Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 23. November 2010
Aktenzeichen: I-20 U 75/10
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 23.11.2010, Az.: I-20 U 75/10)
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4. Mai 2010 verkündete Ur-teil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wuppertal un-ter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
I.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im Zusammenhang mit an sie gerichteten Erstattungsanfragen von Versicherten für Kosten nach Maßgabe individuell erteilter, zahnärztlicher Therapie- und Kos-tenpläne ungefragt auf die Dienste der Firma „Q. GmbH“ zu verwei-sen, wenn dies geschieht wie in dem diesem Urteil als Anlage beigefügten Schreiben der Beklagten vom 14. April 2009.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses gerichtliche Verbot ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,-- € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
II.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.647,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. August 2009 zu zahlen.
III.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu einem Drittel und der Beklagten zu zwei Dritteln auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstre-ckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,-- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstre-ckenden Betrages leistet.
Gründe
A.
Die klagende Kammer wendet sich gegen den Hinweis auf die Dienste einer "Q. GmbH", wie ihn die beklagte private Krankenversicherung in ihre Antwortschreiben auf Anfragen von Versicherten zur Kostenübernahme nach Maßgabe eines konkreten zahnärztlichen Therapie- und Kostenplans aufnimmt (Anlage 1 = Bl. 8 f. GA). Außerdem begehrt sie die Erstattung von Abmahnkosten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 67 ff. GA) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft. Sie meint insbesondere weiter, der angegriffene Hinweis der Beklagten verstoße gegen § 4 Nr. 1, 10, 11, § 5 Abs. 1 Nr. 2, 3, § 6 UWG und stelle einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Praxisbetrieb der Zahnärzte dar.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
I.
die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im Zusammenhang mit an sie gerichteten Erstattungsanfragen von Versicherten für Kosten nach Maßgabe individuell erteilter, zahnärztlicher Therapie- und Kostenpläne ungefragt auf die Dienste der Firma "Q. GmbH" zu verweisen, und zwar insbesondere mit der Angabe, dass die Q. GmbH "über ein bundesweites Netzwerk von Zahnarztpraxen und zahntechnischen Laboren verfügt", "die Zahnarztversorgung nach hohen Qualitätsstandards anbieten und fertigen" und dass dies "zu von uns anerkannten Preisen" erfolge,
II.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.647,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit der am 18. August 2009 eingetretenen Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Sie wiederholt und vertieft ebenfalls ihren erstinstanzlichen Vortrag und meint weiter, ihr Hinweis auf die "Q. GmbH" sei zulässig.
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die Schriftsätze, Protokolle und anderen Unterlagen verwiesen.
B.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache zum Teil Erfolg. Ihr steht ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG sowie ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG nebst Zinsen zu. Der Unterlassungsanspruch ist allerdings auf den konkreten Verletzungsfall beschränkt. Wegen der von der Klägerin erstrebten Verallgemeinerung ist die Klage abzuweisen.
