Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. April 2010
Aktenzeichen: 23 W (pat) 319/06
(BPatG: Beschluss v. 20.04.2010, Az.: 23 W (pat) 319/06)
Tenor
Der Einspruch wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Das Patent 103 12 632 (Streitpatent) wurde am 21. März 2003 beim Deutschen Patentund Markenamt mit der Bezeichnung "Magnetron mit zweistufiger Dichtung" angemeldet. Die Patenterteilung erfolgte durch die Prüfungsstelle für Klasse H01J unter Berücksichtigung des im Prüfungsverfahren eingeführten Stands der Technik gemäß den Druckschriften D1 US 5 200 049 A und D2 US 4 422 916 A und der von der Patentinhaberin genannten Druckschrift D3 WO 91 / 07521 A1.
Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 24. November 2005.
Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 20. Februar 2006, beim Deutschen Patentund Markenamt am 22. Februar 2006 eingegangen, gegen die Patenterteilung fristgerecht Einspruch erhoben und beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen.
Sie stützt sich dabei auf die Entgegenhaltungen E1 DE 690 31 126 T2 (Übersetzung der D3)
E2 EP 0 698 908 A2 E3 EP 0 698 909 A2 E4 WO 92 / 02660 A1 (Familienmitglied der D1)
E5 WO 92 / 07105 A1 E6 QCT Model C-MAG Cathode, Endblock and Target Tube Installation Instructions, VON ARDENNE Anlagen Technik GMBH, und führt aus, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Mit Schriftsatz vom 2. Januar 2007, beim Bundespatentgericht am 3. Januar 2007 eingegangen, verteidigt die Patentinhaberin ihr Schutzrecht in der erteilten Fassung. Sie vertritt die Auffassung, dass der Einspruch als unzulässig zu verwerfen sei, da im Einspruchsschriftsatz die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen nicht im Einzelnen angegeben seien. Zudem sei der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents gegenüber dem von der Einsprechenden genannten Stand der Technik gemäß den Entgegenhaltungen E1 bis E5 neu und erfinderisch, wobei Entgegenhaltung E6 aufgrund des Aufdrucks "Confidential" als nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und daher nicht zum Stand der Technik zu zählen sei.
Mit Terminsladung vom 11. März 2010 wurden die Parteien darauf hingewiesen, dass insbesondere die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs zu diskutieren sein werde.
In der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2010 stellt die Einsprechende den Antrag, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, den Anspruch als unzulässig zu verwerfen.
Der erteilte Anspruch 1 hat -mit einer Merkmalsgliederung der Einsprechenden versehen -folgenden Wortlaut:
M1. "Magnetron (1), welches in einer Vakuumkammer (2) angeordnet ist, M2. mit einer länglichen hohlen Targetkonstruktion, die in der Vakuumkammer (2) drehbar gelagert ist, M3. und einer innerhalb der Targetkonstruktion angeordneten Magnetkonstruktion, welche zumindest einen Magneten aufweist, M4. und mit einem die Targetkonstruktion kühlenden Kühlmittelkreislauf (18), M5. wobei die Vakuumkammer (2) trogförmig ausgebildet M6. und an einer Oberseite (30) durch einen Deckel (4) abgeschlossen ist, dadurch gekennzeichnet, dass M7. Gehäuse (14; 17) an dem Deckel (4) angeordnet sind M8. und sich von diesem aus nach unten in die Vakuumkammer (2) hinein erstrecken, M9. wobei die Vakuumkammer (2) mittels zumindest einer ersten Dichtung (21)
M10. und der Kühlmittelkreislauf (18) mittels einer zweiten Dichtung (22) jeweils gegenüber dem Atmosphärendruck abgedichtet sind M11. und wobei die Dichtungen (21, 22) separat voneinander angeordnet sind."
Bezüglich der Unteransprüche wird auf das Streitpatent und bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Das anhängige Einspruchsverfahren wurde gemäß § 147 Abs. 3, 1. Alternative PatG i. d. F. vom 1. Januar 2002 an das Bundespatentgericht abgegeben. Diese zeitlich bis zum 30. Juni 2006 begrenzte Verlagerung der Zuständigkeit hat der BGH als nicht verfassungswidrig beurteilt (BGH GRUR 2009, 184 -"Ventilsteuerung" m. w. N.).
Demnach besteht eine vor dem 1. Juli 2006 begründete Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch auch nach der Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG fort.
III.
Der formund fristgerecht erhobene Einspruch ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung unzulässig und war deshalb zu verwerfen.
