Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Juli 2006
Aktenzeichen: 28 W (pat) 294/04
(BPatG: Beschluss v. 27.07.2006, Az.: 28 W (pat) 294/04)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 2 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Juli 2004 aufgehoben, soweit die Widersprüche aus den Gemeinschaftsmarken GM 82 543 "MOBIL" und GM 165 704 "Mobil" zurückgewiesen wurden.
Wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke GM 165 704 wird die Löschung der angegriffenen Marke 300 90 836 für die Waren "Rostschutzmittel", "Technische Öle und Fette; Schmiermittel" und "Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe)" angeordnet.
Der weitergehende Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke GM 165 704 wird zurückgewiesen.
Der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke GM 82 543 "MOBIL" wird zurückgewiesen, soweit er nicht durch die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 165 704 gegenstandslos geworden ist.
Die weitergehenden Beschwerden werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Das Wort MOBILIN wurde am 13. Dezember 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt zur Marke angemeldet und am 20. März 2001 in das Register eingetragen. Nach bestandskräftiger Teillöschung wegen anderer Widersprüche ist die Marke jetzt noch für die folgenden Waren eingetragen:
"Chemische Erzeugnisses für gewerbliche, wissenschaftliche, photographische, land- und forstwirtschaftliche Zwecke; Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe im Rohzustand; Düngemittel; Feuerlöschmittel; Mittel zum Härten und Löten von Metallen; chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln; Gerbmittel; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke; Rostschutzmittel, Holzkonservierungsmittel; Färbemittel; Beizen; Naturharze im Rohzustand; Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler; Technische Öle und Fette; Schmiermittel; Staubabsorbierungs-, Staubbenetzungs- und Staubbindemittel; Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe) und Leuchtstoffe; Kerzen, Dochte".
Widerspruch ist auch eingelegt worden aus der Gemeinschaftsmarke GM 82 453 MOBIL die am 27. März 1996 bei dem Harmonisierungsamt angemeldet und dort am 30. April 2003 u. a. für die folgenden Waren der Klasse 1, 3 und 4 eingetragen worden war:
"Alle in Klasse 1 enthaltenen Waren, einschließlich chemischer Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke, alles Erdölprodukte oder -derivate; Schlichtemittel/Leimungsmaterial, Trockenmittel, Plastifiziermittel, Entschäumungsmittel, Wachsemulsionen, Lösungsmittel für Epoxidharze und Überzugsmassen (nicht in Form von Anstrichfarben), Feuerlöschmittel, alle als chemische Produkte für gewerbliche Zwecke; chemische Erzeugnisse, soweit sie in Klasse 1 enthalten sind, für landwirtschaftliche, gartenbauliche und forstwirtschaftliche Zwecke; Düngemittel; Anlasssubstanzen und chemische Mittel zum Löten und für die Metallbearbeitung; Gerbmittel und chemische Substanzen für die Behandlung von Häuten und Leder; Klebemittel für gewerbliche Zwecke; unverarbeitete Kunststoffe in Form von Pasten, Flüssigkeiten, Dispersionen, Emulsionen und Granulaten, einschließlich Polyethylen und Polyethylenglykol, Kunstharze, Hydraulikflüssigkeiten, Flüssigkeiten für Automatikgetriebe, Bremsflüssigkeiten und Kraftstoffadditive, Schmiermittel (einschließlich Motorenöle) und -fette; chemische Mittel zur Verwendung als Kühlmittel und Frostschutzmittel sowie Enteisungsmittel.
Alle in Klasse 3 enthaltenen Waren, einschließlich Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Autowaschmittel; Waschmittel für Windschutzscheiben; Flüssigreiniger für Textilstoffe; Wachspolitur.
Alle in Klasse 4 enthaltenen Waren, einschließlich technische Öle und Fette (andere als Speiseöle und -fette sowie ätherische Öle), einschließlich Öl für Kreisläufe, Motorenöl, Maschinenöl, Öl für Metallverarbeitung, Schmieröl, Motorenöl, rostlösendes Öl, Schmiermittel (einschließlich Motorenöle) und -fette; Brennstoffe (einschließlich Benzin) und Lösungsmittel als Erdölderivate, alle soweit in Klasse 4 enthalten; Öle für Heiz- und Beleuchtungszwecke; Wachse zu Verwendung in der Produktion; Erdölprodukte, soweit sie in dieser Klasse enthalten sind, für gewerbliche Zwecke sowie schmutzabsetzende und -absorbierende Verbindungen; Kerzen, Talglichte; Nachtlichte, Dochte."