Der Senat hat dabei nach der ausdrücklichen Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass nicht in allgemeiner Form unabhängig von dem jeweiligen Anlass die Zulässigkeit von Hinweisen der Beklagten auf die Dienste der "Q. GmbH" Streitgegenstand ist. Dass der Beklagten derart grundsätzlich überhaupt jeglicher Hinweis verboten wäre, macht die Klägerin nicht geltend; diese Frage steht nicht zur Entscheidung durch den Senat an. Vor diesem Hintergrund empfindet die Klägerin es gleichwohl als anstößig, dass die Beklagte mit der angegriffenen Werbung versucht, Einfluss auf eine bestehende Arzt-Patienten-Beziehung zu nehmen. Bei Vorlage eine Heil- und Kostenplans - nur die Reaktion hierauf betrifft der Klageantrag - hat der Patient nämlich bereits einen bestimmten Zahnarzt aufgesucht, der eine bestimmte Behandlung beabsichtigt, für die bei der Versicherung um Kostenübernahme nachgesucht wird. Würde der Patient dann, angeregt durch die Werbung der Beklagten, für die spätere Behandlung zu einem anderen Zahnarzt wechseln, so würde dies tatsächlich in die bereits bestehende Beziehung des Patienten zu seinem bisherigen Zahnarzt zumindest insoweit eingreifen, als dessen Erwartung, die Behandlung auch durchzuführen, enttäuscht würde. Der Senat sieht gleichwohl die Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche nicht als gegeben an, soweit sie auf § 4 Nr. 1 UWG (unsachlicher Einfluss auf Verbraucher), § 4 Nr. 10 UWG (gezielte Behinderung) und § 4 Nr. 11 UWG mit § 823 Abs. 1 BGB (Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Praxisbetrieb) gestützt sind. Geht man - entsprechend dem beschränkten Streitgegenstand - von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Hinweisen der Beklagten auf die Dienste der "Q. GmbH" aus, so sind in der im vorliegenden Fall zu beurteilenden Situation, also der Reaktion auf einen eingereichten Heil- und Kostenplan, keine Umstände zu finden, die gerade in dieser Lage die Unlauterkeit nach den genannten Vorschriften begründen könnten. Eine Behandlung bei dem bisherigen Zahnarzt des Patienten ist vor der Reaktion der Beklagten auf den Heil- und Kostenplan noch nicht in Auftrag gegeben, so dass die Werbung nicht auf den Bruch bestehender Verträge abzielt. Zudem sieht § 192 Abs. 3 Nr. 1 VVG ohnehin - wenn auch in anderem Zusammenhang - vor, dass eine Beratung über versicherte Leistungen und über die Anbieter solcher Leistungen durch den Versicherer als Inhalt des Versicherungsvertrages vereinbart werden kann. Unabhängig von der Frage, ob der Vertrag im vorliegenden Fall derartiges vorsieht, erkennt der Gesetzgeber damit zumindest in allgemeiner Form eine entsprechende Beratungstätigkeit des Versicherers an, die naturgemäß darauf gerichtet ist, Einfluss auf die Auswahlentscheidung des Versicherten zu nehmen.
Die Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat noch einen weiteren Aspekt ergeben, der gegen eine Beeinträchtigung der geschäftlichen Interessen des zuerst im Rahmen des Heil- und Kostenplans beauftragten Zahnarztes spricht. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat nämlich ausdrücklich erklärt, dass es in dem angegriffenen Schreiben der Beklagten nicht um zahnärztliche Leistungen, sondern nur um die Anfertigung des Zahnersatzes gehen solle. Das versteht der Senat dahin, dass die Beklagte nicht einen Wechsel zu einem anderen Zahnarzt im Blick gehabt hat. Ohnehin ist der Druck auf den Verbraucher, der durch den Werbehinweis angeblich aufgebaut wird, begrenzt, weil er einer ausführlichen Stellungnahme zu dem eingereichten Heil- und Kostenplan nachfolgt, mit der im vorliegenden Verletzungsfall sogar ganz überwiegend die Zusage einer Kostenübernahme verbunden ist. Diese Zusage schließt mit den guten Wünschen der Beklagten für die Behandlung ab. Erst anschließend erfolgt der streitgegenständliche Hinweis auf die Q. GmbH. Der Leser fragt sich, wozu dies dienen soll, nachdem die beabsichtigte Behandlung, wie sie aus dem Heil- und Kostenplan hervorgeht, bereits ganz überwiegend akzeptiert wurde. Einen Sinn ergibt dies bei dem vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Termin angesprochenen Hintergrund, der darin besteht, dass lediglich Einfluss darauf beabsichtigt ist, durch wen der Zahnersatz angefertigt, also welches Labor beauftragt wird.
