Landgericht Köln:
Urteil vom 25. Oktober 2007
Aktenzeichen: 31 O 380/07
(LG Köln: Urteil v. 25.10.2007, Az.: 31 O 380/07)
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,
wie nachstehend wiedergegeben, einen Gutschein über 5,00 Euro für die Einreichung eines Rezepts für verschreibungspflichtige Arzneimittel anzukündigen
(Es folgt eine Darstellung)
und/oder Gutscheine, wie angekündigt, zu gewähren.
II.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 189,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.6.2007 zu zahlen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheitsleistung beträgt für den Tenor zu I. 15.000 Euro, im übrigen 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Die Ankündigung der Beklagten, ihren Kunden für jedes eingereichte Rezept mit mindestens 2 verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einen Gutschein im Wert von 5 Euro auszuhändigen, der beim Einkauf von freiverkäuflichen Artikeln eingelöst werden kann, verstößt gegen das aufgrund des § 78 AMG in der AMPreisV enthaltene Rabattverbot, so dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. den §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG begründet ist, da es sich bei den Arzneimittelpreisvorschriften um Marktverhaltungsregelungen im Sinne dieser Vorschrift handelt.
Allerdings ist der Beklagten im Ausgangspunkt insoweit zu folgen, als ein Verbot dann nicht in Betracht kommt, wenn die Ankündigung des Gutscheins nicht als Preisnachlass auf verschreibungspflichtige Arzneimittel anzusehen wäre, weil dies allein Gegenstand des klägerischen Angriffs ist.
Zu dieser Frage werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Die Beklagte führt zutreffend aus, dass die Kammer in einem früheren Verfahren zunächst die Auffassung vertreten hat, es werde lediglich ein Nachlass auf nicht der Preisbindung unterliegende Artikel angeboten. Ähnliche Auffassungen vertreten das OLG Rostock (GRUR-RR 2005, 391) und das OLG Naumburg (GRURR-RR 2006, 336; vgl. auch zu einem Sonderfall OLG Hamburg, Urteil vom 26.7.2007 - 3 U 21/07 - zitiert nach JURIS).
Demgegenüber vertreten das OLG Frankfurt (GRURR-RR 2006, 233) und das OLG Köln die gegenteilige Auffassung. Das OLG Köln hat in seinem den Parteien bekannten Beschluss vom 20.9.2005 (Bl. 7 ff. d. A.) in einer vergleichbaren Konstellation folgendes ausgeführt:
"Bereits unter Geltung des Rabattgesetzes hat der Gesetzgeber die identische wirtschaftliche Bedeutung eines sofortigen Barrabatts und des einen Preisnachlass gewährenden (Bargeld-) Gutscheins erkannt und beide in § 4 Satz 1 RabattG gleichgestellt. Auch nach Abschaffung des Rabattgesetzes ist höchstrichterlich klargestellt worden, dass die in Form eines Gutscheins über einen bestimmten Geldbetrag gewährte Vergünstigung sich der Sache nach als ein Preisnachlass beim Wareneinkauf darstellt und der verständige Verbraucher dies erkennt (BGH, GRUR 2003, 1057 - "Einkaufsgutschein"). Vor diesem Hintergrund kann nach Ansicht des Senats aber kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass sich die Gewährung eines Gutscheins über 3 Euro auf frei verkäufliche Apothekenartikel anlässlich der Einlösung eines Rezepts über ein der AMPreisV unterliegendes Arzneimittel bereits als Nachlass auf dessen Preis darstellt. Wenn der Betrag von 3 Euro auch nicht unmitelbar von dem zu entrichtenden Preis des sog. Erstkaufs d. h. also schon beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Medikaments, abgezogen wird, so stellt sich der Gutschriftsbetrag in der Vorstellung des Verbrauchers dennoch als bei dem Erstkauf erzielte Ersparnis und also auf diesen unmittelbar anzurechnender Geldvorteil dar. Angesichts des der Öffentlichkeit bekannten überaus breiten Angebots von in Apotheken freiverkäuflichen Artikeln, so z. B. an Kosmetika oder nicht rezeptpflichtigen Heilmitteln, finden sich darunter nämlich zwangsläufig viele, welche jeder Verbraucher im Zuge seines Alltagslebens fortlaufend benötigt. Er kann deshalb schon anlässlich der Aushändigung des Gutscheins sicher darauf vertrauen, jedenfalls in den Genuss einer Ersparnis von 3 Euro zu kommen, wobei die Sicherheit dieser Erwartung sich unmittelbar auf seine Vorstellung von der Preisbildung des zunächst erworbenen, der Preisbindung unterliegenden Arzneimittels auswirken wird: es wird ihm nämlich um die fraglichen 3 Euro billiger erscheinen."
Dem schließt sich die Kammer nach nochmaliger Überprüfung an.
Wie mit den Parteien im Termin erörtert wurde, ist die Rabattgewährung für verschreibungspflichtige Arzneimittel auch nicht nur an § 7 HWG zu messen, der ein entsprechendes Verbot für die Bewerbung von Arzneimitteln enthält, mit der Folge, dass dann, wenn die Bewerbung nach dieser Spezialvorschrift nicht zu beanstanden ist, ein "Rückgriff" auf andere Vorschriften nicht mehr möglich erscheint. Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 7 HWG ergeben sich vorliegend daraus, dass die Gutscheinwerbung der Beklagten schwerlich als Werbung für (bestimmte) Arzneimittel einzustufen ist (vgl. zu dieser Problematik OLG Hamburg a.a. O.). Dies kann indes offen bleiben, weil § 7 HWG nicht im vorgenannten Sinn als "lex specialis" im Verhältnis zu den Vorschriften über die Arzneimittelpreise verstanden werden kann. Das HWG mit seinen abgestuften Werbebeschränkungen soll Anreizwirkungen unterbinden in Bezug auf den Erwerb bestimmter Arzneimittel. Die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verfolgt demgegenüber weitestgehend andere gesundheitspolitische Ziele wie (u.a.) die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, auf die in anderem Zusammenhang noch einzugehen sein wird. Die Regelungen stehen somit selbstständig nebeneinander und nicht etwa in einem Spezialitätsverhältnis zueinander.
