mindestens eine Größe moduliert wird. Eine Beschränkung auf Frequenzmodulation ist nicht verbunden. So wird nach Anspruch 1 mittels Modulationsfrequenz die Frequenz der Speiseschwingung, nach Anspruch 2 mittels Amplitudenmodulation deren Amplitude moduliert.

2. Die Vorrichtung zur drahtlosen Übertragung von mindestens einem Meßwert aus bewegten Teilen nach Anspruch 1 ist neu.

Bei dem Identifizierungs- und/oder Sensorsystem nach der DE 44 13 211 A1 (1) werden zeitlich begrenzte Abfrageimpulse 8 (Fig. 1 iVm Sp. 3, Z. 41, 42) und keine modulierte Speiseschwingung zu einem mit Oberflächenwellen arbeitenden Sensor 5 (OFW-Sensor) abgestrahlt.

Aus SACHS, Th.; GROSSMANN, R. MICHEL, J.; SCHRÜFER, E.; "Remote sensing using quartz sensors", Proc. SPIE-Int. Soc. Opt. Eng. (USA); Smart Structures and Materials 1996, Smart Sensing, Processing and Instrumentation; San Diego, CA, USA, Februar 1996; Vol. 2718, p. 47 - 58 (2) geht ein funkabfragbarer Sensor hervor, mittels welchem mechanische Spannungen an rotierenden Teilen erfaßt werden können. Als Anregungssignal eines Sensors dient dort eine regelmäßig unterbrochene, also nicht modulierte Sinusschwingung (abstract u. S. 50 unten).

Auch bei dem aus der DE 295 09 278 U1 (3) bekannten Abfragesystem werden die zur Anregung eines Oberflächenwellen- oder Volumenwellensensors abgestrahlten Signale regelmäßig unterbrochen, bzw. beim Vorhandensein eines Referenzsensors auf eine andere Frequenz umgestaltet (S. 3, letzter Absatz). Es findet aber keine periodische Unterbrechung oder Veränderung eines Modulationssignals statt.

Der Aufsatz GROSSMANN, R.; "Messung mechanischer Größen mit funkabfragbaren Quarzresonatoren". In: 40. INTERNATIONALES WISSENSCHAFTLICHES KOLLOQUIUM, Band 1, Vortragsreihen, Technische Universität Ilmenau Thüringen, 1995, S. 128 - 133 (4) beschreibt die Anregung von Resonatoren mit kurzen HF-Impulsen (Abb. 4 iVm Kapitel 4. Prinzip der Funkmessung, 1. Absatz), aber wieder keine Modulationstaktung.

Auch in REINDL, G.; SCHOLL, T.; OSTERTAG, C.C.W.; RUPPEL, W.-E. BULST; SEIFERT, F. "SAW Devices as Wireless Passive Sensors". In: IEEE ULTRASONICS SYMPOSIUM, 1996, S. 363 - 367 (5) ist nur von einer Anregung von SAW-Resonatoren mittels hochfrequenter Abfragesignale bzw. -impulse die Rede (Abschnitt II. , 1. Abs. iVm Fig. 2, 3 4 und 7 und nicht von unterbrochener Modulation.

Ebenso werden zur Anregung des aus der EP 0 619 906 B1 (6) bekannten drahtlos abfragbaren Oberflächenwellen-Sensors einzelne oder mehrere Hochfrequenzimpulse ausgesendet (Fig. 8 u. S. 9, Z. 46 - 49), nicht jedoch unterbrochen modulierte Schwingungen.

Somit wird bei den aus den Druckschriften (1) bis (6) bekannten Vorrichtungen ein zur Anregung eines Resonators dienendes Signal als Impuls, als periodisch abgeschaltete oder als getaktete Schwingung abgesendet. Dagegen ist bei der patentierten Vorrichtung nach Anspruch 1 gegenüber diesen Druckschriften neu, daß an den Resonator eine modulierte Speisefrequenz bzw. -schwingung abgestrahlt wird und nach erfolgter Anregung des Resonators durch die Modulationsfrequenz der modulierten Speisefrequenz deren Modulation periodisch abgeschaltet oder so verändert wird, daß keine weitere Anregung des Resonators erfolgt.

Aus der zur Bildung des Oberbegriffs herangezogenen DE 37 29 420 A1 (7) ist bekannt, daß der Meßwertgeber einer Vorrichtung zur Überwachung des Reifendrucks im Kraftfahrzeug eine Ringspule RS aufweist, in welcher mittels eines elektromagnetischen Feldes elektrische Ströme induziert werden. Somit besteht bei der Vorrichtung nach Anspruch 1 gegenüber jener bereits ein Unterschied darin, daß ein nachschwingender Resonator vorgesehen ist, der durch eine Modulationsfrequenz einer modulierten Speisefrequenz zum Schwingen angeregt wird.

