Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 21. Dezember 2007
Aktenzeichen: 38 O 271/06

(LG Düsseldorf: Urteil v. 21.12.2007, Az.: 38 O 271/06)

Tenor

Das Versäumnisurteil vom 25. Mai 2007 bleibt aufrechterhalten.

Der Beklagten wird unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, für das Produkt „X“ zu werben:

„Ja, darf jeder nehmen ... z. B. auch zur Steigerung der Konzentrationsfähigkeit

und/oder

hier sind Natursubstanzen drin, wie Ginkgo-Biloba ist drin. Pangamsäure ist drin, Yamswurzel, Taigawurzel, hier sind natürliche Substanzen drin, die halt eben die Gedächtnisleistung positiv unterstützen.

und/oder

Ginkgo ist schon ne spannende Substanz, wenn es darum geht, die Gedächtnis-, die Gehirnleistung positiv zu unterstützen.“

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheits-leistung in Höhe von 25.000,00 € fortgesetzt werden. Im Übrigen ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Sicherheitsleistungen können durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Der Kläger ist eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Überwachung der Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs gehört. Die Beklagte ist ein in X ansässiges Unternehmen, dass in Deutschland unter anderem Nahrungsergänzungsmittel vertreibt, für die in dem von der Firma X betriebenen Fernsehkanal Werbung verbreitet wird.

Der Kläger beanstandet unter anderem eine Werbesendung vom 7. Juli 2006, bei der mit dem im Antrag der Klage vom 22. November 2006 aufgeführten Behauptungen für das Produkt "X" geworben wurde. Der Kläger hält die Darstellung für wettbewerbsrechtlich unzulässig. Es seien dem Produkt und den im Einzelnen genannten Inhaltsstoffen Wirkungen beigelegt, die wissenschaftlich nicht belegt seien. Dies gelte für Pangamsäure im Hinblick auf die Unterstützung des Sauerstoffumsatzes im Gehirn ebenso wie für eine durchblutungsfördernde Wirkung des Bestandteils Ginkgo in der Hirnregion in der hier fraglichen Konzentration. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse fehlten auch im Hinblick auf Yams- und Taigawurzel, jedenfalls betreffend die im Produkt enthaltenen Dosen. Entsprechendes gelte für das ferner erwähnte Lecithin, so dass gegen § 11 Abs. 1 LFGB oder die §§ 21 AMG, 3a HWG verstoßen werde.

Neben der Unterlassung verlangt der Kläger Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten.

Da für die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin vom 25. Mai 2007 kein zugelassener Rechtsanwalt aufgetreten ist, ist die Beklagte durch Versäumnisurteil vom 25. Mai 2007 auf Antrag des Klägers wie folgt verurteilt worden:

I.

Der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, untersagt, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt "X" wie folgt zu werben:

1.

"Wir haben drin, ... weil, das Gehirn benötigt auch Sauerstoff, wir haben eine Substanz drinnen namens Pangamsäure, die nämlich dieses auch positiv unterstützen kann. ..."

und/oder

"Pangamsäure kann die Gewebeatmung unterstützen."

und/oder

"... mit Hilfe der Pangamsäure ... den Sauerstoffumsatz positiv zu unterstützen."

2.

"Ginkgo Biloba ganz wichtig, um die Durchblutung positiv zu unterstützen, gerade in den ganz, ganz hauchengen Kapillargefäßen der Hirnregion."

3.

"Die Yams-Wurzel z.B. unterstützt die köpereigene DHEA-Produktion."

und/oder

"Ganz wichtig auch für die Konzentrationsfähigkeit des Gehirns."

4.

"... Taigawurzel ... Auch wichtig für die Konzentrationsfähigkeit."

5.

"Aber, wie bei der Glucose ist es wie bei den anderen Biostoffen auch, die, die diese Substanz muss erst mal zerlegt werden, damit sie verwertbar ist an Ort und Stelle im Körper.

... ist hier ein, ein Spezial-Lecithin drin, der genau dafür verantwortlich ist, dass diese Glucose an Ort und Stelle verwertbar gemacht werden kann für das Gehirn".

