Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. April 2007
Aktenzeichen: 30 W (pat) 163/05

(BPatG: Beschluss v. 16.04.2007, Az.: 30 W (pat) 163/05)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. August 2005 aufgehoben.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist C70 für die Waren Telefone, Mobiltelefone; Akkus, Batterien, Zubehör für Mobiltelefone, nämlich Halterungen, Freisprechsets, Ladekabel, Ladegeräte, Ladestationen, Kopfhörer, Mausgeräte, Chipkarten; Kommunikationscomputer; Software; Kameras Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. "C70" sei eine bei technischen Geräten allgemein übliche Typenkennzeichnung, die - ohne betriebskennzeichnenden Charakter zu haben - eine rein technische Funktion erfülle. "C70" werde bereits von verschiedenen Herstellern für unterschiedliche Produkte als Typenkennzeichnung verwendet, die mit den beanspruchten Waren ähnlich oder identisch seien. Sie verweist hierzu auf eine Bezeichnung für einen Drucker, ein Automodell, ein Navigationsgerät sowie eine Digitalkamera.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie führt hierzu im Wesentlichen aus, ein Freihaltebedürfnis aufgrund einer Typenbezeichnung wäre nur dann vertretbar, wenn sich die betreffende Typenkennzeichnung für eine ganz bestimmte Produktart unabhängig von der Unternehmensherkunft im allgemeinen Sprachgebrauch durchgesetzt hätte, so dass jeder mit der betreffenden Bezeichnung eine Produkteigenschaft verbinden würde. Die von der Markenstelle aufgeführten Verwendungsbeispiele beträfen andere Produktgruppen als die hier beanspruchten Waren und gäben keine Beschreibung von Wareneigenschaften. Im Bereich der Mobiltelefone sei die markenmäßige Verwendung von Buchstaben/Zahlenkombinationen üblich.

Sie beantragt, den Beschluss der Markenstelle vom 11. August 2005 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke stehen die absoluten Eintragungshindernisse des § 8 Absatz 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nicht entgegen.

1. Nach § 8 Absatz 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Bei Buchstaben ist eine Eignung zur Beschreibung insbesondere zu bejahen, sofern diese als unmittelbar beschreibende Angaben, vor allem als Typen-, Maß-, Größen- oder Qualitätsangaben usw. für die beanspruchten Waren in Betracht kommen (vgl. BPatGE 37, 44, 47 ff. - VHS; BPatG GRUR 2003, 345, 346 - Buchstabe K; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. § 8 Rdn. 244 m. w. N.).

Ein schutzhinderndes Freihalteinteresse kann sich daneben auch auf Buchstaben als Abkürzungen von Art- oder Beschaffenheitsangaben erstrecken. Schutzunfähig sind jedoch nur Abkürzungen, die im Verkehr als solche gebräuchlich oder aus sich heraus verständlich sind sowie von den beteiligten Verkehrskreisen ohne Weiteres der betreffenden Beschaffenheitsangabe gleichgesetzt und insoweit verstanden werden können (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 328, 330 (Nr. 31-34) - TDI).

Für eine Zurückweisung wegen Schutzunfähigkeit muss in einer auf die beanspruchten Waren bezogenen "Einzelfallbeurteilung" festgestellt werden, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Annahme besteht, dass derartige Buchstaben auf dem einschlägigen Gebiet als beschreibende Angaben benutzt und benötigt werden können (vgl. BGH GRUR 2002, 261, 262 - AC; GRUR 2003, 343, 344 - Buchstabe Z).

Dagegen ist vielfach Schutzfähigkeit dann gegeben, wenn Buchstabenverbindungen in sehr umfangreichen Abkürzungsverzeichnissen für eine Vielzahl von verschiedenen Begriffen verwendet werden (vgl. BPatGE 38, 182 - MAC; BPatG GRUR 1998, 731, 732 - DSS; GRUR 1999, 330 - CT). Dabei kann von einer schutzbegründenden Unbestimmtheit ausgegangen werden, wenn eine derartige begriffliche Ungenauigkeit erreicht ist, dass die fragliche Angabe zur konkreten Beschreibung der betreffenden Waren nicht mehr geeignet erscheint (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 211 m. w. N.).

