Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Urteil vom 1. April 2003
Aktenzeichen: 5 S 748/02
(VGH Baden-Württemberg: Urteil v. 01.04.2003, Az.: 5 S 748/02)
Zur Präklusion des Nutzungsberechtigten einer Telekommunikationslinie, der im Verfahren zur Planfeststellung einer Schienenbahn lediglich eine Kostenübernahme durch den Vorhabenträger für eine erforderliche Leitungsverlegung verlangt hat.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.02.2002 für den Bau der Stadtbahnlinie U 2 Streckenabschnitt Hauptfriedhof-Neugereut auf Gemarkung der Beigeladenen zu 2.
Dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses liegt folgendes Verfahren zugrunde: Unter dem 21.05.2001 beantragten die Beigeladenen die Planfeststellung für den Neubau der Stadtbahnlinie U 2 Streckenabschnitt Hauptfriedhof-Neugereut. Mit Schreiben vom 21.06.2001 bat das Regierungspräsidium Stuttgart die Beigeladene zu 2, das Anhörungsverfahren durchzuführen. Mit deren Erlass vom 19.06.2001 wurden die Träger öffentlicher Belange, darunter auch die Klägerin, beteiligt. Die Pläne lagen nach vorheriger öffentlicher Bekanntmachung in der Zeit vom 27.06.2001 bis 27.07.2001 zur Einsichtnahme durch jedermann aus. Mit Schreiben vom 31.07.2001 machte die Klägerin u.a. geltend: Im Bereich Steinhaldenstraße zwischen Naumannstraße und Schmollerstraße (Haltestelle Steinhaldenfeld) lägen hochwertige Anlagen, die aus technischen Gründen nur auf die Ostseite der Steinhaldenstraße bzw. im Gehweg verlegt werden könnten; (auch) in diesem Fall sei eine Verlegung nur möglich, wenn eine Kostenübernahme vorliege; grundsätzlich habe man gegen die Planfeststellung keine Einwände. Am 10.10.2001 fand der Erörterungstermin statt. Unter dem 07.12.2001 legte die Beigeladene zu 2 als Anhörungsbehörde den Schlussbericht vor.
Mit Beschluss vom 18.02.2002 - der Klägerin zugestellt am 20.02.2002 - stellte das Regierungspräsidium Stuttgart den Plan für den Neubau der Stadtbahnlinie U 2 im Abschnitt Hauptfriedhof-Neugereut fest: Die Forderungen der Klägerin würden insoweit erfüllt, als die Vorhabenträgerin eine Abstimmung der erforderlichen Kabelverlegungen zugesagt habe (vgl. Nr. 2 der Zusagen unter A V); eine darüber hinausgehende Kostenübernahmeerklärung sei von der Vorhabenträgerin nicht abzugeben, da gemäß § 53 TKG der Nutzungsberechtigte die gebotenen Maßnahmen an der Telekommunikationslinie auf seine Kosten zu bewirken habe.
Am 18.03.2002 hat die Klägerin beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Klage erhoben mit dem Antrag,
den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18. Februar 2002 für den Neubau der Stadtbahnlinie U 2 Streckenabschnitt Hauptfriedhof-Neugereut aufzuheben.