II.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 162,40 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.02.2007 zu zahlen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Einspruch eingelegt. Sie hält die Klage bereits für unzulässig. Der Kläger sei nicht klagebefugt. Seine Tätigkeit diene in erster Linie den wirtschaftlichen Interessen seines Prozessbevollmächtigten, wie es die Beklagte bereits in mehreren gerichtlichen Verfahren vorgetragen habe. Die Beklagte und die zu ihrer Firmengruppe zählenden Unternehmen würden willkürlich und gezielt auf Betreiben von Wettbewerbern verfolgt. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet. Die Dauerwerbesendung sei nicht vollständig und richtig beschrieben und wiedergegeben. Der durchschnittlich informierte, aufmerksame und gebildete Durchschnittsverbraucher habe erkannt, dass Lebensmittel und nicht Arzneimittel beworben werden, deren Inhaltsstoffe allgemein und mit den bekannten Wirkungen beschrieben werde. So sei die behauptete Wirkung der Pangamsäure ebenso wissenschaftlich bewiesen wie diejenige des Ginkgo-Biloba. Die Yamswurzel enthalte den Wirkstoff Diosgenin, der wichtiger Nährstoff für die Bildung des Hormons DHEA sei. Dies wiederum sei für die Konzentrationsfähigkeit wichtig. Durch umfangreiche Studien sei ferner bestätigt, dass die Taigawurzel die geistige Leistungsfähigkeit stärke. Auch die Aussagen zu Lecithin seien weder irreführend noch unzutreffend. Das in dem Produkt "X" verwandte Speziallecithin sei dafür verantwortlich, dass die in den Gehirnzellen vorzunehmende Glucoseverwertung überhaupt möglich sei.

Die Berechtigung zur Geltendmachung einer Auslagenpauschale werde nach Grund und Höhe bestritten.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 25.05.2007 die Klage des Klägers abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

das Versäumnisurteil vom 25. Mai 2007 zu bestätigen.

Er weist zur Klagebefugnis auf Gerichtsurteile hin, die sich ausführlich mit den Einwenden der Beklagten befasst haben.

Den vorgelegten Stellungnahmen fehle die erforderliche Wissenschaftlichkeit. Im Übrigen werbe die Beklagte für ihr Produkt mit Wirkungen von Inhaltsstoffen, die bei der vorgesehenen Dosierung nicht zu erzielen sind.

Im Hinblick auf eine Werbesendung vom 19. August 2007 beanstandet der Kläger ferner die im Antrag des Schriftsatzes vom 13. November 2007 aufgeführten Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten zur Steigerung der Konzentrationsfähigkeit im Hinblick auf die Werbung für das Produkt "X".

Der Kläger beantragt daher ferner,

der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, für das Produkt "X" zu werben:

"Ja, darf jeder nehmen... z.B. auch zur Steigerung der Konzentrationsfähigkeit.

und/oder

Hier sind Natursubstanzen drin, wie Ginkgo-Biloba ist drin, Pangamsäure ist drin, Yamswurzel, Taigawurzel, hier sind natürliche Substanzen drin, die halt eben die Gedächtnisleistung positiv unterstützten.

und/oder

Ginkgo ist schon ne spannende Substanz, wenn es darum geht, die Gedächtnis-, die Gehirnleistung positiv zu unterstützen."

Die Beklagte beantragt auch insoweit,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist zur Geltendmachung der hier streitigen Unterlassungsansprüche gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG berechtigt. Die Klagebefugnis ist, wie der Beklagten bekannt ist, in einer Vielzahl von Fällen von Gerichten geprüft und bejaht worden. Insbesondere sind die von der Beklagten jetzt hier vorgebrachten Einwände Gegenstand des von der Beklagten erwähnten Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht Hamm gewesen. Der dort erkennende Senat hat ebenso wie erst kürzlich der hiermit befasste Wettbewerbssenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf die Klagebefugnis des Klägers ausdrücklich bejaht. Auf die Ausführungen im Urteil vom 27. März 2007 wird Bezug genommen. Die Kammer macht sie sich zu eigen.