Ein weiterer Widerspruch wurde erhoben aus der Gemeinschaftsmarke GM 165 704 Grafik der Markedie am 1. April 1996 bei dem Harmonisierungsamt angemeldet und dort am 21. Juni 1999 u. a. für Waren der Klasse 1, 3 und 4 eingetragen worden war. Im Bereich der Klassen 1 und 3 ist das Warenverzeichnis dieser Marke identisch mit dem Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke GM 82 453. In der Warenklasse 4 lautet das Warenverzeichnis wie folgt:
"Alle in Klasse 4 enthaltenen Waren, einschließlich technische Öle und Fette (andere als Speiseöle und -fette sowie ätherische Öle), einschließlich Öl für Kreisläufe, Motorenöl, Maschinenöl, Öl für Metallverarbeitung, Schmieröl, Motorenöl, rostlösendes Öl, Schmierstoffe, einschließlich synthetischer Schmiermittel; Brennstoffe (einschließlich Benzin) und Lösungsmittel als Erdölderivate, alle soweit in Klasse 4 enthalten; Öle für Heiz- und Beleuchtungszwecke; Wachse zu Verwendung in der Produktion; Erdölprodukte, soweit sie in dieser Klasse enthalten sind, für gewerbliche Zwecke sowie schmutzabsetzende und -absorbierende Verbindungen; Kerzen, Talglichte; Nachtlichte, Dochte."
Mit Beschluss vom 30. Juli 2004 hat die Markenstelle für die Klasse 2 die beiden vorgenannten Widersprüche zurückgewiesen mit der Begründung, dass zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe. Auch bei Identität oder Ähnlichkeit zwischen den Waren und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken halte die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand. Durch die beiden zusätzlichen Buchstaben "-in" am Ende von "Mobilin" rücke der klangliche und schriftbildliche Gesamteindruck der Marke deutlich von dem der Widerspruchsmarken ab, zumal die zusätzliche dritte Silbe in "Mobilin" auch deutliche Unterschiede in Aussprache und Betonung der übereinstimmenden Markenbestandteile bewirke. Gegen eine markenrechtliche Verwechslung unter dem Gesichtspunkt des gedanklichen In-Verbindung-Bringens spreche u. a. der beschreibende Anklang und die daraus abzuleitende Kennzeichnungsschwäche der beiden Widerspruchsmarken.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie meint, dass die angegriffene Marke in allen für sie beanspruchten Warenbereichen den Widerspruchsmarken i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG verwechselbar nahe komme. Für die Frage der Ähnlichkeit der Waren komme es nur auf die Registerlage an, weil sich keine Benutzungsfragen stellten. Im Bereich der Warenklassen 1 und 4 bestünde zwischen den Waren der Vergleichsmarken Identität. Die Waren der Klasse 2, die nur von der angegriffenen Marke beansprucht werden, seien den Waren der Klassen 1 und 4 ähnlich. Dass die Widerspruchsmarken bereits unabhängig von ihrer Benutzung eine normale Kennzeichnungskraft hätten, werde bereits an der Vielzahl der eingetragenen Marken deutlich, die entweder nur aus dem Wort "Mobil" bestünden oder aus einer Kombination mit diesem Markenbestandteil. Im Übrigen würden beide Widerspruchsmarken seit Jahren umfangreich benutzt, hätten einen hohen Bekanntheitsgrad und verfügten daher über einen erweiterten Schutzumfang. Die Widerspruchsmarken kämen an erster Stelle im Bereich der Auto- und Zweiradschmierstoffe und verwandter Zubehörprodukte zum Einsatz, daneben auch für Industrie- und Marineschmierstoffe. Bereits 1955 habe die Rechtsvorgängerin der Widersprechenden das erste Mehrbereichsöl in Deutschland unter dem Namen "Mobil" auf den Markt gebracht. 1973 sei mit dem Produkt "MOBIL SHC" der erste vollsynthetische Schmierstoff unter der Marke "MOBIL" in Deutschland eingeführt worden. Im Jahr 2003 habe die Widersprechende in Deutschland ca. 100 Mio. U.S.-Dollar Umsatz mit "Mobil"-Produkten für PKW- und LKW-Öl und -Zubehör gemacht. Im Jahr 2004 hätten die entsprechenden Umsätze allein im Esso-Tankstellen-Netz 115 Mio. U.S.-Dollar betragen. Im selben Jahr habe die Widersprechende mit Marineschmierstoffen ca. 43 Mio. U.S.-Dollar umgesetzt. Ein zweiter Schwerpunkt der umfangreichen Benutzung liege im Bereich der Erdgas- und Erdölförderung. In der deutschen Erdgas- und Erdöl-Förderindustrie sei die Widersprechende das zweitgrößte Unternehmen. 25 % der Erdgasförderung in Deutschland würden von der Widersprechenden betrieben. Im Übrigen benutze die Widersprechende die Widerspruchsmarke auch in allen anderen Warenbereichen der Klassen 1 und 4.
