Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 1. Februar 2002
Aktenzeichen: 16 U 1/01

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 01.02.2002, Az.: 16 U 1/01)

§ 826 BGB

Zu der Frage eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, wenn ein Versicherungsunternehmen einem nur fahrlässig handelnden Beamten gleichwohl seine persönliche Inanspruchnahme in Millionenhöhe ankündigt, um von ihm eine Verjährungsverzichtserklärung zu erhalten.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers - und unter Zurückweisung seines weiterge-henden Rechtsmittels - wird das am 17. Oktober 2000 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Rechtsanwälte Dr. U... H..., Dr. E... E..., Dr. H... K..., S... S..., A... H..., S... H..., C... S...-E... in D... zur gesamten Hand 197.625,63 EUR mit 4 % Zinsen seit dem 3. November 1999 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte 60 % und der Kläger 40 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 237.400 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicher-heit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Si-cherheitsleistung in Höhe von 6.700 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann durch Bürgschaft eines der Aufsicht durch das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen unterliegenden Kreditinstituts geleistet werden.

Tatbestand

Der Kläger war als beamteter Feuerwehrmann der Landeshauptstadt D... u.a. mit der Planung und Überwachung der Errichtung eines Teils des R...-R...-Flughafens in D... befasst. Am 11. April 1996 kam es im Flughafengebäude zu einem Brand, durch den nicht nur Sachschaden in Millionenhöhe entstand, sondern auch Passagiere und Besucher zu Tode kamen. Durch Anklage der Staatsanwaltschaft Düsseldorf (11 Js 250/96) wurde u.a. dem Kläger fahrlässige Tötung vorgeworfen, weil er dem (baurechtswidrigen) Einbau von Polysterol anlässlich der Dichtung einer Dehnungsfuge zugestimmt und es darüber hinaus unterlassen habe, rechtzeitig die vorgeschriebene Brandschau durchzuführen.

Die Beklagte war zum Zeitpunkt des Brandschadens mit 40 % an den Feuerversicherungsverträgen für das Grundstück F... in D... beteiligt. Der entstandene Sachschaden wurde am 28. April 1997 durch die Zahlung einer Summe von 245 Mio. DM an die F... D... GmbH zwischen den betroffenen Versicherern und dieser einvernehmlich reguliert. Die Versicherungen nehmen nun Rückgriff wegen des ihnen entstandenen Schadens u.a. bei der Anstellungskörperschaft des Klägers, der Stadt D....

Die Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 9. März 1999 an die Stadtverwaltung D... - den Oberstadtdirektor -, um ihre Regressansprüche anzumelden. In diesem Schreiben heißt es u.a.:

"Nachdem uns nunmehr die umfassende Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Düsseldorf zur Verfügung gestellt worden ist, ergeben sich aus dieser Anhaltspunkte für weitere Regressschuldner. Insbesondere wird dort auch eine Verantwortlichkeit der Berufsfeuerwehr D... hinsichtlich des baurechtswidrigen Einbaus des Polysterols festgestellt. Danach haben sowohl Herr Brandoberamtsrat J... S... - der Kläger - als auch ein ehemaliger Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr D..., Herr W... S..., dem (baurechtswidrigen) Einbau des Polysterols zugestimmt. Herr S... habe es darüber hinaus unterlassen, rechtzeitig die vorgeschriebene Brandschau am Flughafen D... durchzuführen. Aufgrund der insoweit bestehenden Mitverantwortung der Herren S... und S... an der Herbeiführung des o. g. Brandschadens begründet sich auch eine Haftung Ihrerseits.

Sie werden daher Verständnis dafür haben, dass wir zur Wahrung unserer Zinsinteressen uns erlauben, unsere Regressansprüche auch Ihnen gegenüber formal anzumelden. Wir dürfen Sie daher auffordern, den Betrag in Höhe von 245 Mio. DM unter Angabe der o. g. Schadensnummern auf unser Konto bei der Westdeutschen Landesbank ... zu überweisen. Als Frist für den Zahlungseingang dürfen wir uns hier den 30. März 1999 vormerken.

Abschließend möchten wir Sie noch um Abgabe einer schriftlichen Erklärung bitten, dass Sie die Einrede der Verjährung nicht erheben werden. Eine vorbereitete Erklärung, um deren unterschriebene Rückübersendung wir bitten möchten, fügen wir als Anlage bei. Auch bitten wir Sie, unser Schreiben an ihren Haftpflichtversicherer weiterzuleiten."

Unter dem 11. März 1999 wandte sich die Beklagte mit einem Schreiben an den Kläger, in dem sie u.a. folgendes ausführte:

"Wie Ihnen vermutlich bekannt ist, haben wir mit Schreiben vom 9. März 1999 bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber, der Stadt D..., unsere Regressforderung in Höhe von 245 Mio. DM angemeldet. Dieses Schreiben fügen wir Ihnen anliegend zu Ihrer Kenntnisnahme bei. Aufgrund des Umstandes, dass der (uns bislang noch nicht bekannte) Haftpflichtversicherer zur Vertretung des Versicherten (also Ihnen) nur dann befugt ist, wenn ihm insoweit auch wirksam eine Vollmacht erteilt worden ist, müssen wir Sie zur Wahrung unserer Interessen bitten, uns ebenfalls eine von ihnen persönlich unterzeichnete Verjährungsverzichtserklärung zuzuleiten. Die Abgabe einer derartigen Erklärung ist in solchen Fällen üblich und stellt kein Anerkenntnis der Haftung dar. Wir dürfen Sie daher auffordern, die Ihnen anliegend musterhaft zur Verfügung gestellte Erklärung unterzeichnet an uns zurückzusenden. Wir erlauben uns, für die Zurücksendung den 30. März 1999 vorzumerken. Die Unterzeichnung können Sie gerne in Absprache mit dem Haftpflichtversicherer ihres Arbeitgebers vornehmen. Wir betonen dabei ausdrücklich, dass Hintergrund unserer Bitte prozessuale Gründe sind. Selbst wenn im Rahmen eines Rechtsstreites auch Sie zu einer entsprechenden Zahlung verurteilt werden sollten, würden wir uns letztlich nicht an Sie persönlich, sondern an den Haftpflichtversicherer ihres Arbeitgebers halten."

Mit Schreiben vom 30. März 1999 bestellten sich für den Kläger seine erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, die in dem Schreiben u.a. folgendes entgegneten:

"... In Ihrem Schreiben fordern Sie unseren Mandanten auf, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Zur Begründung führen Sie an, dass der (Ihnen bislang nicht bekannte) Haftpflichtversicherer zur Vertretung unseres Mandanten nur dann befugt ist, wenn ihm insoweit auch wirksam eine Vollmacht erteilt worden ist.

Ein Anspruch gegen einen etwaigen Haftpflichtversicherer unseres Mandanten setzt voraus, dass unser Mandant persönlich haftet. Wir bitten um Darlegung der Anspruchsgrundlage, aufgrund derer Sie einen Anspruch gegen unseren Mandanten zu haben meinen. Wir werden sodann unverzüglich auf die Angelegenheit zurückkommen. Der Eintritt der Verjährung droht nicht unmittelbar, da ihr Beginn Kenntnis von Schaden und Verursacher voraussetzt."

Hierauf erwiderte die Rechtsabteilung der Beklagten wie folgt:

"... Eine persönliche Inanspruchnahme Ihres Mandanten ist - wie Sie unserem Schreiben vom 11. März 1999 entnehmen können - nicht angedacht. Um jedoch das für uns bestehende Risiko auszuschließen, dass (theoretisch mögliche) Ansprüche gegenüber Ihrem Mandanten, die dem Haftpflichtversicherungsschutz seiner ehemaligen Arbeitgeberin, der Stadt D..., unterfallen, verjähren könnten, möchten wir Sie auch weiterhin bitten, die musterhaft zur Verfügung gestellte Verjährungsverzichtserklärung an uns unterzeichnet zurückzusenden. Nach dem derzeitigen Sachstand können wir nicht abschließend beurteilen, ob die grundsätzlich subsidiäre persönliche Haftung Ihres Mandanten gegenüber der Haftung der Stadt D... gegebenenfalls zusätzlich in Betracht kommt und diese Haftung durch die Haftpflichtversicherung der Stadt D... gedeckt wäre. Dabei möchten wir nochmals betonen, dass diese Verjährungsverzichtserklärung lediglich vor dem Hintergrund von prozessualen Gründen erfolgt und keinesfalls an eine persönliche Inanspruchnahme gedacht wird."

