Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 20. August 2008
Aktenzeichen: 17 U 88/08
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 20.08.2008, Az.: 17 U 88/08)
Das Tatbestandsmerkmal der Risikomischung des § 1 Absatz 1 AusIInvG ist auch dann erfüllt, wenn eine sich selbst als Holding bezeichnende Aktiengesellschaft türkischen Rechts mit Sitz in der Türkei die von Anlegern in Deutschland eingesammelten Gelder in eine Vielzahl von Unternehmen unterschiedlicher Branchen investiert, an denen sie zwar Mehrheitsbeteiligungen hält, aber auf deren Leitung sie keinen beherrschenden Einfluss dargetan hat.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 09.11.2007 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte, eine Aktiengesellschaft türkischen Rechts mit Sitz in O1/Türkei, mit der Behauptung auf Rückzahlung einer im Jahre 1999 geleisteten Einlage in Anspruch, die ihr als islamgerechte Investition veräußerten Aktien der Beklagten seien wertlos und sie sei von dem Vermittler über die Risiken, den Gewinn und die jederzeitige Rückzahlbarkeit der Einlage getäuscht worden. Die Beklagte habe beim Verkauf der Anteile ein €Schneeballsystem€ betrieben. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche insbesondere auf einen Verstoß der Beklagten gegen die Meldepflicht des § 7 Auslandsinvestmentgesetz (AuslInvG).
Die Klägerin hat die Klage in Höhe von DM 1.473 (= Euro 753,13) zurückgenommen und erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Euro 21.334,68 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Rückübertragung der erworbenen Aktien mit folgender Zusammenstellung: 40 Aktien mit der Seriennummer ..., 100 Aktien mit der Seriennummer ... 80 Aktien mit der Seriennummer € 80 Aktien mit der Seriennummer € 80 Aktien mit der Seriennummer € 80 Aktien mit der Seriennummer € und 80 Aktien mit der Seriennummer € festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rückübertragung der vorgenannten Aktien in Annahmeverzug befindet, die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin weitere 517,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt. Sie hat unter Hinweis auf das Gutachten eines Wirtschaftsprüfers die Auffassung vertreten, die Vorschriften des AuslInvG seien auf sie nicht anwendbar. Die Beklagte hat im Übrigen die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte habe sich eines Verstoßes gegen §§ 2,7 AuslInvG schuldig gemacht. Die Beklagte habe € jedenfalls über zwischengeschaltete Unternehmen, an denen sie beteiligt ist € die eingenommenen Gelder nach dem Prinzip der Risikomischung investiert. Die Beteiligungen seien aus der Liste des Wirtschaftsprüfers A (Bl. 348 f. d. A.) zu erkennen. Die behauptete mündliche Anfrage der Beklagten beim BAK im Jahre 1996/1997 reiche nicht aus, um die Anzeigepflicht nach § 7 AuslInvG zu erfüllen und auch die sowohl im türkischen als auch im deutschen Recht vorhandenen Verbote der Einlagenrückgewähr stünden dem Anspruch wegen des Vorrangs des Anlegerschutzes nicht entgegen. Erfolglos sei auch die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede, weil die notwendige subjektive Kenntnis der Klägerin vom Verstoß gegen das Schutzgesetz frühestens nach der ersten anwaltlichen Beratung im Jahre 2006 vorgelegen habe.
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und rügt insbesondere das Fehlen der internationalen Zuständigkeit des Landgerichts. Ferner macht sie geltend, sie habe bei der Anlage der eingezahlten Gelder keine Risikomischung betrieben. Vielmehr sei sie eine Holding, die lediglich in Schwesternunternehmen investiert habe. Eine Investmentgesellschaft müsse außerdem in verschiedene Anlageklassen investieren, was sie nicht getan habe. Aus der von der Bafin erlangten Liste (Bl. 523 ff. d.A.) sei ersichtlich, dass nur Fondsgesellschaften einer Genehmigung zum Vertrieb von Anteilen bedürften.
