Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Urteil vom 23. März 1999
Aktenzeichen: 9 S 1158/97

(VGH Baden-Württemberg: Urteil v. 23.03.1999, Az.: 9 S 1158/97)

1. Die Zulassung zur Eignungsprüfung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft setzt voraus, daß der Bewerber ein Diplom erlangt hat, das ihm den unmittelbaren Zugang zum Rechtsanwaltsberuf in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ermöglicht.

Ein österreichischer Staatsangehöriger, der zwar das juristische Hochschulstudium erfolgreich abgeschlossen hat, aber weder den Vorbereitungsdienst durchlaufen noch die Rechtsanwaltsprüfung abgelegt hat, erfüllt diese Voraussetzung nicht. Eine langjährige juristische Tätigkeit in einem Rechtsanwaltsbüro in Deutschland ändert hieran nichts.

Tatbestand

Der am XXX in XXX geborene Kläger, ein österreichischer Staatsangehöriger, beantragte mit Schreiben vom 6.10.1995 die Zulassung zur Eignungsprüfung für Rechtsanwälte und trug vor, er habe sein Studium der Rechts- und Staatswissenschaft an der Universität XXX erfolgreich abgeschlossen und am 25.3.1971 den Grad "Doktor der Rechtswissenschaften'' an der Universität XXX erworben. Anschließend sei er Hochschulassistent und Lehrbeauftragter des Instituts für Bürgerliches Recht an der Universität XXX gewesen. Von September 1972 bis 1987 habe er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Kanzlei eines BGH-Anwalts gearbeitet, derzeit sei er Justitiar in einer Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Ein Diplom, wonach er in Österreich die für den unmittelbaren Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts erforderliche praktische Ausbildung abgeleistet und an der dortigen Rechtsanwaltsprüfung erfolgreich teilgenommen habe, könne er nicht vorlegen. Nach dem Gesetz über die Eignungsprüfung sei eine Berechtigung zur Ablegung dieser Prüfung auch dann gegeben, wenn der Bewerber den Rechtsanwaltsberuf tatsächlich und rechtmäßig mindestens drei Jahre ausgeübt habe. Er habe als wissenschaftlicher Mitarbeiter über 15 Jahre BGH-Anwaltsfunktionen ausgeübt und könne vielfältige Tätigkeiten in den Tatsacheninstanzen nachweisen.

Mit Bescheid vom 29.12.1995 lehnte das Justizministerium Baden-Württemberg - Landesjustizprüfungsamt - den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger könne nicht zur Eignungsprüfung zugelassen werden. Er habe kein Diplom erlangt, das belege, daß er über die beruflichen Voraussetzungen verfüge, die für den unmittelbaren Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union erforderlich seien. In Österreich sei hierfür die Ableistung einer praktischen Ausbildung und die erfolgreiche Teilnahme an der Rechtsanwaltsprüfung erforderlich, der erfolgreiche Abschluß des Hochschulstudiums reiche nicht aus. Mit am 7.8.1996 zur Post gegebenem Schreiben änderte das Justizministerium die dem Bescheid beigefügte unrichtige Rechtsmittelbelehrung.