Steht nach Vorstehendem somit fest, dass die Beklagte durch die Gutscheinausgabe gesetzwidrig Nachlässe auf preisgebundene verschreibungspflichtige Arzneimittel ankündigt bzw. gewährt, ist die Rechtsfolge zwangsläufig:
Da es sich bei diesen Vorschriften - darüber streiten die Parteien zu Recht nicht - um Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG handelt, ist das Verhalten der Beklagten auch unlauter im Sinne des § 3 UWG.
Das von der Beklagten angeführte tatsächliche oder vermeintliche Marktgefälle zwischen den deutschen Apotheken und (z. B.) niederländischen Versandapotheken rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung mit der Folge, dass die Preisbindung rechtlich unbeachtlich wäre.
Dabei mag - weil nicht entscheidungsrelevant - offen bleiben, ob - wie die Beklagte unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG Hamm meint - das deutsche Preisbindungsrecht für verschreibungspflichtige Arzneimittel für ausländische Apotheken nicht gilt oder ob das Gegenteil der Fall ist, wie das Landgericht Hamburg mit ausführlicher Begründung meint (Urteil vom 17.8.2006 - 315 O 340/06 - zitiert nach JURIS).
Auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten vermag die Kammer eine Grundrechtsverletzung der Beklagten mit der begehrten Folge, dass sich auch die Beklagte nicht mehr an die Preisbindung zu halten hätte, nicht festzustellen. Rechtslage und tatsächliche wirtschaftliche Gegebenheiten klaffen nämlich nicht dergestalt auseinander, dass ein Festhalten der deutschen Apotheker an der Gesetzeslage einer willkürlichen Inländerdiskriminierung gleichkäme, die nur ganz ausnahmsweise rechtlich fruchtbar gemacht werden kann (vgl. dazu z. B. Hefermehl/Köhler/ Bornkamm Einleitung UWG 3.16 m.N.), nämlich wenn sich die gesetzgeberische Entscheidung für die Arzneimittelpreisbindung als schlechterdings unverhältnismäßige Beschränkung der Artikel 3 und 12 GG darstellen würde.
Grundsätzlich hat der Gesetzgeber im Zuge der verschiedenen Reformenbestrebungen im Gesundheitswesen die Entscheidung getroffen, einerseits durch weitgehende Freigabe von Arzneimittelpreisen den Preiswettbewerb auch in diesem Bereich zu fördern u.a. mit dem Ziel, Kosten zu senken. Andererseits hatte er unter dem Gesichtspunkt der Daseinsfürsorge sicher zu stellen, dass eine möglichst flächendeckende Versorgung der Bevölkerung, also auch und gerade in ländlichen Regionen sowie für ältere Personen, die nicht in der Lage sind, mit modernen Kommunikationsmitteln umzugehen, ermöglicht wird bzw. bleibt. Insoweit hat er entschieden dass der Preiswettbewerb für den gesundheitspolitisch wichtigen Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel gerade nicht eröffnet werden soll. Dadurch soll ein Anreiz für Apotheken geschaffen werden, eine ortsnahe und schnelle Versorgung zu gewährleisten.
Der Gesetzgeber hat also von einer grundsätzlich als geeignet anzusehenden Regelungsmöglichkeit Gebrauch gemacht, was rechtlich nicht beanstandet werden kann.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es auch keineswegs so, dass tatsächlich das gesetzgeberische Ziel durch die ausländische Konkurrenz, die angeblich keiner Preisbindung unterliegt, konterkariert würde.
Wie im Termin auf der Basis der von der Klägerin unwidersprochen vorgetragenen Daten und Zahlen erörtert wurde, ist der Marktanteil der Versandapotheken (und damit auch ausländischer Apotheken) beim gesamten Arzneimittelumsatz nach wie vor verschwindend gering und bewegt sich in einer Größenordnung von wenigen Prozent. Deshalb besteht derzeit auch kein Anlass, die gesetzgeberische Entscheidung aus Rechtsgründen für nicht anwendbar zu erklären.
Steht nach alledem fest, dass die Beklagte an die Regelungen der AMPreisV gebunden ist und bleibt, kann sie schließlich auch nicht mit dem Argument durchdringen, jedenfalls gehe der gestellte Antrag zu weit, weil er auch Kassenrezepte erfasse, hierfür aber die AMPreisV nicht gelte, weil für die Preise ausschließlich die Sonderregelungen des SGB V gelten würden und diese den Regelungen des UWG entzogen seien.
Abgesehen davon, dass die Kammer die diesbezüglichen Argumentationen trotz Nachfragen im Termin nicht verstanden hat, ist darauf hinzuweisen, dass es nicht um Zuzahlungen oder ähnliche krankenversicherungsrechtliche Zahlungen zwischen Versicherten, Leistungserbringern und Versicherern sondern schlicht um die Preisbindung verschreibungspflichtiger Arzneimittel geht. Diesbezüglich ist für die Kammer nicht nachvollziehbar und wurde bislang offensichtlich auch noch nicht vertreten, dass Derartiges sich nach dem SGB V richten könnte.
Die geltend gemachten Abmahnkosten sind gem. § 12 UWG gerechtfertigt, weil die Abmahnung berechtigt war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
LG Köln:
Urteil v. 25.10.2007
Az: 31 O 380/07
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