1. Ausweislich der Beschreibung betrifft das Streitpatent ein in einer Vakuumkammer angeordnetes Magnetron mit einer länglichen, hohlen Targetkonstruktion, die in der Vakuumkammer drehbar gelagert ist, mit einer innerhalb der Targetkonstruktion angeordneten Magnetkonstruktion und mit einem die Targetkonstruktion kühlenden Kühlmittelkreislauf, wobei die Vakuumkammer trogförmig ausgebildet und an einer Oberseite durch einen Deckel abgeschlossen ist, vgl. Abschnitt [0001] des Streitpatents.
Ein derartiges Magnetron ist insbesondere zur Beschichtung von großflächigen Substraten, beispielsweise Flachglas, mittels eines Zerstäubungsbzw. Sputterverfahrens geeignet, auf welche einoder mehrschichtige Beschichtungen, beispielsweise eine Wärmeschutzbeschichtung, aufgebracht werden sollen, vgl. Abschnitt [0017] des Streitpatents.
Dazu wird in die Vakuumkammer Inertgas eingebracht und eine Spannung zwischen dem geerdeten Gehäuse und der davon elektrisch isolierten und in der Kammer befindlichen, länglichen Targetkonstruktion angelegt. Unter dem Einfluss des elektrischen Feldes wird das Inertgas in Kationen und Anionen ionisiert, wobei die positiv geladenen Kationen zu dem auf negativem Potential liegenden Target beschleunigt werden und aus diesem Targetmaterialmoleküle herausschlagen. Über eine weitere Gaszufuhr wird Reaktionsgas in der Kammer verteilt. Dieses reagiert mit den herausgeschlagenen Targetmolekülen, so dass sich das Reaktionsprodukt als die gewünschte Beschichtung auf dem zu beschichtenden Substrat ablagert. Zur Erreichung hoher Abscheidungsraten wird die zylindrische und sich um die Zylinderachse drehende Targetkonstruktion üblicherweise wassergekühlt, was eine hohe elektrische Leistung ermöglicht, und zudem in ihrem Inneren mit Magneten versehen, was das Bombardement durch die Kationen auf einen bestimmten Targetbereich konzentriert, vgl. Druckschrift D3, Fig. 1 i. V. m. Seite 4, Z. 25bis S.7, Z.25.
Gemäß den Ausführungen im Streitpatent sind aus der Druckschrift D3, von der das Streitpatent als Stand der Technik ausgeht, Magnetron-Konstruktionen bekannt, deren Kühlmittelkreislauf durch eine komplizierte Dichtung gegen die Vakuumkammer abgedichtet werden muss, wobei die Abdichtung mittels eines Dichtungsgehäuses erfolgt, das mit einem Satz O-Ringe versehen ist, die wiederum in Nuten des Dichtungsgehäuse angeordnet sind. Diese Konstruktion ist jedoch aufwendig und kostenintensiv und bedingt durch die Vielzahl von Bauteilen störanfällig, vgl. Abschnitt [0005] des Streitpatents.
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Aufgabe zu Grunde, bei einem Magnetron nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 eine zuverlässige und dabei einfache und kostengünstige Abdichtung des Kühlmittelkreislaufs gegenüber der Vakuumkammer zu erzielen, vgl. Abschnitt [0006] des Streitpatents.
Diese Aufgabe soll durch das Magnetron mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst werden.
Bei dem Magnetron nach Anspruch 1 ist demnach wesentlich, dass mehrere, voneinander getrennte Dichtungen vorgesehen sind, die jeweils nur einen Teil der anliegenden Drücke aufnehmen müssen und an unterschiedlichen Stellen der Vakuumkammer angeordnet sind, so dass keine der Dichtungen den vollen Druckunterschied zwischen dem mit Druck beaufschlagten Kühlmedium und dem Vakuum der Vakuumkammer aufnehmen muss. Dadurch soll eine zuverlässige Dichtwirkung bei einfacher und kostengünstiger Herstellung der einzelnen Dichtungen ermöglicht werden, vgl. Abschnitt [0008] des Streitpatents.
2. Eine Einspruchsbegründung genügt nur dann den gesetzlichen Anforderungen (§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), wenn in ihr innerhalb der Einspruchsfrist die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen Umstände im Einzelnen so dargelegt werden, dass Patentinhaber und Patentamt bzw. Patentgericht daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen des geltend gemachten Widerrufsgrundes ohne eigene Ermittlungen ziehen können (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 59 Rdn. 94 i. V. m. BGH BlPMZ 1988, 250, rechte Sp., Abs. IV.1 -"Epoxidation" sowie BGH BlPMZ 1988, 289, 290, II.2 -"Meßdatenregistrierung" und BGH GRUR 1987, 513, II.2c) und d). -"Streichgarn"). Dieser Substantiierungspflicht werden die innerhalb der Einspruchsfrist vorgetragenen Darlegungen der Einsprechenden hinsichtlich der mangelnden Patentfähigkeit des Gegenstands nach Anspruch 1 nicht gerecht.