Die Widersprechende meint, dass die angegriffene Marke aus den dargelegten Gründen einen deutlichen Abstand zu den Widerspruchsmarken halten müsse und diese Anforderung nicht erfülle, weil sie lediglich in einer unwesentlichen Abwandlung des Wortes "Mobil" bestehe. Die Vergleichsmarken können daher ohne weiteres i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unmittelbar, nämlich klanglich oder schriftbildlich, miteinander verwechselt werden. Da die Widersprechende außerdem eine Vielzahl von deutschen Kombinationsmarken mit dem Bestandteil "Mobil" besitze, würde mit der Eintragung der angegriffenen Marke auch die Gefahr begründet, dass die angesprochenen Verkehrskreise die jüngere Marke irrtümlich als eine weitere Kombinationsmarke der Widersprechenden auffassen könnten.
Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Juli 2004 insoweit aufzuheben, als die Widersprüche aus den Gemeinschaftsmarken GM 82 453 und GM 165 704 zurückgewiesen wurden und die angegriffene Marke wegen der Widersprüche aus den vorgenannten Gemeinschaftsmarken zu löschen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie meint, dass die Widerspruchsmarken nur eine schwache Kennzeichnungskraft hätten, weil sie für die beanspruchten Waren glatt beschreibend seien.
In der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2006 hat der anwaltliche Vertreter der Widersprechenden auf Befragen des erkennenden Senats erklärt, dass er zu der Frage, welche der für die Widersprechende eingetragenen Kombinationsmarken mit dem Markenbestandteil "Mobil" auch benutzt würden, keine Angaben machen könne.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist teilweise begründet, weil eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG zwischen den Vergleichsmarken im Umfang der im Tenor aufgeführten Waren nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Der weitergehende Widerspruch und die weitergehende Beschwerde sind dagegen unbegründet, weil außerhalb der genannten Waren keine Verwechslungsgefahr besteht.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG verlangt eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken und eine gesteigerte Kennzeichnungskraft ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr., u. a. BGH GRUR 2002, 542, 543 - BIG; BGH GRUR 2000, 608, 610 - ARD - 1).
Für die Frage der Warenähnlichkeit kommt es allein auf die Registerlage an, weil sich keine Benutzungsfragen stellen. Danach sind die Waren der Vergleichsmarken jedenfalls in den Klassen 1 und 4 identisch, was Verwechslungen grundsätzlich begünstigen kann, zumal von den im Kern streitigen Waren auch Endabnehmer betroffen sind.