Hierauf teilten die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers der Beklagten unter dem 23. April 1999 folgendes mit:

"... Die Rücksprache bei der Stadt D... hat ergeben, dass schon zum Schadenszeitpunkt eine Haftpflichtversicherung nicht bestand. Vor diesem Hintergrund, und insbesondere der Tatsache, dass unserem Mandanten gegenüber direkt keine Inanspruchsgrundlage gegeben ist, können wir unserem Mandanten nicht empfehlen, die von Ihnen erbetene Verjährungsverzichtserklärung abzugeben."

Hierauf erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 28. April 1999 wie folgt:

"... Wir weisen darauf hin, dass wir für den Fall einer prozessualen Auseinandersetzung aus naheliegenden prozesstaktischen Gründen (bereits deshalb, um ihren Mandanten nicht als Zeugen auftreten zu lassen) in einem Rechtsstreit gegenüber der Stadt D... auch Ihren Mandanten verklagen müssten. Wir geben daher zu bedenken, dass Ihrem Mandanten mit der Verweigerung der Abgabe der Verjährungsverzichtserklärung insoweit nicht gedient ist, als Sie uns damit zwingen würden, diesen Prozess bereits jetzt zu führen. Wir meinen daher, Ihr Mandant sollte seine Entscheidung nochmals sorgfältig abwägen. ..."

Hierauf entgegneten die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers unter dem 26. Mai 1999 wie folgt:_

"... Nach wie vor sehen wir keine Anspruchsgrundlage, die Sie befähigen würde, gegen unseren Mandanten einen Schadensersatzanspruch gerichtlich geltend zu machen. Wenn aber kein Anspruch besteht, besteht für unseren Mandanten auch keine Veranlassung, den - von Ihnen geforderten - Verzicht auf die Einrede der Verjährung abzugeben. An dieser Rechtslage ändern auch die von Ihnen angeführten prozesstaktischen Gründe nichts."

Unter dem 18. Oktober 1999 teilten die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers der Beklagten sodann folgendes mit:

"Unser Mandant haftet als ehemaliger Beamter unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt auf Schadensersatz, da für etwaige Ansprüche aus einer Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB gemäß Artikel 34 Grundgesetz die Anstellungskörperschaft originär haftet. Die von unserem Mandanten verlangte Erklärung hätte mithin entgegen Ihrem Hinweis in dem Schreiben vom 11. März 1999 auch keinerlei Auswirkungen auf die Inanspruchnahme einer möglicherweise hinter der Stadt D... stehenden Haftpflichtversicherung gehabt.

Durch die unberechtigte Inanspruchnahme unseres Mandanten haben Sie sich schadensersatzpflichtig gemacht. Der Schaden besteht in Höhe der nachberechneten Kosten unserer Inanspruchnahme. Bitte überweisen Sie diesen Betrag bis zum 2. November 1999 unter Angabe unserer Register-Nummer auf eines unseres Konten.

Gegenstandswert: 245 Mio. DM.

7,5/10 gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO 554.568,75 DM Kostenpauschale gemäß § 26 BRAGO 40,-- DM zusammen 554.608,75 DM 16 % MehrwertS... 88.737,40 DM insgesamt 643.346,15 DM.

Diese Inanspruchnahme für die dem Kläger entstandenen Anwaltskosten wies die Beklagte unter dem 28. Oktober 1999 mit der Begründung zurück, dass eine Anspruchsgrundlage für das Erstattungsbegehren nicht ersichtlich sei.

Dem sind die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers unter dem 5. November 1999 entgegengetreten, wobei sie die Höhe des Gebührenanspruchs auf 642.302,15 DM korrigiert haben.

Der Kläger hat gemeint, ihm stehe gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Freistellung von den ihm entstandenen Anwaltskosten durch Zahlung an seine erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zu. Sein Anspruch ergebe sich aus § 826 BGB oder § 242 BGB. Die Beklagte habe durch ihr Verhalten gegen die guten Sitten verstoßen, indem sie von ihm die Abgabe einer unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt geschuldeten Verjährungsverzichtserklärung gefordert habe. Er sei Beamter gewesen, so dass jedwede persönliche Inanspruchnahme aufgrund einer Verletzung seiner beruflichen Pflichten an Artikel 34 Grundgesetz scheitere. Als "führendem Versicherer" hätte es der Beklagten oblegen, exakt zu prüfen, gegen wen ihr Schadensersatzansprüche zustehen könnten. Dies habe sie entweder in fahrlässiger Weise unterlassen und in einem "Rundumschlag" zunächst jeden potentiell Ersatzpflichtigen zur Abgabe der Verjährungsverzichtserklärung aufgefordert oder aber ihn zur Abgabe der Erklärung allein aufgefordert, um ihn in einem späteren Prozess als Zeugen ausschalten zu können. Beide Verhaltensweisen verstiessen gegen die guten Sitten. Sie habe auch mit Schädigungsvorsatz gehandelt, wobei es ausreiche, dass der Täter die Art des Schadens und die generelle Richtung des Schadensverlaufs absehen könne. Die Beklagte habe gewusst oder jedenfalls damit rechnen müssen, dass sich der Kläger anwaltlich beraten lassen und hierdurch erhebliche Kosten entstehen würden.

Im übrigen folge sein Befreiungsanspruch auch aus § 242 BGB, weil ein Handeln, welches den Tatbestand des § 826 BGB erfülle, stets auch eine unzulässige Rechtsausübung darstelle.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Rechtsanwälte Dr. U... H..., Dr. E... E..., Dr. H... K..., S... S..., A... H..., S... H... in D... 642.302,15 DM mit 4 % Zinsen seit dem 3. November 1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten.

Sie hat gemeint, dem Kläger stehe ein Anspruch gegen die Beklagte auf Freistellung von den ihm entstandenen Anwaltskosten nicht zu. Sie habe dem Kläger nicht in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise vorsätzlich einen Schaden zufügen wollen. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass der Kläger Beamter gewesen sei, er in Ausübung seines öffentlichen Amtes und dabei nicht vorsätzlich gehandelt habe. Sie sei davon ausgegangen, dass der Kläger Arbeitnehmer der Stadt D... gewesen sei. Das fahrlässige Verkennen der Tatsachen um den Beamtenstatus des Klägers begründe keine sittenwidrige vorsätzliche Schädigungsabsicht der Beklagten. Dass sie verkannt habe, dass gemäß Artikel 34 Grundgesetz im Falle hoheitlichen Handelns des Beamten eine persönliche Inanspruchnahme nicht in Betracht komme und sie insofern einem Rechtsirrtum unterlegen sei, könne weder als grob fahrlässig noch als sittenwidrig angesehen werden. Weder habe sie Behauptungen ins Blaue aufgestellt noch habe sie sich der Erkenntnis einer erheblichen Tatsache bewusst verschlossen oder entzogen. Schließlich habe sie auch deshalb nicht mit Schädigungsvorsatz gehandelt, weil sie bei dem Kläger niemals Schadensersatzansprüche in Höhe von 245 Mio. DM angemeldet, geschweige denn geltend gemacht habe und deshalb auch schon gar nicht abzusehen gewesen sei, dass Kosten unter Zugrundelegung dieser Streitwerthöhe, die übersetzt sei, entstehen könnten.