Sie macht geltend: Für das Verlegen der Telekommunikationslinie entstehe ein unverhältnismäßiger Aufwand in Höhe von ca. 500.000,-- EUR, worauf sie im Planfeststellungsverfahren wiederholt hingewiesen habe. Gleichwohl habe die Behörde festgestellt, dass sie selbst als Nutzungsberechtigte nach § 53 TKG die Verlegung auf eigene Kosten zu bewirken habe. Dies sei fehlerhaft, da § 53 TKG nicht anwendbar sei. Denn in vorliegendem Fall solle die Telekommunikationslinie nicht im Interesse des Wegeunterhaltspflichtigen, sondern wegen des Baus einer besonderen Anlage i.S. des § 55 Abs. 1 TKG, nämlich einer Schienenbahn, weichen. Bei einer - wie hier - späteren besonderen Anlage gehe § 56 TKG vom Vorrang der Telekommunikationslinie aus, die nicht störend beeinflusst werden dürfe. Müsse die vorhandene Telekommunikationslinie im Interesse einer besonderen Anlage verlegt oder verändert werden, so gehe dies nur unter den Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 TKG zu ihren Lasten. Ansonsten gelte das Prioritätsprinzip, auch unter Kostengesichtspunkten. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 Satz 1 TKG gegeben wären, könne nach § 56 Abs. 2 Satz 2 TKG die Verlegung der Telekommunikationslinie nur verlangt werden, wenn dies - wie hier nicht - ohne Aufwendung unverhältnismäßig hoher Kosten möglich sei. Die Behörde hätte im Rahmen der Abwägung berücksichtigen müssen, ob das Vorhaben etwa auf Grund der damit verbundenen Gefahren für die Aufrechterhaltung der Versorgung oder wegen der für sie sich ergebenden unverhältnismäßig hohen Kosten nur verändert oder gegebenenfalls überhaupt nicht planfestgestellt werden könne. Mangels gesetzlicher Grundlage hätte die Behörde im Planfeststellungsbeschluss zu ihren Lasten auch keine Entscheidung über die Kostentragung nach § 53 TKG treffen dürfen. Gleiches gelte, wenn die Frage der Leitungsverlegung nach § 56 TKG zu entscheiden sei, was hier nicht bestritten werden könne. Im Übrigen sei zweifelhaft, ob die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 Satz 1 TKG gegeben seien, da Ausführende der späteren besonderen Anlage die Beigeladene zu 1 als rechtlich selbständiges Unternehmen sei und nicht die wegeunterhaltspflichtige Beigeladene zu 2, die auch nicht überwiegend beteiligt sei. Da somit keine bevorrechtigte besondere Anlage gegeben sei, habe sie einen Zahlungsanspruch unmittelbar aus § 56 Abs. 5 TKG, so dass auch insoweit eine Regelung im Planfeststellungsbeschluss nicht erforderlich sei. Sie müsse sich gegen diesen zur Wehr setzen, um zu verhindern, dass die unzutreffende Entscheidung, wonach sie die Kosten einer Leitungsverlegung selbst zu tragen habe, bestandskräftig werde. Sie habe die Abgabe einer vertraglichen Kostenübernahmeerklärung verlangt, falls die Telekommunikationsleitungen dennoch verlegt werden sollten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erwidert: Die Klage sei bereits unstatthaft, soweit eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine Kostenerstattungserklärung verlangt werde. Die Klage sei wegen Präklusion der Klägerin unzulässig, soweit sie auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten einer Leitungsverlegung nach § 56 Abs. 2 Satz 2 TKG gestützt werde. Denn die Klägerin habe in ihrem Schreiben vom 31.07.2001 nicht vorgebracht, dass die erforderliche Verlegung nicht lediglich dem Orts-, Vororts- oder Nachbarortsverkehr dienende Telekommunikationsleitungen betreffe und mit Kosten in Höhe von voraussichtlich 500.000,-- EUR unverhältnismäßige Aufwendungen verursache. Vielmehr habe die Klägerin bekundet, grundsätzlich keine Einwände gegen die Planung zu haben, und wegen eventueller Leitungsverlegungen nur eine diesbezügliche Kostenübernahmeerklärung verlangt. Die Unverhältnismäßigkeit der anfallenden Verlegungskosten sei erstmals im Eilverfahren geltend gemacht worden. Die Klage sei zudem unbegründet. Die Kostentragungspflicht der Klägerin für die Verlegung der Leitungen folge aus § 53 Abs. 3 TKG, da es sich als Folgemaßnahme des Baus der Stadtbahn um eine beabsichtigte Veränderung des Verkehrswegs im Sinne eines physisch-realen Eingriffs in den Straßenkörper handele; auf das Motiv des Straßenbaulastträgers für die Änderung komme es nicht an. Gegenüber dem Wegeunterhaltspflichtigen solle Kostenträger stets der an der Telekommunikationslinie Nutzungsberechtigte sein, da er bereits das Privileg des § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG genieße, öffentliche Verkehrswege unentgeltlich benutzen zu dürfen. Die Beigeladene zu 2 baue auf eigenem Grund durch die rechtlich verselbständigte Beigeladene zu 1 einen Stadtbahntunnel. Im Falle einer Kostenerstattung gegenüber der Klägerin müsste letztlich die Beigeladene zu 2 für die Nutzung ihres eigenen Grundeigentums zahlen. Dies sei vom Telekommunikationsgesetz nicht bezweckt. Die Stadtbahnlinie sei auch, gerade soweit sie in Tunnellage verlaufe, keine besondere Anlage i.S. des § 55 Abs. 1 TKG, sondern völlig unabhängig von der Straße. Selbst bei Anwendung von § 56 TKG sei die behördliche Entscheidung zutreffend, den Beigeladenen als Antragstellern keine Kostenübernahme für die Leitungsverlegung aufzubürden. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 TKG habe die Klägerin die Leitungsverlegung auf eigene Kosten vorzunehmen, da die Verlängerung der Stadtbahnlinie ohne Leitungsverlegung wesentlich erschwert, wenn nicht gar verhindert würde. Die Leitungen würden nur in den Bereichen verlegt, wo es die Trasse der Stadtbahn wegen der offenen Bauweise zwingend erfordere. Die Verlängerung der Stadtbahnlinie solle aus Verkehrsrücksichten von der Beigeladenen zu 2 als Wegeunterhaltspflichtiger und Antragstellerin im Planfeststellungsverfahren durch ihre hundertprozentige Tochter, die Beigeladene zu 1, zur Ausführung gebracht werden. Für eine überwiegende Beteiligung der Beigeladenen zu 2 als Straßenbaulastträgerin genügten wirtschaftliche Aufwendungen jedweder Art für das Vorhaben, also auch - wie hier - die unentgeltliche Überlassung von Flächen städtischer Grundstücke an die Beigeladene zu 1 für den Bau der Stadtbahn. Abgesehen von einer Präklusion der Klägerin komme § 56 Abs. 2 TKG auch in der Sache nicht zur Anwendung, da es sich um den absoluten Normalfall einer Leitungsverlegung (Lageänderung in üblicher Tieflage) handele. Die Verpflichtung, über das Bestehen eines Erstattungsanspruchs der Klägerin gegenüber den Beigeladenen im Planfeststellungsbeschluss zu entscheiden, folge aus § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG, auch wenn die Verpflichtung zur Leitungsverlegung auf eigene Kosten der Klägerin als Nutzungsberechtigte nicht aufgegeben werden könne, da nur Auflagen zu Lasten der antragstellenden Vorhabenträgerin zulässig seien. Dieser sei jedoch auch keine Kostentragung gegenüber der Klägerin auferlegt worden. Da im Verfahren keine Einigung über eine von der Klägerin geltend gemachte Kostenübernahmeerklärung seitens der Beigeladenen zu 1 erzielt worden sei, habe die Planfeststellungsbehörde von Amts wegen über die Folgenkostenpflicht zu entscheiden gehabt.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag, unterstützen jedoch den Standpunkt des Beklagten.
Dem Senat liegen die einschlägigen Planfeststellungsakten vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Senat kann nicht feststellen, dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.02.2002 die Klägerin in ihren Rechten verletzt, so dass seine Aufhebung oder jedenfalls - bei Möglichkeit einer Fehlerbehebung im Wege eines ergänzenden Verfahrens nach § 29 Abs. 8 Satz 2 PBefG - die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 21.03.1996 - 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370) ausgeschlossen ist.
Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG ist der Bund befugt, Verkehrswege, zu denen u.a. öffentliche Wege und Plätze zählen, für die öffentlichen Zwecken dienenden Kommunikationslinien unentgeltlich zu benutzen, soweit nicht dadurch der Widmungszweck der Verkehrswege dauernd beschränkt wird. Der Bund übt diese Nutzungsberechtigung nicht selbst aus, da Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation nach Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen unter Einschluss der Klägerin und durch andere private Anbieter erbracht werden. Gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1 TKG überträgt der Bund die Nutzungsberechtigung auf die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 TKG bezeichneten Lizenznehmer im Rahmen der Lizenzerteilung nach § 8 TKG. Die Verlegung neuer und die Änderung vorhandener Telekommunikationslinien bedürfen nach § 50 Abs. 3 Satz 1 TKG der Zustimmung des Trägers der Straßenbaulast. Diese ist zu erteilen, wenn die Telekommunikationslinie den Widmungszweck des Verkehrswegs nicht dauernd beschränkt sowie den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung und den anerkannten Regeln der Technik genügt. Sie begründet zwischen dem Baulastträger und dem Lizenznehmer ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis nach Maßgabe der Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes, das einen Rückgriff auf die Regelungen des allgemeinen Straßenrechts ausschließt und sich damit sowohl von der Sondernutzung i. S. der § 8 Abs. 1 FStrG, § 16 Abs. 1 StrG als auch von der privatrechtlich ausgestalteten Benutzung i. S. der § 8 Abs. 10 FStrG, § 21 StrG deutlich abhebt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 01.07.1999 - 4 A 27.98 - BVerwGE 109, 192 = NVwZ 2000, 316). Eine solche Lizenznehmerin ist die Klägerin; sie ist damit Nutzungsberechtigte einer Telekommunikationslinie.