Schließlich regen bei der Vorrichtung gemäß der nicht vorveröffentlichten Patentanmeldung DE 196 21 354.1 - 32 (8) durch Mischung oder Oberwellenbildung einer Speisefrequenz gebildete Vielfache oder Summen- oder Differenzfrequenzen mehrerer Speisefrequenzen einen Resonator an, wohingegen beim Gegenstand nach Anspruch 1 dessen Anregung durch die Modulationsfrequenz einer modulierten Speisefrequenz erfolgt.

3. Die Vorrichtung nach Anspruch 1, welche unstrittig gewerblich anwendbar ist, beruht gegenüber dem Stand der Technik auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Hinsichtlich des auch beim Erfindungsgegenstand zur Anwendung kommenden Prinzips, einen Resonator durch eine abgestrahlte Schwingung anzuregen, die Anregung zu unterbrechen, das Nachschwingverhalten des von einem zu messenden Wert beaufschlagten Resonators auszunutzen und dessen durch den Meßwert beeinflußte, gedämpfte Nachschwingung, die zurückgesandt wird, auszuwerten, um einen Meßwert drahtlos bestimmen zu können, kommen die im Einspruch genannten Druckschriften (1) bis (6) dem Erfindungsgegenstand näher als die zur Oberbegriffsbildung herangezogene (7). In jeder dieser Schriften (1) bis (6) erfolgt die Anregung des Resonators jedoch - wie bereits dargelegt worden ist -, durch eine sich ggf. wiederholende vollständige Unterbrechung des Anregungssignals, wodurch Rechteckimpulse gemäß (1), eine begrenzte Folge von Schwingungen gemäß (2), (3) und (4) oder nicht näher beschriebene Impulse gemäß (5) und (6) entstehen.

Um aufgabengemäß eine hohe Zuverlässigkeit einer solchen Vorrichtung zu gewährleisten, nämlich Störungen und Frequenzbelegungen durch andere Nutzer wirkungsvoll zu begegnen und Unterbrechungen im Kontakt zum Meßwertgeber zu vermeiden, ist bei der Vorrichtung gemäß Anspruch 1 demgegenüber vorgesehen, zur Anregung eines Resonators die Modulationsfrequenz einer modulierten Speisefrequenz bzw. -schwingung zu verwenden und nach erfolgter Anregung des Resonators die Modulation der Speisefrequenz periodisch abzuschalten oder so zu verändern, daß keine weitere Anregung des Resonators stattfindet.

Zu dieser neuen Lösung erhält der Fachmann durch die Druckschriften (1) bis (6) einzeln betrachtet oder in beliebiger Zusammenschau keine Hinweise, da dort eben keine modulierte Speisefrequenz im Sinne des Patents zur Anwendung kommt und die Anregung des Resonators nicht durch die Modulationsfrequenz erfolgt. Daraus folgt, daß der Fachmann auch nicht dazu geführt wird, die Modulation nach Anregung des Resonators zu unterbrechen oder zu verändern.

Eine diesbezügliche Anregung findet der Fachmann auch nicht in (1), Sp. 2, Z. 28 - 35, wie die Einsprechende in ihrer Einspruchsbegründung ausgeführt hat, da dort nur das an sich bekannte Abstimmen von Resonatoren auf unterschiedliche Frequenzen behandelt ist. Um die Frequenz jedes einzelnen von mehreren Resonatoren zu ermitteln, wird ein Frequenzband durchfahren, also die Frequenz einer Schwingung kontinuierlich variiert, aber keine Modulation einer modulierten Speisefrequenz im Sinne des Patents periodisch abgeschaltet oder verändert.

Weil in der oberbegriffsbildenden (7) ein anderes Prinzip der Meßwertübertragung angewendet wird, nämlich die Induktion eines elektrischen Stromes in Spulen auf der Sende- und auf der Empfängerseite, und ein Nachschwingverhalten eines Resonators keine Rolle spielt, findet der Fachmann auch in (7) keine Anregungen zur Lösung seines Problems.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist (8) wegen § 3(2) PatG außer Acht zu lassen.

Ohne Vorbild im Stand der Technik, das die Anregung eines Resonators mittels einer Modulationsfrequenz einer modulierten Speisefrequenz nahe legt und das periodische Abschalten oder Verändern der Modulation nach erfolgter Anregung des Resonators, damit keine weitere Anregung dessen erfolgt, aufzeigt, mußte der Fachmann erfinderisch tätig sein, um zur Vorrichtung nach Anspruch 1 zu gelangen.

4. Anspruch 1 und mit ihm die Unteransprüche 2 bis 10, die weitere Ausgestaltungen der Erfindung enthalten, haben nach alledem Bestand.

Dr. Henkel Hotz Skribanowitz Schmitzprö






BPatG:
Beschluss v. 06.08.2001
Az: 11 W (pat) 5/01


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