Am 16.8.1996 hat der Kläger Klage erhoben und vorgetragen, nach § 1 Abs. 2 Satz 2 EigPrüfG sei ein Bewerber zuzulassen, wenn er den Rechtsanwaltsberuf in einem der EU-Staaten tatsächlich und rechtmäßig mindestens drei Jahre ausgeübt habe. Er sei in der BGH-Rechtsanwaltskanzlei eigenverantwortlich mit der Bearbeitung von Revisionssachen betraut gewesen, obwohl er die Befähigung zum Richteramt nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland nicht besitze und deshalb auch die Zugangsvoraussetzung für die selbständige Ausübung des Anwaltsberufs nicht erfülle. Dieser besondere Umstand rechtfertige es, ihm die Berechtigung zur Ablegung der Eignungsprüfung zuzubilligen. Hierfür sei nicht erforderlich, daß er bereits in einem anderen Mitgliedsstaat als Rechtsanwalt zugelassen sei. Es genüge, daß er über die beruflichen Voraussetzungen verfüge, die für den unmittelbaren Zugang zu dem Anwaltsberuf erforderlich seien. Es sei deshalb für die Zulassung zur Eignungsprüfung ausreichend, daß er über die Befähigung zur Ausübung des Anwaltsberufs verfüge. In der Rechtsprechung sei sogar bei der unmittelbaren Anwaltszulassung anerkannt worden, daß eine Formalvoraussetzung durch einen bestimmten beruflichen Werdegang ersetzt werden könne. Es gehe nicht an, einem hochqualifizierten Juristen aus Österreich nach einer langjährigen anwaltschaftlichen Tätigkeit in der Bundesrepublik die Möglichkeit zu versagen, auch die formelle Legitimation für die ausgeübte Tätigkeit zu erhalten. Seine langjährige Berufstätigkeit könne und müsse einer Befugnis zur Ausübung des Anwaltsberufs in Österreich gleichgestellt werden.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, Zweck der durch das Gesetz über die Eignungsprüfung umgesetzten EU-Richtlinie sei es den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern, indem den Angehörigen der Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet werde, ihren Beruf auch in anderen Mitgliedstaaten als dem auszuüben, in dem sie ihre berufliche Qualifikation erworben hätten. Es müsse also immer bereits eine berufliche Qualifikation erworben worden sein, die dann in ihrer Geltung auf andere Mitgliedstaaten erstreckt werden könne. Keinesfalls könne und solle eine vorher nicht vorhandene Befähigung durch die Eignungsprüfung erst begründet und dem Bewerber zuerkannt werden. Eine Qualifikation als Rechtsanwalt habe der Kläger nie besessen, er habe diesen Beruf auch zu keiner Zeit weder in Deutschland noch in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgeübt. Daß der Kläger aufgrund seiner Vorbildung und seiner langjährigen juristischen Tätigkeit in materieller Hinsicht die Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung des Anwaltsberufs besitze, werde nicht bestritten, sei jedoch nicht entscheidungserheblich. Es sei nicht unbillig oder unverhältnismäßig, daß der Gesetzgeber allein auf den formellen Befähigungsnachweis und nicht auf die materielle Befähigung abstelle.

Mit Urteil vom 24.2.1997 - 12 K 2636/96 - hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Zulassung zur Eignungsprüfung. Er verfüge nicht über die beruflichen Voraussetzungen für einen unmittelbaren Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts in Österreich. Dieses Erfordernis sei nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 2 EigPrG entbehrlich, vielmehr stelle diese Regelung zusätzliche Anforderungen auf. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, in Deutschland anwaltlich tätig gewesen zu sein. Seine berufliche Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent bei einem BGH-Anwalt sei nicht als anwaltliche Tätigkeit zu qualifizieren. Die Nichtzulassung des Klägers stehe im Einklang mit den einschlägigen EU-Richtlinien und der Rechtsprechung des EuGH. Das Urteil wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 5.3.1997 zugestellt.