Auch aus § 242 BGB habe der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte, weil es schon an einem Schuldverhältnis fehle. Jedenfalls sei die Forderung nicht in der geltend gemachten Höhe gegeben. Der Gegenstandswert sei nicht mit 245 Mio. DM anzusetzen, weil es schon an einer entsprechenden Inanspruchnahme des Klägers fehle, denn sie habe ihn lediglich um Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung gebeten. Darüber hinaus habe dem mit dem Flughafen D... abgeschlossenen Vergleich die von der Beklagten im Grundsatz zu erbringende Neuwertentschädigung zugrunde gelegen, während die Regressansprüche nur auf Zeitwertbasis geltend gemacht werden könnten.

Überdies sei der Prozessbevollmächtigte des Klägers angesichts der von ihm offensichtlich sofort erkannten Eindeutigkeit der Rechtslage verpflichtet gewesen, zunächst lediglich eine Erstberatung gemäß § 20 Abs. 1 BRAGO durchzuführen. Auf diese Möglichkeit hätte er den Kläger jedenfalls zunächst hinweisen müssen, zumal das Kostenrisiko des Klägers im Hinblick auf die Vorstellungen über den Gegenstandswert, welche die Prozessbevollmächtigten des Klägers offensichtlich hegten, in keinem Verhältnis zu dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gestanden hätten.

Schließlich sei angesichts des Gegenstandswerts und der vermeintlich eindeutigen Haftungslage allenfalls eine Gebühr in Höhe von 5/10 in Ansatz zu bringen.

Dem hat der Kläger noch folgendes entgegengesetzt: Der Beklagten sei die Tatsache, dass er Beamter gewesen sei, bei Abfassung des Schreibens vom 11. März 1999 sehr wohl bewusst gewesen. In dem Schreiben an die Stadt D... vom 8. März 1999 habe sie selbst ausgeführt, dass in der ihr vorliegenden Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Düsseldorf auch eine Verantwortlichkeit der Berufsfeuerwehr D... festgestellt werde und der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens ihn, Herrn Brandoberamtsrat J... S... treffe. Ihr sei also bekannt gewesen, dass er Mitglied der Berufsfeuerwehr gewesen sei, auch aus der Berufsbezeichnung Brandoberamtsrat sei hinreichend deutlich hervorgegangen, dass er nicht Arbeitnehmer, sondern Beamter gewesen sei. Überdies sei auf Seite 72 der ihr seinerzeit vorliegenden Anklageschrift zu seiner Person ausgeführt gewesen, dass er mit Wirkung vom 15. März 1970 zum Brandinspektor und damit Beamten auf Lebenszeit ernannt worden sei.

Als Anspruchsgrundlage komme im übrigen auch § 678 BGB - unmittelbar oder in analoger Anwendung - in Betracht. So sei in der wettbewerbsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung anerkannt, dass derjenige, der einen anderen abmahne, nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag Ersatz seiner Aufwendungen verlangen könne und derjenige, der einen anderen in schuldhaft unberechtigter Weise abmahne, die diesem entstehenden Kosten gemäß § 678 BGB zu erstatten habe. Die zur Begründung dieser Rechtsprechung entwickelten Grundsätze seien auf das Verhalten der Beklagten - jedenfalls analog - anwendbar.

Auch der Höhe nach sei die Forderung berechtigt, insbesondere sei der Gegenstandswert mit 245 Mio. DM anzusetzen, weil die von ihm geforderte Erklärung der Beklagten die Möglichkeit habe einräumen sollen, ihn auch nach Ablauf etwaiger Verjährungsfristen in Anspruch zu nehmen. Die Angelegenheit habe angesichts der seine Existenz vernichtenden Forderungshöhe nicht im Rahmen einer Erstberatung abgerechnet werden können, zumal die Beklagte auf das Schreiben vom 30. März 1999 hin nicht von ihrem Ansinnen Abstand genommen habe. Die 7,5/10 Gebühr sei angemessen. Die Angelegenheit habe für ihn ganz erhebliche Bedeutung gehabt, was sich bereits aus dem Wert von 245 Mio. DM ergebe.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung von 642.302,15 DM an seine Prozessbevollmächtigten habe.

Einem Anspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB stehe bereits entgegen, dass es sich vorliegend um einen reinen Vermögensschaden handele. Auch aus § 826 BGB ergebe sich kein Zahlungsanspruch, weil sich nicht feststellen lasse, dass die Beklagte dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt habe. Zwar sei dem Kläger zuzugestehen, dass der Beklagten nach Kenntnisnahme der Anklageschrift bekannt gewesen sein müsse, dass er Beamter sei und ihm die Haftungsprivilegierung nach Artikel 34 Grundgesetz zugute komme. Mit dieser möglicherweise grob fahrlässigen oder auch bedingt vorsätzlichen Verkennung der Sach- und Rechtslage habe die Beklagte aber noch nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen, wie es für einen Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB erforderlich sei. Es könne weder festgestellt werden, dass sie dem Kläger planmässig einen Schaden in Höhe der von ihm aufzubringenden Anwaltskosten von mehr als 600.000 DM habe zufügen wollen, noch dass ihre Mittel dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widersprachen. Für eine Feststellung des zumindest bedingten Vorsatzes der Beklagten hinsichtlich des eingetretenen Schadens des Klägers als Folge der unberechtigten Inanspruchnahme auf Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung lägen keine Anhaltspunkte vor. Dazu habe die unberechtigte Inanspruchnahme bei der Beklagten mit dem Bewusstsein verbunden gewesen sein müssen, der Kläger werde einen Rechtsanwalt beauftragen, der ihm für die Beurteilung der sehr einfachen Sach- und Rechtslage, nämlich seiner Haftungsprivilegierung gemäß Artikel 34 GG, ein Anwaltshonorar von mehr als 600.000 DM in Rechnung stellen werde. Im übrigen sei auch ein Sittenverstoß der Beklagten nicht erkennbar, denn der Kammer sei aufgrund ihrer umfassenden langjährigen Erfahrungen bekannt, dass in der Bundesrepublik Deutschland in zahlreichen Fällen aufgrund unzureichender Rechtskenntnisse oder einer mangelhaften Tatsachenaufklärung täglich unberechtigte Ansprüche - auch durch Anwälte - gestellt würden, Versicherungen ohne Grund in Anspruch genommen und diese genauso ohne jeden Grund berechtigte Ansprüche ablehnen würden. Dieses könne aber nur in Ausnahmefällen als sittenwidrig angesehen werden. Auch aus § 678 BGB folge kein Erstattungsanspruch, weil die auf Wettbewerbsprozesse beschränkte Rechtsprechung über einen Aufwendungsersatzanspruch für die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht auf Rechtsbeziehungen außerhalb des Wettbewerbsrechts zu übertragen sei. Auch aus §§ 683, 677, 670 BGB folge ein Anspruch des Klägers nicht, weil der Kläger die Aufwendungen für die von ihm beauftragten Rechtsanwälte nicht anlässlich eines Geschäfts für die Beklagte getätigt habe, sondern die Abgabe der Verjährungsverzichtserklärung ausschließlich im eigenen Interesse abgewehrt habe. Schließlich folge ein Erstattungsanspruch auch nicht aus § 242 BGB in Verbindung mit § 91 ZPO analog, weil es bereits an einer für eine Analogie erforderlichen Gesetzeslücke fehle.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers mit dem Antrag,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Rechtsanwälte Dr. U... H..., Dr. E... E..., Dr. H... K..., S... S..., A... H..., S... H..., C... S...-E... in D... zur gesamten Hand 642.302,15 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 3. November 1999 zu zahlen,

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Gebührenforderung der Rechtsanwälte in Höhe von 642.302,15 DM mit 4 % Zinsen seit dem 3. November 1999 freizustellen.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen wie folgt:

Er meint, er habe einen Anspruch gegen die Beklagte auf Freistellung der ihm entstandenen Anwaltskosten als Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB. Das Landgericht habe verkannt, dass es auf die Frage der planmäßigen Schadenszufügung gerade in den Fällen, in denen der Sittenverstoß selbst bereits auf der Gewissenlosigkeit des Täters bei seinem Handeln beruhe, nicht ankommen könne. Die planmäßige Schädigung des Opfers sei ein Umstand unter vielen, der geeignet sei, den Vorwurf des Sittenverstoßes gegen den Täter zu begründen, der jedoch keineswegs zusätzlich gegeben sein müsse, wenn sich der Sittenverstoß selbst bereits aus der besonders schwerwiegenden Sorgfaltspflichtverletzung des Täters, seinem grob fahrlässigen und gewissenlosen Handeln ergebe. Von der Sittenwidrigkeit des Verhaltens des Täters sei der notwendige Vorsatz im Hinblick auf die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale des § 826 BGB getrennt festzustellen. Entgegen der Feststellung des Landgerichts habe die Beklagte den Eintritt des vorliegenden Schadens zumindest billigend in Kauf genommen. Sie könne sich nicht darauf berufen, ihr sei nicht bewusst gewesen, dass er einen Rechtsanwalt beauftragen könne, der ihm das gesetzliche Anwaltshonorar in Rechnung stellen werde. Schon ihr Anspruchsschreiben vom 11. März 1999, in dem sie ihn auf den Haftpflichtversicherer seines Arbeitgebers als vermeintlich tauglichen Ansprechpartner verweise, zeige, dass sie durchaus damit gerechnet habe, dass er sich im Hinblick auf die von ihm geforderte Abgabe der Verjährungsverzichtserklärung und dem dahinterstehenden entsprechenden Anspruchsberühmen gezwungen sehen würde, fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen. Im übrigen habe sich die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe auch als zwangsläufige und denknotwendige Reaktion auf ihr Verhalten - für sie vorhersehbar und von ihr billigend in Kauf genommen - aufgedrängt. Er sei von einer großen Versicherungsanstalt, die über eine eigene Rechtsabteilung verfüge, und die sich in dem ihm übermittelten Schreiben an die Stadt Düsseldorf als führender Versicherer bezeichnet habe, zur Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung bezüglich einer Schadensersatzforderung über 245 Mio. DM aufgefordert worden. Schon durch Wortwahl und Formulierung, vor allem aber durch die vorgenommene Fristsetzung, habe sie bei ihm den Eindruck einer Anspruchsberechtigung erweckt und ihn durch die Ankündigung, ihn persönlich auf die entsprechende Summe zu verklagen, in Angst und Schrecken versetzt. Sie habe auch voraussehen können, dass die Beauftragung eines Rechtsanwalts ein Anwaltshonorar von mehr als 600.000 DM zur Folge haben würde, weil die Höhe des als Schadensposition anfallenden Anwaltshonorars sich nach der BRAGO richte, was ihr auch bekannt gewesen sei. Im übrigen sei davon auszugehen, dass sie ihre eigene mangelnde Anspruchsberechtigung nicht nur infolge einer grob nachlässigen, oberflächlichen und unzureichenden Prüfung der Sach- und Rechtslage leichtfertig verkannt, sondern sehr wohl positiv gewusst habe, dass sie unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt eine berechtigte Forderung ihm gegenüber gehabt habe oder aber zumindest gar keine Prüfung der eigenen materiell rechtlichen Berechtigung vorgenommen habe. Letzterenfalls habe sie es jedenfalls sehenden Auges in Kauf genommen, ihm eine klageweise Inanspruchnahme anzudrohen, für die es keinerlei Berechtigung gegeben habe, wodurch ebenfalls Vorsatz hinsichtlich einer völlig unberechtigten Inanspruchnahme begründet werde, gemäß dem Grundsatz, dass derjenige, der sich bewusst der Kenntnis verschließt, dem Kennenden gleichstehe. Bereits mit dem ersten Schreiben vom 11. März 1999 habe sie ausgeführt, dass Hintergrund ihres Begehrens prozessuale Gründe seien. Dies habe sie mit Schreiben vom 9. April 1999 wiederholt und mit Schreiben vom 28. April 1999 schließlich offenbart, dass sie von Anfang an ohnehin beabsichtigt habe, ihn persönlich mit einer Klage auf Schadensersatzleistung in Höhe von 245 Mio. DM zu überziehen - und zwar unabhängig von dem Bestehen oder Nichtbestehen einer materiellrechtlichen Berechtigung hierzu -. Die Absicht sei ihren eigenen Erklärungen zufolge dahin gegangen, die Stadt D... unter Unterdrückung eines Beweismittels, unter Ausschaltung des Klägers als Zeugen, zu verklagen. Dies sei schon im Verhältnis zur Stadt D... rechtsmissbräuchlich, erst recht aber in dem hier fraglichen Verhältnis zum Kläger. Zweck und Beweggrund der ihm angedrohten Klageerhebung seien verwerflich und missbilligenswert und mit dem Anstandsgefühl eines nur halbwegs billig und gerecht Denkenden nicht vereinbar.

Darüber hinaus ergebe sich der geltend gemachte Anspruch - wie bereits erstinstanzlich ausführlich dargelegt - auch aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag.

Zum Schaden und zur Schadenshöhe werde noch folgendes vorgetragen: Unmittelbar nach Erhalt des Schreibens der Beklagten vom 11. März 1999 habe er die Rechtsanwälte Dr. U... H... pp. mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt. Von diesen sei er vor Vertragsschluss auf die voraussichtliche Höhe der gesetzlichen Vergütung von nahezu 650.000 DM in Anbetracht des zugrundeliegenden Gegenstandswerts von 245 Mio. DM und unter Ansetzung der Mittelgebühr von 7,5/10 gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO hingewiesen und hierüber aufgeklärt worden. Aufgrund der existentiellen Bedeutung der Angelegenheit habe er nicht von der Beauftragung Abstand genommen, allerdings mit seinen Bevollmächtigten einer Übereinkunft erzielt, dass hinsichtlich der erwachsenden Anwaltshonorarforderung zunächst eventuelle Möglichkeiten einer Erstattung durch Dritte - insbesondere die Beklagte - ausgeschöpft werden sollten. Die Gebührenforderung sei fällig geworden mit der Beendigung des Auftrags, durchsetzbar nach entsprechend erfolgter Berechnung und Mitteilung derselben an ihn.

Entgegen der Auffassung der Beklagten müsse er sich einen Verstoß gegen eine ihm etwa obliegende Schadensminderungspflicht nicht vorwerfen lassen. Er sei nicht verpflichtet gewesen, sich lediglich im Rahmen einer Erstberatung einen Rat erteilen zu lassen und seine Interessen hiernach selbst, ohne die weitere Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe, zu vertreten. Dass er ein nachvollziehbares und schützenswertes Interesse daran gehabt habe, seine Interessen auch nach außen hin deutlich wahrnehmbar gegenüber der Beklagten anwaltlich vertreten zu lassen, ergebe sich unmittelbar aus dem auch insoweit geltenden bzw. zu realisierenden Prinzip der Waffengleichheit, denn die Beklagte sei - vertreten durch zwei Volljuristen - mit Schreiben vom 11. März 1999 an ihn wegen der Schadensersatzforderung von 245 Mio. DM herangetreten. Auch könne ihm nicht vorgeworfen werden, er habe es hinsichtlich des Auftrags zu einer Tätigkeit im Sinne von § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO schuldhaft unterlassen, eine unter den gesetzlichen Gebühren liegende Gebührenvereinbarung mit seinem Anwalt auszubedingen. Auf eine solche Vereinbarung hätte sich angesichts des abstrakten Haftungsrisikos kein Anwalt eingelassen. Letztlich komme es hierauf jedoch nicht an, da ein - nicht vorhandener - Verschuldensanteil des Klägers an der Schadensentstehung im Verhältnis zum Verschuldensanteil der Beklagten jedenfalls verschwindend gering wäre und hinter dem ganz überwiegenden Verschuldensanteil der Beklagten letztlich gänzlich zurücktreten würde.