Die Kennzeichnungskraft der beiden Widerspruchsmarken, von denen die Bildmarke 165 704 allein durch das Wort "Mobil" geprägt wird, ist von Haus aus deutlich verringert. Denn das Wort "mobil" ist ein Eigenschaftswort aus dem deutschen Wortschatz und bedeutet "beweglich" (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. 2003, S. 1091). Wegen dieser Bedeutungen kommt das Wort "mobil" für eine Vielzahl der Waren in den Klassen 1 und 4 als einfache Bestimmungsangabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in Betracht, die als solche nicht schutzfähig ist. Nur beispielsweise seien hier die die "Antiklopfmittel für Verbrennungsmotoren", "chemischen Entzunderungsmittel für Motoren" oder die "Servolenkungsfluide" erwähnt, die nach der alphabetischen Liste der Waren in der achten Ausgabe der Klassifikation von Nizza zu der von den Widerspruchsmarken insgesamt beanspruchten Warenklasse 1 gehören, oder die zusätzlich im Warenregister beider Widerspruchsmarken für die Klasse 1 genannten "Hydraulikflüssigkeiten", "Bremsflüssigkeiten und Kraftsstoffadditive" und die "chemischen Mittel zur Verwendung als Kühlmittel und Frostschutzmittel sowie Enteisungsmittel".
Bei dieser Ausgangslage können an den Abstand, den die angegriffene Marke von den Widerspruchsmarken halten muss, keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden. Die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken reichen dafür aus, weil die zusätzlichen Buchstaben "-in" am Ende der angegriffenen Marke "Mobilin" diese klanglich, schriftbildlich und begrifflich verändern und verfremden. Aus dem zweisilbigen "Mobil" wird durch die zusätzlichen beiden Buchstaben ein dreisilbiges Wort, dessen zweite Silbe - anders als in "Mobil" - unbetont und auf die beiden Buchstaben "-bi-" verkürzt ist und dessen zusätzliche dritte Silbe "-lin" die einzige Betonung trägt. Begrifflich stehen sich einerseits ein allgemein verständliches deutsches Eigenschaftswort und andererseits eine Buchstabenfolge gegenüber, die sich auf den ersten Blick wie ein deutsches Fremdwort darstellt - etwa wie die deutschen Begriffe Endorphin, Anilin oder Lanolin - und auf den zweiten Blick ihren Charakter als Phantasiewort offenbart, dem kein konkreter Begriff zugeordnet werden kann. Dabei enthält die angegriffene Marke durchaus einen Anklang an das deutsche Wort "mobil"; doch ist die vorgenommene Verfremdung stark genug, um jede Festlegung auf eine klare Sachangabe zu verhindern. Aus diesen Gründen kann für die Vergleichsmarken überall da, wo es für die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nur auf die Registerlage ankommt, eine unmittelbare markenrechtliche Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ausgeschlossen werden.
Die Tatsache, dass die Widerspruchsmarken von Haus aus nur über eine deutlich geschwächte Kennzeichnungskraft verfügen, steht auch von vornherein einer Verwechslungsgefahr durch gedankliches In-Verbindung-Bringen entgegen. Etwas anderes hätte allenfalls dann gelten können, wenn die Widersprechende eine oder mehrere Kombinationsmarken mit "Mobil" so umfangreich benutzen würde, dass der Verkehr die angegriffene Marke "Mobilin" irrtümlich als eine weitere solche Serienmarke ansehen könnte. Das hat die Widersprechende jedoch nicht vorgetragen. Sie hat zwar geltend gemacht, dass für sie und andere Gesellschaften ihres Konzerns zahlreiche Kombinationsmarken mit dem Markenbestandteil "Mobil" mit Geltung für die Bundesrepublik Deutschland bestünden. In der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2006 hat die Widersprechende jedoch klar zum Ausdruck gemacht, dass sie zu einer etwaigen Benutzung dieser Marken und damit zu einer möglichen Gewöhnung des Verkehrs an Kombinations- oder Serienmarken mit dem Markenbestandteil "Mobil" nichts vortragen könne.