Die Beklagte beantragt,
das am 09.11.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie nimmt Bezug auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und vertieft diesen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, soweit sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat keinen Erfolg.
Das Landgericht hat seine internationale und örtliche Zuständigkeit zu Recht auf den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO gestützt. Insoweit wird auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen, denen der Senat folgt. Die deutsche internationale Zuständigkeit beurteilt sich nach dem Deliktsstatut gemäß Art. 40 EGBGB, so dass eine entgegenstehende Zuständigkeitsregelung in der türkischen Zivilprozessordnung unbeachtlich wäre. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine ausschließliche Zuständigkeit in der Türkei nach Art. 17 der türkischen Zivilprozessordnung nicht zu erkennen. Denn in Art. 17 der türkischen ZPO heißt es lediglich, dass die Gesellschaft an ihrem Sitz verklagt werden kann, also nicht verklagt werden muss. Im Übrigen haben auch die türkischen Gerichte in O1 Versäumnisurteile deutscher Gerichte gegen die Beklagte - wenngleich möglicherweise noch nicht rechtskräftig - für vollstreckbar erklärt.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 2,7,8 AuslInvG. Das Landgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei den Vorschriften der §§ 2,7,8 AuslInvG um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Absatz 2 BGB (BGH, Urteil vom 13.09.2004, II ZR 276/02) handelt und dass die Beklagte gegen die Anzeigepflicht nach § 7 AuslInvG verstoßen hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist sie eine Gesellschaft, die ausländische Investmentanteile im Sinne des § 1 Abs. 1 AuslInvG vertreibt. Ziel des 1969 in Kraft getretenen Auslandsinvestmentgesetzes war es, im Interesse des Schutzes inländischer Anteilserwerber und aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit zwischen inländischen und ausländischen Investmentfonds den Vertrieb von Anteilen ausländischer Investmentgesellschaften gesetzlich zu regeln (BT- Drucksache 12/7918, S. 117;Brinkhaus/Scherer, Pfüller/Schmitt § 1 Rdnr. 1). Das Wertpapiersparen sollte gefördert werden (Baur, Investmentgesetze, 2. Auflage, § 1 Rdnr. 23).
Die Tätigkeit der Beklagten, die als türkische Aktiengesellschaft (€ticaret anonim sirketi€) mit Sitz in der Türkei ein dem ausländischen Recht unterstehendes Vermögen ist, fällt entgegen der Ansicht der Beklagten unter den Anwendungsbereich des AuslInvG. Dieser umfasst gemäß § 1 Absatz 1 Satz 1 AuslInvG den Vertrieb von Anteilen an einem ausländischen Recht unterstehenden Vermögen aus Wertpapieren, Forderungen aus Gelddarlehen, über die eine Urkunde ausgestellt ist, Einlagen oder Grundstücken, das nach dem Grundsatz der Risikomischung angelegt ist, (ausländische Investmentanteile) im Wege des öffentlichen Anbietens, der öffentlichen Werbung oder in ähnlicher Weise.
Die von den Anlegern erworbenen Aktien der Beklagten fallen unter den Begriff der Investmentanteile im Sinne der Vorschrift des § 1 AuslInvG (Bödicker, Handbuch Investmentrecht, S. 36). Bei der Definition des in § 1 Abs. 1 AuslInvG verwendeten Begriffs Investmentanteile ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Dem Gesetzgeber ging es darum, bei der Vielzahl rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten und ausländischer Rechtsformen einen Begriff zu finden, der alle diese Formen umfasst. Um etwaige vom deutschen Recht abweichende rechtliche Gestaltungen zu erfassen, ist es nicht erforderlich, dass verbriefte Anteile an einem gesondert angelegten Vermögen vertrieben werden, sondern es sollen alle denkbaren Gestaltungsformen erfasst werden, die materiell dem Investment zuzuordnen sind.