Für den Fall, dass der Beklagten ein Wahlrecht zustehen sollte, auf welche Weise sie die Befreiung bewirken wolle, sei der Hilfsantrag gestellt.

Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung, indem sie das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt. Sie meint, der Befreiungsanspruch scheitere schon daran, dass der Kläger keinem Gebührenanspruch in der geltend gemachten Höhe ausgesetzt sei. Den Rechtsanwälten Dres. Haas pp. stehe kein über die Erstberatungsgebühr nach § 20 BRAGO in Höhe von 350 DM hinausgehender Gebührenanspruch gegen den Kläger zu. Angesichts der nach dem Vorbringen des Klägers einfachen und überschaubaren Rechtslage hätte es seinem eigenen Sachvortrag zufolge ausgereicht, ihn auf sein Haftungsprivileg aus Artikel 34 Grundgesetz hinzuweisen.

Jedenfalls sei er einem Gebührenanspruch der Rechtsanwälte Dr. H... pp. aus § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO deshalb nicht ausgesetzt, weil er einem solchen einen Gegenanspruch - einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung des Anwaltsvertrages - auf Freistellung entgegenhalten müsse. Zwar schulde der beauftragte Rechtsanwalt ungefragt keinen Hinweis auf die Höhe seines eigenen Gebührenanspruchs. Ausnahmsweise ergebe sich jedoch aus den besonderen Umständen des Einzelfalles nach Treu und Glauben eine Pflicht des Rechtsanwalts, seinen Auftraggeber auch ungefragt über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung zu belehren, wenn nach der erforderlichen Gesamtwürdigung insbesondere des Schwierigkeitsgrads, des Umfangs der anwaltlichen Aufgabe und des ungewöhnlichen hohen Gegenstandswerts ergebe, dass die hohen Gebühren das vom Auftraggeber erstrebte Ziel wirtschaftlich sinnlos machen könnten. Dass der Kläger von seinem Prozessbevollmächtigten erster Instanz darüber aufgeklärt worden sei, dass aufgrund des Haftungsprivilegs aus Artikel 34 Grundgesetz keine Eigenhaftung seiner Person in Betracht komme, die Erstberatung mit einer Gebühr von maximal 350 DM zu Buche schlage, jede über die Erstberatung hinausgehende Tätigkeit einen Gebührenanspruch der Rechtsanwälte in Höhe von nahezu 650.000 DM auslöse und nach geltender Rechtsprechung ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte nicht bestehe, werde bestritten.

Hilfsweise berufe sie sich darauf, dass die berechnete 7,5/10 Geschäftsgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO nicht angemessen im Sinne des § 12 Abs. 1 BRAGO sei. Angesichts des hohen Gegenstandswerts und der vermeintlich eindeutigen Haftungslage sei allenfalls eine 5/10 Gebühr ansatzfähig. Auch der in Ansatz gebrachte Gegenstandswert in Höhe von 245 Mio DM sei bei weitem überhöht. Zum einen habe der Betrag, in dessen Höhe sie möglicherweise hätte Regress nehmen können, sicherlich deutlich unter dem angesetzten Gegenstandswert gelegen. Zum anderen könne der Gegenstandswert einer Verjährungsverzichtserklärung nicht mit dem Wert einer Leistungsklage gleichgesetzt werden.

Aber selbst wenn man einen Gebührenanspruch der Rechtsanwälte Dr. H... pp. in der geltend gemachten Höhe gegenüber dem Kläger unterstelle, so stehe ihm jedenfalls kein Befreiungsanspruch gegen die Beklagte zu, weil es - wie das Landgericht überzeugend festgestellt habe - an einer materiellen Anspruchsgrundlage fehle. Ein Anspruch ergebe sich nicht aus § 826 BGB, weil in der von der Beklagten begehrten Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Klägers nicht gesehen werden könne. Ihre Mitarbeiter hätten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt sittenwidrig gehandelt, als sie die Verjährungsverzichtserklärung von ihm verlangt hätten. Zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe habe gerade noch keine detaillierte, sondern nur eine erste summarische Prüfung der Rechtslage vorgelegen. Als Regressschuldner seien in diesem Schadensfall eine Vielzahl von Personen in Betracht gekommen. Die Abwicklung der Ansprüche ziehe sich über eine Vielzahl von Jahren angesichts der Tatsache hin, dass in das Verfahren eine Vielzahl von Haftpflichtversicherern, Geschädigten und anderen Versicherern involviert seien. Daher sei es völlig üblich, zunächst Verjährungsverzichtserklärungen von allen (potentiellen) Anspruchsgegnern einzuholen, um sodann in Ruhe die Ansprüche zu prüfen und hierüber zu verhandeln. Vor diesem Hintergrund sei ihr Verhalten weder grob leichtfertig noch gewissenlos. Auch sei die beamtenrechtliche Haftung eine alles andere als einfach gelagerte Rechtsmaterie. Ob die Berufsfeuerwehr bei Ausübung einer beratenden Tätigkeit gegenüber der Baugenehmigungsbehörde überhaupt hoheitlich tätig geworden sei, so dass das Haftungsprivileg greife, sei zumindest fraglich und mache deutlich, dass von einem grob leichtfertigen oder gar gewissenlosen Handeln ihrer Mitarbeiter nicht gesprochen werden könne. Gegen eine Sittenwidrigkeit spreche zudem, dass ihre Mitarbeiter den Anspruch nicht weiter verfolgt hätten, nachdem sie das Fehlen einer Anspruchsgrundlage bemerkt hätten. Dass sie die Verjährungsverzichtserklärung lediglich vor dem Hintergrund verlangt habe, den Kläger in einen Prozess zu verwickeln und damit als Zeugen auszuscheiden, sei nicht richtig. Sie habe vielmehr mit Schreiben vom 11. März und 9. April 1999 herausgestellt, dass seine persönliche Inanspruchnahme nicht geplant gewesen sei. Zu keinem Zeitpunkt habe sie - unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen einer materiellen Anspruchsgrundlage - beabsichtigt, den Kläger persönlich mit einer Klage auf Schadensersatzleistungen in Höhe von 245 Mio. DM zu überziehen. Zudem spreche der Umstand, dass hier eine Verjährungsverzichtserklärung eingefordert worden sei, dafür, dass er gerade nicht in einen Prozess habe verwickelt werden, sondern die Angelegenheit außergerichtlich habe geklärt werden sollen. Unter keinem Umstand hätten ihre Mitarbeiter bedingt vorsätzlich im Hinblick auf den konkret schädigenden Erfolg gehandelt. Zum Vorsatz gehöre das Wissen und das Wollen des rechtswidrigen Erfolges, eine nur allgemeine Vorstellung über mögliche Schädigungen genüge dagegen nicht. Weder Herr G... noch Frau L... hätten in dem Bewusstsein gehandelt, der Kläger werde einen Rechtsanwalt beauftragen, der für die Beurteilung der - nach eigener Einschätzung - sehr einfachen Sach- und Rechtslage ein Anwaltshonorar in Höhe von knapp 650.000 DM in Rechnung stellen würde. Selbstverständlich hätten diese Mitarbeiter dem Kläger auch keinerlei Schaden zufügen wollen.

Auch aus § 678 BGB stehe dem Kläger ein Erstattungsanspruch nicht zu, weil die Aufforderung der Beklagten an den Kläger, die Verjährungsverzichtserklärung abzugeben, nicht eine Durchführung eines fremden Geschäfts dargestellt habe. Zu Recht habe das Landgericht die Ausweitung der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch des zu Unrecht Abgemahnten aus § 678 BGB auf den hier zu entscheidenden Fall abgelehnt.