Die planfestgestellte Stadtbahnlinie U 2 gerät im Bereich der Steinhaldenstraße zwischen Naumannstraße und Schmollerstraße mit der hier von der Klägerin genutzten Telekommunikationslinie derart in Konflikt, dass es erforderlich wird, die Telekommunikationslinie zu verlegen, nach Meinung der Klägerin auf die Ostseite der Steinhaldenstraße oder in den Gehweg. Zur Lösung des Konflikts zwischen dem Interesse der Beigeladenen an dem planfestgestellten Vorhaben (Stadtbahnlinie) und dem Interesse der Klägerin als Nutzungsberechtigter einer betroffenen Telekommunikationslinie enthalten die §§ 50 ff. TKG ein umfassendes Regelungswerk. Teil dieses Sonderregimes sind u.a. die Pflichten, die die Klägerin als Nutzungsberechtigte unter den in § 53 TKG einerseits und den in §§ 55 und 56 TKG andererseits näher bezeichneten Voraussetzungen treffen.
Nach § 53 Abs. 1 TKG ist, wenn sich nach Errichtung einer Telekommunikationslinie ergibt, dass sie den Widmungszweck eines Verkehrswegs nicht nur vorübergehend beschränkt oder die Vornahme der zu seiner Unterhaltung erforderlichen Arbeiten verhindert oder der Ausführung einer von dem Unterhaltspflichtigen beabsichtigten Änderung des Verkehrswegs entgegensteht, die Telekommunikationslinie, soweit erforderlich, abzuändern oder zu beseitigen. In diesem Fall hat nach § 53 Abs. 3 TKG der Nutzungsberechtigte die gebotenen Maßnahmen an der Telekommunikationslinie auf seine Kosten zu bewirken. Nach § 55 Abs. 1 TKG Satz 1 sind die Telekommunikationslinien so auszuführen, dass sie vorhandene besondere Anlagen (der Wegeunterhaltung dienende Einrichtungen, Kanalisations-, Wasser-, Gasleitungen, Schienenbahnen, elektrische Anlagen und dergleichen) nicht störend beeinflussen. Nach § 56 Abs. 1 TKG sind spätere besondere Anlagen nach Möglichkeit so auszuführen, dass sie die vorhandenen Telekommunikationslinien nicht störend beeinflussen. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 TKG muss dem Verlangen der Verlegung oder Veränderung einer Telekommunikationslinie auf Kosten des Nutzungsberechtigten stattgegeben werden, wenn sonst die Herstellung einer späteren besonderen Anlage unterbleiben müsste oder wesentlich erschwert werden würde, welche aus Gründen des öffentlichen Interesses, insbesondere aus volkswirtschaftlichen oder Verkehrsrücksichten, von den Wegeunterhaltspflichtigen oder unter überwiegender Beteiligung eines oder mehrerer derselben zur Ausführung gebracht werden soll. Nach § 56 Abs. 2 Satz 2 TKG kann die Verlegung einer nicht lediglich dem Orts-, Vororts- oder Nachbarortsverkehr dienenden kabelgebundenen Telekommunikationslinie nur dann verlangt werden, wenn die kabelgebundene Telekommunikationslinie ohne Aufwendung unverhältnismäßig hoher Kosten anderweitig ihrem Zweck entsprechend untergebracht werden kann. Nach § 56 Abs. 5 TKG haben die Unternehmer anderer als der in Abs. 2 bezeichneten besonderen Anlagen die aus der Verlegung oder Veränderung der vorhandenen Telekommunikationslinien oder aus der Herstellung der erforderlichen Schutzvorkehrungen an solchen erwachsenden Kosten zu tragen.