Hinsichtlich der Schutzfähigkeit von Zahlen gilt Entsprechendes, wobei hierfür wegen der häufigen Nichtersetzbarkeit durch andere Angaben - z. B. als Preis-, Mengen- und Maßangaben - strengere Maßstäbe anzusetzen sind. Erforderlich ist auch hier eine auf die beanspruchten Waren bezogene "Einzelfallbeurteilung", welche dieselbe Zahl branchenbedingt als schutzfähig oder nicht schutzfähig erscheinen lassen kann (vgl. BGH GRUR 2002, 970, 972 - Zahl 1; Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 245 m. w. N.).

Bei Kombinationen von Zahlen und Buchstaben schließlich besteht ein Freihaltebedürfnis i. d. R. nur dann, wenn die jeweilige Verbindung eine konkrete Fachangabe (z. B. eine Bezeichnung von Normen) bedeutet (vgl. BGH GRUR 2002, 884, 885 - B-2 alloy; BGH PAVIS PROMA I ZB 15/99 D-205; BPatG GRUR 1998, 404 - A 3; BPatG BlPMZ 1998, 478 - C 1).

Im vorliegenden Fall hat der Senat keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass der Buchstabe "C" für sich oder die Zahl "70" in Alleinstellung im betroffenen Warengebiet entweder selbst eine beschreibende Sachangabe im Sinne einer Typen-, Maß-, Größen- oder Qualitätsangabe darstellen oder als Abkürzung einer solchen beschreibenden Sachangabe üblicherweise verwendet werden. Auch in ihrer Kombination "C70" lassen sich hierfür keine Anhaltspunkte finden.

Der Buchstabe C wird zwar als Abkürzung im Deutschen und im Englischen in zahlreichen Bedeutungen verwendet, die zum Teil auch im vorliegenden Warengebiet einschlägig sind, wie z. B. u. a. für die (elektrische) Kapazität, für Code, Computer, Steuerung oder Steuereinheit, für die Programmiersprache C oder das frühere C-Netz im Mobilfunk sowie für die englischen Begriffe cell, circuit, connect, control (vgl. Heinz Koblischke, Bertelsmann Lexikon der Abkürzungen, 1994; Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bertelsmann; Peter Wennrich, Internationales Verzeichnis der Abkürzungen und Akronyme der Elektronik, Elektrotechnik, Computertechnik und Informationsverarbeitung, Saur 1992; Amkreutz, Abkürzungen der Informationsverarbeitung, Datakontext 1986; Dean Stahl, Karen Kerchelich Abbrevations Dictionary, CRC Press 2001). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass Buchstaben, die als Abkürzung für zahlreiche verschiedene Begriffe genannt sind, sich häufig nicht zur beschreibenden Verwendung eignen. Eine vieldeutige Abkürzung - die von Haus aus nicht dieselbe Bedeutung hat wie die zugrunde liegenden Fachausdrücke - eignet sich hierfür nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass im Wesentlichen nur eine der Bedeutungen für die angemeldeten Waren in Betracht kommt (vgl. BPatGE 40, 85 - CT).

Für die Zahl "70" lässt sich für das einschlägige Warengebiet ebenso wenig eine beschreibende Bedeutung feststellen.

Auch die Kombination "C70" hat im einschlägigen Warengebiet keinen konkreten Bedeutungsgehalt. Soweit die Markenstelle sich für die Feststellung einer beschreibenden Bedeutung auf die Verwendung der Kombination "C70" in anderen Produktbereichen bezieht, kann hieraus allein nicht auf die Schutzunfähigkeit geschlossen werden. Zum Einen ist schon in den zum Vergleich herangezogenen Warenbereichen eine beschreibende Verwendung der Buchstaben-Zahlenkombination nicht festgestellt, zum Anderen erfordert die Zurückweisung eine Einzelfallprüfung im jeweiligen Warengebiet.

Für den hier betroffenen Bereich der Mobiltelefone samt Zubehör, Kommunikationscomputer, Software und Kameras ergeben sich nach Auffassung des Senats keine sicheren Anhaltspunkte für die Feststellung des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses an der Kombination "C70".

Zwar ist es im Bereich dieser Waren üblich, diese mit Buchstaben oder Zahlen oder Kombinationen hieraus zu bezeichnen; es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass sich hierfür bei den zahlreichen Herstellern eine einheitliche oder systematische Bezeichnungspraxis in dem Sinne herausgebildet hätte, dass bestimmten Buchstaben oder Zahlen sowie den Kombinationen daraus eine bestimmte beschreibende Bedeutung (z. B. Leistungsmerkmale) zuzuordnen wäre. Nach den Feststellungen des Senats erscheinen die gewählten Bezeichnungen vielmehr zum Einen von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich, zum Anderen auch beim gleichen Hersteller nicht einer an einer bestimmten, konkret beschreibenden Bedeutung ausgerichteten einheitlichen Bezeichnungspraxis folgend, in die sich die angemeldete Bezeichnung "C70"" einreihen ließe.

