Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Februar 2002
Aktenzeichen: 27 W (pat) 365/00

(BPatG: Beschluss v. 19.02.2002, Az.: 27 W (pat) 365/00)

Tenor

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Wortmarke Formicafür

"Computer-Software, Datenträger, Datenverarbeitungsanlagen; Aufstellung, Wartung und Reparatur von Computerhardware; Computerberatungsdienste, Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, Design von Computer-Software, Aktualisierung von Computer-Software, Wartung von Computer-Software, Computersystemanalyse, Wiederherstellung von Computerdaten, Vermietung von Computer-Software"

ist Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren Wortmarke (im folgenden: Widerspruchsmarke 1)

FORMICA am 17. August 1971 eingetragen unter der Nr. 884 517 für

"Gezogene, gegossene und stranggepreßte Platten, Profile, Beschläge und Rohre aus unedlen Metallen, Legierungen davon, Kunststoff oder Metall-Kunststoffverbundmaterial, teilweise bearbeitete unedle Metalle und deren Legierungen zur Verwendung für sich oder in Verbindung mit Kunststoff zur Weiterverarbeitung sowie in der Bau- und Möbelindustrie und für Dekorationszwecke; Kunstharze und synthetische Harze, Kunststoffe im Rohzustand; Kunststoffe in Form von Halbfabrikaten; Isoliermittel; Waren aus Kunststoffen, soweit in Klassen 17, 19, 20 enthalten, Möbel und Teile von Möbeln, die aus oder mit Kunststoff hergestellte Teile enthalten; nichtmetallische Baumaterialien und Konstruktionsteile von transportablen Häusern, auch in Verbindung oder beschichtet mit Kunststoff"

und der unter der Reg.-Nr. 132 696 als Wortmarke für

"Dekorative Kunststofflaminate und festes Oberflächenmaterial in Form von Platten, vorwiegend aus Kunststoff, zur Verwendung bei der Herstellung von Tresenoberflächen, Frisiertischoberflächen, Tischoberflächen, Spülbecken, Badewannen, Wandpaneelen, Fußböden und Möbeln.

Baumaterial, nämlich Kunststofflaminate in Folienform und festes Oberflächenmaterial, vorwiegend aus Kunststoff, in Form von Platten und konkav geformten Teilen zur Verwendung im Bauwesen.

Kunststofflaminat, verkauft als Hauptkomponente von Möbelneingetragenen prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke (im folgenden: Widerspruchsmarke 2)

FORMICA.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Widersprüche zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Widerspruchsmarken hätten nur eine normale Kennzeichnungskraft, da die von der Widersprechenden behauptete erhöhte Kennzeichnungskraft nicht liquide sei. Selbst wenn man auf die zulässige Nichtbenutzungseinrede der Inhaberin der angegriffenen Marke eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke 884 517 für die Waren "Schichtstoffplatten, Mineralwerkstoffe, Epoxidharze" unterstellen würde, scheide eine Verwechslungsgefahr mangels Warenähnlichkeit aus. Die Waren beider Widerspruchsmarken seien zu denen der angegriffenen Marke insbesondere in ihrer stofflichen Beschaffenheit und in ihrem Verwendungs- und Einsatzzweck zu unterschiedlich, als dass sich Berührungspunkte ergeben könnten. Gleiches gelte für die Waren der Widerspruchsmarken und die Dienstleistungen der angegriffenen Marke. Eine Warenähnlichkeit ergebe sich auch nicht aus dem Hinweis der Widersprechenden, es gehöre heute für den Warenbereich der Widerspruchsmarken zu den typischen Nebendienstleistungen, dem Kunden auch Software-Pakete mit Produkt- und Preislisten zur Produktdokumentation sowie zur Planung und visuellen Darstellung der Elemente nach Zusammen- und Einbau zur Verfügung zu stellen; denn selbst wenn dies zutreffe, nehme der Verkehr nicht an, dass die Dienstleistungen der angegriffenen Marke einen selbständigen Geschäftsbetrieb eines Herstellers der Waren der Widerspruchsmarken darstellten. Schließlich lägen auch keine Anhaltspunkte für die von den Widersprechenden behauptete unlautere Beeinträchtigung der Wertschätzung der Widerspruchsmarken durch die angegriffene Marke vor.

Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerden der Widersprechenden.

In der mündlichen Verhandlung haben sie vorgetragen: Wesentlicher Teil ihrer Tätigkeit in bezug auf die von den Widerspruchsmarken - die auf dem in Rede stehenden Warensektor sehr bekannt seien, ja im angelsächsischen Raum bereits als Synonym für die Waren selbst verwendet würden - beanspruchten Waren sei deren Oberflächengestaltung und Design. Als Dienstleistung sei dies allerdings 1971 bei der Widerspruchsmarke 1 nicht eintragungsfähig gewesen. Im Zuge der technischen Entwicklung erfolge diese Tätigkeit nunmehr hauptsächlich über Computerprogramme, mit denen die einzelnen Oberflächen von den späteren Weiterverarbeitern, an die sich ihre Waren ausschließlich richteten, direkt in die Planung und Gestaltung eingebunden und spezifiziert werden könnten. Die entsprechenden Computerprogramme würden auf einer CD-ROM an ihre Kunden weitergegeben, wobei die Entwicklungskosten für diese Programme versteckt im Preis der Ware enthalten seien. Man könne daher diese Software nicht als bloße Hilfsware ansehen. Sofern ihre Kunden unter der identischen angegriffenen Marke vertriebener Software begegneten, bestehe daher die Gefahr, dass sie diese irrtümlich den Widersprechenden zuordneten.

