Bundespatentgericht:
Urteil vom 29. November 2006
Aktenzeichen: 4 Ni 56/05
(BPatG: Urteil v. 29.11.2006, Az.: 4 Ni 56/05)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 460 180 (Streitpatent), das am 13. Dezember 1990 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der amerikanischen Patentanmeldungen US 455941 vom 22. Dezember 1989 und US 569207 vom 20. August 1990 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 690 11 100 geführt. Es betrifft eine auf Regen reagierende Scheibenwischersteuerung für Fahrzeuge und umfasst 21 Ansprüche, von denen die Ansprüche 1 bis 20 angegriffen sind. Anspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch ohne Bezugszeichen wie folgt:
A control circuit for operating a rainresponsive motordriven vehicle component, including an optical sensor for detecting the accumulation of moisture droplets on a transparent surface and producing an electrical signal, and means for determining whether an output exceeds a predetermined threshold, characterized in that said electrical signal has a component due to the presence of moisture and a component due to change in ambient light reaching said sensor means and said electrical signal includes a component due to changes in ambient light; means for sampling said composite electrical signal in a first interval when both components are present; means for sampling the output signal from said optical sensor in a second interval when only said component due to changes in ambient light is present, said first and second intervals being taken close to one another in time; differential amplifier means for forming a differential summation of said signals obtained during said first and second intervals; and means for determining whether the output of said differential amplifier means exceeds said predetermined threshold.
In der deutschen Übersetzung lautet dieser Anspruch ohne Bezugszeichen wie folgt:
Steuerschaltung zum Betrieb eines auf Regen ansprechenden motorgetriebenen Fahrzeug-Bauteils, enthaltend einen optischen Sensor zum Erfassen der Ansammlung von Feuchtigkeitströpfchen auf einer durchsichtigen Oberfläche und zum Erzeugen eines elektrischen Signals und Mittel zur Bestimmung, ob ein Ausgangssignal einen vorbestimmten Schwellenwert überschreitet, dadurch gekennzeichnet, dass das elektrische Signal eine Komponente aufgrund der Anwesenheit von Feuchtigkeit und eine Komponente aufgrund der Änderung von die Sensoreinrichtung erreichendem Umgebungslicht aufweist und das elektrische Signal eine Komponente aufgrund von Änderungen des Umgebungslichts enthält; Mittel zum Abtasten des zusammengesetzten elektrischen Signals in einem ersten Intervall, wenn beide Komponenten anwesend sind; Mittel zum Abtasten des Ausgangssignals des optischen Sensors in einem zweiten Intervall, wenn nur die Komponente aufgrund von Änderungen des Umgebungslichts vorhanden ist, wobei das erste und das zweite Intervall zeitlich eng zueinander genommen werden; Differentialverstärkermittel zum Bilden einer Differentialsummierung der während des ersten und des zweiten Intervalls erhaltenen Signale; und Mittel zum Bestimmen, ob das Ausgangssignal der Differentialverstärkermittel den vorbestimmten Schwellenwert überschreitet.
Wegen der weiteren, unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1 zurück bezogenen Patentansprüche 2 bis 20 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 460 180 B1 Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents sei gewerblich nicht anwendbar und nicht erfinderisch. Zur Begründung trägt sie vor, die physikalische Größe der Ableitung der Intensität des Umgebungslichts nach der Zeit sei völlig ungeeignet, den Einfluss des Umgebungslichts zu eliminieren und sei daher in der Praxis unbrauchbar. Im Übrigen seien bereits zum Prioritätszeitpunkt Steuerschaltungen mit den Merkmalen des Patentgegenstands bekannt gewesen. Hierzu verweist sie auf das Gutachten vom 25. Oktober 2006 von Professor Schröder (Anl. N4) nebst dort zitierter Literatur und beruft sich auf folgende Druckschriften und Dokumente:
D1 US 4 620 141 D2 US 4 355 271 D3 Kopie aus: Almssy, G. u. a., Richter, W.: Fachlexikon ABC Messtechnik, 1985, S. 77 D4 Kopie aus: Gruhle, W.: Elektronisches Messen: analoge und digitale Signalbehandlung, Springer-Verlag 1987, S. 42-43 D5 Grattan, K. T. V., Selli, R. K., Palmer, A. W.: A prism configuration internally referenced temperature sensor, in: Journal of Optical Sensors, 1986, Vol. 1, No. 6, S. 507-514 D6 US 4 694 182 D7 US 4 171 918 D8 US 4 481 450 D9 EP 0 290 106 A2 D10 US 4 736 097 D11 US 4 689 535 D12 Stöckle, H.: Basteln mit Operationsverstärkern: einfache u. prakt. Schaltungen für Heim und Hobby, 1976, S. 61-63 Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 460 180 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 20 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin vollumfänglich entgegen.