Der angegriffene Hinweis ist aber irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG, was die Klägerin ebenfalls geltend macht. Er enthält nämlich unwahre Angaben zu den Eigenschaften der Q. GmbH. Das Schreiben der Beklagten erweckt den Eindruck, als sollten nicht nur Laborleistungen, sondern auch zahnärztliche Leistungen durch die Q. GmbH beworben werden. Das folgt schon aus der ausdrücklichen Nennung eines "bundesweiten Netzwerks von Zahnarztpraxen", über die die Q. GmbH verfügen soll. Tatsächlich geht es aber nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Termin gar nicht um die zahnärztlichen Leistungen, sondern ausschließlich um die Anfertigung von Zahnersatz. Irreführend ist die Werbung vor diesem Hintergrund auch gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG, weil sie zur Täuschung geeignete Angaben über die Art und Weise, in der der Preis berechnet wird, enthält. Sollte ein Kunde nämlich - durch die missverständlichen Formulierungen des Schreibens der Beklagten irregeleitet - auch auf der Suche nach einem günstigeren Zahnarzt sich an eine der Zahnarztpraxen wenden, mit denen die Q. GmbH dem Schreiben zufolge kooperiert, so würde seine Erwartung günstigerer oder zumindest "anerkannter" Preise enttäuscht. Wie der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nämlich außerdem ausdrücklich klargestellt hat, beziehen sich die Äußerungen der Beklagten keineswegs auf die Gebührenordnung für Zahnärzte. Vielmehr soll nur der Zahnersatz selbst zu von der Beklagten anerkannten Preisen angefertigt werden. Diese Einschränkung geht aus dem Schreiben der Beklagten überhaupt nicht hervor. Es weckt vielmehr durch den Hinweis auf ein Netzwerk auch von Zahnarztpraxen in dem Leser die Erwartung, dass auch hinsichtlich der zahnärztlichen Leistungen Vorteile für den Kunden zu erzielen seien, wenn die Q. GmbH beauftragt oder um Vermittlung eines Zahnarztes gebeten wird. Das trifft nach dem jetzt ausdrücklichen Vortrag der Beklagten nicht zu.
Daneben ist die Werbung auch unlauter gemäß § 6 Abs. 1, 2 Nr. 2 UWG. Danach handelt unlauter, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen bezogen ist. Der vergleichende Charakter der Werbung folgt daraus, dass sie in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem bestimmten Heil- und Kostenplan steht, also mit Bezug auf die Leistungen eines konkreten Zahnarztes erfolgt, der ihn aufgestellt hat. Das gilt insbesondere für diejenigen Verbraucher, die die Werbung nicht nur als einen allgemeinen Ratschlag für die Zukunft, sondern als die Darstellung einer Alternative zu dem konkret eingereichten Heil- und Kostenplan verstehen. Aber auch für die übrigen Verbraucher wirkt der Hinweis so, dass über die "Q. GmbH" ein hochwertiger Zahnersatz bundesweit zu angemessenen Preisen angeboten wird, die von der Beklagten anerkannt sind. Das wirkt so, als ob der vom Versicherungskunden eingereichte Heil- und Kostenplan bzw. die Qualität der zu erwartenden Behandlung dem irgendwie nicht in gleichem Umfang entsprechen könnte. Tatsächlich trifft dies aber nicht zu, weil die Beklagte immerhin die Zusage einer Kostenübernahme erklärt hat. So wird der Kunde verwirrt. Worin ein suggerierter Preisvorteil bestehen soll, worin sich die Qualität der Leistung von derjenigen des eingereichten Heil- und Kostenplans unterscheiden oder worin der "Extra-Service" bestehen soll, ist vollkommen unklar. Das gilt in besonderem Maße, weil - wie bereits ausgeführt - die Erstreckung der Vorteile auf die zahnärztlichen Leistungen suggeriert, tatsächlich aber nicht angeboten wird.
Die Fassung der Urteilsformel trägt dem beschränkten Erfolg der Klage durch die Bezugnahme auf den konkreten Verletzungsfall Rechnung. Wegen der darüber hinaus gehenden Verallgemeinerung, die formulierungsunabhängig jeglichen Verweis auf die Dienste der "Q. GmbH" in der Antwort der Beklagten auf Erstattungsanfragen zu verbieten sucht, ist die Klage abzuweisen.
Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG nebst Zinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 BGB), und zwar in der vollen beantragten Höhe. Zwar ist die Abmahnung nur teilweise berechtigt. Die Klägerin hat ihren Erstattungsanspruch aber ohnehin bereits auf der Grundlage eines reduzierten Streitwerts (30.000,-- €) berechnet, der den Wert des berechtigten Teils der Abmahnung noch unterschreitet. Dabei hat der Senat ein Teilunterliegen der Klägerin von einem Drittel zugrunde gelegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 50.000,-- € nach der Festsetzung des Landgerichts.
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 23.11.2010
Az: I-20 U 75/10
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