Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. August 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 248/99

(BPatG: Beschluss v. 10.08.2000, Az.: 25 W (pat) 248/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. August 1999 insoweit aufgehoben, als wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 188 701 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist.

Der Widerspruch aus dieser Marke wird zurückgewiesen.

Gründe I Die Bezeichnung Naperenist nach Teillöschung noch für "Arzneimittel für Mensch und Tiere, nämlich rezeptpflichtige Analgetika/Antirheumatika" im Markenregister eingetragen. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 30. Oktober 1995.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 1. Oktober 1993 für "pharmazeutische Erzeugnisse" eingetragenen Marke 1 188 701 Mareen, deren Benutzung bestritten ist, ausgenommen für ein Psychopharmakon. Eine weitergehende Benutzung wird von der Widersprechenden nicht geltend gemacht.

Noch ausgehend von der Registerlage hat die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts in dem angefochtenen Beschluß bei möglicher Warenidentität, normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und strenger Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand eine Verwechslungsgefahr bejaht, auch wenn wegen der im Warenverzeichnis der jüngeren Marke verankerten Rezeptpflicht Fachleute als Verkehrskreise im Vordergrund stünden. Dennoch seien die Marken wegen der fast identischen Anzahl der Buchstaben, der ähnlichen Anfangsbuchstaben und gemeinsamen Endung "EN" schriftbildlich vor allem in Versalien hochgradig verwechselbar. Klanglich seien die Anfangs- und Endsilben der Markenwörter kaum zu unterscheiden, zumal die jeweiligen Endsilben gedehnt gesprochen würden. Auch die unbetonte Zwischensilbe "pe" in der jüngeren Marke könne einer klanglichen Verwechslungsgefahr nicht hinreichend entgegenwirken.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke mit dem (sinngemäßen) Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Zu berücksichtigen sei, daß sich aufgrund der beschränkten Verwendung der Widerspruchsmarke zur Kennzeichnung eines Psychopharmakons Arzneimittel unterschiedlicher Hauptgruppen des Verzeichnisses "Rote Liste" gegenüberstünden. Zusätzlich verwechslungsmindernd wirke sich die im Warenverzeichnis der jüngeren Marke enthaltene Rezeptpflicht aus, da die überwiegend angesprochenen Fachkreise mit Arzneimitteln äußerst sorgfältig umgingen. Schriftbildlich bestehe schon wegen der unterschiedlich lang wirkenden Erscheinungsbilder der Wörter keine Verwechslungsgefahr. Sofern vereinzelt mündliche Benennungen erfolgten, seien keine Kollisionen zu befürchten, da selbst Laien die verschieden artikulierten Anfangslaute der jeweiligen Markenwörter nicht entgehen würden. Hinzu komme, daß es sich bei der Widerspruchsmarke um ein zweisilbiges Wort handele, während die angegriffene Marke drei Sprechsilben aufweise.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zutreffend habe die Markenstelle eine Verwechslungsgefahr festgestellt, da die geringen klanglichen Abweichungen gegenüber den im Gesamtklang beider Marken dominierenden Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten in den Hintergrund treten würden, und zwar insbesondere bei schneller und nachlässiger Sprechweise und weniger günstigen Übermittlungsbedingungen. Aus der Erinnerung heraus sei eine sichere Unterscheidung der Marken nicht gewährleistet.

Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG). Sie ist auch in der Sache begründet. Nach Auffassung des Senats besteht jedenfalls unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren veränderten Warenkonstellation keine Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Marken im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG mehr. Der Widerspruch war deshalb unter Aufhebung des insoweit angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen, §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2, MarkenG.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels entgegenstehender Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.

Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke im Beschwerdeverfahren die nach § 43 Abs 1 MarkenG mögliche Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke für alle Waren mit Ausnahme für ein Psychopharmakon erhoben und die Widersprechende eine weitergehende Benutzung auch nicht behauptet hat, ist für die Beurteilung der Warenähnlichkeit im Rahmen der Integrationsfrage auf Seiten der Widerspruchsmarke von diesen Waren, also Psychopharmaka (Rote Liste Hauptgruppe 71) ganz allgemein ohne Beschränkung auf eine Rezeptpflicht, bestimmte Darreichungsformen oder enthaltene Wirkstoffe auszugehen (st Rspr, vgl BPatG Mitt 1979, 223 - Mastu; vgl allgemein zur Integrationsfrage BGH GRUR 1990, 39 ff - Taurus - und GRUR 1999, 164, 165 - JOHN LOBB). Diesen stehen die von der jüngeren Marke beanspruchten "Arzneimittel für Mensch und Tiere, nämlich rezeptpflichtige Analgetika/Antirheumatika" Waren gegenüber, die einen deutlichen Indikationsunterschied zu Psychopharmaka aufweisen.