So hat die Anmelderin selbst zwar bereits mehrere Mobiltelefone unter Verwendung einer Bezeichnung mit dem Buchstaben "C" und einer nachfolgenden Zahl angeboten wie z .B. "C 35, C 45, C 60" (vgl. Google unter dem Stichwort "siemens handy c"), der jeweiligen Kombination lässt sich jedoch keine beschreibende Bedeutung entnehmen.

Damit ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kombination "C70" im hier einschlägigen Warenbereich eine feste und einheitlich zugeordnete Bedeutung hat. Es handelt sich damit nicht um eine allgemein übliche Fachangabe in Herstellerkreisen für einen bestimmten Typ der beanspruchten Waren, sondern nur, dass es als herstellerspezifisches und betriebsinternes Bestellzeichen entweder für die Waren der Markeninhaberin oder von Mitbewerbern verwendet wird, etwa um damit auf eine bestimmte herstellerinterne Serie hinzuweisen Da sich das Freihaltebedürfnis nur auf die Sachangaben als solche und nicht auf deren Abwandlungen oder individuell geschaffene Abkürzungen bezieht, die keine aus sich selbst heraus verständliche Sachaussage vermitteln, ist auch diese herstellerspezifische Abkürzung nicht freihaltebedürftig (vgl. BPatG 30 W (pat) 010/01 - E210 -PAVIS PROMA CD-ROM, Knoll).

2. Der angemeldeten Kombination fehlt auch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Anmeldung erfassten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Nicht unterscheidungskräftig sind danach Bezeichnungen, bei denen es sich um warenbeschreibende Angaben oder gebräuchliche Wörter der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als betriebliches Unterscheidungskennzeichen verstanden werden (vgl. BGH in st. Rspr. GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; BlPMZ 2000, 332, 333 - LOGO).

Damit kann Verbindungen von Zahlen und Buchstaben eine hinreichende Unterscheidungskraft zukommen, soweit sie keine beschreibende Bedeutung aufweisen. Eine andere Betrachtungsweise kann jedoch für Bereiche geboten sein, in denen solche Buchstaben-Zahlen-Verbindungen als sachbezogene Angaben oder Bezeichnungen von Normen üblich sind. Also auch dann, wenn für die konkrete Buchstaben/Zahlenkombination keine beschreibende Bedeutung belegt werden kann, mangelt es dem Zeichen an Unterscheidungskraft nur dann, wenn sich das Zeichen zwanglos in eine bereits existierende, beschreibend verwendete Bezeichnungsreihe einordnen lässt (vgl. BGH a. a. O. - B-2 alloy; 30 W (pat) 16/04 - B3-alloy - PAVIS PROMA CD-ROM, Kliems; BGH I ZB 015/99 - D-205 PAVIS PROMA CD-ROM, Knoll; 30 W (pat) 13/04 - D 205 - PAVIS PROMA CD-ROM, Kliems).

Der angemeldeten Bezeichnung "C70" kann - wie dargelegt - in dieser Zusammensetzung kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden. Insbesondere konnten keine Ähnlichkeiten oder strukturelle Gemeinsamkeiten festgestellt werden mit Bezeichnungssystemen, die sich etwa den aus DIN-Normen oder vergleichbaren in den einschlägigen Warenbereichen einheitlich geltenden oder vereinbarten Regelungen entnehmen lassen.

Anhaltspunkte für ein sonstiges, zwar außerhalb des Bereiches unmittelbar beschreibender Angaben liegendes, gleichwohl die Unterscheidungseignung der Marke ausschließendes Verständnis der Bezeichnung "C 70" (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 679 [Nr. 86] - PostKantoor; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch) sind nicht erkennbar geworden.

Da der angemeldeten Bezeichnung aus den dargelegten Gründen für die beanspruchten Waren kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und sich auch nicht feststellen lässt, dass das angemeldete Zeichen stets nur in seinem Wortsinn und nicht auch als Marke verstanden wird (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O., § 8 Rdn. 110), fehlt "C 70" auch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Absatz 2 Nr. 1 MarkenG.






BPatG:
Beschluss v. 16.04.2007
Az: 30 W (pat) 163/05


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