Landgericht Dortmund:
Urteil vom 5. November 1997
Aktenzeichen: 10 O 51/97
(LG Dortmund: Urteil v. 05.11.1997, Az.: 10 O 51/97)
Tenor
Der Beschluß der Gesellschafterversammlung der
Beklagten vom 13.1.1997 Ober die Abberufung des
Klägers als Geschäftsführer wird für nichtig
erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
3.800,00 DM vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Der beanstandete Beschluß der Gesellschafterversammlung
der Beklagten vom 13. Januar 1997 ist in entsprechender
Anwendung der §§ 241 ff. AktG für nichtig zu erklären.
I.
Es ist bereits zweifelhaft ob der Gesellschafterbe-
schluß dem Kläger ordnungsgemäß kundgegeben worden
ist. War der Geschäftsführer - wie hier der Kläger
- bei der Beschlußfassung über die Abberufung nicht
anwesend, so muß ihm das Beschlußergebnis mitgeteilt
werden. Die Erklärung obliegt dabei der Gesellschafterversammlung
als dem für die Abberufung zuständigen Organ (Baumbach - Hueck, Rdn. 19 zu
§ 38 GmbH-Gesetz; Scholz, Rdn. 29 f. zu § 38 GmbH Gesetz).
Die Gesellschafterversammlung hat hier unstreitig
den Kläger nicht über die ergangene Beschlußentscheidung
unterrichtet. Das Schreiben des jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom
18. Februar 1997 ist seinem Inhalt nach nicht auf
die Mitteilung oder Verkündung einer Beschlußentscheidung
gerichtet, sondern erwähnt diese eher
beiläufig. Abgesehen davon sind Empfänger dieses
Schreibens die jetzigen Prozeßbevollmächtigten des
Klägers. Es ist nicht ersichtlich, dass
insoweit eine Empfangsvollmacht bestanden hat. Darüber
hinaus ist auch nicht hinreichend dargetan,
daß die jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten
wirksam von der Gesellschafterversammlung ermächtigt
waren, dem Kläger das Beschlußergebnis
mitzuteilen. Die Gesellschafterversammlung kann
zwar auch Dritte, wie z. B. den Anwalt der Gesellschaft,
bevollmächtigen. Hierzu bedarf es aber eines
Beschlusses der Gesellschafterversammlung. Das
Protokoll der Gesellschafterversammlung vom
13. Januar 1997 enthält keine Ermächtigung. Es ist
auch nicht ersichtlich, daß eine spätere Gesellschafterversammlung
eine entsprechende Vollmacht erteilt hat.
Die Vollmacht des Gesellschafters V,
das Schreiben vom 18. Februar 1997 zu übermitteln, reicht nicht.
Durch die spätere - nur zufällige - Kenntnisnahme
des Klägers von dritter Seite über den in der Gesellschafterversammlung
gefaßten Beschluß ist die Abberufung nicht wirksam geworden.
II.
Der Gesellschafterbeschluß ist hier auch deshalb
anfechtbar, weil er unter Verstoß gegen das
Recht des Klägers auf Teilnahme an der Gesellschafterversammlung
ergangen ist.
Der Kläger hat unstreitig die Ladung zu der Gesellschafterversammlung
am 13. Januar 1997 nicht erhalten.
Dies führt allerdings nicht zu einem Ladungsmangel,
der die Nichtigkeit des Beschlusses bewirkt
(Rowedder, Rdn. 81 zu § 47 GmbH-Gesetz). Für das
Bewirken der Ladung im Sinne des § 51 Abs. 1 GmbH Gesetz
kommt es nicht auf den tatsächlichen Zugang
an. Geht die Ladung - wie hier - nach Ablauf der
Aufbewahrungsfrist von der Post an den Absender zurück,
so ist sie gleichwohl "bewirkt" im Sinne des
Gesetzes (OLG München GmbHR 1994, 406; OLG Düsseldorf
GmbHR 1990, 265). Dies schließt allerdings
nicht aus, daß gleichwohl das Teilnahmerecht des
Gesellschafters beeinträchtigt und der Beschluß der
Gesellschafterversammlung aus diesem Grunde gesetzeswidrig ist.