Zur Begründung seiner mit Beschluß des Senats vom 13.5.1997 - 9 S 939/97 - zugelassenen Berufung trägt der Kläger ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen vor, es widerspräche dem Sinn und Zweck der Richtlinie des Rates vom 21.12.1988 und der Vorschriften des EigPrG, wenn ungeachtet seines in Deutschland entstandenen Berufsbildes als weitere Voraussetzung für die Zulassung zur Eignungsprüfung verlangt werde, zunächst noch den unmittelbaren Zugang zum Anwaltsberuf in Österreich herbeizuführen. Durch die Richtlinie solle dem einzelnen EU-Bürger mit Hochschuldiplom die Möglichkeit eröffnet werden, seinen Beruf auch im Aufnahmestaat auszuüben, sofern sichergestellt sei, daß er hierfür die entsprechende Qualifikation besitze. Es sei unberücksichtigt geblieben, daß nach Art. 48 und 52 EGV der Aufnahmestaat stets verpflichtet sei, in seinem Gebiet erworbene Berufserfahrungen zu berücksichtigen. Auch der EuGH habe auf das Recht abgestellt, die Befähigung durch den Nachweis erfolgreicher Praxis zu erbringen. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter nicht als anwaltliche Tätigkeit angesehen. Er sei zwar nicht als Anwalt zugelassen gewesen, habe aber ausschließlich anwaltlich gearbeitet und eigenverantwortlich Revisionsverfahren bearbeitet, die materiell eine gesteigerte Anwaltsqualifikation voraussetzten. Sinn und Zweck der Eignungsprüfung sei, daß der Bewerber den Nachweis erbringe, daß er die für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in der Bundesrepublik Deutschland erforderlichen Kenntnisse im deutschen Recht erworben habe. Dies sei aber bei ihm ohne Zweifel der Fall, wie selbst der Beklagte eingeräumt habe. Seit 1996 sei er wieder als juristischer Mitarbeiter in einem Anwaltsbüro tätig.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24.02.1997 - 12 K 2636/96 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Justizministeriums Baden-Württemberg - Landesjustizprüfungsamt - vom 29.12.1995 zu verpflichten, ihn zur Eignungsprüfung für Rechtsanwälte aus der Europäischen Union zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, Voraussetzung für die Zulassung zur Eignungsprüfung sei immer, daß der Bewerber die förmliche Rechtsanwaltsbefähigung besitze. Es könne lediglich das Erfordernis, daß das Diplom aufgrund einer Ausbildung in dem betreffenden Mitgliedsstaat der EU erworben sein müsse, ersetzt werden durch den Nachweis, daß der Bewerber den Beruf des Rechtsanwalts in dem Mitgliedsstaat tatsächlich und rechtmäßig mindestens drei Jahre ausgeübt habe. Im übrigen sei in keinem Fall Zweck der Eignungsprüfung, eine nicht vorhandene Anwaltsbefähigung neu zu begründen. Stets sei Voraussetzung für die Zulassung zur Eignungsprüfung, daß der Bewerber die Anwaltsbefähigung bereits besitze entweder durch Erwerb in einem EU-Land oder durch Erwerb in einem Drittland, wobei letzterenfalls eine dreijährige rechtmäßige Anwaltstätigkeit in einem EU-Land hinzukommen müsse.

Dem Senat liegen die Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf diese Akten und die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zulassung zur Eignungsprüfung für Rechtsanwälte.

Die Zulassung zur Eignungsprüfung wird versagt, wenn der Antragsteller die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt oder die durch Rechtsverordnung zu bestimmenden Unterlagen oder Erklärungen nicht vorlegt oder nicht abgibt (§ 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Eignungsprüfung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft - EigPrG - vom 06.07.1990 i.d.F. des Gesetzes vom 27.09.1993 und der Verordnung vom 29.01.1995 (BGBl. I, S. 142)). So liegt es hier. Nach § 1 Abs. 1 EigPrG hat ein Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaats der Europäischen Gemeinschaften, der ein Diplom erlangt hat, aus dem hervorgeht, daß der Inhaber über die beruflichen Voraussetzungen verfügt, die für den unmittelbaren Zugang zu einem der in der Anlage zu dieser Vorschrift aufgeführten Berufe erforderlich sind, vor der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft eine Eignungsprüfung abzulegen. Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, daß diese Vorschrift nicht nur die Pflicht zur Ablegung dieser Prüfung festlegt, sondern auch die Voraussetzungen für die Zulassung zu dieser Prüfung regelt (vgl. auch Amtl. Begr. zum Gesetzentwurf vom 21.12.1989 (BT. Drucks. 11/6154) zu § 4). Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck dieser Regelungen.