Ebensowenig stehe dem Kläger ein Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 670, 677, 683 BGB auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagte zu. Schließlich folge ein Erstattungsanspruch auch nicht aus § 242 BGB in Verbindung mit § 91 ZPO analog, weil das materielle Haftungsrecht keine planwidrige Gesetzeslücke aufweise, die durch eine entsprechende Anwendung der Kostenvorschriften der ZPO auszufüllen wäre.

Äußerst hilfsweise berufe sie sich auf einen Verstoß des Klägers gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht, denn er hätte sich zunächst einmal über die Stadt Düsseldorf bzw. persönlich mit der Beklagten in Verbindung setzen müssen und sie über seine Beamteneigenschaft aufklären müssen.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 1. Juni 2001 ein Gebührengutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer D... zur Angemessenheit der von den außergerichtlich Bevollmächtigten des Klägers in Ansatz gebrachten 7,5/10 Geschäftsgebühr eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten vom 13. September 2001 verwiesen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf den Inhalt der angegriffenen Entscheidung sowie die Protokolle der Senatssitzungen mit den in den Sitzungen erteilten rechtlichen Hinweisen Bezug genommen.

Gründe

Nach dem Ergebnis des zweitinstanzlich eingeholten Gebührengutachtens des Vorstands der Rechtsanwaltskammer D... hat die Berufung des Klägers aus den mit den Parteien in den Senatssitzungen erörterten Gründen teilweise Erfolg.

A.

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten entgegen der Auffassung des Landgerichts gemäß § 257 BGB ein Befreiungsanspruch schon deshalb zu, weil sie ihm in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt hat und ihm daher gemäß § 826 BGB haftet.

1. Ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB kommt dann in Betracht, wenn das angewandte, unter anderen Umständen nicht zu beanstandende Mittel im Verhältnis zu dem angestrebten, für sich genommen billigenswerten Zweck unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles außer Verhältnis steht oder wenn der angerichtete Schaden unausweichlich war, ohne dass sein Eintritt durch ein gerechtfertigtes Interesse gedeckt wurde (vgl. nur: Palandt/ Thomas, BGB, 61. Aufl., Rdnr. 2 zu § 826; Münchener Kommentar/Mertens, BGB, 3. Aufl., Rdnr. 32 zu § 826).

Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch grob leichtfertiges und gewissenloses Handeln einen Sittenverstoß darstellen kann (vgl nur: BGH NJW 1986, 180, 181; Palandt/Thomas, Rdnr. 8 zu § 826; Münchener Kommentar/Mertens, Rdnr. 42 zu § 826; jeweils m.w.N.). Ein solches leichtfertiges und gewissenloses Handeln ist in der Vorgehensweise der Beklagten gegenüber dem Kläger zu sehen.

Es ist zwischen den Parteien außer Streit, dass der Beklagten - wie sie selbst in ihrem Schreiben vom 8. März 1999 an die Stadt D... ausführt - zum Zeitpunkt der Abfassung des Schreibens an den Kläger unter dem 11. März 1999 die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Düsseldorf in der Sache 111 Js 250/96 vorlag. Mit dieser wurde dem Kläger in seiner Eigenschaft als früherem Brandoberamtsrat lediglich eine fahrlässige Mitverursachung des Brandschadens vom 11. April 1996 auf dem Flughafen D... vorgeworfen, weil er anlässlich einer 1972 vorgenommenen Erneuerung einer Dehnungsfuge dem baurechtswidrigen Einbau brennbaren Polysterols zugestimmmt habe. Da die Beklagte mit 40 % an den Feuerversicherungsverträgen für das Grundstück F... in D... und damit an der Regulierung des Schadens von 245 Mio. DM beteiligt gewesen ist, meldete sie die ihr zustehenden Regressansprüche zunächst gegenüber dem Oberstadtdirektor der Stadt D... mit Schreiben vom 8. März 1999 an und bat diesen um die Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung. Letztere forderte sie unter dem 11. März 1999 (Bl. 15 GA) auch von dem Kläger mit dem Hinweis, dass sie sich selbst dann, wenn auch er im Rahmen eines Rechtsstreits zu einer entsprechenden Zahlung verurteilt werden sollte, nicht an ihn persönlich, sondern an den Haftpflichtversicherer seines Arbeitgebers halten werde. Schon diese Vorgehensweise ist aus objektiver Sicht mit den guten Sitten nicht vereinbar, weil die sachbearbeitenden Mitarbeiter der Rechtsabteilung der beklagten Feuerversicherungsanstalt der ihnen vorliegenden Anklageschrift unschwer entnehmen konnten, dass der Kläger Beamter der Berufsfeuerwehr war und ihm fahrlässiges Verhalten auch nur innerhalb dieses beamtenrechtlichen Pflichtenkreises vorgeworfen wurde, so dass gemäß Artikel 34 Grundgesetz nicht ihn, sondern die Anstellungskörperschaft die Verantwortlichkeit für sein Handeln trifft, seine zivilrechtliche Inanspruchnahme mithin nicht in Betracht kam. Die Beamteneigenschaft war den Mitarbeitern der Beklagten auch bei Abfassung des Schreibens vom 11. März 1999 bewusst, denn in dem Schreiben vom 8. März 1999 an die Stadt D... ist ausdrücklich von der Verantwortlichkeit der Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr - u.a. des Brandoberamtsrats S..., des Klägers, - die Rede.

Dass die Beklagte sich der fehlenden zivilrechtlichen Verantwortlichkeit des Klägers bewusst verschlossen und zumindest nach außen den Eindruck erweckt hat, mit der Verjährungsverzichtserklärung rechtsmissbräuchliche Ziele verfolgen zu wollen, ist auch dem Umstand zu entnehmen, dass sie dann nach entsprechendem Hinweis des Klägers im Anwaltsschreiben vom 23. April 1999 auf eine fehlende Anspruchsgrundlage für seine persönliche Inanspruchnahme diesem unter dem 28. April 1999 gleichwohl angekündigt hat, ihn für den Fall, dass er die Erklärung nicht abgeben werde, aus prozesstaktischen Gründen schon jetzt verklagen zu müssen, um ihn als Zeugen in einem Rechtsstreit mit der Stadt D... ausschalten zu können. Insoweit mag es dahinstehen, ob die Inanspruchnahme des Klägers seinerzeit tatsächlich beabsichtigt gewesen ist - was die Beklagte in der Berufungsinstanz in Abrede stellt -, denn auf die innere Einstellung des Handelnden kommt es für die aus objektiver Sicht vorzunehmende Beurteilung, ob sein Verhalten mit den guten Sitten unvereinbar ist, nicht an (vgl. nur: Palandt/Thomas, Rdnr. 4 zu § 826).

2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Beklagte dem Kläger vorsätzlich den Schaden zugefügt, den er durch die Kosten für die Inanspruchnahme anwaltlichen Rats erlitten hat.

Soweit es das Tatbestandsmerkmal der vorsätzlichen Schädigung angeht, genügt die Feststellung bedingten Vorsatzes, was nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lediglich voraussetzt, dass die Beklagte die Entstehung eines Schadens für möglich gehalten und in Kauf genommen hat (BGH NJW-RR 1986, 1150; NJW 86, 180, 181). Es entspricht der Lebenserfahrung, dass ein juristischer Laie, der von der Rechtsabteilung eines "führenden Versicherungsunternehmens" zur Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung über eine Schadensersatzforderung von 245 Mio. DM aufgefordert wird, anwaltlichen Rat zur weiteren Vorgehensweise zur Hilfe nimmt, der entsprechend den Gebührentatbeständen der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung zu vergüten ist.

