Bundesgerichtshof:
Urteil vom 17. Januar 2013
Aktenzeichen: I ZR 5/12
(BGH: Urteil v. 17.01.2013, Az.: I ZR 5/12)
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. November 2011 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Unterlassungsanträge zu 5.1 und 5.2 zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 3. Zivilkammer - vom 15. Juli 2010 teilweise abgeändert.
Die Klage wird auch mit den Unterlassungsanträgen zu 5.1 und 5.2 abgewiesen.
Die im ersten Rechtszug entstandenen Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten der Rechtsmittel hat der Kläger 1/7 und die Beklagte 6/7 zu tragen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Beklagte vertreibt Kapseln mit getrocknetem Pilzpulver als Nahrungsergänzungsmittel, für die sie auf ihrer Internetseite unter anderem mit Aussagen warb, die im nachstehend auszugsweise wiedergegebenen Unterlassungsantrag wiedergegeben sind.
Nach Ansicht des Klägers, des Verbands Sozialer Wettbewerb, handelt es sich bei diesen Aussagen um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel. Die Aussagen seien unzulässig, weil die Beklagte ihre Richtigkeit entgegen Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung nicht anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise bewiesen habe. Die Aussagen zu den Mitteln "Reishi Vitalpilz" (Nr. 2) und "Coriolus Vitalpilz" (Nr. 7) seien zudem jedenfalls deshalb unzulässig, weil es sich bei diesen Mitteln um neuartige Lebensmittel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittel-Zutaten handele, die ohne entsprechende Zulassung nicht verkehrsfähig seien.
Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - beantragt, es der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu werben 2. für das Mittel "Reishi Vitalpilz"
"zur Unterstützung eines gesunden Herz-Kreislaufs verbessert dieser Vitalpilz die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit bei Stress", 4. für das Mittel "Hericium Vitalpilz"
"Vitalpilz zur Unterstützung einer gesunden Verdauung", 5. für das Mittel "Cordyceps Vitalpilz"
5.1. "zur Unterstützung einer optimalen Leistungsfähigkeit", 1 5.2 "Der Raupenpilz erhöht die Ausdauer und Leistungsfähigkeit", 5.3 "- eine gesteigerte Lebensqualität und die unterstützende Fähigkeit für eine gesunde Libido sind für den Raupenpilz bekannt!", 6. für das Mittel "Agaricus Vitalpilz"
"Starker Vitalpilz in der effektiven Unterstützung des Immunsystems", 7. für das Mittel "Coriolus Vitalpilz"
"zur Unterstützung eines stabilen Immunsystems", 8. für das Mittel "Auricularia Vitalpilz"
8.1. "zur Unterstützung einer gesunden Durchblutung", 8.2. "für gesunde Blutgefäße", 8.3. "ist geeignet, um die Blutgefäße gesund zu erhalten", 9. für das Mittel "Coprinus Vitalpilz"
"zur Unterstützung einer gesunden Blutzuckerfunktion", 10. für das Mittel "Polyporus Vitalpilz"
10.1. "zur Vorbeugung gegen natürlichen Haarausfall", 10.2. "zur unterstützenden Vorbeugung gegen Wassereinlagerungen", 10.3. "unter anderem unterstützt dieser Vitalpilz die Neubildung von gesundem kräftigem Haar ...", wenn dies geschieht wie in Anlage K 3 geschehen.
Das Landgericht hat der Klage in diesem Umfang stattgegeben (LG Frankfurt a.M., Urteil vom 15. Juli 2010 - 2/3 O 585/09, MD 2010, 904). Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 10. November 2011 - 6 U 174/10, MD 2012, 291). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, erstrebt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat die von ihm noch zu beurteilenden Werbeaussagen sämtlich als gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 angesehen; denn sie stellten auch insoweit, als - bei den Aussagen zu Nr. 5 und 10 - ein ausdrücklicher Gesundheitsbezug fehle, einen Zusammenhang zwischen dem Konsum der beworbenen Produkte und der Gesundheit des Anwenders her.