Mit den Vorschriften des EigPrG wird die Richtlinie des Rates vom 21.12.1988 - 89/48/EWG - über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen - Richtlinie (Abl EG 1989, Nr. L 19, S. 16 = NVwZ 1990, 45) - für den Beruf des Rechtsanwalts in deutsches Recht umgesetzt (Überschrift zum Gesetz vom 6.7.1990, a.a.O.). Die Richtlinie soll dazu beitragen, für einen wichtigen Bereich des Berufsrechts eine der grundlegenden Aufgaben der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Hindernisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr zu beseitigen, zu verwirklichen (Amtl. Begründung zum Gesetzentwurf a.a.O.) und für den Bereich der reglementierten Berufe, die nach nationalen Vorschriften ein Hochschuldiplom voraussetzen, die darin liegenden Hindernisse für die freie Niederlassung zu beseitigen. Dies geschieht nach der Richtlinie auf die Weise, daß im Herkunftsstaat erworbene Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstige Befähigungsnachweise, aus denen hervorgeht, daß der Inhaber ein mindestens dreijähriges Studium absolviert und gegebenenfalls die über das Studium hinaus erforderliche berufliche Ausbildung abgeschlossen hat und über die beruflichen Voraussetzungen verfügt, die für den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in diesem Mitgliedstaat erforderlich sind (Art. 1a der Richtlinie), allgemein als gleichwertige berufsqualifizierende Prüfungen anerkannt werden. Dabei ist der Aufnahmestaat nicht gehindert, ebenfalls die Ablegung einer Eignungsprüfung zu verlangen, wenn die bisherige Ausbildung sich auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Diplom abgedeckt werden, das in dem Aufnahmestaat vorgeschrieben ist (Art. 4 Abs. 1b der Richtlinie). Hieraus ergibt sich, daß die Eignungsprüfung auf der im Herkunftsstaat erworbenen berufsqualifizierenden Prüfung aufbaut und zu dieser hinzukommen muß, zumal das Bestehen der Eignungsprüfung unmittelbar die Möglichkeit des Zugangs zum Beruf des Rechtsanwalts eröffnet (§ 4 BRAO). Die Entscheidung für die Eignungsprüfung als Voraussetzung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verlangt, daß vor der Zulassung zur Eignungsprüfung ein berufsqualifizierendes, den unmittelbaren Zugang zum Rechtsanwaltsberuf eröffnendes Diplom im Sinne der Richtlinie vorliegen muß (Feuerich, NJW 1991, 1144 (1146 re. Sp.)). Die Richtlinie setzt eine abgeschlossene Berufsausbildung voraus (BVerwG, Beschl. vom 10.7.1996 - 6 B 8.95 -, BayVBl. 1997,152 (153)).

Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht. Er hat nicht aufgrund einer Ausbildung entweder innerhalb oder außerhalb (vgl. hierzu § 1 Abs. 2 Satz 2 EigPrG) der Europäischen Gemeinschaften ein Diplom erlangt, aus dem hervorgeht, daß er über die beruflichen Voraussetzungen verfügt, die für den unmittelbaren Zugang zu einem der in der Anlage zu dieser Vorschrift aufgeführten Berufe erforderlich sind. Zwar hat er sein Hochschulstudium erfolgreich abgeschlossen und den akademischen Grad eines Doktors der Rechte an einer in der Republik Österreich gelegenen Universität erlangt. Damit hat er aber nur eine der Voraussetzungen für den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf in Österreich erfüllt (vgl. § 1 Abs. 1 und 2 des österreichischen Rechtsanwaltsordnungsgesetzes - RAO) erfüllt. Hinzu kommen müssen die praktische Verwendung in der gesetzlichen Art und Dauer (§ 1 Abs. 2 d RAO) und die mit Erfolg zurückgelegte Rechtsanwaltsprüfung (§ 1 Abs. 2e RAO). Diese Erfordernisse erfüllt der Kläger nicht. Sein Hochschulabschluß und der Erwerb des Doktor-Grades stellen kein Diplom dar, das ihm in Österreich den unmittelbaren Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts (vgl. die Anlage zu § 1 EigPrG "Österreich'') eröffnet.