Zusätzlich kollisionsmindernd wirkt sich die in das Warenverzeichnis der jüngeren Marke aufgenommene Rezeptpflicht aus. Denn bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist jedenfalls überwiegend auf die Verwechslungsgefahr in den Fachkreisen von Ärzten und Apothekern abzustellen, welche aufgrund ihrer beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimitteln sehr sorgfältig sind und daher Markenverwechslungen weniger unterliegen als Endverbraucher, (BGH GRUR 1993, 118, 119 - Corvaton/Corvasal; GRUR 1995, 50, 52 - Indorektal/Indohexal; BGH MarkenR 2000, 138, 139 Ketof/ETOP), was in gewissem Umfang auch bei nur einseitiger Rezeptpflicht gelten muß (vgl hierzu BGH MarkenR 1999, 154, 156 - Cefallone). Wenngleich hierdurch weder in gewissem Umfang mündliche Markenbenennungen noch solche durch medizinisches Fachpersonal, deren Hilfskräfte oder durch sonstige Verkehrskreise ausgeschlossen werden können, so steht dennoch für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr die schriftliche Verordnung und das Unterscheidungsvermögen von Fachleuten deutlich im Vordergrund. Dies führt dazu, daß die Anforderungen an den Markenabstand zu reduzieren sind. Im übrigen ist auch hinsichtlich der in eingeschränktem Umfang zu berücksichtigenden allgemeinen Verkehrskreise grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand jedenfalls keine strengen Anforderungen mehr zu stellen, die nach Auffassung des Senats in jeder Hinsicht eingehalten sind.

So unterscheiden sich die in der Anzahl der Sprechsilben abweichenden Markenwörter "Naperen" und "Mareen" in klanglicher Hinsicht bereits deutlich in ihrem Sprechrhythmus. Bei der in der jüngeren Marke zusätzlich vorhandenen Mittelsilbe "pe" mag es sich um eine unbetonte Silbe handeln. Gleichwohl kommt sie klanglich noch relativ auffällig zum Tragen, da sie den klangstarken Sprenglaut "p" enthält und sich auf den Sprechfluß und -rhythmus des dreisilbigen Markenworts merkbar und wesentlich stärker auswirkt als dies bei einer längeren Bezeichnung der Fall wäre. Hinzu kommt, daß auch der jeweilige Wortanfang durch unterschiedliche - wenn auch für sich betrachtet eher schwach klingende und sich nur wenig unterscheidende - konsonantische Anlaute eingeleitet wird, wobei zu berücksichtigen ist, daß Anfangsbestandteile erfahrungsgemäß stärker beachtet werden als die übrigen Markenteile (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 83; BGH GRUR 1998, 924, 925 - salvent / Salventerol) und deshalb auch weniger deutliche Abweichungen eher auffallen als in der Wortmitte oder am Wortende. Insgesamt erweist sich deshalb der jeweilige Gesamteindruck der Markenwörter als hinreichend verschieden, so daß diese auch aus der Erinnerung heraus (vgl hierzu BGH GRUR 1993, 972, 974 - Sana / Schosana; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints) und bei ungünstigeren Übermittlungsbedingungen oder etwas undeutlicherer Aussprache mit ausreichender Sicherheit auseinandergehalten werden können und eine klangliche Verwechslungsgefahr zu verneinen ist.

Ebenso weisen die Marken im Schriftbild in jeder üblichen Schreibweise eine hinreichenden Abstand auf, wobei in Normalschrift oder bei handschriftlicher Wiedergabe die unterschiedlichen Oberlängen der Wörter eine zusätzliche Unterscheidungshilfe bieten. Aber auch bei einer Schreibweise in Versalien gewährleisten nicht nur die unterschiedlichen Wortlängen, sondern insbesondere die deutlichen Konturabweichungen der jeweiligen Anfangsbuchstaben ein sicheres Auseinanderhalten der Wörter, zumal das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.

Nach alledem war auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke der angefochtene Beschluß aufzuheben und der Widerspruch aus der Marke 1 188 701 zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Knoll Richter Brandt isturlaubsbedingt ab-

wesend und deshalbverhindert zu unter-

schreiben.

Knoll Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 10.08.2000
Az: 25 W (pat) 248/99


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