Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Januar 2005
Aktenzeichen: 30 W (pat) 78/03
(BPatG: Beschluss v. 24.01.2005, Az.: 30 W (pat) 78/03)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Januar 2003 aufgehoben.
Gründe
I.
Zur Eintragung in das Markenregister als dreidimensionale Marke, zunächst für die Waren "Schlösser, Schlüssel, Schließanlagen, Schließzylinder", ist die nachstehend abgebildete Darstellung angemeldet worden:
siehe Abb. 1 am Ende Die Beschreibung lautet: Die Marke ist charakterisiert durch die Spitze des Schlüsselschaftes, welcher die Buchstabenfolge "CES" bildet.
Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung auf der Grundlage des seinerzeit maßgeblichen Warenverzeichnisses wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zurückgewiesen, weil sie lediglich als Darstellung bzw Abbildung eines Schlüssels angesehen werde. Besondere herkunftshinweisende Gestaltungsmerkmale seien nicht erkennbar.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und das Warenverzeichnis wie folgt eingeschränkt: "Schlösser, Schlüssel und Schließzylinder für Hauptschlüsselanlagen; Schließanlagen, nämlich Hauptschlüsselanlagen". Mit umfangreichen Ausführungen hält sie die angemeldete Marke wegen der allein angesprochenen Fachverkehrskreise, die gezwungen seien auf minimale Unterschiede zu achten, und der Besonderheiten bei Hauptschlüsselanlagen, wie aus der DIN 18 254 Ziffern 6.3.5 bis 6.3.7 ersichtlich, für schutzfähig. Ferner bezieht sie sich darauf, dass die Anmeldung die Buchstabenfolge "CES" an der Spitze des Schlüssels zeige.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Januar 2003 aufzuheben.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache begründet. Ein der Eintragung entgegenstehendes Freihaltebedürfnis iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG wie auch fehlende Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG lassen sich auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten Warenverzeichnisses nicht feststellen.
Eine Marke hat Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, wenn sie es ermöglicht, die Waren oder Dienstleistungen, für die ihre Eintragung beantragt worden ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen nach ihrer Herkunft zu unterscheiden. Bei der Beurteilung dreidimensionaler Marken, die aus der Form der Ware selbst bestehen, sind keine strengeren Kriterien anzuwenden als gegenüber anderen Markenkategorien (vgl zuletzt EuGH MarkenR 2004, 461, 465, 463 Nr 29ff - Mag Lite; vgl auch BGH GRUR 2004, 505 - Rado-Uhr II mwNachw).
Der Europäische Gerichtshof hat mehrfach aber auch darauf hingewiesen, dass eine dreidimensionale Marke, die in der Form der Ware selbst besteht, von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wird wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist (vgl EuGH aaO - Mag Lite S 465 Nr 30; auch EuGH GRUR 2003, 514, 517 Nr 48 iVm Nr 32-35 - Linde, Winward u. Rado; GRUR 2004, 428, 431 Nr 52 - Henkel; MarkenR 2004, 224, 229 Nr 38 - Waschmitteltabs; MarkenR 2004, 231, 236 Nr 36 - Quadratische Waschmitteltabs).
Auch der Bundesgerichtshof betont, dass der Verkehr in der Form oder Abbildung einer Ware regelmäßig nur einen Hinweis auf die ästhetische oder funktionelle Gestaltung der Ware, nicht aber auf ihre betriebliche Herkunft sieht (BGH GRUR 2003, 332, 334 - Abschlußstück; GRUR 2003, 712, 714 - Goldbarren; WRP 2004, 749, 751 - Transformatorengehäuse; MarkenR 2004, 492, 494 - Käse in Blütenform).
Je mehr sich die angemeldete Form der Form annähert, in der die betreffende Ware am Wahrscheinlichsten in Erscheinung tritt, um so eher ist zu erwarten, dass dieser Form die Unterscheiungskraft fehlt. Nur einer Marke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllt, besitzt Unterscheidungskraft; der bloße Umstand, dass diese Form eine Variante der üblichen Formen dieser Warengattung ist, reicht für die Annahme des Bestehens der Unterscheidungskraft nicht aus (vgl EuGH aaO - Mag Lite S 465; auch Henkel, Waschmitteltabs und Quadratische Waschmitteltabs aaO).
Unter diesen Umständen kann dem Zeichen nicht die Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden.
Ein Schließzylinder ist eine Schließvorrichtung, die in ein Zylinderschloss eingebaut wird; die Mechanik im Schloss wird durch Einstecken des zugehörigen Schlüssels betätigt, dessen Körper-Kante mit einer Zahnung versehen ist, die im Kern des Zylinders befindliche Stifte in die richtige Stellung zur Entsperrung bringt (vgl Brockhaus, Die Enzyklopädie, 19. Band S 371f). Schließanlagen sind Kombinationen verschiedener Schlösser und verschiedener Schlüssel. Hauptschlüsselanlagen sind Schließanlagen mit einer übergeordneten Ebene, das heißt, es gibt neben den Einzelschlüsseln, die jeweils ein Schloss oder auch eine Reihe gleichschließender Schlösser schließen, einen Hauptschlüssel, der alle Schlösser der Schließanlage schließen kann (vgl http://www.lexikondefinition.de/Hauptschlüsselanlage.html; Pickshaus, Grundlagentechnik Schloß und Beschlag S 85f der Anl 7). Anwendungsgebiete sind vor allem Büro- und Fabrikbauten. Nach DIN 18 254 Ziffer 6.3.6 und 6.3.7 (Anl 8) dürfen Hersteller von ihren Hauptschlüsselanlagen keine Schlüsselrohlinge in Umlauf bringen. Nachzubestellende Profilzylinder für Schließanlagen und/oder Schlüssel für Hauptschlüsselanlagen dürfen vom Hersteller der Hauptschlüsselanlage nur nach Vorlage eines Legitimationsausweises ausgeliefert werden.