Auf § 1 Abs. 2 Satz 2 EigPrG kann sich der Kläger weder direkt noch analog berufen. Nach dieser Vorschrift berechtigt ein Diplom auf Grund einer Ausbildung, die nicht überwiegend in den Europäischen Gemeinschaften stattgefunden hat, zur Ablegung der Eignungsprüfung, wenn der Inhaber einen in der Anlage zu dieser Vorschrift aufgeführten Beruf tatsächlich und rechtmäßig mindestens drei Jahre ausgeübt hat und dies vom Mitgliedstaat bescheinigt wird, der das Diplom ausgestellt oder anerkannt hat. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt diese Vorschrift keine geringeren Anforderungen an die Zulassung zur Eignungsprüfung, sondern trifft eine Sonderregelung für den Fall, daß die dem Diplom zugrundeliegende Ausbildung außerhalb der Europäischen Gemeinschaften stattgefunden hat. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, daß in einzelnen Mitgliedstaaten der Zugang zu bestimmten reglementierten Berufen auch Personen eröffnet wird, die ihr Diplom aufgrund einer Ausbildung erworben haben, die nicht überwiegend in der Gemeinschaft stattgefunden hat; anerkennt ein Mitgliedstaat ein in einem Drittland erworbenes Diplom, so gehört der Inhaber dieses Diploms zu dem von der Richtlinie begünstigten Personenkreis, wenn er den Beruf drei Jahre lang tatsächlich und rechtmäßig ausgeübt hat (Amtl. Begründung a.a.O.). Voraussetzung für die Zulassung ist aber auch in diesem Fall, daß der Bewerber ein den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf ermöglichendes Diplom erlangt hat, zu dessen Erwerb dann noch eine mindestens dreijährige berufliche Tätigkeit hinzukommen muß. Auch in diesem Fall wird das erforderliche Diplom nicht durch eine berufliche Tätigkeit ersetzt.

Die Gleichstellung seiner beruflichen Tätigkeit mit der Erlangung eines Diploms im Wege einer Analogie ist ausgeschlossen. Hierfür gibt es keinen entsprechenden rechtlichen Ansatzpunkt. Die Vorschriften des EigPrG sind abschließend. Sie regeln ausschließlich die Anerkennung bestimmter im Ausland erworbener berufsqualifizierender Diplome und die Voraussetzungen, unter denen ein solches Diplom die Berufsausübung in Deutschland ermöglicht. Anknüpfungspunkt ist immer das Vorliegen eines solchen Diploms. Für eine erweiternde Auslegung oder Analogie ist angesichts dieses eindeutigen Wortlauts kein Raum. Außerdem ist sowohl im Herkunftsstaat des Klägers als auch in Deutschland vorgeschrieben, daß der Erwerb der für die Berufsausübung erforderlichen Kenntnisse durch die erfolgreiche Ablegung von Prüfungen und nicht durch praktische Tätigkeiten nachgewiesen wird. Die Möglichkeit, diesen Nachweis statt durch eine Staatsprüfung durch eine mehrjährige Berufstätigkeit zu erbringen, sieht das nationale Recht nicht vor. Sie kann deshalb auch ein Angehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften nicht beanspruchen.

