Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Februar 2011
Aktenzeichen: 24 W (pat) 31/10

(BPatG: Beschluss v. 01.02.2011, Az.: 24 W (pat) 31/10)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patentund Markenamts vom 28. Juli 2009 aufgehoben, soweit darin der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 2 598 449 auch für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35 und 42 der angegriffenen Marke zurückgewiesen worden ist.

Für die vorgenannten Waren und Dienstleistungen wird die deutsche Marke 307 03 553 wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 2 598 449 gelöscht.

Die weitergehende Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 20. Januar 2007 angemeldete Wortmarke Con4Softist am 9. März 2007 unter der Nr. 307 03 553 für folgende Waren und Dienstleistungen in das Markenregister eingetragen worden:

09: Computersoftware (gespeichert); Computerhardware, soweit in Klasse 9 enthalten;

35: Unternehmensberatung;

41: Konzeption, Organisation und Durchführung von Ausund Weiterbildungsveranstaltungen, Schulungen und Seminaren;

42: technische Beratung; Installation und Wartung von Software; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung.

Die Veröffentlichung erfolgte am 13. April 2007.

Widerspruch erhoben ist aus der Gemeinschaftsmarke 2 598 449 (angemeldet am 28. Februar 2002 und eingetragen am 21. Mai 2007)

die für folgende Dienstleistungen Schutz genießt:

35: Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Verwaltungsdienstleistungen, insbesondere im Haustechnikbereich; Erstellen von Heizkostenund Nebenkostenabrechungen (für andere) mit Hilfe der Datenverarbeitung.

42: Erstellen von Computerprogrammen für Dritte, insbesondere im Bereich Haustechnik und insbesondere im Bereich der Programmierung und Gestaltung von Internetauftritten.

Der Widerspruch ist auf alle Dienstleistungen gestützt und richtet sich gegen sämtliche Waren/Dienstleistungen der jüngeren Marke.

Seitens der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patentund Markenamts ist der Widerspruch mit Beschluss einer Beamtin des höheren Dienstes vom 28. Juli 2009 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen worden.

Selbst bei Zugrundelegung einer bis zur Identität reichenden Warenund Dienstleistungsähnlichkeit und einer durchschnittlichen Kenzeichnungskraft der Widerspruchsmarke genüge der Abstand der Vergleichsmarken auch bei Anlegung strenger Maßstäbe zum hinreichend sicheren Ausschluss einer Verwechslungsgefahr. Eine klangliche Ähnlichkeit liege nicht vor, weil der Verkehr die Ziffer "4" in der jüngeren Marke erkenne und diese bei der Benennung, entweder in deutscher oder in englischer Sprache, mitverwende. Schriftbildlich sei der Bildbestandteil der Widerspruchsmarke keine bloß unauffällige Verzierung und daher neben dem Wortbestandteil von Bedeutung; letzterer präge die Widerspruchsmarke nicht im Gesamteindruck. Mangels eines Sinngehalts seien die Vergleichsmarken auch begrifflich nicht verwechselbar. Gegen eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Markenusurpation spreche, dass der Verkehr die Elemente "Con" und "Soft" des angegriffenen Zeichens nicht als selbständig kennzeichnend wahrnehme; dem in Verbindung mit der Ziffer "4" einheitlichen Gesamtbegriff werde kein Hinweis auf die Widersprechende entnommen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Ihrer Ansicht nach sind die jeweils beanspruchten Dienstleistungen in den Klassen 35 und 42 identisch; darüber hinaus liege -zum Teil hochgradige -Warenund Dienstleistungsähnlichkeit vor. Die Vergleichsmarken seien sich klanglich und schriftbildlich ähnlich, wenn nicht sogar identisch, da die Ziffer "4" äußerst kennzeichnungsschwach sei und daher teilweise überlesen bzw. bei der Benennung nicht mitverwendet werde.

Die Widersprechende stellt den Antrag, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patentund Markenamts vom 28. Juli 2009 aufzuheben und die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 2 598 449 zu löschen.

Der Markeninhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist dem Vorbringen der Widersprechenden in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen entgegengetreten, u. a. mit dem Argument, "CONSOFT" weise als Abkürzung für "Consulting" und "Software" nur eine schwache Kennzeichnungskraft auf.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig (§ 66 MarkenG) und in der Sache auch teilweise -bezüglich der Waren und Dienstleistungen der jüngeren Marke in den Klassen 9, 35 und 42 -begründet; im Übrigen ist ihr mangels Verwechslungsgefahr der Erfolg zu versagen.