Die Klage ist auch begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der im Urteilstenor des Versäumnisurteils zu I. 1. - 5. aufgeführten Behauptungen gemäß den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG , 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB. Die in der Werbesendung vom 7. Juli 2006 getätigten Äußerungen sind im Zusammenhang einer Werbung für das Produkt "X" irreführend. Die Beklagte vertreibt und bewirbt dieses Produkt als Nahrungsergänzungsmittel, so dass das LFGB Anwendung findet. Gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB ist es verboten, für Lebensmittel mit irreführenden Aussagen zu werben, wobei eine Irreführung dann vorliegt, wenn einem Lebensmittel Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind.

Die Ausführungen in der Werbesendung zur Pangamsäure, zu Ginkgo-Biloba, zur Yamswurzel, zur Taigawurzel und zum Lecithin sind als in diesem Sinne irreführend anzusehen. Hierfür ist ohne Bedeutung, ob die jeweiligen erwähnten Bestandteile generell geeignet sind, die behaupteten Wirkungen wie beispielsweise eine Erhöhung der Sauerstoffzufuhr zu bewirken und die Durchblutung zu unterstützten. Jedenfalls sind nämlich die jeweils in dem Produkt konkret enthaltenen Anteile dieser Stoffe so gering, dass solche Wirkungen nicht wissenschaftlich hinreichend gesichert sind. In der Werbesendung wurde nicht in allgemeiner Form über Ginkgo-Biloba gesprochen sondern ausschließlich im Zusammenhang mit dem beworbenen Produkt, das die angesprochenen Bestandteile enthält. Auch der durchschnittlich informierte und aufmerksame Verbraucher versteht die Ausführungen zu den erwähnten Substanzen dahingehend, dass Erwerb und Verzehr des Produktes "X" die beschriebenen Wirkungen zu erzielen geeignet ist. Unstreitig ist dies jedoch schon angesichts der Dosierungen ausgeschlossen. Sofern auch nur eine der jeweils beschriebenen Folgen eintreten könnte, dürfte es sich um ein Arzneimittel, nicht jedoch um ein Lebensmittel handeln.

Ob der Kläger den Inhalt der Werbesendung vollständig hat niederschreiben lassen, ist ohne Bedeutung. Die Beklagte bestreitet nicht, dass die in den Klageanträgen wiedergegebenen Aussagen gefallen sind. Unstreitig ist auch, dass es sich um eine ausschließlich Werbezwecken der Beklagten dienende Sendung gehandelt hat, bei der stets ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Werbezweck und dem gesprochenen Text besteht.

Die in der Werbesendung vom 19. August 2007 erfolgten Äußerungen betreffend die Steigerung der Konzentrationsfähigkeit und positive Unterstützung der Gedächtnisleistung im Zusammenhang mit der Einnahme der X sind ebenfalls irreführend. Die Inhaltsstoffe Ginkgo-Biloba, Pangamsäure, Yamswurzel und Taigawurzel sind, wie ausgeführt, in dem als Lebensmittel vertriebenen Produkt lediglich in einer solchen Dosierung vorhanden, dass die behaupteten Wirkungen einer Steigerung der Konzentrationsfähigkeit und positiven Unterstützung der Gedächtnisleistung nicht eintreten können. Die somit in Bezug auf das Produkt "X" irreführenden Werbebehauptungen sind zu unterlassen.

Gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG hat die Beklagte ferner 162,40 € zu erstatten. Insoweit handelt es sich um die für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen. Der Aufwand ist gem. § 287 ZPO zu schätzen. Der geltend gemachte Betrag entspricht der Üblichkeit im vergleichbaren Verfahren. Zeit- und Materialaufwand erscheinen angemessen berücksichtigt. Der Betrag ist wegen Verzuges ab dem 13. Februar 2007 zu verzinsen.

Das Versäumnisurteil ist daher insgesamt ebenso zu bestätigen, wie die Beklagte entsprechend der Klageerweiterung zu verurteilen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 709 Satz 1 und Satz 3 ZPO.

Der Streitwert wird auf 25.000,00 €.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 21.12.2007
Az: 38 O 271/06


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