Aus dem vom Kläger herangezogenen Urteil des VG Düsseldorf vom 21.1.1996 (NJW 1997, 339) ergibt sich nichts anderes. In diesem Verfahren ging es um die Frage, ob der dortige Kläger, der bereits zur Eignungsprüfung zugelassen war, Anspruch darauf hat, daß ihm bei der Eignungsprüfung schriftliche Prüfungsleistungen nach § 5 der Verordnung über die Eignungsprüfung erlassen werden, weil er durch ein Prüfungszeugnis nachgewiesen hat, daß er in seiner bisherigen Ausbildung die für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in Deutschland erforderlichen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Kenntnisse im deutschen Recht erworben hat. Dies stellt einen ganz anderen Sachverhalt als den im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden dar, auch sind die Ausführungen dazu, welche Anforderungen an ein derartiges Prüfungszeugnis zu stellen sind, nicht zur Beantwortung der Frage geeignet und aussagekräftig, ob im Fall des Klägers des vorliegenden Verfahrens allein die materielle Befähigung ohne formellen Nachweis für die Zulassung zur Eignungsprüfung ausreicht.

Gleiches gilt für die vom Kläger zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.10.1995 (BGHZ 131, 129). In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, ein umfassendes juristisches Hochschulstudium im Ausland, das von der DDR aufgrund von Äquivalenzvereinbarungen anerkannt worden sei, könne die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 des damals noch gültigen Rechtsanwaltsgesetzes der DDR für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erfüllen. Diese Ausführungen sind nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Sie betreffen die Auslegung einer speziellen Regelung des Anwaltsgesetzes der DDR in Verbindung mit (Äquivalenz-)Vereinbarungen der DDR mit der UdSSR und sind deshalb nicht verallgemeinerungsfähig in dem Sinn, daß auch vorliegend die bloße materielle Befähigung für die Zulassung zur Eignungsprüfung ausreichen müsse, zumal der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ein von der DDR anerkanntes sowjetisches juristisches Diplom zugrunde lag.

Die Regelungen des EigPrG und die Auslegung dieser Vorschriften durch den Senat stehen in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Insbesondere ergibt sich eine Pflicht, die langjährige berufliche Tätigkeit des Klägers in Deutschland ersatzweise als Voraussetzung für die Zulassung zur Eignungsprüfung anzuerkennen, weder aus Art. 52 EGV noch aus der Richtlinie.