Es ist insofern ausreichend, wenn der Anleger nur mitgliedschaftliche Rechte an der Investmentgesellschaft erlangt (Brinkhaus/Scherer, Pfüller/Schmitt, 2003, § 1 AuslInvG, RZ 56). Folglich ist es auch unschädlich, dass die Anleger keine unmittelbare Beteiligung an einem Investmentfonds erworben haben, sondern Aktien der Beklagten selbst (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.2008, I 17 U 87/07, S. 7).
Die Beklagte hat das Vermögen auch in Wertpapieren angelegt. Denn laut der Liste des Wirtschaftsprüfers A ist die Beklage an dreiundzwanzig anderen A.S. (Anonim Sirketi), das heißt an Aktiengesellschaften türkischen Rechts, beteiligt (Bl. 348 d.A.). Die Beteiligung an einer Aktiengesellschaft erfolgt durch den Erwerb von Aktien, also von Wertpapieren. Lediglich die Beteiligung an der B € B.V. in den Niederlanden fällt nicht unter § 1 AuslInvG, da es sich bei einer B.V. um eine niederländische GmbH handelt und der Erwerb von GmbH Anteilen nicht unter § 1 AuslInvG fällt (Brinkhaus/Scherer/Pfüller/Schmitt, § 1 Rdnr. 38). Nicht erforderlich für die Anwendbarkeit des § 1 Absatz 1 AuslInvG ist es entgegen der Ansicht der Beklagten, dass die Investmentgesellschaft neben Wertpapieren auch Immobilien hält. Die in § 1 AuslInvG aufgeführten Anlagen sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht kumulativ, sondern alternativ zu verstehen, was sich bereits aus der Aufzählung und der Verwendung des Wortes €oder€ ergibt.
Der Auffassung der Beklagten, es fehle an der erforderlichen Risikomischung, kann nicht gefolgt werden. Das dem ausländische Recht unterstehende Vermögen der Beklagten in Form von Wertpapieren ist nach dem Prinzip der Risikomischung angelegt. Risikomischung bedeutet nach der Gesetzesbegründung zum AuslInvG, dass die der Investmentgesellschaft zufließenden Gelder in einer Vielzahl von Wertpapieren oder Grundstücken oder beiden angelegt werden (Stockmann/Zeller, BB 07, 1249).
Eine Anlage nach dem Prinzip der Risikomischung liegt daher vor, wenn sie in eine Vielzahl der genannten Vermögenswerte erfolgt und dies nach der objektiven Gestaltung gerade zum Zweck der Kapitalwertsicherung € sei es durch Minderung von Verlustgefahren sei es durch Wertsteigerung € geschieht (vgl. BVerwG, NJW 1980, 2482). Bei den von der Beklagten gehaltenen Wertpapieren handelt es sich um Aktien von dreiundzwanzig verschiedenen Unternehmen mit unterschiedlichen Unternehmensgegenständen. Bereits die Firmenbezeichnungen beinhalten ausreichende Anhaltspunkte für eine Diversifizierung. Es handelt sich nicht, wie die Beklagte darzustellen versucht, hauptsächlich um Industriebetriebe, sondern auch um Handelsbetriebe aus den verschiedensten Bereichen wie Baustoffe, Maschinen, Holz, Tierfutter, Verbrauchsgüter, Leder, Lebensmittel, Kalk und Natursteine. Außerdem war die Beklagte an einem Tourismusunternehmen beteiligt. Bereits hieraus folgt, dass die Beklagte das ihr zur Verfügung gestellte Vermögen der Anleger in verschiedenste Wirtschaftsbereiche breit streute, um eine Risikomischung vorzunehmen. Die Beklagte hat auch in zweiter Instanz nicht substantiiert dargetan, dass das Unternehmensrisiko entscheidend durch einen einheitlichen unternehmerischen Einfluss bestimmt wird, der einer Risikomischung widerspricht (vgl. Baur, Einleitung, Rdnr. 67; Brinkhaus/Scherer/ Pfüller/Schmitt, aaO, Rdnr. 5). Danach ist eine Gesellschaft immer dann als Investmentgesellschaft und die Anteile an ihr als Investmentanteile zu qualifizieren, wenn sich das Unternehmensrisiko mit dem Anlagerisiko deckt (Schreiben des Bundesaufsichtsamtes für Kreditwesen vom 01.07.1977, Beckmann/Scholz, RZ. 448, Nr. 10, S. 13). Das Anlagerisiko deckt sich dann nicht mit dem Unternehmensrisiko mit der Folge, dass keine Investmentgesellschaft vorliegt, wenn das Unternehmensrisiko noch durch weitere Faktoren, wie die Einflussnahme auf das Management, bestimmt wird.