Zwar ist der Widerrufsgrund des § 21 PatG der mangelnden Patentfähigkeit, nämlich der fehlenden Neuheit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 PatG) sowie der fehlenden erfinderischen Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 PatG) angegeben (§ 59 Abs. 1 Satz 3 PatG), jedoch werden die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, nicht im Einzelnen aufgeführt (§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), denn in der zugehörigen Begründung wird kein konkreter Bezug der einzelnen Merkmale des erteilten Anspruchs 1 zum Stand der Technik nach den Dokumenten D1 bis D3 bzw. E1 bis E6 gebracht, um die fehlende Neuheit zu belegen oder fehlende erfinderische Tätigkeit zu begründen (vgl. BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, linke Sp., Abs. 1 -"Epoxidation").
Vielmehr verweist die Einsprechende in ihrem Einspruchsschriftsatz zu den Merkmalen M1 bis M5 des Oberbegriffs pauschal auf die Entgegenhaltungen E1 bis E6, ohne einen konkreten Bezug zur Offenbarung dieser Druckschriften herzustellen (vgl. z. B. im Einspruchsschriftsatz vom 20. Februar 2006 auf Seite 4 die Ausführung zu Merkmal M5: "Die Vakuumkammer trogförmig auszubilden ist eine bekannte Ausführung (S. E1 bis E6)") und hinsichtlich des erfindungswesentlichen kennzeichnenden Merkmals M10 führt sie nach einer kurzen Erläuterung dieses Merkmals lediglich aus, dass die Notwendigkeit einer Abdichtung des Kühlmittelkreislaufs gegenüber Atmosphärendruck mittels einer Dichtung dem Fachmann bekannt sei. Die Einsprechende stellt an keiner Stelle ihrer Einspruchsschrift einen Bezug von Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 zu Bezugszeichen oder Textstellen des Stands der Technik her. Sie überlässt es vielmehr der Patentinhaberin und dem Patentamt bzw. Patentgericht, einen technischen Zusammenhang zwischen den in der Einspruchsschrift aufgezählten Merkmalen des Gegenstands des Streitpatents und dem Stand der Technik herzustellen, nämlich die Druckschriften daraufhin zu untersuchen, ob und wo diese Merkmale im Stand der Technik in einer der Patentierbarkeit des Gegenstands des Streitpatents entgegenstehenden Weise offenbart sind. Die Einspruchsbegründung muss jedoch die Beteiligten in die Lage versetzen, die Behauptung der Einsprechenden, es liege ein Widerrufsgrund vor, anhand der mitgeteilten Umstände nachzuprüfen. Dies ist nach dem Inhalt der Einspruchsschrift nicht möglich (vgl. BGH BlPMZ 1988, 289 -"Meßdatenregistrierung" m. w. N).
Die vorstehend aufgezeigten Substantiierungsmängel können nach Ablauf der Einspruchsfrist nicht mehr behoben werden (vgl. § 59, Abs. 1, Satz 5 PatG), so dass diesbezüglich die in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten weitergehenden Ausführungen der Einsprechenden hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit dahinstehen können. Auch der Hinweis der Einsprechenden auf eine frühere Entscheidung des Senats (23 W (pat) 22/96), wonach es für die Zulässigkeit eines auf Neuheit gestützten Einspruchs genüge, die Tatsachen zu allen Aspekten der Erfindung in knapper Form vorzutragen, kann nicht durchgreifen, da auch ein knapp gehaltener Einspruch, die ihn rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen angeben muss (§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG).
Damit war in der vorliegenden Sache der Einspruch als unzulässig zu verwerfen.
3. Mangels zulässigem Einspruch ist es dem Gericht verwehrt, die Frage der Patentfähigkeit des Streitpatents sachlich zu prüfen und darüber zu entscheiden. Ein zulässiger Einspruch ist nämlich unverzichtbare Verfahrensvoraussetzung für eine Sachentscheidung in diesem Sinne (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 61 Rdn. 23).
Lokys Dr. Hock Brandt Dr. Friedrich Pü
BPatG:
Beschluss v. 20.04.2010
Az: 23 W (pat) 319/06
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