Ob die Gefahr einer Verwechslung im Verkehr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 125b MarkenG (wobei § 42 Abs. 2 Nr. 1 hier noch in der alten, bis zum 30. September 2009 gültigen Fassung anzuwenden ist; vgl. § 165 Abs. 2 MarkenG n.

F.) gegeben ist, muss im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke, des Grades der Ähnlichkeit der Zeichen sowie der Art der Waren und Dienstleistungen und der bei der Auswahl und Auftragsvergabe zu erwartenden Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs umfassend geprüft werden (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387 -Sabèl/Puma; GRUR 2008, 343, Nr. 48 -BAINBRIDGE; BGH GRUR 2008, 903, Nr. 10 -SIERRA ANTIGUO; zur Wechselwirkung der genannten Einzelfaktoren s. auch Hacker in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rdn. 32, 33). Eine gänzlich fehlende Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen kann allerdings nicht durch die anderen Tatbestandsmerkmale der Verwechslungsgefahr ausgeglichen werden (EuGH GRUR 1998, 922 -Canon; vgl. auch Hacker in: Ströbele/Hacker, a.

a. O., § 9 Rdn. 27, 57 m. w. Nachw.).

Von den Waren der jüngeren Marke in Klasse 9 liegt "Computersoftware (gespeichert)" zu den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke in Klasse 42 "Erstellen von Computerprogrammen ..." in einem engeren Ähnlichkeitsbereich und "Computerhardware" in einem weiteren (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 14. Aufl., S. 67). Die Dienstleistung in Klasse 35 "Unternehmensberatung" hat die erfolgreiche Führung eines Unternehmens zum Ziel; von daher ist Dienstleistungsähnlichkeit zu "Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung" gegeben. Von den Dienstleistungen der jüngeren Marke in Klasse 42 sind "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" mit "Erstellen von Computerprogrammen ..." identisch und "technische Beratung; Installation und Wartung von Software" mit diesen ähnlich. Demgegenüber finden die Dienstleistungen der angegriffenen Marke in Klasse 41 im Verzeichnis der Widerspruchsmarke keine Entsprechung. Dass sich die betreffenden "Ausund Weiterbildungsveranstaltungen, Schulungen und Seminare" theoretisch auch auf das Erstellen von Computerprogrammen beziehen können, reicht insoweit ebenso wenig wie der Umstand, dass Computerprogramme (als Waren) bei derartigen Veranstaltungen zum Einsatz kommen können.

Entgegen der Auffassung des Markeninhabers ist der Schutzumfang der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit aus Wortund Bildbestandteil von Haus aus, d. h. vor und unabhängig von jeder Benutzung, als durchschnittlich zu bewerten. Zwar mag der zweite Wortbestandteil "SOFT" zumindest für die Dienstleistungen in Klasse 42 als werblichbeschreibende Kurzform für "Software" verstanden werden (vgl. BPatG, Beschlüsse vom 13.11.2007, 33 W (pat) 114/05 -veritasoft, und vom 07.07.2009, 24 W (pat) 47/08 -MEKOSOFT) und deshalb kennzeichnungsschwach sein, jedoch wird das erste Wortelement "CON" nicht ohne weiteres als Abkürzung von "Consulting" (oder in einer sonstigen beschreibenden Bedeutung) wahrgenommen. Zudem wird das größenmäßig nicht zurücktretende Bildelement der Widerspruchsmarke nicht auf Anhieb als die (verschlungene) Buchstabenfolge "CS" erkannt. Andererseits liegen keine Erkenntnisse über eine umfangreiche Benutzung und erhöhte Bekanntheit der Widerspruchsmarke, die zu einer Steigerung des Schutzumfangs führen könnten, vor.

Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Zeichen, bei der die Unterschiede völlig unbemerkt blieben, ist schriftbildlich schon wegen des auffälligen Bildbestandteils der Widerspruchsmarke, klanglich wegen der in der jüngeren Marke enthaltenen mittleren Ziffer "4", die bei der Benennung -wegen der Endung "Soft" wohl meist in englischer Aussprache -nicht zu überhören ist, im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Demgegenüber kann die der unmittelbaren Verwechslungsgefahr gleichgestellte Gefahr, dass die sich gegenüberstehenden Marken gedanklich in Verbindung gebracht und unter diesem Aspekt verwechselt werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 2, Altern. 2 MarkenG) vorliegend nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden. Diese Art von Verwechslungsgefahr hat zur Voraussetzung, dass der Verkehr die Unterschiede beider Marken zwar wahrnimmt, jedoch aufgrund von Gemeinsamkeiten in der Zeichenbildung oder in selbständig kennzeichnenden Einzelelementen Anlass hat, die angegriffene Marke (fälschlich) der Inhaberin der Widerspruchsmarke zuzuordnen oder auf sonstige wirtschaftliche bzw. organisatorische Verbindungen zwischen den Markeninhabern, vor allem im Sinne einer gemeinsamen Produktverantwortung, zu schließen (vgl. Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 374, 396, 400).

Über eine Zeichenserie (wobei insoweit ohnehin nur registrierte und benutzte Marken in Betracht kommen; vgl. EuGH GRUR 2008, 343, Nr. 64 -BAINBRIDGE), in die sich die jüngere Marke zwanglos einfügen würde, verfügt die Widersprechende anscheinend nicht; jedenfalls hat sie sich auf diesen Gesichtspunkt nicht berufen.

Indessen ist das Vorhandensein einer Zeichenserie nicht zwingende Voraussetzung für die Annahme einer Verwechslungsgefahr durch gedankliches In-Verbindung-Bringen. Unter diese Art der Verwechslungsgefahr fallen nämlich auch andere Fallgestaltungen, wie etwa die Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne oder die Konstellation, dass die jüngere Marke aufgrund gemeinsamer Wortteile den Eindruck einer Spezifizierung der älteren Widerspruchsmarke hervorruft (vgl. Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 396, 400; vgl. auch BPatG, Beschluss vom 17.11.2009, 24 W (pat) 11/09 -ARS VITALIS).

Ein halbwegs aufmerksamer Interessent, der sich auf die jeweiligen, als unterschiedlich erkannten Marken gedanklich einlässt (vgl. BPatG GRUR 2005, 773 -Blue Bull/RED BULL), wird sofort erkennen, dass die Einzelelemente des Wortbestandteils der Widerspruchsmarke "CONSOFT" auch in der jüngeren Marke, getrennt lediglich durch die mittlere Ziffer "4", identisch enthalten sind; der Schreibweise -einerseits Großbuchstaben, andererseits Normalschrift -kommt insoweit keine Bedeutung zu. Entgegen der Auffassung der Markenstelle ergibt "Con4Soft" keinen vom Sinngehalt her feststehenden "einheitlichen Gesamtbegriff", so dass dieser Gesichtspunkt der Annahme einer sog. assoziativen Verwechslungsgefahr nicht wirklich entgegensteht (vgl. auch BPatG, Beschluss vom 08.05.2007, 33 W (pat) 195/04 -T4Media). Unabhängig davon, ob der Ziffer "4" nun ein Bedeutungsgehalt (z. B. als Größenangabe oder Seriennummer) beigemessen wird oder nicht, treten die Gemeinsamkeiten beider Vergleichsmarken deutlich zutage. Auf die Frage, ob der Markeninhaber sich bei der Bildung seiner Marke bewusst an die Widerspruchsmarke angelehnt hat (im Sinne einer Markenusurpation), kommt es nicht an, vielmehr ausschließlich auf die Wahrnehmung des Verkehrs, d. h. der Interessenten betreffender Waren bzw. der Nachfrager betreffender Dienstleistungen.

Der Beschwerde der Widersprechenden ist somit teilweise stattzugeben und die jüngere Marke für die Waren in Klasse 9, d. h. für

"Computersoftware (gespeichert); Computerhardware, soweit in Klasse 9 enthalten", und die Dienstleistungen in den Klassen 35 und 42, d. h. für

"Unternehmensberatung; technische Beratung; Installation und Wartung von Software; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung"

zu löschen. Bezüglich der Dienstleistungen in Klasse 41 verbleibt es mangels Verwechslungsgefahr bei der Zurückweisung des Widerspruchs.

Für die Auferlegung von Verfahrenskosten (gem. § 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.

Werner Paetzold Viereck Bb






BPatG:
Beschluss v. 01.02.2011
Az: 24 W (pat) 31/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c94f9e37824b/BPatG_Beschluss_vom_1-Februar-2011_Az_24-W-pat-31-10




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share