Dass die Beklagte die Beteiligung den in verschiedenen Branchen tätigen Unternehmen wie eine Holding-Gesellschaft zu unternehmerischen Zwecken € und nicht zur Vermögensanlage - hält, wird durch ihren Vortrag nicht ausreichend belegt. Die Beklagte hat einen unternehmerischen Einfluss auf die Unternehmen, deren Beteiligungen sie hält, nicht dargetan. Zwar war die Beklagte am 31.12.1998 - wie sich aus der Liste des Wirtschaftsprüfers A (Bl. 348) ergibt - an den meisten der unter den laufenden Nummern 1 bis 23 aufgeführten Unternehmen mehrheitlich beteiligt, während sie an sieben Unternehmen nur eine Minderheitsbeteiligung hielt. Eine Mehrheitsbeteiligung ist aber lediglich ein Indiz für einen beherrschenden Einfluss der sich beteiligenden Gesellschaft. Hinzukommen muss ein tatsächlicher Einfluss auf das Management durch Stellung von Personen für Leitungs- und Aufsichtsfunktionen sowie eine sonstige aktive oder beratende Tätigkeit auf der Managementebene der Zielgesellschaften (Schreiben des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen vom 07.12.2001, Beckmann/ Scholz, Rz. 448, Nr. 38, S. 91). Dass die Beklagte auf die Unternehmensführung der dreiundzwanzig Aktiengesellschaft Unternehmen, an denen sie beteiligt ist, beherrschenden Einfluss ausgeübt hätte, hat sie nicht dargetan. Sie hat lediglich erklärt, dass sie eine Beteiligungsgesellschaft im Sinne einer Holding darstelle, weil sie als Aktiengesellschaft im Bereich der Industrie- und Baugesellschaft Kapitalbeteiligungen an eigenen Unternehmen zumeist zu 100 % halte (S. 4 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 504 d.A.). Nähere Angaben zur Struktur der C-Gruppe und insbesondere zur personellen Verflechtung, aus denen sich eine Einflussnahme im Managementbereich erkennen lassen könnte, hat die Beklagte auch in zweiter Instanz nicht gemacht, obwohl das Landgericht auf das Fehlen eines substantiierten Vortrages in der angefochtenen Entscheidung hingewiesen hat. Die Beklagte hat auch nicht dargetan, welche Bedeutung der in der Stellungnahme des türkischen Wirtschaftsprüfers vom 06.06.2007 genannten, in Istanbul ansässigen und ausdrücklich als €C Holding AS€ firmierenden Gesellschaft zukommt, wenn daneben auch die Beklagte selbst als Holding-Gesellschaft tätig sein soll (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.07.2008, 1 U 95 /06, S. 2).
Aus der genannten Stellungnahme des Wirtschaftsprüfers A (Bl. 349 d.A.) ergibt sich ferner, dass das Kapital der Beklagten nach Abzug des auf die Verwaltungstätigkeit entfallenden Anteils komplett für die oder in die Unternehmen im Bereich der Industrie, Handel und Dienstleistungen tätigen Aktiengesellschaften verwendet werden sollte. Dass ein Verwaltungskostenanteil der Beklagten z.B. für ein die Tochtergesellschaften kontrollierendes Management einbehalten würde, ergibt sich aus dem Bericht des Wirtschaftprüfers A nicht. Auch aus dem Wortlaut des in anderem Zusammenhang vorgelegten Schreibens des Vorstandsvorsitzenden X an die Anleger (Anlage K 6, Bl. 222 d.A.) folgt, dass die Gelder der Anleger investiert und nicht verwaltet werden sollten, wenn auch die Adressaten und die Datierung dieses Schreibens nicht feststehen.