Gründe
Die in zulässiger Weise erhobene Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit infolge mangelnder gewerblicher Anwendbarkeit und mangels erfinderischer Tätigkeit geltend gemacht wird (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ), ist nicht begründet.
Der Senat konnte nicht feststellen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht patentfähig ist. Dies geht zu Lasten der Klägerin. Die auf Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen abhängigen Patentansprüche 2 bis 20 haben mit jenem Bestand; sie werden durch ihre Rückbeziehungen mitgetragen, ohne dass es weiterer Feststellungen bedürfte (vgl. Busse, Patentgesetz, 6. Aufl. § 84 Rn. 42 m. w. N.).
Als Durchschnittsfachmann ist ein Elektrotechniker mit Hochschulabschluss und mehrjähriger Tätigkeit bei einem Kraftfahrzeughersteller oder dessen Zulieferer mit Erfahrung auf dem Gebiet der Messtechnik/Signalverarbeitung und Kenntnissen im Bereich der Opto-Elektronik anzusehen. Er ist in ein Team von Fachleuten eingebunden, das mit der Entwicklung von Scheibenwischeranlagen, Fensterhebern, Schiebedächern o. dgl. befasst ist.
1. Das Streitpatent betrifft eine Steuerschaltung zum Betrieb eines auf Regen ansprechenden motorgetriebenen Fahrzeug-Bauteils wie einen Scheibenwischer.
Nach der Streitpatentschrift soll eine Lösung dafür gefunden werden, ein Steuersystem für eine elektrische motorgetriebene Vorrichtung zu schaffen, welches bewirkt, dass die Vorrichtung in Abhängigkeit von auf eine durchsichtige Oberfläche auftreffendem Regen arbeitet. U. a. soll ein derartiges System verbessert werden und ein Steuersystem für einen Scheibenwischermotor geschaffen werden, das allein auf auf die Windschutzscheibe auftreffende Feuchtigkeitströpfchen anspricht und welches durch Änderungen des auf die Windschutzscheibe auftreffenden Umgebungslichtes nicht beeinflussbar ist.
Hierzu ist nach dem Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung vorgesehen eine A. Steuerschaltung zum Betrieb eines auf Regen ansprechenden, motorgetriebenen Fahrzeug-Bauteils;
B. die Steuerschaltung enthält B.1. einen optischen Sensor zum Erfassen der Ansammlung von Feuchtigkeitströpfchen auf einer durchsichtigen Oberfläche und zum Erzeugen eines elektrischen Signals;
B.2. Mittel zur Bestimmung, ob ein Ausgangssignal einen vorbestimmten Schwellenwert überschreitet;
Oberbegriff C. das elektrische Signal weist eine Komponente aufgrund der Anwesenheit von Feuchtigkeit und eine Komponente aufgrund der Änderung von die Sensorvorrichtung erreichendem Umgebungslicht auf;
D. das elektrische Signal enthält eine Komponente aufgrund von Änderungen des Umgebungslichts;
E. die Steuerschaltung enthält E.1. Mittel zum Abtasten des zusammengesetzten elektrischen Signals in einem ersten Intervall, wenn beide Komponenten anwesend sind;
E.2. Mittel zum Abtasten des Ausgangssignals des optischen Sensors in einem zweiten Intervall, wenn nur die Komponente aufgrund von Änderungen des Umgebungslichts vorhanden ist;
F. das erste und das zweite Intervall werden zeitlich eng zueinander genommen;
G. die Steuerschaltung enthält G.1. Differentialverstärkermittel zum Bilden einer Differentialsummierung der während des ersten und des zweiten Intervalls erhaltenen Signale;
G.2. Mittel zum Bestimmen, ob das Ausgangssignal der Differentialverstärkermittel den vorbestimmten Schwellenwert überschreitet.