Die Aussagen seien unzulässig, da die Beklagte ihre Richtigkeit entgegen Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise bewiesen habe. Die an einen solchen Nachweis zu stellenden Anforderungen seien grundsätzlich nicht weniger streng als die Anforderungen an den Nachweis der Wirksamkeit eines Arzneimittels oder einer bilanzierten Diät. Der Nachweis der Richtigkeit einer gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sei daher, soweit sich die wissenschaftliche Anerkennung nicht anders belegen lasse, durch Vorlage von nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellten Studien zu erbringen, wobei grundsätzlich randomisierte und placebokontrollierte Doppelblindstudien erforderlich seien, die durch ihre Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden seien. Im Streitfall fehle es bereits an der für eine Prüfung der einzelnen Merkmale des Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 unabdingbaren Darlegung, welcher konkrete Inhaltsstoff in den jeweiligen Pilzextrakten überhaupt geeignet sein solle, die mit den einzelnen Werbeaussagen beanspruchten Wirkungen zu erzielen. Die von der Beklagten vorgelegten Veröffentlichungen seien daher nicht geeignet, die mit den beanstandeten Aussagen behaupteten gesundheitsbezogenen Wirkungen der Pilzextrakte zu belegen. Sie enthielten zudem keine dem insoweit zugrundezule-5 genden Standard entsprechenden konkreten produktbezogenen und kontrollierten klinischen Studien.
Die Bestimmungen der Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 stellten Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar, deren Verletzung geeignet sei, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung überwiegend stand. Das Berufungsgericht hat die im zweiten Rechtszug noch streitgegenständlichen Werbeaussagen zutreffend als gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 angesehen (dazu unter II 1). Nicht unzulässig sind allerdings die von der Beklagten gemachten Werbeaussagen zu Nr. 5.1 und 5.2, die nur unspezifische Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung enthalten, so dass die Revision insoweit Erfolg hat (dazu unter II 2). Ansonsten ist die Revision dagegen unbegründet (dazu unter II 3). Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Verwender einer gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 in einem Prozess über ihre Zulässigkeit nicht erst dann gehalten ist, ihre Richtigkeit zu belegen, wenn der Kläger diese substantiiert in Frage stellt (dazu unter II 3 a). Keinen durchgreifenden Rechtsfehler lässt auch seine Beurteilung erkennen, die Beklagte sei den ihr deshalb obliegenden Nachweis schuldig geblieben, dass ihre mit den beanstandeten Angaben beworbenen Produkte die ihnen zugeschriebenen positiven Wirkungen nach den allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen haben (dazu unten II 3 b). Das Berufungsgericht hat die Klage daher in dem Umfang, in dem es über Aussagen zu entscheiden hatte, die keine unspezifischen Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) 7 Nr. 1924/2006 darstellten, mit Recht als aus §§ 8, 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 begründet angesehen (dazu unter II 3 c).
1. Die im Berufungsverfahren noch im Streit befindlichen Werbeaussagen der Beklagten stellen gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar.
a) Nach der genannten Bestimmung ist eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne dieser Verordnung jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff "Zusammenhang" ist dabei weit zu verstehen (EuGH, Urteil vom 6. September 2012 - C-544/10, GRUR 2012, 1161 Rn. 34 = WRP 2012, 1368 - Deutsches Weintor). Der Begriff "gesundheitsbezogene Angabe" erfasst daher jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (EuGH ebd. Rn. 35; BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2012 - I ZR 36/11, GRUR 2013, 189 Rn. 9 = WRP 2013, 180 - Monsterbacke).
