Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 17. Juli 2006
Aktenzeichen: II ZR 163/03

(BGH: Beschluss v. 17.07.2006, Az.: II ZR 163/03)

Tenor

I. Das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 11. Zivilsenat, vom 11. April 2003 und das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 11 für Handelssachen, vom 30. Oktober 2002 werden für wirkungslos erklärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebenintervention des Streithelfers der Kläger verursachten Kosten werden der Beklagten auferlegt.

III. Streitwert:

1. Bis zur Erledigungserklärung: 40.000,00 €;

2. Ab diesem Zeitpunkt: bis 52.500,00 € (bis dahin entstandene Kosten des Rechtsstreits).

Gründe

I. Die Kläger haben sich als Minderheitsaktionäre der beklagten Aktiengesellschaft - unterstützt von dem Nebenintervenienten - mit der Anfechtungsklage gegen einen Squeezeout-Beschluss gemäß § 327 a ZPO der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 1. März 2002 gewandt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht hat die Berufungen der Kläger im Wesentlichen zurückgewiesen, den angefochtenen Beschluss nur hinsichtlich eines geringen Teils der Barabfindungsregelung für unwirksam erklärt und im Übrigen die Revision zugelassen. Im Verlaufe des von den Klägern betriebenen Revisionsverfahrens hat die ordentliche Hauptversammlung der Beklagten am 27. August 2003 einen zweiten Squeezeout-Beschluss gefasst, den nur der Kläger zu 1 angefochten hat. Im Rahmen eines mit der Beklagten und deren Hauptaktionärin vor dem Oberlandesgericht Hamburg - auch zugunsten der übrigen außenstehenden Aktionäre - geschlossenen gerichtlichen Vergleichs hat der Kläger zu 1 jene zweite Anfechtungsklage zurückgenommen; anschließend ist der (zweite) Übertragungsbeschluss am 11. Mai 2004 in das Handelsregister eingetragen worden. Mit Rücksicht darauf haben die Parteien den vorliegenden Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt. Umstritten ist zwischen ihnen, ob die in dem Vergleich mit dem Kläger zu 1 von der Beklagten erklärte Übernahme der Kosten der Klageverfahren nicht nur zugunsten des Klägers zu 1, sondern auch für die übrigen Kläger des hiesigen Verfahrens gilt; unstreitig ist jedoch, dass sich die dem Vergleich beigetretene Hauptaktionärin der Beklagten im Zusammenhang mit anderen Prozessvergleichen zur Übernahme der Kosten aller Rechtszüge des vorliegenden Verfahrens für alle Kläger verpflichtet hat.

II. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist nur noch über die gesamten Kosten des Rechtsstreits nach § 91 a ZPO zu entscheiden; etwaige anderweitige Regelungen in Vergleichen anderer Verfahren machen angesichts des Streits der Parteien über deren Tragweite die Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO nicht entbehrlich.

Die Kostenentscheidung ergeht, wenn der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, nur nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands (§ 91 a ZPO). Dabei ist es - zumal in der Revisionsinstanz - nicht Zweck einer solchen Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es um Fragen des materiellen Rechts geht. Grundlage der Entscheidung ist demgemäß lediglich eine summarische Prüfung, bei der das Gericht - auch bei einer Entscheidung im Revisionsverfahren - grundsätzlich davon absehen kann, in einer rechtlich schwierigen Sache nur wegen der Verteilung der Kosten alle für den hypothetischen Ausgang bedeutsamen Rechtsfragen zu klären (st. höchstrichterliche Rechtsprechung: vgl. nur BGH, Beschl. v. 17. März 2004 - IV ZB 21/02, NJW-RR 2004, 1219 mit umfangr. Nachw.). Dementsprechend sieht sich der Senat nicht veranlasst, die im Vordergrund des Streits der Parteien stehende Zulassungsfrage nach der umstrittenen Bedeutung des Tatbestandsmerkmals der "Jahresabschlüsse ... für die letzten drei Geschäftsjahre" in § 327 c Abs. 3 Nr. 2 AktG abschließend zu entscheiden; wenngleich vieles für die von dem Berufungsgericht im Anschluss an die überwiegende Meinung im Schrifttum vertretene Auslegung der Norm spricht, muss die Streitfrage doch letztlich als offen bezeichnet werden.

Auf der Basis dieses Sach- und Streitstandes hat der Senat gleichwohl nicht etwa - was ohne zusätzliche Verteilungskriterien nahe gelegen hätte - die Kosten gegeneinander aufgehoben; vielmehr hat er nach billigem Ermessen weitere Gesichtspunkte in die Abwägung einbezogen, die letztlich die alleinige Kostentragung der Beklagten als angemessen erscheinen lassen. Maßgeblich dafür war zum einen, dass die Beklagte selbst das erledigende Ereignis dadurch herbeigeführt hat, dass sie - offenbar zur Vermeidung von drohenden Nachteilen im Falle eines etwaigen Unterliegens im vorliegenden Rechtsstreit - einen zweiten Squeezeout-Beschluss gefasst hat und dass sie sich insoweit in dem Vergleich durch Erhöhung der von den Klägern und anderen außenstehenden Aktionären geforderten Abfindung, die letztlich wirtschaftlich der alleinige Zweck auch des vorliegenden Anfechtungsverfahrens war, "freiwillig" in die Rolle des Unterlegenen begeben hat. Zudem legt die im Vergleich getroffene Regelung, wonach die Beklagte die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten "der" Klageverfahren, der Eilverfahren und dieses Vergleichs trägt, die Auslegung nahe, dass damit nicht nur die Kosten des hiesigen Klägers zu 1 als Vergleichsbeteiligtem gemeint sind, sondern dass die Regelung auch Wirkung zugunsten sämtlicher Kläger des hiesigen Klageverfahrens haben soll; dafür spricht nicht zuletzt der Umstand, dass nach dem Willen der Vergleichschließenden der Vergleich zugunsten aller außenstehenden Aktionäre der Beklagten wirken und dementsprechend einen echten Vertrag zugunsten Dritter i.S. der §§ 328 f. BGB darstellen sollte.

Schließlich hat die Beklagte immerhin eingeräumt, dass - wenn nicht sie selbst - so doch ihre damalige Haupt- und jetzige Alleinaktionärin sich auch anderweitig gegenüber dem Kläger zu 1 verpflichtet hat, die Kosten aller Rechtszüge des vorliegenden Verfahrens für alle Kläger zu übernehmen. Damit soll - was im Rahmen des billigen Ermessens berücksichtigungsfähig ist - jedenfalls sichergestellt werden, dass nicht nur der Kläger zu 1 unmittelbar, sondern auch die übrigen Kläger im Ergebnis wirtschaftlich von sämtlichen Kosten des vorliegenden Rechtsstreits im Verhältnis zur Beklagten befreit sein sollen.

Nach diesen Billigkeitsmaßstäben erscheint es auch angemessen, der Beklagten die durch die Nebenintervention verursachten Kosten gemäß § 101 Abs. 1 i.V.m. § 91 a ZPO aufzuerlegen.

Goette Kurzwelly Gehrlein Strohn Reichart Vorinstanzen:

LG Hamburg, Entscheidung vom 30.10.2002 - 411 O 34/02 -

OLG Hamburg, Entscheidung vom 11.04.2003 - 11 U 215/02 -






BGH:
Beschluss v. 17.07.2006
Az: II ZR 163/03


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