Kennzeichen Anzumerken ist, dass diese Merkmalsgliederung im Unterschied zu der von der Klägerin vorgelegten Merkmalsgliederung eindeutig zum Ausdruck bringt, dass laut Merkmal C. in einem ersten Intervall ein Summensignal mit Komponenten aufgrund der Anwesenheit von Feuchtigkeit und aufgrund von Änderungen des Umgebungslichts erzeugt wird und laut Merkmal D. in einem (weiteren) zweiten Intervall ein Signal mit nur einer Komponente aufgrund von Änderungen allein des Umgebungslichts. Diese Formulierung der Merkmale C. und D. stützt sich auf den Wortlaut des Patentanspruchs 1 in der maßgebenden Verfahrenssprache.
2. Gewerbliche Anwendbarkeit Die Klägerin vermochte den Senat nicht davon zu überzeugen, dass das streitpatentgemäße Steuersystem unbrauchbar oder gewerblich nicht anwendbar ist.
Ausgehend vom Wortlaut des Patentanspruchs 1 vertritt die Klägerin die Auffassung, dass für das Signal des optischen Sensors eine Komponente aufgrund der Änderung des Umgebungslichts gefordert werde. Dies entspreche einer Ableitung der Intensität des Umgebungslichts nach der Zeit. Eine Steuerschaltung, welche die Änderungen des Umgebungslichts berücksichtige, könne den Einfluss des Umgebungslichts nicht eliminieren, sei unbrauchbar und daher nicht gewerblich anwendbar. Zwar sei in der Beschreibung ausgeführt, dass die Signalintensität aufgrund des Umgebungslichts von der Signalintensität aufgrund des von der Scheibenoberfläche reflektierten LED-Lichts und des Umgebungslichts subtrahiert werden müsse. Dies sei aber nicht auf den Patentanspruch 1 zu beziehen, weil es von dessen unmissverständlichem Wortlaut ausgeschlossen sei. Zudem wird geltend gemacht, dass im Ausführungsbeispiel auf der Signalleitung 318 (vgl. Fig. 1 Streitpatent) überhaupt kein Signal infolge von Umgebungslicht auftreten könne, zumal die Widerstände 68 und 74 (vgl. Fig. 2a) den gleichen Wert aufwiesen und somit das Potential auf dem Sensorausgangsleiter immer in der Mitte zwischen der Quelle Vccl und dem Bezugspotential (Masse) liege (vgl. DE 690 11 100 T2, S. 20, Z. 12-17). Die Messung des Umgebungslichts erfolge vielmehr in einer Zweigleitung 314, und die Umgebungslichtintensität könne daher gar nicht von der Intensität des Signals, das sowohl Regeneinfluss als auch Umgebungslicht beinhalte, subtrahiert werden.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die gewerbliche Anwendbarkeit einer Sache ist gegeben, wenn sie geeignet ist, in einem technischen Gewerbebetrieb hergestellt zu werden. Die Steuerschaltung gemäß Patentanspruch 1 kann ohne Zweifel hergestellt werden. Sie ist auch ausführbar und technisch brauchbar. Gefordert wird laut Patentschrift (Patentanspruch 1), dass das Signal in einem ersten Intervall eine Komponente aufgrund der Anwesenheit von Feuchtigkeit und eine Komponente aufgrund der Änderung des Umgebungslichts enthält und in einem zweiten Intervall nur eine Komponente aufgrund der Änderung des Umgebungslichts. Dies ist für den Fachmann nicht dahingehend zu verstehen, dass das von der Sensoranordnung gelieferte Signal die Intensität oder die Ableitung des Umgebungslichts abbilden soll. Aus der Gesamtschau geht unmissverständlich hervor, dass Änderungen des auf die Windschutzscheibe auftreffenden Umgebungslichts (z. B. durch abwechselnd und unregelmäßig auftretendes Licht unterschiedlicher Intensität wie Schatten) das Steuersystem eines Scheibenwischermotors beeinflussen können und daher deren Einfluss beseitigt werden soll (vgl. eine Aufgabenstellung S. 7, Abs. 1). Dies erfolgt dadurch, dass die Differenz zweier zeitlich eng zueinander erfasster Signale gebildet wird, die beide durch diese Änderung gleich beeinflusst sind. Das wird beispielsweise im letzten Absatz S. 9 beschrieben, wobei eine Differenz zwischen zwei Signalen ein und desselben Sensors gebildet wird, von denen das eine Signal die Wirkungen von Umgebungslicht plus reflektiertem LED-Licht und das andere nur die von Umgebungslicht beinhaltet.