Grundsätzlich anders können die Dinge nur liegen, wenn und soweit den Widerspruchsmarken eine deutliche Erhöhung der ursprünglich schwachen Kennzeichnungskraft zugebilligt werden muss. Kennzeichnungskraft und Schutzumfang sind rechtliche Bewertungen, für deren schlüssige Darlegungen die bloße Rechtsbehauptung nicht genügt. Vielmehr muss, wer sich auf sie berufen will, auch die konkreten Tatsachen vortragen, mit denen sich die geltend gemachte rechtliche Einordnung begründen lässt. Die Voraussetzungen für eine erhöhte Kennzeichnungskraft müssen im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marken bestanden haben und im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch fortbestehen (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH GRUR 1960, 130, 134 - Sunpearl II - und Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Auflage, § 9 Rdn. 39). Für diese Zeitpunkte müssen konkrete Angaben zu einer Reihe von Kriterien gemacht werden (vgl. EuGH MarkenR 1999, 236, 239 (Nr. 23, 24) "Lloyd"; GRUR 2002, 804, 808 (Nr. 60-62) "Philips"; BGH GRUR 2002, 1067, 1069 "DKV/OKV"), in erster Linie zu dem Marktanteil, der mit den maßgeblichen Waren der in Rede stehenden Marke gehalten wird, und zu dem Bekanntheitsgrad, den die Marke für diese Waren bei den angesprochenen Verkehrskreisen hat. Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag der Widersprechenden nur in Bezug auf das von ihr oder anderen Gesellschaften ihres Konzerns unter den Widerspruchsmarken vertriebene Motorenöl für Personen- und Lastkraftwagen. Den entsprechenden Darlegungen ist die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht entgegengetreten. Nach dem insoweit schlüssigen und unstreitigen Sachvortrag der Widersprechenden ist den Widerspruchsmarken damit für die Waren "Motorenöle für Personen- und Lastkraftwagen" nicht nur eine auf ein durchschnittliches Maß gesteigerte Kennzeichnungskraft, sonder ein darüber hinaus erweiterter Schutzumfang zuzubilligen.
Dagegen reicht der Tatsachenvortrag der Widersprechenden für die schlüssige Darlegung einer entsprechenden oder ähnlichen Steigerung der Kennzeichnungskraft ihrer Marken für andere Waren nicht aus. Insoweit hat die Widersprechende die konkreten Waren aus den Klassen 1, 3 und 4, für die die Widerspruchsmarken benutzt werden müssten, auch nicht beispielsweise identifiziert. Das gilt auch für die Zweiradschmierstoffe, die Industrie- und Marineschmierstoffe und den Bereich der Erdgas- und Erdöl-Förderung, auf die sich die Widersprechende besonders berufen hat. Angaben zum Marktanteil, zu jährlichen Umsätzen, dem Werbeaufkommen oder dem konkreten Bekanntheitsgrad in Deutschland fehlen entweder ganz oder sind unvollständig. Es mag sein, dass die A... weltweit der größte Produzent und Lieferant von Marineschmierstoffen ist. Dieser Umstand erlaubt aber keine Rückschlüsse auf den deutschen Markt. Konkrete Umsatzzahlen wurden für diesen - im Einzelnen unspezifizierten Warenbereich - nur für das Jahr 2003 angegeben. Auch die Mitteilung, dass die B... GmbH das zweitgrößte Unternehmen der deutschen Erdgas- und Erdöl-Förderindustrie sei, gibt keinen Aufschluss darüber, welche konkreten Waren dieses Unternehmen unter den Widerspruchsmarken vertreibt.
Soweit den Widerspruchsmarken ein erweiterter Schutzumfang zugebilligt werden muss, kann für den Bereich der im Tenor genannten identischen und ähnlichen Waren (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl., S. 36 zum Stichwort "Benzin", S. 213 zum Stichwort "Motorenöl" und S. 254, 255 zum Stichwort "Rostschutzmittel") der angegriffenen Marke eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Denn bei Zugrundelegung eines erweiterten Schutzumfanges der Widerspruchsmarken reichen die bestehenden Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken aus Rechtsgründen nicht mehr aus. Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, dass gerade auch Endverbraucher die angegriffene Marke "Mobilin" irrtümlich als eine erste Serienmarke zu der für PKW- und LKW-Motorenöle bekannten Marke "Mobil" auffassen, wenn sie der angegriffenen Marke im Bereich der im Tenor genannten identischen und ähnlichen Waren begegnen. Für die übrigen für die angegriffene Marke beanspruchten Waren gelten diese Überlegungen nicht, so dass hier die Vergleichsmarken nebeneinander bestehen können und die weitergehenden Widersprüche und die weitergehende Beschwerde zurückzuweisen waren.
Für eine Auferlegung der Kosten aus Billigkeitsgründen bestand nach der Sach- und Rechtslage keine Veranlassung.
BPatG:
Beschluss v. 27.07.2006
Az: 28 W (pat) 294/04
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