Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Januar 2008
Aktenzeichen: 20 W (pat) 73/03
(BPatG: Beschluss v. 16.01.2008, Az.: 20 W (pat) 73/03)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Das Patent 196 21 550 wurde vom Deutschen Patent- und Markenamt mit Beschluss vom 25. August 2003 wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit widerrufen.
Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung, aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende und Beschwerdegegnerin stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"1. Automatisches Freisprech-Verfahren für ein schnurloses Telefon, das sich in einem Freisprech-Gesprächszustand und in einem Bereitschaftszustand befinden kann, wobei das Telefon eine Freisprechtaste (38) und einen Sprachprozessor (16) zum Übertragen eines Sprachsignals und verschiedener Tonsignale, die von einer Telefonleitung zugeführt werden, eine CPU (10), einen Tonsignal-Detektor (32) zum Erfassen der verschiedenen Arten von Tonsignalen, die von dem Sprachprozessor ausgegeben werden, sowie ein Mikrofon (24) und einen Lautsprecher (20) zur Ein- und Ausgabe des Sprachsignals während des Freisprech- Gesprächszustands besitzt, wobei das Verfahren die Schritte aufweist:
Betreiben (52, 54, 56) des Telefons im Freisprech- Gesprächszustand, wenn die Freisprechtaste betätigt wurde;
Warten (56, 60) auf ein Gesprächsende-Signal auf der Telefonleitung; und Unterbrechen (62) des Freisprech-Gesprächszustands und Betreiben des Telefons im Bereitschaftszustand, wenn das Gesprächsende-Signal von dem Tonsignal-Detektor erfaßt und von der CPU erkannt wird."
Erörtert wurde u. a. die folgende Entgegenhaltung:
D6 EP 0 284 325 B1.
Die Patentinhaberin führt aus, der Patentgegenstand sei gegenüber dem Stand der Technik patentfähig. Nach ihrer Auffassung konnte der Fachmann zum Anmeldetag des Streitpatents aus dem Stand der Technik keinerlei Anregung zu einem automatischen Freisprech-Verfahren mit den gemäß Patentanspruch 1 geforderten Verfahrensschritten erhalten. Gemäß dem durch die Druckschrift D6 belegten Stand der Technik werde ein Ende des Freisprechens als auf dem Unterbrechen einer Verbindung beruhend gelehrt. Ein Sprachprozessor zum Übertragen eines Sprachsignals und verschiedener Tonsignale, die von einer Telefonleitung zugeführt werden, eine CPU und insbesondere ein Tonsignal-Detektor zum Erfassen der verschiedenen Arten von Tonsignalen, die von dem Sprachprozessor ausgegeben werden, sei aus D6 nicht zu entnehmen.
II Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin hat keinen Erfolg. Das Patent ist nicht rechtsbeständig, sein Gegenstand nach den §§ 1 und 4 PatG nicht patentfähig. Der Gegenstand des Patentanspruches 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
a) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist dem Fachmann durch die Druckschrift D6 in Verbindung mit seinem Fachwissen und Fachkönnen nahegelegt. Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur mit einem Hochschulabschluss in Nachrichtentechnik, der mit der Entwicklung von Telefonen und dazugehörigen Freisprecheinrichtungen vertraut ist.
b) Aus der Druckschrift D6 ist ein automatisches Freisprechverfahren für ein schnurloses Telefon als bekannt entnehmbar, vgl. Spalte 1, Zeilen 3 bis 6, Spalte 4, Zeilen 10 bis 18, insbesondere "loudspeaker and microphone mode". Das Telefon kann sich in einem Freisprech-Gesprächszustand (Spalte 4, Zeilen 1 bis 18, "Ioudspeaker and microphone mode") und in einem Bereitschaftszustand (Spalte 6 Zeilen 35 bis 44 i. V. m. Figuren 3b und 8b, Bezüge Ô209Ô bis Ô212Ô, Spalte 8 Zeilen 3 bis 13, "waiting state") befinden. Das Telefon besitzt eine Freisprechtaste (Figur 6 und 7, Bezug Ô40Ô sowie Spalte 10, Zeilen 24 bis 53 und Spalte 11, Zeilen 45 bis 50) und einen Sprachprozessor zum Übertragen eines Sprachsignals und verschiedener Tonsignale, die von einer Telefonleitung zugeführt werden (Figur 6, Bezüge Ô4Ô, Ô5Ô, Ô8Ô, Ô9Ô, Ô12', Spalte 5, Zeilen 5 bis 19, sowie Spalte 7, Zeile 41 bis Spalte 8, Zeile 2), sowie eine CPU (Figuren 1, 4 und 6, Bezug '12', i. V. m. Spalte 5 Zeilen 44 bis 50). Das bekannte schnurlose Telefon besitzt des weiteren Tonsignal-Detektoren zum Erfassen von verschiedenen Arten von Tonsignalen, u. a. auch zum Erfassen von Tonsignalen, die von dem Sprachprozessor ausgegeben werden, oder von einer Telefonleitung zugeführt werden (Figur 6, insbesondere Bezüge '10' und '11' und weiter Bezug '30', i. V. m. Figuren 1, 4 und Spalte 5 Zeilen 20 bis 43). Schließlich besitzt das schnurlose Telefon nach D6 auch ein Mikrofon (Figur 6, Bezug Ô16Ô) und einen Lautsprecher (Figur 6, Bezug Ô38Ô) zur Ein- und Ausgabe des Sprachsignals während des Freisprech-Gesprächszustands (Spalte 10, Zeilen 26 bis 45). Außerdem weist das aus der D6 als bekannt entnehmbare Verfahren die Schritte auf, dass das Telefons im Freisprech-Gesprächszustand betrieben wird, wenn die Freisprechtaste betätigt wurde (Spalte 10, Zeilen 26 bis 53) und dass der Freisprech-Gesprächszustand unterbrochen und das Telefon im Bereitschaftszustand betrieben wird, wenn das Gesprächsende erkannt wird (Spalte 8, Zeilen 3 bis 13 i. V. m. Spalte 12, Zeilen 23 bis 27).