§ 53 Abs. 1 TKG liegt die gesetzgeberische Wertung zugrunde, dass dem Interesse der Allgemeinheit an der Bereitstellung und der Verbesserung von Verkehrswegen der Vorzug vor dem Interesse des Nutzungsberechtigten am unveränderten Fortbestand seiner Telekommunikationsanlagen gebührt. Sind die Verkehrsverhältnisse der Anlass für die Änderung, die die Folgepflicht auslöst, so ist der Umstand, dass das (zusätzliche) Verkehrsbedürfnis nicht (primär) auf dem die Leitung führenden, sondern auf einem anderen Verkehrsweg befriedigt wird, nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Dass der Nutzungsberechtigte dem Verkehrsinteresse nicht nur Rechnung tragen, sondern auf eigene Kosten nachkommen muss, wird übrigens dadurch ausgeglichen, dass Telekommunikationslinien im Vergleich mit anderen Straßennutzungen besonders günstige Benutzungsbedingungen haben. § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG ermöglicht es - wie bereits erwähnt -, die Verkehrswege für die öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationslinien unentgeltlich zu benutzen. Für die Anwendung des § 53 Abs. 1 TKG reicht jeder physisch-reale Eingriff in den Straßenkörper aus, der zur Folge hat, dass der Verkehrsweg als technisches Bauwerk umgestaltet wird. Von einer Folgepflicht der Klägerin nach § 53 Abs. 1 TKG und einer korrespondierenden Folgekostenpflicht der Klägerin nach § 53 Abs. 3 TKG geht die Behörde im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss (S. 68/69) aus.
Die Klägerin wirft der Behörde als grundlegenden Planungsmangel gerade vor, dass sie ihr Interesse im Zusammenhang mit der Verlegung der Telekommunikationslinie im Trassenbereich zwischen Naumannstraße und Schmollerstraße am Maßstab des § 53 TKG beurteilt habe und demzufolge auch fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass "der Nutzungsberechtigte die gebotenen Maßnahmen an der Telekommunikationslinie auf seine Kosten zu bewirken" habe; darin liege bei Bestandskraft der Planungsentscheidung zugleich eine "Sperre" für die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs aus § 56 Abs. 5 TKG bzw. eines Anspruchs gegenüber der Beigeladenen zu 1 auf Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung aus § 56 Abs. 2 Satz 2 TGK. Damit kann die Klägerin ihr Anfechtungsbegehren jedoch nicht begründen.
Im verfügenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses vom 18.02.2002 befindet sich weder unter IV "Nebenbestimmungen" noch unter V "Zusagen" noch unter VI "Entscheidung über Einwendungen, Bedenken, Hinweise und Anträge" eine ausdrückliche Regelung oder Maßgabe dahingehend, dass die Klägerin die Kosten der Verlegung ihrer Telekommunikationslinie im betroffenen Bereich zu tragen hat. Eine solche Entscheidung zu Lasten eines Dritten, der nicht (als Vorhabenträger) die Planfeststellung beantragt hat, wäre auch gar nicht zulässig gewesen. Insofern scheidet der Planfeststellungsbeschluss als Gegenstand einer - auch nur teilweisen -Anfechtung durch die Klägerin aus; jedenfalls bestünde insoweit mangels Beschwer der Klägerin kein Rechtsschutzinteresse an seiner Aufhebung.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte erklärt, dass die Darlegungen im Planfeststellungsbeschluss (S. 68/69) zur eigenen Kostentragungspflicht der Klägerin nach § 53 TGK begründen sollten, weshalb im verfügenden Teil der Planungsentscheidung keine Verpflichtung der Beigeladenen zu 1 als Vorhabenträgerin sozusagen "dem Grunde nach" ausgesprochen worden sei, der Klägerin die Kosten für die Leitungsverlegung zu erstatten bzw. gegenüber der Klägerin eine entsprechende Kostenübernahmeerklärung abzugeben. Der Senat lässt dahinstehen, ob eine dahingehende "Auflage" nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gegenüber der Beigeladenen zu 1 im Sinne einer stattgebenden Entscheidung auf einen entsprechenden Antrag der Klägerin hin oder jedenfalls wegen des Grundsatzes der Problembewältigung, wonach auch die nur mittelbaren Auswirkungen des Vorhabens einzubeziehen sind, überhaupt erforderlich gewesen wäre oder ob nicht im Hinblick auf das selbständige und vollständige Regelungssystem des § 56 Abs. 2 bis 5 TGK für einen vermeintlichen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin bzw. einen vermeintlichen Anspruch auf Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung eine "Auflage" im Planfeststellungsbeschluss, die einen solchen Anspruch konstitutiv vermittelte, ausgeklammert werden kann (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 06.03.2002 - 9 A 6.01 -). Dahinstehen kann ferner, ob nicht "Rückwirkungen" dieses Regelungssystems auf den Planfeststellungsbeschluss, die sich aus den in § 56 Abs. 2 TKG geregelten Voraussetzungen