Bei der technischen Brauchbarkeit als besonderem Aspekt der Ausführbarkeit ist von der Lehre des Patents insgesamt auszugehen, und es ist nicht zu erkennen, warum mit der angegebenen Lösung die angestrebten Wirkungen nicht zumindest teilweise erreicht werden könnten. Vielmehr weist, wie auch dem Vorbringen der Klägerin zu entnehmen ist, das auf der Signalleitung 318 vorliegende Signal eine konstante Komponente aufgrund von Umgebungslicht unabhängig von deren Intensität auf (sowohl im ersten als auch im zweiten Intervall). Das gilt jedoch nur insoweit, als das Umgebungslicht gleichzeitig mit gleicher Intensität auf sämtliche Phototransistoren des Sensors auftrifft (vgl. S. 20, Z. 12-17). Gleichwohl wird in dieser Situation der Einfluss des Umgebungslichts durch Subtraktion der in den beiden kurz aufeinanderfolgenden Intervallen gewonnenen konstanten Signale eliminiert. Fällt das Umgebungslicht hingegen ungleichmäßig auf die Phototransistoren des Sensors (z. B. Schattenrand), stellt dies im Sinne des Streitpatents eine Änderung des Umgebungslichts dar, die zu einem nicht konstant vorliegenden Signal an der Leitung 318 führt. Durch Subtraktion kann dieser Signalanteil eliminiert werden. Zur Lösung des gestellten Problems ist überwiegend nicht die Erfassung der Intensität des Umgebungslichtes erforderlich, sondern die Beseitigung der Wirkungen des Umgebungslichtes auf das Nutzsignal. Somit kann nicht nachgewiesen werden, dass die im Streitpatent beschriebene Steuerschaltung nicht zu gebrauchen und daher nicht gewerblich anwendbar ist.
3. Erfinderische Tätigkeit Die Klägerin konnte den Senat nicht davon überzeugen, dass der mit dem Patentanspruch 1 beanspruchte, unbestritten neue Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
a) Eine Steuerschaltung zum Betrieb eines auf Regen ansprechenden motorgetriebenen Fahrzeug-Bauteils, konkret eines Scheibenwischers, enthaltend einen optischen Sensor (Regensensor 10 mit Photosensoren 36a-36d) zum Erfassen der Ansammlung von Feuchtigkeitströpfchen auf einer durchsichtigen Oberfläche (Scheibe 38) und zum Erzeugen eines elektrischen Signals und Mittel zur Bestimmung, ob ein Ausgangssignal einen vorbestimmten Schwellenwert überschreitet (Differenzverstärker 108, 110 als Bauteile eines Fensterkomparators), ist unbestritten aus der US 4,620,141 (D1) bekannt (vgl. Abstract i. V. m. Fig. 2, 4). Von Leuchtdioden 23a, 23b wird Licht pulsierend ausgestrahlt und an der Windschutzscheibe reflektiert. Ein Signal vom Sensor 10 enthält dann eine Komponente aufgrund der aufgenommenen Lichtintensität der von den Leuchtdioden erzeugten und an der Windschutzscheibe reflektierten Lichtimpulse, die von der Feuchtigkeit auf der Windschutzscheibe beeinflusst ist, und zwangsläufig eine Komponente aufgrund von auf die Windschutzscheibe einfallendem Umgebungslicht. An dem invertierenden Eingang des Differenzverstärker 88 liegt ein festes Referenzsignal an.