3. Bei dieser Vorgehensweise der Beklagten - der Ankündigung seiner Inanspruchnahme auf Schadensersatz sowie der Erstreckung der zu erhebenden Klage auf ihn - war der Kläger, um dessen Existenz es ging, auch berechtigt, anwaltlichen Rat einzuholen. Für ihn als juristischem Laien war die Rechtslage, auch wenn es zunächst nur um die Frage der Verjährung ging, nicht hinreichend überschaubar.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war er nicht verpflichtet, sich in dieser ihn persönlich betreffenden Angelegenheit an seinen Dienstherrn und dessen Rechtsamt zu wenden, zumal die Stadt D... sich möglicherweise in einer Interessenkollision befand.

Ihrer dem Grunde nach bestehenden Schadensersatzpflicht kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sie von vorneherein auf die Inanspruchnahme des Klägers verzichtet habe. Zwar heißt es in den Schreiben, dass sie sich "letztlich nicht" an den Kläger persönlich, sondern an den Haftpflichtversicherer seines Arbeitgebers halten und "keinesfalls an seine persönliche Inanspruchnahme gedacht" werde. Indessen hatte sie ernsthaft beabsichtigt, auch gegen den Kläger Klage zu erheben, denn sie hatte in ihren streitgegenständlichen Schreiben dem Kläger angekündigt, in einem möglichen Rechtsstreit gegen die Stadt D... auch ihn verklagen zu müssen. Im übrigen stellt ihre im Konditional gehaltene Ankündigung, aus einem obsiegenden Urteil gegen den Kläger nicht vollstrecken zu wollen, nur eine unverbindliche Erklärung und keinen Verzicht dar, die auch deshalb unerheblich ist, weil der Kläger nicht gehalten war, sich zu Unrecht verurteilen zu lassen.

4.

Der Befreiungsanspruch des Klägers beschränkt sich auch nicht auf die Erstberatungsgebühr des § 20 BRAGO in Höhe von 350 DM, vielmehr kann er Freistellung von der Geschäftsgebühr des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO verlangen.

Lediglich dann, wenn sich eine Tätigkeit des Anwalts auf die Erteilung eines Rats oder einer Auskunft beschränkt, erhält er eine Gebühr nach § 20 BRAGO. Kommt es hingegen zu einer Tätigkeit des Anwalts nach außen, sei es auch nur durch ein Telefonat, entsteht eine Gebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO (vgl. nur: Hartmann, Kostengesetze, 28. Aufl., Rdnr. 19 zu § 118 BRAGO; Rdnr. 10 zu § 20 BRAGO).

Der Kläger war entgegen der Auffassung der Beklagten nicht schon verpflichtet, sich mit anwaltlichem Rat zu begnügen, vielmehr war er berechtigt, seine Interessen durch nach außen auftretende Rechtsanwälte wahrnehmen zu lassen. Dies muss im vorliegenden Fall schon - wie der Kläger zu Recht ausführt - aus dem Prinzip der Waffengleichheit folgen, weil die Beklagte sich mit Schreiben vom 11. März 1999 durch ihre Rechtsabteilung - die Syndikusanwältin L... - an ihn gewandt und das Schreiben überdies auch von dem Chefjustitiar unterzeichnet worden war. Im übrigen zeigt das weitere Verhalten der Beklagten, dass sie sich mit einer persönlichen Antwort des Klägers mit dem Inhalt der durch seine Bevollmächtigten erteilten Antwort nicht zufrieden gegeben hätte.

5. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich auch nicht feststellen, dass der Kläger einem Gebührenanspruch der Rechtsanwälte H... und Partner aus § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO deshalb nicht ausgesetzt ist, weil er diesem einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung des Anwaltsvertrages wegen unterbliebener Belehrung über die Höhe der Anwaltsgebühren entgegenhalten könnte.

Auf die durch den Vertragsschluss kraft Gesetzes entstehenden Anwaltsgebühren muss der Rechtsanwalt grundsätzlich nicht ungefragt hinweisen, weil kein Mandant ein unentgeltliches Tätigwerden des Fachberaters erwarten darf und dessen gesetzliche Gebühren allgemein zu erfahren sind (BGH NJW 1998, 136, 137; Borgmann NJW 2000, 2953, 2959).

Ungefragte Aufklärung schuldet er nach Treu und Glauben nur dann, wenn die erstrebte Rechtsverfolgung erkennbar wirtschaftlich unvernünftig ist, weil das zu erreichende Ziel in keinem angemessenen Verhältnis zu den anfallenden Kosten steht (BGH, Borgmann a.a.O.).

Dies war vorliegend - wie oben bereits ausgeführt - indessen nicht der Fall, denn dem Kläger ging es darum, die in Aussicht gestellte Inanspruchnahme wegen der geltend gemachten Schadensersatzforderung von 245 Mio. DM abzuwehren. Daher kommt es nicht weiter darauf an, ob die Prozessbevollmächtigten des Klägers diesen - wie sie behaupten (Bl. 158 GA) - über die voraussichtliche Höhe der Vergütung aufgeklärt haben.

6. Dem Grunde nach schuldet der Kläger seinen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, die auch außergerichtlich bevollmächtigt waren, daher eine Geschäftsgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, für die ein Rahmen von 5/10 bis 10/10 der vollen Gebühr vorgesehen ist.

Die richtige Gebühr muss der Anwalt dabei nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls ermitteln, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers, § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO. Ist die Gebühr - wie hier - von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 12 Abs. 1 Satz 2 BRAGO). Dabei trägt derjenige, der einen Ermessensmissbrauch behauptet, die entsprechende Beweislast (vgl. nur: Hartmann, Rdnr. 15 zu § 12 BRAGO).

Die Bestimmung der Einzelfallgebühr durch den Rechtsanwalt ist nur daraufhin überprüfbar, ob er von falschen tatsächlichen Grundlagen ausgegangen ist, ob er den Ermessensspielraum überschritten oder gar sein Ermessen missbraucht hat (Hartmann, Rdnr. 23 ff. zu § 12 GKG m.w.N.). Nur dann, wenn die angesetzte Gebühr die in vergleichbaren Fällen angemessene deutlich übersteigt, ist sie unbillig und nicht verbindlich. Dies kann - wie der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf in seinem Gutachten unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung ausgeführt hat - erst dann angenommen werden, wenn die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr die vom Gericht als angemessen erachtete um mehr als 20 % übersteigt (Hartmann, a.a.O.; OLG Düsseldorf, AnwBl. 1999, 611; OLG München OLGR 1992, 175).

Bei Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht feststellen, dass die von den Rechtsanwälten Dr. H... und Partner in Ansatz gebrachte Mittelgebühr von 7,5/10 unbillig ist.

Die Mittelgebühr ist stets angemessen, wenn anhand der Bemessungskriterien des § 12 Abs. 1 BRAGO eine durchschnittliche Fallgestaltung anzunehmen ist. Weicht ein oder weichen mehrere Kriterien von den Durchschnittsgegebenheiten deutlich ab, so kann eine Anhebung oder Senkung der Mittelgebühr gerechtfertigt sein. Dabei können Abweichungen in den einzelnen Beurteilungskriterien des § 12 Abs. 1 BRAGO nach oben oder unten aber auch jeweils durch Abweichungen in den anderen Beurteilungskriterien kompensiert werden (vgl. nur: OLG Hamm OLGR 1998, 68; 1992, 272).

Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf in seinem Gebührengutachten ist die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger als weit überdurchschnittlich anzusehen. Er musste, nachdem die Beklagte an ihn herangetreten war, damit rechnen, dass diese ihn - neben der Stadt D... - auf die bezifferte Schadensersatzforderung von 245 Mio. DM in Anspruch nehmen würde. Da er hierdurch in seiner wirtschaftlichen Existenz als Beamter im Ruhestand vernichtet worden wäre, hatte er ein eminentes Interesse daran, die vermeintlichen Ansprüche schon im Vorfeld der aussergerichtlichen Geltendmachung abzuwehren. Dass die Beklagte in ihren vorprozessualen Schreiben auf seine Inanspruchnahme verzichtet hätte, - wie sie nunmehr geltend macht - lässt sich diesen - wie bereits ausgeführt - nicht entnehmen.