einer Folgepflicht der Klägerin als Nutzungsberechtigter ergeben, an die wiederum die Kostentragungspflicht anknüpft, die Substanz und Ausgewogenheit der Planungsentscheidung in Frage stellen könnten. Denn die Klägerin ist schon wegen Präklusion nach § 29 Abs. 4 Satz 1 PBefG gehindert, die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zu verlangen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Nach § 29 Abs. 4 Satz 1 PBefG sind Einwendungen gegen den Plan, die nach Ablauf der Einwendungsfrist erhoben werden, ausgeschlossen. Hierauf ist - wie dies § 29 Abs. 4 Satz 2 PBefG verlangt - in der öffentlichen Bekanntmachung vom 21.06.2001 über die Auslegung der Pläne ordnungsgemäß hingewiesen worden. Die Vorschrift des § 29 Abs. 4 Satz 1 PBefG begründet eine materielle Verwirkungspräklusion, die sich auch auf das nachfolgende gerichtliche Verfahren erstreckt, in dem sie von Amts wegen zu beachten ist. Dabei entscheidet die Art der - nicht präkludierten - Einwendungen darüber, ob in einem nachfolgenden Klageverfahren noch ein Antrag auf Planaufhebung verfolgt werden kann. Der Einwender kann die mit einem solchen Aufhebungsantrag vorausgesetzte umfassende Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses nicht erreichen, wenn seine Einwendungen nur Fragen betreffen, die nicht die Planung als solche berühren, sondern nur Inhalt von schlichten Planergänzungsansprüchen bzw. -anträgen sein könnten (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.05.1996 - 4 A 38.95 - NVwZ 1997, 489 = DVBl. 1997, 51 zur vergleichbaren Regelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG). Hieran gemessen hat sich die Klägerin mit ihrem allein maßgeblichen Einwendungsschreiben vom 31.07.2001 nicht die Möglichkeit offen gehalten, die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zu verlangen, wie sie dies mit ihrem Klageantrag ausschließlich begehrt.
Im Einwendungsschreiben vom 31.07.2001 hat die Klägerin unter Hinweis darauf, dass im Bereich Steinhaldenstraße zwischen Naumannstraße und Schmollerstraße hochwertige Anlagen (Kabel) lägen, die verlegt werden müssten, allein geltend gemacht, dass eine Verlegung nur möglich sei, wenn eine Kostenübernahme - durch die Beigeladene zu 1 als Verursacherin der Baumaßnahme - vorliege. Die Klägerin hat sich damit weder gegen das Vorhaben selbst einschließlich der konkreten Trassenführung noch gegen die Beeinträchtigung ihrer dortigen Telekommunikationslinie noch gegen ihre grundsätzliche Verpflichtung gewandt, diese Leitung entsprechend den Erfordernissen des planfestzustellenden Vorhabens zu verlegen. Vielmehr hat die Klägerin am Ende ihres Einwendungsschreibens vom 31.07.2001 ausdrücklich erklärt, dass sie "grundsätzlich ... gegen die Planfeststellung keine Einwände" habe. Ihre vorangegangenen Ausführungen, dass eine Leitungsverlegung nur möglich sei, wenn die entstehenden Kosten vom Verursacher der Baumaßnahme übernommen würden , rechtfertigen keine andere Beurteilung. Es ist nicht möglich, dieses Vorbringen i. S. einer "bedingten Zustimmung" zum Vorhaben zu verstehen und sich durch eine solche weitere Einwände für den Fall des Nichteintritts der Bedingung offen zu halten (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 29.04.2001 - 9 VR 2.01 -). Denn das Anhörungsverfahren zielt nicht auf "Zustimmung" der vom Vorhaben Betroffenen, sondern darauf, ihre Einwendungen gegen das Vorhaben in einer Art und Weise in Erfahrung zu bringen, dass sie im Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt werden können. Dazu gehört auch die Darlegung der konkreten Auswirkungen, durch die die Betroffenen bei Verwirklichung des Vorhabens tatsächliche oder rechtliche Nachteile für ihre geschützten Interessen befürchten (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.07.1980 - 7 C 101.78 - BVerwGE 60, 297). Das Einwendungsschreiben der Klägerin vom 31.07.2001 bezieht sich danach - abgesehen von dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer Leitungsverlegung als solche - ausschließlich auf die Frage der Kostenübernahme hierfür durch die Beigeladene zu 1 (als Vorhabenträgerin). Mit der Verwahrung gegen eine eigene Kostentragungspflicht sind weder sachliche Einwendungen gegen das Vorhaben noch sonst berücksichtigungsfähige Informationen über die Interessenlage der Klägerin verbunden gewesen. Die Planfeststellungsbehörde konnte daher davon ausgehen, dass dem Vorhaben - abgesehen von der auf die Frage der Folgepflicht nicht zurückwirkenden Kostentragungspflicht - aus der Sicht der Klägerin keine Einwände entgegenstehen, die in einem nachfolgenden Klageverfahren einen Aufhebungsantrag erwarten ließen, mit dem der Bestand der Planung insgesamt in Frage gestellt wird.