Auch aus der US 4,355,271 (D2) ist eine auf Regen ansprechende Steuerschaltung für die Scheibenwischer eines Kraftfahrzeugs bekannt (vgl. Abstract). Die Steuerschaltung weist einen optischen Sensor (Photodiode 43) zum Erfassen des reflektierten Lichts und des Umgebungslichts und zum Erzeugen eines elektrischen Signals (vgl. Fig. 6 und 4) auf. Es sind Mittel zur Bestimmung vorhanden, ob ein Ausgangssignal einen bestimmten Schwellwert überschreitet (vgl. Sp. 7, Abs. COMPARATOR 60). Somit ist auch aus D2 unbestritten ein Gegenstand mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 bekannt. Bei dieser bekannten Steuerschaltung enthält das vom Sensor 43 erzeugte elektrische Signal eine Komponente aufgrund des die Sensorvorrichtung erreichenden Umgebungslichts (vgl. Sp. 6 Z. 11-27) und eine Komponente aufgrund reflektierten LED-Lichts. Dies ist die Komponente, die nach dem Einkoppeln von Strahlung aus einer Infrarot-Strahlungsquelle 26 in eine Scheibe aus der Scheibe auf den Sensor durch Reflexion ausgekoppelt wird. Der reflektierte Lichtanteil wird durch die Anwesenheit von Feuchtigkeit auf der Windschutzscheibe beeinflusst (vgl. Sp. 2 Z. 66 bis Sp. 3 Z. 4). Auch bei dieser Steuerschaltung wird die Infrarot-Strahlungsquelle 26 von einem Oszillator 30 pulsierend angesteuert. Das Ausgangssignal des Sensors 43 wird über einen Kondensator C6 an den positiven Eingang eines Differenzverstärkers 92 angelegt. Der Kondensator dient als Filter für die Signalkomponente aufgrund des Umgebungslichts. Das Ausgangssignal des Verstärkers 92 wird mit einem Referenzsignal bzw. einem Bruchteil davon am Ausgang eines Filters 50 verglichen. Das Referenzsignal stammt von einem zweiten Sensor (Photodiode 45), der nur dem Licht der Strahlungsquelle 26 ausgesetzt ist.
b) Nach Auffassung der Klägerin braucht ein Fachmann nur seine grundlegenden Kenntnisse anzuwenden, um ausgehend von der D1 mit der in D3 beschriebenen Differenzmethode das Problem des Beseitigens von Fehlfunktionen infolge von Schwankungen des Umgebungslichts zu lösen. Dazu müsste lediglich an den invertierenden Eingang des Differenzverstärkers 88 anstelle eines festen Referenzpegels eine Abtastprobe des Sensorsignals gelegt werden, die gegenphasig zu der Abtastprobe am positiven Eingang des Differenzverstärker 88 genommen wurde.
Auch bei der Steuerschaltung nach der D2 müsste nur die Differenzmethode angewandt werden, die darin bestünde, das Sensorsignal in unmittelbar aufeinanderfolgenden Intervallen abzutasten und die Differenz der Abtastproben zu bilden. Die erforderlichen Abtast-/Halte-Schaltungen (sample/hold) gehörten zum allgemeinen Fachwissen (D4). Schließlich zeigten die Druckschriften D5, D6 und D7 übereinstimmend Anwendungen der Differenzmethode durch Bilden der Differenz von in zwei aufeinanderfolgenden Intervallen erhaltenen Abtastproben.