Soweit es die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers angeht, ist der Vorstand der Rechtsanwaltskammer - von der andernfalls darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten unangegriffen - davon ausgegangen, dass diese als zumindest durchschnittlich anzusehen sind, weil er Beamter im Ruhestand ist.

Auch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit hat der Vorstand der Rechtsanwaltskammer in seinem Gutachten als zumindest durchschnittlich bewertet. Dabei hat er u.a. berücksichtigt, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Beklagten korrespondiert und diese darauf hingewiesen haben, dass er als Beamter der Stadt D... unter keinem Gesichtspunkt hafte, weil gemäß Art. 34 GG seine Haftung nicht in Betracht komme. Ob diesen Bemessungsmerkmalen tatsächlich ein - wie die Beklagte geltend macht - geringeres Gewicht zukommt, mag dahinstehen, da das geringere Gewicht eines Bemessungsmerkmals durch das überragendere Gewicht eines anderen Merkmals durchaus kompensiert werden kann (s.o.) und ein Ermessensfehlgebrauch erst bei einer über 20 % hinausgehenden Überschreitung festgestellt werden kann. Allein deshalb aber, weil die Bedeutung der Sache für den Kläger als überdurchschnittlich anzusehen ist, ist es ausgeschlossen, eine Gebühr am unteren Rande des Gebührenrahmens als angemessen anzusehen. Daher besteht keinerlei Anlass, den Vorstand der Rechtsanwaltskammer zu den Einwendungen der Beklagten noch ergänzend anzuhören.

7. Soweit es den Gegenstandswert angeht, gelten §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 Satz 2 BRAGO, d. h. der Gegenstandswert richtet sich auch dann, wenn der Anwalt im Hinblick auf ein bevorstehendes gerichtliches Verfahren tätig wird, nach den für das Gerichtsverfahren geltenden Vorschriften, hier gemäß §§ 1 Abs. 1, 12 Abs. 1 GKG nach dem Wert des Streitgegenstandes.

Bei Feststellungsklagen, die ausschließlich und vorsorglich zur Unterbrechung der Verjährung erhoben werden, wird ein Abschlag von 40 % auf den Leistungsanspruch als gerechtfertigt angesehen (OLG Frankfurt, Anwaltsblatt 1982, 436; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. A., Rdnr. 1691). Da auch die Beklagte seinerzeit nur eine Verjährungsverzichtserklärung und nicht ein Haftungsanerkenntnis von dem Kläger forderte, erscheint dem Senat auch hier ein Abzug von 40 % als angemessen, so dass der Gegenstandswert bei 147 Mio. DM liegt.

Eine 10/10 Gebühr beläuft sich bei einem Gegenstandswert von 147 Mio. DM auf 444.225 DM, so dass die 7,5/10 Gebühr 333.168,75 DM beträgt. Zuzüglich der Auslagenpauschale von 40 DM (§ 26 BRAGO) und 16 % MwSt. ergibt sich ein Gebührenanspruch der Rechtsanwälte H... pp. in Höhe von 386.522,15 DM brutto, was dem zugesprochenen Betrag von 197.625,63 EUR entspricht.

8. Dass den Kläger ein Verstoß gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht trifft und der Befreiungsanspruch daher nicht in voller Höhe der entstandenen Anwaltskosten gerechtfertigt ist, lässt sich nicht feststellen. Wie bereits oben ausgeführt, war es dem Kläger, der sich mit einer Schadensersatzforderung von 245 Mio. DM konfrontiert sah, nicht zuzumuten, sich zunächst einmal über die Stadt Düsseldorf oder persönlich mit der Beklagten in Verbindung zu setzen und sie über seine Beamteneigenschaft aufzuklären.

B.

Daneben folgt eine - verschuldensunabhängige - Verpflichtung der Beklagten, den Kläger von den ihm entstandenen Anwaltskosten freizustellen, aber auch aus §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB.

Es ist in der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass der durch einen Wettbewerbsverstoß Verletzte auch von dem nicht schuldhaft handelnden Verletzter die Kosten seiner Abmahnung unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangen kann. Dabei geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Abmahnung der Beseitigung einer rechtswidrigen Störung dient, zu der grundsätzlich der Störer selbst verpflichtet ist (§ 1004 BGB). Derjenige, der vom Störer die Beseitigung der Störung verlangen kann, hat gemäß § 683 BGB einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen als Geschäftsführer ohne Auftrag, wenn er bei der Beseitigung der Störung hilft und dabei im Interesse und im Einklang mit dem wirklichen oder mutmasslichen Willen des Störers tätig wird und seine Tätigkeit dem Geschäftsherrn - dem abgemahnten Störer - nützlich ist. Der Abmahnende führt in der Regel ein solches objektiv fremdes Geschäft, denn die Abmahnung des Störers liegt in dessen Interesse, da er hierdurch Gelegenheit erhält, einen kostspieligen Rechtsstreit zu vermeiden (vgl. zu Vorstehendem nur: Gloy, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. A., § 60, Rdnrn. 32 ff.; Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. A., Rdnrn. 552 ff. zu Einl. UWG; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, Rdnr. 407; jew. m.w.N.).

Die Zubilligung dieses Erstattungsanspruchs auf der Grundlage der §§ 683, 670 BGB beruht auf dem Gedanken, dass der vorprozessual Abmahnende nicht schlechter stehen soll, als wenn er den Wettbewerbsprozess durchgeführt und gewonnen hätte (vgl. nur: Gloy, a.a.O.; Piper, Aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Wettbewerbsrecht, 2. A., Rdnr. 539).

Diese Erwägungen müssen auch im vorliegenden Fall Anwendung finden. Unstreitig haftet der Kläger persönlich schon deshalb unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für die durch den Flughafenbrand entstandenen Schäden, weil ihm nur fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt wurde, so dass ihn eine Haftung gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB, Art. 34 GG nicht traf. Es lag im Interesse der Beklagten, im Vorfeld eines Prozesses darauf hingewiesen zu werden, dass sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt berechtigt war, den Kläger persönlich in Regress zu nehmen und so einen kostspieligen Prozess zu vermeiden.

C.

Schließlich geben die Ausführungen, welche der erstinstanzliche Bevollmächtigte der Beklagten in der Senatsverhandlung gemacht hat, dem Senat noch Anlass zu folgenden Anmerkungen:

Der Senat kann nicht zu Lasten des Klägers, einem juristischen Laien, berücksichtigen, dass die verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten - der Chefjustitiar und die Syndikusanwältin eines der "führenden Versicherungsunternehmen" - mit dem streitgegenständlichen Schadensfall überfordert waren und möglicherweise deshalb voreilig an den Kläger mit der Forderung, eine Verjährungsverzichtserklärung abzugeben, herangetreten sind. Dies kann ebensowenig wie der Hinweis darauf, dass die Beklagte beabsichtige, ihre verantwortlichen Mitarbeiter im Falle ihrer Verurteilung zum Schadensersatz in Regress zu nehmen, zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen. Diese Umstände rechtfertigen es nicht, dem Kläger die Erstattung der Kosten zu verwehren, die ihm dadurch entstanden sind, dass er sich gegen die ankündigte unberechtigte Inanspruchnahme der Beklagten angemessen - nämlich unter Hinzuziehung anwaltlichen Rats - zur Wehr gesetzt hat.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 284 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 31. April 2000 geltenden Fassung gemäß Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB. Der Kläger hat der Beklagten durch Anwaltsschreiben vom 18. Oktober 1999 erfolglos eine Zahlungsfrist bis zum 2. November 1999 setzen lassen.

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 197.626 EUR, die des Klägers 130.779 EUR.

Dr. L... L... v... R...






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 01.02.2002
Az: 16 U 1/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c85a77b62de8/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_1-Februar-2002_Az_16-U-1-01




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share