Dies gilt selbst dann, wenn es sich - wie nunmehr von der Klägerin geltend gemacht wird - bei der betroffenen Telekommunikationslinie um eine "Fernlinie" i. S. von § 56 Abs. 2 Satz 2 TKG handelte, deren Verlegung unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen würde. Diese Umstände ließen die Folgepflicht der Klägerin nicht entfallen, wenn durch eine entsprechende Kostentragung seitens der Beigeladenen zu 1 das Hindernis der Entstehung unverhältnismäßig hoher Kosten beseitigt würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.11.1975 - VII C 25.73 - NJW 1976, 906). Unabhängig davon, ob die Klägerin mit dem Einwendungsschreiben vom 31.07.2001 diese in ihre Sphäre fallenden Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 Satz 2 TKG, nämlich die Betroffenheit einer dem "Fernverkehr" dienenden Telekommunikationslinie und die unverhältnismäßige Höhe der zu deren Verlegung aufzuwendenden Kosten, überhaupt (hinreichend) dargetan hat, bleibt als maßgebend festzuhalten, dass sie "grundsätzlich ... gegen die Planung keine Einwände" erhoben hat. Dies hindert sie - wie bereits dargelegt - an einem Klagebegehren auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses , wie sie es nunmehr mit dem ausschließlich gestellten Anfechtungsantrag verfolgt. Unter Präklusionsgesichtspunkten hilft der Klägerin auch der Verweis auf ihr Schreiben vom 19.03.2001 nicht weiter. Dieses datiert zum einen aus der Zeit vor Einleitung des förmlichen Planfeststellungsverfahrens auf Grund des Antrags der Beigeladenen vom 21.05.2001. Zum anderen ist das Schreiben nicht an die Beigeladene zu 2 als Anhörungsbehörde gerichtet. Schließlich werden darin ebenfalls keine Einwände gegen die Planung als solche formuliert, sondern lediglich die voraussichtlichen Kosten einer Leitungsverlegung mit ca. 990.000,-- DM angegeben.
Eine zu Lasten der Klägerin fehlerhafte Beurteilung der Folgekostenfrage im Zusammenhang mit der Verlegung der Telekommunikationslinie in dem betroffenen Bereich begründete selbst bei Verneinung einer Präklusion insoweit allenfalls einen Planungsmangel, der durch "schlichte", im Wege der Verpflichtungsklage zu verfolgende Planergänzung um eine entsprechende - unterstellt erforderliche - "Auflage" gegenüber der Beigeladenen zu 1 zur Kostenerstattung bzw. zur Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung gegenüber der Klägerin zu beheben wäre. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass ein insoweit anzunehmender Planungsmangel ausnahmsweise zur Unausgewogenheit der Planungsentscheidung insgesamt führte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO: Es besteht keine Veranlassung, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die keinen Antrag gestellt und damit kein Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO übernommen haben, für erstattungsfähig zu erklären.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
VGH Baden-Württemberg:
Urteil v. 01.04.2003
Az: 5 S 748/02
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c99264a9f841/VGH-Baden-Wuerttemberg_Urteil_vom_1-April-2003_Az_5-S-748-02