Landgericht Bamberg:
Beschluss vom 22. Juli 2009
Aktenzeichen: 2 Qs 104/2009
(LG Bamberg: Beschluss v. 22.07.2009, Az.: 2 Qs 104/2009)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Betroffenen vom 24.06.2009 wird der Beschluss des Amtsgerichts -Ermittlungsrichter- Bamberg vom 28.05.2009 (1 Gs 724/09)aufgehoben.
2. Der Antrag der Staatsanwaltschaft Bamberg, die Betroffene zu der Auskunft zu verpflichten, welche Verkehrsdaten am 08.01.2009 um 0.07 Uhr fu€r die IP-Adresse angefallen sind, wirdzurückgewiesen.
3. Die Staatskasse hat die Kosten des Verfahrens und die der Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
I.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das Amtsgericht Bamberg durch Beschluss vom 28.05.2009 die Betroffene verpflichtet, Auskunft u€ber sämtliche Verkehrsdaten, insbesondere verbundene IP-Adressen im Sinne der §§ 96 Abs. 1, 113 a TKG zu erteilen, die am 08.01.2009 um 0.07 Uhr fu€r die IP-Adresse ... angefallen sind.
Zugrunde liegt dem Beschluss folgender Sachverhalt:
Eine bislang unbekannte Person verschaffte sich unberechtigt Namen, Adresse und Telephonnummer des ... und bestellt u€ber Internet am 08.01.2009 um 0.07 Uhr unter verwendung dieser Daten, unter Vortäuschung ihrer Zahlungswilligkeit u€ber die IP Adresse ... bei der Fa. ... ein sogenanntes Webhosting-Paket mit einer monatlichen Gebu€hr von 19,99 EUR. Die Fa. ... fu€hrte daraufhin den Auftrag aus, indem sie die Domäne registrierte, den Serverplatz bereitstellte und eine Rechnung per E-Mail verschickte.
Die IP-Adresse ... war zum Zeitpunkt der Bestellzeit am 08.01.2009 an die Betroffene vergeben.
Diese hat nachvollziehbar und unwidersprochen vorgetragen, dass es sich bei der genannten IP-Adresse um eine statische IP-Adresse der Betroffenen handele, die gleichzeitig von einer unbestimmten Anzahl von Kunden benutzt werde. Welche Kunden den Dienst dabei zu welchem Zeitpunkt nutzen, sei der Beschwerdefu€hrerin nicht bekannt. Sie speichere lediglich im Rahmen des ausdru€cklich fu€r Anonymisierungsdienste eingefu€gten § 113a Abs. 6 TKG die IP-Adresse der Nutzer, die sich mit dem Server verbinden. Ihr sei nicht bekannt, welche natu€rlichen Personen die gespeicherten IP-Adressen zugeordnet werden könne, die zum fraglichen Zeitpunkt mit dem Server der Beschwerdefu€hrerin verbunden waren. Sie verfu€ge insoweit u€ber keinerlei Bestandsdaten.
II.
Der Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 28.05.2009 war aufzuheben und der Antrag der Staatsanwaltschaft Bamberg zuru€ckzuweisen, da die Voraussetzungen des § 100 g StPO i.V.m. den §§ 96 Abs. 1, 113 a TKG unter Beru€cksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 11.03.2008 (AZ: 1 BVR 256/08) i.v.m. dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.04.2009 (1 BVR 256/08) nicht vorliegen. Unzweifelhaft handelt es sich bei den Daten zu deren u€bermittlung die Betroffene verpflichtet werden soll, um Verkehrsdaten im Sinne des § 100 g Abs. 1 S. 1 StPO, die allein nach § 113 a TKG gespeichert wurden. Nach den vorgenannten Beschlu€ssen des Bundesverfassungsgerichts ist eine Übermittlung jedoch nur dann zulässig, wenn Gegenstand des Ermittlungsverfahrens eine Katalogtat im Sinne des § 100 a Abs. 2 StPO ist und die Voraussetzung des § 100 a Abs. 1 StPO vorliegen. Während im vorliegenden Fall durchaus Anhaltspunkte fu€r eine Betrugsstraftat vorliegen, teilt die Kammer im Übrigen die Auffassung der Beschwerdefu€hrerin, dass Anhaltspunkte fu€r ein bandenmäßiges bzw. gewerbsmäßiges Handeln nicht vorliegen. Diesbezu€glich fehlen jegliche Anhaltspunkte. Auch die Tatsaehe, dass sich der unbekannte Tater eines Anonymisierungsdienstes bediente, spricht ohne weitere Anhaltspunkte nicht für ein gewerbsmäßiges bzw. bandenmaßiges Handeln.
Zwar bleiben die Strafverfolgungsbehörden auch in den Fällen, die nicht den Voraussetzungen des § 100 a StPO genu€gen, nach § 100 g StPO i.V.m. § 113b S.l Nr. 1 TKG befugt, Abrufersuchen an die nach §§ 113a, 113b TKG zur Datenbevorratung und Datenauswertung verpflichtenden Dienstanbieter zu richten. Ein Dienstanbieter hat auf ein solches Abrufersuchen hin den bevorrateten Datenbestand nach Maßgabe des Ersuchens auszuwerten und u€ber die Löschungsfrist des § 113a Abs. 11 TKG hinaus zu verwahren, um gegebenfalls später - nach einer entsprechenden Hauptsacheentscheidung des Bundesverfassungsgerichts - die Daten u€bermitteln zu können (LG Bamberg, Beschluss v. 14.07.2008, Az. 2 Qs 86/2008).
Allerdings ist die Kammer im vorliegenden Fall angesichts des geringen Schadens (19,99 EUR fu€r die monatliche Bereitstellung eines "Webhosting-Pakets") der Auffassung, dass die Erhebung der Daten bzw. das Verlangen, diese bis zu einer Hauptsacheentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu verwahren, in keinem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht (§ 100g Abs. 1 Satz 2 StPO). Anders war dies in der soeben zitierten Entscheidung des LG Bamberg, der eine gezielte Verleumdungs serie mit möglicherweise weitreichenden wirtschaftlichen Folgen für die Geschädigte zugrunde lag.
Auf die zutreffend begru€ndete Beschwerde der Betroffenen war deshalb der angefochtene Beschluss mit der Kostenfolge der §§ 467 Abs. 1, 473 Abs. 1 StPO in entsprechender Anwendung aufzuheben.
LG Bamberg:
Beschluss v. 22.07.2009
Az: 2 Qs 104/2009
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