Zum Erkennen des Gesprächsendes bei einer Verbindung über das Telefonnetz wird nach D6 das Unterbrechen der Verbindung durch das gerufene Telefon benutzt (Spalte 12, Zeilen 24 bis 27). Nachdem bereits beim Aufbau einer Verbindung die bei dem bekannten schnurlosen Telefon vorhandenen Tonsignal-Detektoren genutzt werden, um u. a. Tonsignale der Telefonleitung zu detektieren, die dann von der CPU erkannt werden (vgl. Spalte 5, Zeilen 5 bis 43, und dem entsprechend Spalte 7, Zeile 41 bis Spalte 9 Zeile 14), bietet sich dem Fachmann ein entsprechendes Vorgehen auch für das Erkennen des Gesprächsendes an. Dem Fachmann sind sowohl die beim Beginn eines Gesprächs wie auch die beim Gesprächsende vorhandenen (Ton-) Signale auf der Telefonleitung aus seinem Fachwissen heraus bekannt (vgl. dazu einmal mehr die D6, Spalte 7, Zeilen 41 bis 57). Naheliegenderweise wird der Fachmann dann so vorgehen, dass er die beim Verfahren nach der D6 für den Gesprächsaufbau genutzten Tonsignal-Detektoren sowie die vorhandene CPU entsprechend auch zum Erkennen des Gesprächsendes einsetzt. Er wird also zunächst auf ein Gesprächsende-Signal auf der Telefonleitung warten und wenn dieses von dem Tonsignal-Detektor erfasst und von der CPU erkannt wird, den Freisprechzustand unterbrechen und das Telefon im Bereitschaftszustand betreiben (Spalte 8, Zeilen 3 bis 13 i. V. m. Spalte 12, Zeilen 23 bis 27).
Damit ist der Fachmann ohne erfinderische Überlegungen zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gelangt.
c) Zwar mag, wie die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin argumentiert, gemäß dem durch die Druckschrift D6 belegten Stand der Technik ein Ende des Freisprechens dergestalt gelehrt werden, dass ein Unterbrechen der Verbindung erkannt wird und dass zu diesem Erkennen des Unterbrechens aus der D6 keine näheren Ausführungen zu entnehmen sind. Jedoch sind dem Fachmann, wie vorstehend aufgezeigt, die auf einer Telefonleitung ausgetauschten Tonsignale geläufig, diese werden auch bei dem Verfahren nach der D6 durch die dort vorhandenen Tonsignal-Detektoren erfasst und von der CPU erkannt und zumindest beim Aufbau einer Verbindung genutzt. Bei der im Wesentlichen dazu gleichgestalteten Nutzung der gemäß D6 vorhandenen Systemressourcen zum Erkennen eines Gesprächsendes handelt es sich um eine routinemäßige Anwendung des dem Fachmann zur Verfügung stehenden Wissens und Könnens, der Rahmen des üblichen fachmännischen Handelns wird dabei nicht verlassen.
d) Bei dieser Sachlage kommt es auf die Patentfähigkeit des Gegenstands des nebengeordneten Patentanspruches 4 nicht mehr an, nachdem die Patentinhaberin die Aufrechterhaltung des Patents nur im Umfang eines Anspruchssatzes begehrt hat, der zumindest einen nicht rechtsbeständigen Patentanspruch (hier: Patentanspruch 1) enthält (BGH Beschl. v. 27. Juni 2007 - X ZB 6/05 - Informationsübermittlungsverfahren II, in Fortführung von BGH Beschl. v. 26. September 1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120 - elektrisches Speicherheizgerät). Im Übrigen beruht der Gegenstand der nebengeordneten Patentanspruches 4 nach Überzeugung des Senats im Hinblick auf die Druckschrift D6 in Verbindung mit dem Fachwissen und -können des Fachmannes ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Auch kann die Frage, ob die Fassungen der Patentansprüche zulässig sind, in Anbetracht der Sachlage dahingestellt bleiben.
Dr. Bastian Dr. Hartung Martens Gottstein Pr
BPatG:
Beschluss v. 16.01.2008
Az: 20 W (pat) 73/03
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