Der Risikomischung der Investitionen der Beklagten steht - anders als die Beklagte meint - auch nicht entgegen, dass der Wirtschaftsprüfer A bestätigt hat, die Beklagte betreibe keine Investmentfonds, Beteiligungsfonds oder Fondsverwaltung. Dies mag zwar im engeren Sinne zutreffen, ist aber nach der oben dargelegten gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Risikomischung unerheblich.
Selbst wenn man die von der Beklagten an sechzehn Aktiengesellschaften türkischen Rechts gehaltenen Mehrheitsbeteiligungen als ausreichendes Indiz für einen beherrschenden Einfluss hätte ansehen wollen, würden die Minderheitsbeteiligungen der Beklagten an den sieben anderen Gesellschaften bereits den Tatbestand der Risikomischung erfüllen. Denn jedenfalls bei den Minderheitsbeteiligungen hätte es einer weiteren Einflussnahme auf das Management dieser Unternehmen bedurft, um einen beherrschenden Einfluss der Beklagten als Holding festzustellen. Hierzu fehlt jeglicher Vortrag der Beklagten.
Ferner widerspricht es nicht der Risikomischung, dass die Anlagen neben einem wirtschaftlichen auch einen religiösen Hintergrund haben sollten, was im Übrigen auch von der Klägerin mit dem Hinweis auf betrügerische Machenschaften bestritten wird. Jedenfalls haben die Anleger selbst keine religiösen Ziele verfolgt, sondern wollten jeweils mit ihrer Anlage lediglich keine religiösen Regeln verletzen. Das Landgericht ist daher zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass die Beklagte nicht als eine beherrschende Holdinggesellschaft anzusehen ist.
Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, sie habe die Investmentanteile nicht öffentlich vertrieben, weil sie sich bei dem Vertrieb der Aktien an einen unbestimmten individuell nicht begrenzten oder begrenzbaren Personenkreis gewandt habe (vgl. Brinkhaus Scherer/ Pfüller/Schmitt, a.a.O. RZ 10). Begrenzt oder begrenzbar wäre der Kreis der Adressaten nur dann gewesen, wenn die Anleger der Beklagten zuvor bekannt gewesen wären, etwa wenn sie € sei es anhand einer Namensliste € die Mitglieder eines örtlichen Kulturvereins angesprochen hätte. Die Beklagte hat sich aber an die zahlreiche türkische bzw. türkischstämmige Bevölkerung muslimischen Glaubens in Deutschland gewandt. Bereits wegen des Umfanges, der sozialen und der wirtschaftlichen Verschiedenheit untereinander kann nicht von einem abgrenzbaren Kreis der Adressaten gesprochen werden. Ob tatsächlich Werbeveranstaltungen - in Moscheen oder anderswo € durchgeführt worden sind, ist dabei unerheblich. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob der Vermittler der Beklagten € in diesem Fall Herr Y - die Klägerin als zukünftige Anlegerin angesprochen hat oder ob die potentiellen Anleger ihrerseits aufgrund von Mund zu Mund Propaganda auf die Vermittler zugekommen sind. Jedenfalls sind auch nach dem Vortrag der Beklagten die Vermittler eigens für das Anbieten der Anteile geschult und von der Beklagten mit Unterlagen versorgt worden, so dass die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag über ein Vertriebssystem für den Verkauf an einen sehr großen Personenkreis muslimischen Glaubens verfügt hat.