Das Teilnahmerecht der Gesellschafter in einer personalistischen Gesellschaft
und insbesondere in einer - wie auch hier - Zweipersonengesellschaft
von überragender Bedeutung. Es obliegt allen Gesellschaftern sicher zu stellen,
dass das Teilnahmerecht wahrgenommen und sachgerecht
ausgeübt werden kann. Ist der Gesellschafter wegen seiner
Urlaubsabwesenheit oder aus sonstigen persönlichen
Gründen nicht erreichbar, so daß Ladungen der Gesellschaft
ihm nicht zugehen, so wird hierdurch
sein Teilnahmerecht beeinträchtigt. Eine beachtliche Verletzung
dieses Rechtes, das sich auf die in
der Gesellschafterversammlung gefaßten Beschlüsse
auswirkt, kann aber nur dann anerkannt werden, wenn
er seine Unerreichbarkeit selbst zu vertreten hat . Es ist
Sache des Gesellschafters, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern.
So ist etwa anerkannt, daß derjenige, der mit Zustellungen zu rechnen hat, für
den Fall seiner urlaubsbedingten Abwesenheit Vorsorge
zu treffen hat, daß ihn solche auch tatsächlich erreichen (OLG München, a. a. 0.). Hier kann dem Kläger kein Vorwurf gemacht werden. Er hat während
seiner nur wenigen Tage dauernden urlaubsbedingten
Abwesenheit seine Nachbarin und Person seines
Vertrauens, die Zeugin Y , damit betraut, seine Post entgegen zu nehmen. Wie die Zeugin glaubhaft bekundet hat, hat er sich sogar
abends telefonisch bei der Zeugin gemeldet und
nachgefragt von welchen Absendern Post bei ihm ein-
gegangen ist. Mehr war ihm nach Lage der Dinge
nicht zuzumuten. Die Kammer hat auch keine greifbaren
Hinweise dafür, daß der Kläger den Benachrichtigungsschein
der Post erhalten und die Postsendung
bewußt - sei es in Erwartung der Ladung, sei es aus
sonstigen Gründen - nicht vom Postamt abgeholt hat.
Nach den Bekundungen
der Zeugin befand sich unter der Post des Klägers
und seiner Familie kein Benachrichtigungsschein der
Post AG. Zumindest aber hat sie ein derartiges
Schriftstück nicht an den Kläger ausgehändigt. Ob
die Zeugin die Post ggf. nicht sorgfältig durchgesehen
oder ob ihr der Benachrichtigungsschein abhanden gekommen ist,
ist unerheblich, da dem Kläger ein derartiges Verhalten nicht
zugerechnet werden kann.
Der unter Verstoß gegen das Teilnahmerecht des Klägers
zustande gekommene Beschluß führt hier auch
zur Anfechtung. Eine Anfechtungsmöglichkeit entfällt
nur dann, wenn klar zutage liegt, daß der Beschluß auch bei
ordnungsgemäßer Einberufung und Durchführung
der Versammlung gleichfalls zustande gekommen
wäre. Davon kann hier nicht von vorn herein ausgegangen
werden. Es ist hier nicht
auszuschließen, daß bei einer Teilnahme des Klägers
an der Versammlung - wie auch bei anderen Gelegenheiten -
die zwischen den Gesellschaftern bestehenden Differenzen erörtert
werden würden und die Gesellschafter eine Lösung angestrebt
hätten, die eine Beschlußfassung über den Antrag
des Mitgesellschafters V sogar überflüssig gemacht
hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
LG Dortmund:
Urteil v. 05.11.1997
Az: 10 O 51/97
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