b) Danach stellen die noch im Streit befindlichen Werbeaussagen der Beklagten sämtlich gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar. Die Revision nimmt dies hinsichtlich der Aussagen zu Nr. 2 ("Zur Unterstützung eines gesunden Herz-Kreislaufs verbessert dieser Vitalpilz die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit bei Stress."), 4 ("Vitalpilz zur Unterstützung einer gesunden Verdauung"), 6 ("Starker Vitalpilz in der effektiven Unterstützung des Immunsystems."), 7 ("Zur Unterstützung eines stabilen Immunsystems"), 8.1 ("Zur Unterstützung einer ge-9 sunden Durchblutung"), 8.2 ("Für gesunde Blutgefäße"), 8.3 ("Ist geeignet, um die Blutgefäße gesund zu erhalten") und 9 ("Zur Unterstützung einer gesunden Blutzuckerfunktion") grundsätzlich hin; ein Rechtsfehler ist insoweit auch nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Aussagen zu Nr. 5 und 10 macht die Revision demgegenüber geltend, sie seien mangels Bestimmtheit nicht zulassungsfähig im Sinne des Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 und daher unspezifische Angaben im Sinne des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung. Indes stellen auch solche Angaben gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2011 - I ZR 22/09, GRUR 2011, 246 Rn. 7 = WRP 2011, 344 - Gurktaler Kräuterlikör; BVerwG, Beschluss vom 23. September 2010 - 3 C 36/09, WRP 2011, 103, 104 - Deutsches Weintor; Meisterernst in Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 14. Lfg. Juli 2011, Art. 10 Rn. 18 mwN).
2. Soweit die Werbeaussagen zu Nr. 5 und 10 teilweise - zu Nr. 5.1 und 5.2 - unspezifische Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 enthalten (dazu unten II 2 a), sind sie nicht unzulässig (dazu unten II 2 b). Die Revision hat daher hinsichtlich der Werbeaussagen zu Nr. 5.1 und 5.2 Erfolg.
a) Die Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 regelt die Zulässigkeit von Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden. Sie erfasst Aussagen, die zwar auf eine der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 der Verordnung genannten Funktionen Bezug nehmen, aufgrund ihrer allgemeinen und unspezifischen Formulierung aber nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein könnten (vgl. BGH, GRUR 2011, 246 Rn. 9 - Gurktaler Kräuterlikör; Meisterernst in 12 Meisterernst/Haber aaO Art. 10 Rn. 22). Das ist bei den von der Beklagten für ihr Mittel "Cordyceps Vitalpilz" gemachten Aussagen "Zur Unterstützung einer optimalen Leistungsfähigkeit" (Nr. 5.1) und "Der Raupenpilz erhöht die Ausdauer und Leistungsfähigkeit" (Nr. 5.2) der Fall. Diese Aussagen nehmen zwar auf das durch die Einnahme des Mittels angabegemäß zu unterstützende bzw. zu steigernde gesundheitliche Wohlbefinden, nicht aber auf bestimmte dadurch zu fördernde Funktionen des Körpers Bezug. Insoweit unterscheiden sich die beiden Aussagen von den Aussagen zu Nr. 5.3 ("- eine gesteigerte Lebensqualität und die unterstützende Fähigkeit für eine gesunde Libido sind für den Raupenpilz bekannt!"), 10.1 ("Zur Vorbeugung gegen natürlichen Haarausfall"), 10.2 ("Zur unterstützenden Vorbeugung gegen Wassereinlagerungen") und 10.3 ("Unter anderem unterstützt dieser Vitalpilz die Neubildung von gesundem kräftigem Haar ...").
b) Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitliche Wohlbefinden sind nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 allein dann zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 und 14 der Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Solange diese Listen noch nicht erstellt sind, kann Art. 10 Abs. 3 der Verordnung allerdings noch nicht vollzogen werden (vgl. Fezer/Meyer, UWG, 2. Aufl., § 4-S4 Rn. 324; Meisterernst in Meisterernst/Haber aaO 17. Lfg. Juli 2012, Art. 28 Rn. 24, jeweils unter Hinweis auf den "1. Orientierungserlass zur Verordnung [EG] Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel" des österreichischen Bundesministerium für Justiz [abgedruckt bei Meisterernst/Haber aaO Appendix A II 1.1]).