c) Es ist davon auszugehen, dass der Fachmann die Differenzmethode und das sogenannte Sampling-Verfahren kennt. Nach der D3 beruht die Methode auf dem Vergleich der Messgröße mit einer Größe derselben Art (Vergleichsgröße) mit bekanntem, von der Messgröße wenig verschiedenem Wert und der Ermittlung der Differenz dieser beiden Größen. Vorteilhaft können Umwelteinflüsse eliminiert werden, wenn Messgröße und Vergleichsgröße den gleichen Umweltbedingungen ausgesetzt sind. Das Bereitstellen der Vergleichsgröße wird in der D3 nicht beschrieben. Beim Sampling-Verfahren (D4) werden Werte eines Signals für kurze Zeit zwischengespeichert und dann abgefragt. Dieses Fachwissen übertragen auf D1 oder D2 gibt dem Fachmann jedoch keine Anregung, eine Vergleichsgröße für die Intensität des Umgebungslichts in einem zweiten Messintervall zu gewinnen, wenn ein und derselbe Sensor nur mit Umgebungslicht beaufschlagt wird. Sowohl die D1 als auch die D2 kennen nur ein Messintervall, in dem Komponenten der Messgröße (reflektiertes Licht der Senderdioden) und der Störgröße (Umgebungslicht) gleichzeitig aufgenommen werden und in einem elektrischen Signal vorkommen. Die Störgröße wird als konstant vorausgesetzt (D1) oder gefiltert (D2). Da kein zweites Messintervall vorgesehen ist, können auch keine diesem zweiten Intervall zuordenbare Signale vorliegen und auch nicht einem Differenzverstärker zugeführt werden sowie die zeitliche Abfolge der Intervalle gegeben sein. In der Steuerschaltung für eine Differential-Lichtschranke nach der D12 wird die Störgröße (Umgebungshelligkeit) mittels eines zweiten Sensors (Strahlungsempfängers) zum selben Zeitpunkt gewonnen und damit die Einflüsse der Umgebungshelligkeit kompensiert, also ebenfalls ohne ein zweites Messintervall.
d) Die Druckschriften D5 bis D7 liegen jeweils auf einem technischen Fachgebiet, das der zuständige Fachmann bei der Suche nach einer Lösung seiner Aufgabe nicht berücksichtigt. Denn zwischen der Steuerschaltung für ein Fahrzeug-Bauteil wie ein Scheibenwischermotor einerseits und einem Temperatursensor (D5), einem Strich-Code-Leser (D6) und einem Feuchtigkeitsmesssystem für Papierbahnen (D7) andererseits bestehen keine technischen Gemeinsamkeiten. Außerdem liegen an diesen Messstellen üblicherweise keine schnellen Änderungen des Umgebungslichts vor.
In der D5 (Aufsatz von GRATTAN, SELLI und PALMER) wird ein Temperaturfühler beschrieben, bei dem das eigentliche Messsignal (Intensität der Strahlung) durch Differenzbildung von einem Referenzsignal bereinigt wird. Konkret wird die Änderung des Absorptionsverhaltens eines Glasmaterials mit der Temperatur erfasst. Dazu ist ein einziger Sensor vorgesehen (vgl. S. 510 Z. 5). Die elektronische Schaltung ist in Fig. 2 und ein qualitativer Signalverlauf in Fig. 3 dargestellt. Referenz- und Fühlersignal werden durch Differenzbildung in aufeinanderfolgenden Zeitintervallen mit eingeschalteter und ausgeschalteter Leuchtdiode gewonnen. Temperaturänderungen haben ganz andere charakteristische Zeitmaße als Änderungen des Umgebungslichts auf einem sich bewegenden Kraftfahrzeug. Oberflächen, deren Reflexionsverhalten sich durch Ablagerungen wie Tropfen oder Verschmutzungen ändern könnte, treten nicht auf.