Diese Besonderheit im Bereich von Hauptschlüsselanlagen bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die beteiligten Verkehrskreise in erster Linie Fachverkehrskreise sind, insbesondere Hersteller, Fachhandel und Fachbetriebe, Architekten oder auch Bauunternehmen. Für dieses durch besondere Sachkunde gekennzeichnete Publikum läßt sich nicht feststellen, dass es dem vorliegenden Zeichen jegliche Unterscheidungskraft abspricht.
Die Anmeldung zeigt in Teilansicht einen Rohling eines Zylinder-Schloss-Schlüssels, dem das für das Funktionieren in einem Schließzylinder typische Merkmal der Zahnung der Schlüsselkörper-Kante fehlt. Das Zeichen stellt damit erkennbar weder Schlösser und Schlüssel, noch Schließzylinder für Hauptschlüsselanlagen oder Schließanlagen, nämlich Hauptschlüsselanlagen dar. Ihm kann nichts für die Art und Beschaffenheit solcher mit ihr etwa gekennzeichneten Produkte entnommen werden. Zwar ist der Bezug zu diesen Waren vorhanden; jedoch bedarf das dargestellte, vorgefertigte Werkstück der weiteren Bearbeitung, um zu einem funktionsfähigen Schlüssel mit der Bestimmung für passende Schlösser in Hauptschlüsselanlagen werden zu können. Das angemeldete Zeichens weist insofern über die technische Gestaltung der Ware hinausgehende Elemente auf, als ihm typische Merkmale eines Schlüssels mit zugehörigem beidseitigem Schlüsselprofil und Kantenzahnung fehlen: vor allem die Darstellung nur eines Schlüsselrohlings ohne Zahnung führt von der Erkennbarkeit technischbedingter Gestaltungsmerkmale weg. Anhand der vorliegenden Darstellung lässt sich ein funktionsfähiger Schließzylinder mit Schlüssel nicht ohne weiteres herstellen. Nichts anderes gilt für die weiter beanspruchten Anlagen.
Zwar hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung "Autofelge" (GRUR 1997, 525) ausgeführt, dass Abweichungen in den Gestaltungsmerkmalen, die sich auf wenig einprägsame Nuancen, denen darüber hinaus ein hohes Maß von Beliebigkeit anhaftet und die sich der Verkehr regelmäßig nicht merken könne, wenn er sie überhaupt wahrnehme, keine herkunftshinweisende Funktion beigemessen werden könne. Jedoch handelte es sich damals um Gestaltungselemente, die auf die Ausgestaltung von Autofelgen bezogen waren. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um ein Ausgestaltungselement, das gerade von der Funktion eines Schlüssels für Schließzylinder wegführt. In der Entscheidung "Zahnpastastrang" (GRUR 2001, 239) hat der Bundesgerichtshof selbst minimale Abweichungen von einem "natürlichen" Zahnpastastrang ausreichen lassen, um festzustellen, das Zeichen erschöpfe sich nicht in der Abbildung der Ware als solcher. Nach diesen Grundsätzen erschöpft sich auch das angemeldete Zeichen nicht in der Wiedergabe der Ware als solcher, wie oben bereits ausgeführt. Insgesamt kann ihr als komplexer Darstellung eines unvollständigen Schlüssels, nämlich eines Schlüsselrohlings eine gewisse charakteristische Erscheinung nicht abgesprochen werden. Sie liegt allerdings nicht jedenfalls nicht allein in der Form der Spitze, die von oben nach unten gelesen an die Buchstaben "C", "E" und "S" erinnern könnte. Denn die Mitbewerber der Anmelderin dürfen markenrechtlich in der Gestaltung von Schlüsseln nicht eingeengt werden. Die Möglichkeiten zur Ausformung von Schlüsseln sind zwar auf den ersten Blick recht mannigfaltig, jedoch bezüglich der Grundrißgestaltung doch eher eingeschränkt, da hier nur die Anordnung der für die Führung des Schlüssels maßgebenden Merkmale und nicht die für den eigentlichen Schließvorgang maßgebenden Einkerbungen oder Aussparungen maßgebend sind. Hinreichend eigenwillig erscheint das in Längsrichtung verlaufende Profil der sichtbaren Schlüsselkörper-Seite ohne Zahnung von Ober- und Unterkante mit Vertiefungen und Erhebungen unterschiedlicher Breite und mit zwei Erhebungen in eckiger Form in der oberen ersten Vertiefung. Inwieweit unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten das spezielle Schlüsselprofil schutzwürdig ist, ist hier nicht zu entscheiden.
Da nach den obigen Ausführungen eine bildliche Warenbeschreibung nicht vorliegt, kann auch das Eintragungshindernis nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht festgestellt werden.
Der Schutzbereich der Marke bezieht sich selbstverständlich nur auf die eingetragene Form. Die Anmelderin wird durch die Eintragung der vorliegenden 3-D-Marke nicht in die Lage versetzt, Mitbewerber in der freien Verwendung einer naturgetreuen Wiedergabe eines Schlüssels für Schließzylinder und mit zugehörigem Schlüsselprofil zu behindern. Das dem Zeichen zukommende Verbietungsrecht wird sich somit im Wesentlichen nur auf die konkrete Form und diesem nach dem Gesamteindruck in den gestalterischen Besonderheiten deutlich nahekommende Formen beziehen.
Dr. Buchetmann Winter Paetzold Hu Abb. 1
BPatG:
Beschluss v. 24.01.2005
Az: 30 W (pat) 78/03
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