Das Recht auf freie Niederlassung, um die es vorliegend allein geht (vgl. EuGH, Urt. vom 30.11.1995 - C-55/94 -, DVBl. 1996, 145 = JZ 1996, 465), umfaßt die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit nach den Bestimmungen des Niederlassungsstaates für seine eigenen Angehörigen (Art. 52 Abs. 2 EGV). Wie der Europäische Gerichtshof entschieden hat, kann die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten von der Beachtung bestimmter durch das Allgemeininteresse gerechtfertigter Rechts- und Verwaltungsvorschriften, wie der Vorschriften über Organisation, Qualifikation, Standespflichten, Kontrolle und Haftung, abhängig gemacht werden (EuGH, Urt. vom 30.11.1995 - C-55/94 (Gebhard) -, DVBl. 1996, 145). Solange es an einer Harmonisierung der Voraussetzungen für den Zugang zu einem Beruf fehlt, dürfen die Mitgliedstaaten in diesen Vorschriften festlegen, welche Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung dieses Berufs notwendig sind, und vorsehen, daß die Ausübung einer spezifischen Tätigkeit je nach Lage des Falles den Inhabern eines Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises oder den Angehörigen eines bestimmten Berufsstandes vorbehalten ist. (EuGH, Urt. vom 7.5.1991, NJW 1991, 2073 (Vlassopoulou) und vom 30.11.1995 - C-55/94 - a.a.O.). Unterliegt die Ausübung oder Aufnahme einer spezifischen Tätigkeit im Aufnahmemitgliedsstaat derartigen Bedingungen, so muß der Angehörige eines anderen Mitgliedstaats, der diese Tätigkeit ausüben will, diese Bedingungen grundsätzlich erfüllen (EuGH, Urt. vom 30.11.1995 a.a.O.). Die Ausübung des Berufs des Rechtsanwalts setzt in der Bundesrepublik Deutschland bei einer Ausbildung in Deutschland die Ablegung der Ersten und Zweiten juristischen Staatsprüfung voraus. Hierdurch erwirbt er die Befähigung zum Richteramt, die wiederum Voraussetzung für die Zulassung als Rechtsanwalt ist (§ 4 BRAO). Mit dem Bestehen dieser Prüfungen weist der Kandidat nach, daß er nach seinen Kenntnissen und Leistungen die Befähigung zum Richteramt und zum höheren allgemeinen Verwaltungsdienst erworben hat (§ 1 Abs. 3 Satz 2 JAPrO). Allerdings hat der Europäische Gerichtshof in der Entscheidung vom 7.5.1991 (a.a.O.) schon zur Rechtslage vor Erlaß der Richtlinie festgestellt, daß nationale Qualifikationsvoraussetzungen die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten in der Ausübung des ihnen durch Art. 52 EWGV gewährleisteten Niederlassungsrechts beeinträchtigen können, wenn die fraglichen nationalen Vorschriften, die von dem Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat bereits erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten unberücksichtigt lassen. Dem trägt die Richtlinie dadurch Rechnung, daß in einem Mitgliedstaat erworbene Hochschuldiplome unter bestimmten Voraussetzungen allgemein anerkannt werden müssen, wenn aus ihnen hervorgeht, daß der Inhaber eine mindestens dreijähriges Studium absolviert hat und über die beruflichen Voraussetzungen verfügt, die für den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in diesem Mitgliedstaat erforderlich sind, wobei die Richtlinie grundsätzlich von der Gleichwertigkeit der (ohne weiteren konstituierenden Akt anzuerkennenden) Abschlüsse ausgeht (Art. 1a der Richtlinie) und festlegt, daß bei Vorliegen eines solchen Diploms der Zugang zu dem Beruf nicht wegen mangelnder Qualifikation verweigert werden darf (Art. 3 Richtlinie). Bezieht sich die bisherige Ausbildung im Herkunftsstaat auf Fächer, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Diplom abgedeckt werden, das in dem Aufnahmestaat vorgeschrieben ist, so darf die Zulassung allerdings von einer Eignungsprüfung abhängig gemacht werden (Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie). Von dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber in Deutschland Gebrauch gemacht. Hierdurch wird deutlich, daß die Richtlinie und in ihrer Umsetzung auch die Vorschriften des EigPrG ausschließlich den Berufszugang nach Erwerb der Berufsbefähigung in einem der Mitgliedstaaten der EG nach den nationalen Vorschriften regelt (Feuerich, NJW 1991, 1144). Verfügt aber ein Angehöriger eines Mitgliedstaates nicht über die Berufsbefähigung auch nicht in seinem Herkunftsstaat, so gehört er nicht zum Kreis derjenigen, die durch die Richtlinie begünstigt werden.

Da der Kläger zur Eignungsprüfung zugelassen werden will, spielt es auch keine Rolle, ob die Einführung einer Eignungsprüfung für Rechtsanwälte gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, wofür es allerdings keinen Anhaltspunkt gibt (vgl. BGH, Beschl. vom 18.11.1996, NJW 1997, 867). Unerheblich ist auch, ob und in welchem Umfang der Kläger durch seine langjährige juristische Tätigkeit in Deutschland Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat. Dies könnte bei der Frage, ob ihm - nach Zulassung zur Eignungsprüfung - gem. § 5 der Verordnung über die Eignungsprüfung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vom 18.12.1990 (BGBl. I, 2881) schriftliche Prüfungsleistungen erlassen werden könnten, von Bedeutung sein. Seine Zulassung zur Prüfung kann er hierdurch nicht erreichen.

Der vom Kläger-Vertreter in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellte Beweisantrag, zum Nachweis der materiellen Befähigung des Klägers Rechtsanwalt Dr. XXX als Zeugen zu vernehmen, ist abzulehnen. Auf die materielle Befähigung kommt es im vorliegenden Rechtsstreit - wie dargelegt - nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.






VGH Baden-Württemberg:
Urteil v. 23.03.1999
Az: 9 S 1158/97


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