Das Landgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte ihrer Anzeigepflicht nach § 7 AuslInvG nicht genügt hat. Die erforderliche schriftliche Anfrage, aus der zu ersehen wäre, dass die Beklagte gegenüber dem damaligen Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAK) alle nach § 7 Absatz 2 AuslInvG notwendigen Anlagen beigefügt hätte (vgl. OLG Koblenz, WM 2007, 742, 743), ist nicht vorgelegt worden. Die Behauptung der Beklagten, sie habe 1996/1997 mündlich bei der zuständigen Behörde, damals dem BAK, nachgefragt, ist unsubstantiiert und damit unerheblich (so auch das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 30.08.2007, 2 U 14/07, S. 13 f.). Zum einen kann eine mündliche Anfrage, deren Inhalt ungewiss ist, nicht ausreichen und zum anderen nennt die Beklagte weder die Namen der Mitarbeiter des Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAK) noch die ihrer eigenen Mitarbeiter, die die behaupteten Gespräche geführt haben sollen. Auch ist der genaue Inhalt der behaupteten Erörterungen nicht dargelegt.
Die behauptete Anfrage belegt aber zusätzlich, dass die Beklagte sich einer Anzeigepflicht bewusst war und sie schuldhaft gegen die Vorschriften des AuslInvG verstoßen hat.
Dem Anspruch der Klägerin auf Erstattung des durch den Erwerb der unzulässigerweise vertriebenen Anteile erlittenen Schadens steht das Verbot der Einlagenrückgewähr bzw. des Erwerbs ihrer eigenen Aktien nach §§ 57, 71 AktG nicht entgegen, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat. Die dem Grundsatz der Kapitalerhaltung zum Schutze von Drittgläubigern der Gesellschaft dienenden Vorschriften der §§ 57, 71 AktG haben jedenfalls dann hinter den Schutz des Anlegers zurückzutreten, wenn die Haftung der Kapitalgesellschaft darauf beruht, dass € wie hier € unter Verstoß gegen die die betroffenen Anleger schützenden Vorschriften neue Aktionäre geworben und hierdurch das den Gläubigern zur Verfügung stehende Vermögen erweitert wurde. Andernfalls würde der Anlegerschutz nach §§ 2, 7, 8 AuslInvG entwertet (vgl. BGH, NJW 2005, 2540; Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, AZ 2 U 14/07, Urteil vom 30.08.2007, S. 16).
Die gegen den Anspruch des Klägers auf Zahlung von Euro 21.334,68 Zug um Zug gegen Rückübertragung der erworbenen Aktien von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Die Ansprüche sind nicht verjährt, weil die Verjährung der Ansprüche aufgrund des Auslandsinvestmentgesetzes erst frühestens nach der ersten anwaltlichen Beratung im Jahre 2006 begann. Eine frühere Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen, insbesondere der Verletzung der Anzeigepflicht lässt sich nicht feststellen. Für den Beginn der Verjährung ist aber auf die Kenntnis des Geschädigten von den den Anspruch begründenden Tatsachen abzustellen (Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.01.2007; XI ZR 44/06, NJW 07, 1584) Darauf, dass die Anleger frühzeitig hätten merken müssen, dass sie keine Renditen mehr erhalten, wie die Beklagte behauptet, kommt es bezogen auf Ansprüche nach dem AuslInvG nicht an.
Die Ansprüche sind entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht verwirkt, weil es bereits an dem erforderlichen Zeitmoment fehlt. Denn die Klägerin hat erst frühestens 2006 vom Verstoß gegen das AuslInvG erfahren. Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme der Aktien, weil sich die Beklagte wegen der Verweigerung der Rückabwicklung des Vertrages mit der Rücknahme der Aktien in Verzug befindet (§§ 293, 298 BGB).
Zu dem von der Beklagten zu leistenden Schadensersatz gehört ferner die Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war zuzulassen, da wegen der von der Rechtsauffassung des Senats abweichenden Entscheidungen der Oberlandesgerichte Düsseldorf (Urteil vom 11.07.2008, AZ I 17 U 87/07) und München (Beschluss vom 09.05.2008, AZ 23 U 1904/08) sowie Köln (Beschluss vom 23.01.2008, AZ 18 U 136/07) zur Anwendbarkeit des AuslInvG die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 20.08.2008
Az: 17 U 88/08
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