Aus der D6 (US 4,694,182) ist ein Strich-Code-Handlesegerät mit einem gepulsten Laserstrahl bekannt. Das von einem Detektor aufgenommene Licht enthält eine von dem Strich-Code reflektierte Lichtkomponente und eine Umgebungslichtkomponente. In einem Differenzverstärker wird der Signalanteil aufgrund des Umgebungslichts getrennt. Dazu sind in der Schaltung (vgl. Fig. 2) zwei Schalter S1 und S2 vorgesehen (vgl. Sp. 3, Z. 40-61). Der Schalter S1 ist während der Leuchtphase der Laserdiode geschlossen, und es erfolgt eine Signalübertragung vom Detektor zum Differenzverstärker. Das in diesem Intervall übertragene Signal weist eine Komponente aufgrund der Anordnung und Stärke der Striche des Codes und eine Komponente aufgrund von Änderungen des den Detektor erreichenden oder reflektierten Umgebungslichts auf. Der Schalter S2 ist in einem zweiten Intervall geschlossen, wenn nur eine Signalkomponente infolge des Umgebungslichts vorhanden ist. Die Abtastfrequenz ist an die Änderung des Umgebungslichts anzupassen. Auch hier ist davon auszugehen, dass ein Fachmann keine schnellen Änderungen des Umgebungslichts erwartet, da in der Umgebung des Einsatzortes von Strich-Code-Lesegeräten üblicherweise konstante Lichtverhältnisse vorliegen. Der Aufbau der Messorgane ist zudem von der des Streitpatents grundverschieden. Auch stellt sich nicht das Problem des Erfassens von instationären, stochastischen Vorgängen wie Niederschlag oder Verschmutzungen.
Die Druckschrift D7 (US 4,171,918) beschreibt eine Infrarot-Feuchtigkeitsmessvorrichtung. Das von einer Glühlampe 14 ausgehende Licht wird durch eine Schwinggabel mit Filtern 46, 48 moduliert. Es ist ein Detektor 58 zum Empfang von reflektiertem Licht vorgesehen. Das gelieferte Signal ist in Fig. 6 dargestellt und ändert sich entsprechend der Position der Schwinggabel. Bei 90¡ und 270¡ enthält das Signal Komponenten entsprechend der beiden durch die Filter 46 und 48 durchgelassenen Wellenlängen der Glühlampenstrahlung und der Hintergrundstrahlung. Bei 0¡ und 180¡ wird im Signal nur die Hintergrundstrahlung widergespiegelt. In Differenzverstärkern 88 und 90 werden Differenzen der in zeitlich aufeinanderfolgenden Intervallen gewonnenen Abtastproben gebildet. Die aufgezeichnete Hintergrundstrahlung unterscheidet sich jedoch grundsätzlich von der Änderung des Umgebungslichts durch Schattengebilde bei einem fahrenden Kraftfahrzeug, und die Vorrichtung ist vollkommen anders aufgebaut als die dem Streitpatent zugrundeliegende.
Das von Seiten der Klägerin eingereichte Gutachten enthält eine Literaturübersicht über das allgemeine Fachwissen. In allen Werken werden die Prinzipien der Differenzverstärkung und des Abtasthaltegliedes beschrieben. Es findet sich jedoch kein einziger Hinweis, wie die Signale gewonnen werden, insbesondere ist nicht das Prinzip der Gewinnung eines Nutzsignals durch Differenzbildung eines in einem ersten Messintervall erfassten Summensignals mit einem Signalanteil für die eigentliche Messgröße sowie einem Signalanteil für die Störgröße und eines in einem zweiten Messintervall erfassten Signals nur für die Störgröße allein beschrieben. Der im Streitpatent über die D1 hinaus angegebene Stand der Technik für Steuerschaltungen zum Betrieb eines auf Regen ansprechenden motorgetriebenen Fahrzeug-Bauteils geht jedenfalls von einer parallelen Erfassung der Messwerte mit einem zweiten Sensor aus. Die noch genannten Druckschriften D8 bis D11 wurden nur im Zusammenhang mit nachgeordneten Patentansprüchen genannt und sind für den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents unerheblich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
BPatG:
Urteil v. 29.11.2006
Az: 4 Ni 56/05
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