Die Markeninhaberin hat dem in der mündlichen Verhandlung widersprochen. Sie bezweifelt, ob die ausschließlich in englischer Sprache erhältliche CD-ROM im Inland vertrieben und verwendet wird. Im übrigen gehe der Inhalt dieses bislang über das Internet kostenlos erhältlichen Datenträgers nicht über einen üblichen Katalog hinaus und sei daher als bloße Hilfsware anzusehen. Schließlich bestreitet sie auch die von den Widersprechenden behauptete erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die zulässigen (§ 66 Abs 1 MarkenG) Beschwerden haben in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt und auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, hat die Markenstelle die Widersprüche zurückgewiesen, weil die Gefahr von Verwechslungen der einander gegenüberstehenden Marken im Sinne des § 42 Abs 2 Nr 1, § 9 Abs 2 Nr 1 MarkenG trotz ihrer Identität mangels Ähnlichkeit der durch sie erfassten Waren und Dienstleistungen nicht besteht. Das Beschwerdevorbringen bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass.

Die Markenstelle hat zunächst zutreffend ausgeführt, dass die von den Widersprechenden geltend gemachte erhöhte Kennzeichnungskraft der Marken "FORMICA" im Bereich dekorativer Oberflächen in Form von Kunststofflaminaten und Platten weder liquide noch unstreitig ist. Die im Widerspruchsverfahren eidesstattlich versicherten Umsatzzahlen sind zur Darlegung einer erhöhten Kennzeichnungskraft nicht geeignet, da sie - was für die Anerkennung erforderlich wäre - mangels Bekanntgabe des inländischen Gesamtumsatzes der Branche bzw des Marktanteils der Widersprechenden nicht zu einer Vergleichsgröße in Bezug gesetzt werden können. Letztlich kann dies aber auf sich beruhen, weil selbst bei einer unterstellten erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken und Berücksichtigung ihrer Identität eine Verwechslungsgefahr wegen (absoluter) Unähnlichkeit der jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen auszuschließen ist (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 158 - GARIBALDI; 1999, 245 - LIBERO).

Die dekorativen Kunststofflaminate und Platten zur Herstellung der Oberflächen von Inneneinrichtungen und Möbeln, für welche die - noch in der Benutzungsschonfrist befindliche - Gemeinschaftsmarke Nr. 132 696 der Widersprechenden 2 geschützt ist und für die im wesentlichen auch die Benutzung der Marke 884 571 geltend gemacht wird, haben weder mit den Waren "Computer-Software, Datenträger und Datenverarbeitungsgeräte" noch erst recht mit den auf die (Wieder-)Erstellung von EDV-Programmen und die Aufstellung, Wartung und Reparatur von Computerhardware gerichteten Dienstleistungen der angegriffenen Marke Merkmale gemeinsam, die den Verkehr zur der Annahme veranlassen könnten, die Waren/Dienstleistungen stammten aus denselben oder zumindest wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen. Zu den Faktoren, die das Verhältnis der Waren/Dienstleistungen zueinander kennzeichnen, gehören nach ständiger Rechtsprechung insbesondere die Art der Waren, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz 23 - Canon; BGH GRUR 1999, 731 - Canon II).