Nach Art. 11 Nr. 1 Buchst. a des ursprünglichen Entwurfs der Verordnung sollten Angaben, die auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nähr-14 stoffs oder Lebensmittels in Bezug auf allgemeine Gesundheit und Wohlbefinden verweisen, generell nicht zulässig sein. Da dieses Verbot als zu weit empfunden wurde, hat es nur in einer eingeschränkten Form Eingang in den Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 gefunden (vgl. Meisterernst in Meisterernst/Haber aaO Art. 10 Rn. 18 f.; Fezer/Meyer aaO § 4-S4 Rn. 325). Unzulässig sind solche Angaben nur, solange ihnen keine in einer der Listen nach Art. 13 und 14 der Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Dieses (eingeschränkte) Verbot setzt voraus, dass diese Listen erstellt sind. Solange dies noch nicht geschehen ist, ist die Verwendung entsprechender Verweise durch die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht reglementiert. Denn anderenfalls enthielte die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 insoweit entgegen dem Willen des Verordnungsgebers, wie er in den Übergangsregelungen ihres Art. 28 eindeutig zum Ausdruck gekommen ist, zunächst eine strengere Regelung als später.
Unter diesen Umständen hat auch die (Teil-)Liste nach Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, die die Kommission mit der Verordnung (EG) Nr. 432/2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern vorgelegt hat, die Rechtslage nicht maßgeblich verändert (vgl. BGH, GRUR 2013, 189 Rn. 15 - Monsterbacke). Damit ist insoweit - anders als zu der Frage, ob Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bereits seit dem 1. Juli 2007, seit dem die Verordnung gemäß ihrem Art. 29 gilt, zeitlich anwendbar war (vgl. dazu BGH, GRUR 2013, 189 Rn. 11 ff. - Monsterbacke) - auch keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV veranlasst.
3. Im Übrigen Umfang ist die Revision der Beklagten dagegen unbegründet. 16 a) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Verwender einer gesundheitsbezogenen Angabe gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 in einem Prozess über ihre Zulässigkeit nicht erst dann gehalten ist, ihre Richtigkeit zu belegen, wenn der Kläger diese substantiiert in Frage stellt. Der Unionsgesetzgeber hat - wie auch die Revision nicht verkennt - die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben in der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 einem grundsätzlichen Verbot unterworfen. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulässigkeit von auf spezifische Vorteile bezogenen gesundheitsbezogenen Angaben, die in der insoweit zentralen Bestimmung des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung genannt sind, muss deshalb vom Verwender dargelegt und im Bestreitensfall auch bewiesen werden. Soweit diese Voraussetzungen gemäß den Übergangsregelungen in Art. 28 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ganz (vgl. BGH, GRUR 2013, 189 Rn. 11 - Monsterbacke) oder immerhin teilweise (vgl. dazu BGH ebd. Rn. 11 ff. sowie vorstehend Rn. 15) zunächst noch nicht zu erfüllen sind oder waren, bleibt die beschriebene Verteilung der Darlegungs- und Beweislast davon unberührt. Dies kommt in den in Art. 28 Abs. 5 und 6 der Verordnung enthaltenen Übergangsbestimmungen dadurch zum Ausdruck, dass die betreffenden Angaben, soweit sie dem Art. 28 Abs. 5, dem Art. 28 Abs. 6 Buchst. a letzter Unterabsatz sowie dem Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung unterfallen, (nur) unter den dort jeweils genannten Voraussetzungen zulässig sind, und, soweit sie in einem Mitgliedstaat (bereits) einer Bewertung unterzogen und zugelassen wurden, in dem in Art. 28 Abs. 6 Buchst. a Unterbuchst. i und ii der Verordnung geregelten Verfahren zugelassen werden. Im Hinblick darauf, dass diese Regelungen - was die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast angeht - eindeutig sind, besteht insoweit ebenfalls kein Anlass für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV.
b) Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die von ihr für ihre Produkte in Anspruch genommenen gesundheitsbezogenen Angaben entgegen Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht bewiesen.
aa) Allerdings unterliegen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Anforderungen an den von einem Verwender gemäß Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zu führenden Wirksamkeitsnachweis Bedenken. Das Berufungsgericht hat gemeint, insoweit seien grundsätzlich dieselben Anforderungen zu stellen wie an den Nachweis der Wirksamkeit eines Arzneimittels oder einer bilanzierten Diät, so dass dann, wenn sich der Nachweis der wissenschaftlichen Anerkennung nicht anders belegen lasse, regelmäßig randomisierte und placebokontrollierte Doppelblindstudien vorzulegen seien, die durch ihre Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden seien. Die Revision rügt mit Recht, dass diese eher schematische Sichtweise den besonderen Anforderungen nicht gerecht wird, die an den vom Verwender einer gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 gemäß Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung zu führenden Wirksamkeitsnachweis zu stellen sind (vgl. Hahn/Teufer, ZLR 2008, 663, 665 ff., 693 f.; Dettling, LMuR 2010, 105, 109 bis 112; Haber in Meisterernst/Haber aaO 9. Lfg. Oktober 2009, Art. 6 Rn. 5 bis 29).
bb) Eine nähere Klärung dieser Frage, die gegebenenfalls eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV erforderte, erübrigt sich im Streitfall aber deshalb, weil die Beklagte im Rahmen der sie treffenden Darlegungslast (vgl. oben Rn. 18) nach den - nicht in zulässiger Weise angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts schon nicht vorgetragen hat, welche konkreten Inhaltsstoffe in den jeweiligen Pilzextrakten geeignet 19 sein sollten, die mit den einzelnen Werbeaussagen behaupteten Wirkungen zu erzielen. Wie das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat, fehlte es damit bereits an einer Grundlage für den von der Beklagten zu führenden Nachweis, dass den betreffenden Inhaltsstoffen die jeweils behauptete Wirkung tatsächlich zukommt (Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) und dass diese Stoffe in den Produkten der Beklagten jeweils in relevanter Menge (Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung) und bioverfügbarer Form (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung) enthalten sind und bei einem vernünftigerweise zu erwartenden Verzehr die von der Beklagten behauptete Wirkung zu erzielen vermögen (Art. 5 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung). In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Verwendung der entsprechenden Angaben nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der genannten Bestimmungen nur dann zulässig ist, wenn die behauptete positive Wirkung der jeweiligen Substanz bereits zu dem Zeitpunkt anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen ist, zu dem die Angaben gemacht werden.
c) Das Berufungsgericht hat die Art. 10 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 mit Recht als Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG angesehen, deren Verletzung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen (vgl. BGH, GRUR 2011, 246 Rn. 12 - Gurktaler Kräuterlikör, zu Art. 4 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung; OLG Köln, LMuR 2012, 107; OLG Hamburg, MD 2013, 39, 47; Köhler, ZLR 2008, 135, 140 bis 142; ders. in Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 4 Rn. 11.137a). Die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die nach ihrem Art. 4 in ihrem Anwendungsbereich eine vollständige Harmonisierung bezweckt, kennt zwar keinen dem § 4 Nr. 11 UWG entsprechenden Unlauterkeitstatbestand. Dieser Umstand steht der Anwendung der genannten Vorschrift aber 22 deshalb nicht entgegen, weil nach Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2005/29/EG die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten und damit insbesondere die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 davon unberührt bleiben (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 11.6h).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Pokrant Büscher Schaffert Koch Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 15.07.2010 - 2-3 O 585/09 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 10.11.2011 - 6 U 174/10 - 23
BGH:
Urteil v. 17.01.2013
Az: I ZR 5/12
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c6ebbba010ae/BGH_Urteil_vom_17-Januar-2013_Az_I-ZR-5-12