Die Widersprechende vertreibt ihre Waren zwar zusammen mit einer kostenlos erhältlichen CD-ROM, auf der die Aufnahme sämtlicher Dekore und Texturen ihrer Kollektionen in den verfügbaren Formaten und Qualitäten eingescannt ist und die darüber hinaus für die Weiterverarbeiter (zB Möbel-, Bad- und Küchenhersteller, Unternehmen für Innenausbau, Architekten, aber auch Heimwerker) Anwendungsbeispiele und Verarbeitungshinweise enthalten, wobei die Kunden die von ihnen ausgewählten Dekore via Rending in die eigene Software übernehmen können (vgl die vorgelegte Kopie aus "MATERIAL+TECHNIK", 6/96, S 96 - Bl 59 d VA). Damit handelt es sich bei der CD-ROM aber um eine typische, dem Absatz der Hauptwaren dienende Hilfsware, die - ebenso wie druckschriftliche Werbemittel in Form von Katalogen und Prospekten - mit der Hauptware grundsätzlich als unähnlich zu erachten ist (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl., § 9 Rdn. 62; ferner 27 W (pat) 64/96 vom 19. August 1997 - Bekleidungsstücke unähnlich Katalogen). Dekorative Schichtstoffplatten einerseits und Software samt Datenträgern sind weder nach Art, Verwendungszweck und Nutzung miteinander vergleichbar noch stellen sie miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren dar. Zwar kann gerade in Zeiten des ecommerce Software Dokumentationen und Beschreibungen verschiedenster Produkte enthalten. Hierbei handelt es sich aber - was ja auch bei der von den Widersprechenden vertriebenen CD-ROM der Fall ist - um eine allgemeine (Standard-)Software, mit der ganz verschiedene Inhalte verbunden werden können, so wie mit einem Textverarbeitungsprogramm ja ganz verschiedene Texte hergestellt werden können, ohne dass das Textverarbeitungsprogramm gerade für einen bestimmten Text entwickelt worden ist. Die Inhalte werden mit den speziellen - selbst kein Computerprogramm darstellenden - Daten des jeweiligen Produkts verknüpft. Bei der von den Widersprechenden vertriebenen CD-ROM bestehen diese Daten in den "eingescannten" Aufnahmen aller Dekore ihrer Kollektion. Damit mag eine gegenüber den Printmedien verbesserte Darstellung der Einzelheiten des jeweiligen Produkts verbunden sein; im Kern handelt es sich aber auch bei solchen, die modernen Mittel der Datenverarbeitung nutzenden Darstellungsformen weiterhin um bloße Werbemittel wie die bisher üblichen Prospekte und Kataloge. Soweit die Widersprechende geltend macht, die virtuelle Darstellung der Waren auf der CD-ROM stehe den Waren gleich, weil bei den dekorativen Schichtstoffen bzw Platten die Gestaltung und das Design das Wesen der Ware bestimme, beruht diese Ansicht auf einer unzutreffenden Gleichsetzung des Inhalts der CD-ROM mit der zu seiner Erstellung erforderlichen Software, die als solche mit dekorativen Schichtstofflaminaten und Platten weder nach Art, Verwendungszweck und Nutzung vergleichbar ist noch regelmäßig von demselben Unternehmen hergestellt oder vertrieben wird. Auch das Merkmal einander ergänzender Waren im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (vgl aaO - Canon) ist bei Waren, die ein typisches Hilfsmittel beim Absatz der Hauptware bilden, nicht erfüllt, denn Waren ergänzen sich nur dann gegenseitig, wenn sie beide entweder in ihrer technischen Funktion aufeinander abgestimmt sind oder selbständige Teile einer übergeordneten Gesamtheit bilden, so dass beim Verkehr wegen dieser Übereinstimmung die Vorstellung aufkommen kann, die Waren würden unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens oder jedenfalls wirtschaftlich verbundener Unternehmen hergestellt. Hiervon ist aber bei Waren, die dem Verkehr eindeutig im Verhältnis von Haupt- und Hilfsware entgegentreten, nicht auszugehen.

Es ist auch weder bekannt noch von den Widersprechenden vorgetragen, dass die Hersteller dekorativer Kunststofflaminate oder Platten üblicherweise Computerprogramme für die Planung und Gestaltung von Möbeln oder Inneneinrichtungen unter Verwendung der betreffenden Dekoroberflächen erstellen und Interessenten als selbständige Dienstleistung anbieten. Wenn eine solche Dienstleistung im übrigen tatsächlich Bestandteil der Geschäftstätigkeit der Widersprechenden wäre, hätte hierfür spätestens mit der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke Schutz beansprucht werden können.

Der Verkehr hat nach alledem keinen Anlass, die EDV-bezogenen Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke dem Hersteller dekorativer Kunststofflaminate oder Platten zuzurechnen. Vielmehr wird er - nicht zuletzt wegen der erforderlichen Hinweise auf bestehende Urheber- und Markenrechte der Softwarehersteller auf den Datenträgern selbst, wie sie auch auf dem von den Widersprechenden eingereichten Muster der CD-ROM angebracht sind - davon ausgehen, dass Software von Softwareproduzenten angeboten bzw erstellt wird, die mit dem Hersteller der Waren in der Regel nichts zu tun haben.

Träfe die Argumentation der Widersprechenden im übrigen zu, wäre Software mit allen Waren und Dienstleistungen ähnlich, die grundsätzlich Gegenstand von Computerprogrammen sein können (was letztlich für sämtliche Waren und Dienstleistungen zutrifft), auch wenn sie mit Datenverarbeitung selbst auch nicht im weiteren Sinne irgendetwas gemein haben; dies würde - übrigens in beiderlei Richtungen - letztlich zu einer unangemessenen Behinderung des Wettbewerbs führen.

Da somit eine Ähnlichkeit der von den Vergleichsmarken beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht besteht, scheidet trotz gegebener Identität der einander gegenüberstehenden Zeichen eine Verwechslungsgefahr i.S.d. § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG aus, so dass die Markenstelle zu Recht die Widersprüche der Widersprechenden zurückgewiesen hat. Den hiergegen eingelegten Beschwerden der Widersprechenden war daher der Erfolg zu versagen.

Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG verwiesen.

Dr. Schermer Albert Schwarz Fa






BPatG:
Beschluss v. 19.02.2002
Az: 27 W (pat) 365/00


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