Amtsgericht Kehl:
Urteil vom 21. November 2013
Aktenzeichen: 4 C 610/12

(AG Kehl: Urteil v. 21.11.2013, Az.: 4 C 610/12)

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 128,95 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.08.2012 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.585,18 EUR für den Zeitraum vom 01.12.2010 bis zum 27.07.2012 zu bezahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die klagende Rechtsschutzversicherin begehrt von den beklagten Rechtsanwälten im Zusammenhang mit der Abwicklung eines für eine Zwangsräumung geleisteten Kostenvorschusses Erstattung eigener Rechtsanwaltskosten und Zahlung von Zinsen.

Die Beklagten hatten für einen Versicherungsnehmer der Klägerin in einem Räumungsrechtsstreit ein Versäumnisurteil erwirkt. Auf deren Anforderung zahlte die Klägerin Ende Oktober 2010 an die Beklagten im Hinblick auf eine Zwangsräumung einen Kostenvorschuss von 6.000 EUR aus. Mit Schreiben vom 06.11.2010 nahmen die Beklagten den Antrag auf Durchführung der Zwangsräumung gegenüber dem Gerichtsvollzieher zurück, zahlten in der Folge den Vorschuss nicht an die Klägerin zurück und rechneten hierüber auch nicht ab.

Mit Schreiben vom 19.06.2012 wandte sich die Klägerin an den zuständigen Gerichtsvollzieher. Sie teilte mit, dass sie von den Beklagten noch keine Abrechnung erhalten habe und bat um Übersendung von dessen Abschlussrechnung bezüglich der Räumung. Der Gerichtsvollzieher informierte die Klägerin mit Fax vom 26.06.2012 von der Rücknahme des Räumungsauftrags. Daraufhin beauftragte die Klägerin ihren Prozessbevollmächtigten damit, den Vorschuss von den Beklagten zurückzufordern. Dieser forderte die Beklagten mit Schreiben vom 30.07.2012 auf, den Vorschuss abzurechnen und das der Klägerin zustehende Guthaben sowie seine Gebühren bis zum 13.08.2012 zu bezahlen. Bereits mit Schreiben vom 28.07.2012 hatten die Beklagten an die Klägerin die Endabrechnung und einen Verrechnungsscheck über 4.585,18 EUR übersandt.

Mit der Klage begehrt die Klägerin von den Beklagten Bezahlung der ihr entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,69 EUR, nämlich eine 1,3 Gebühr aus einem Gegenstandswert von 6.000 EUR zuzüglich Postpauschale und Umsatzsteuer. Weiter begehrt sie aus einem Betrag von 4.585,18 EUR Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 01.12.2010 bis zum 27.07.2012.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet seien. Sie habe die Beklagten mit Schreiben vom 26.02.2012 nach dem Sachstand gefragt und mit Schreiben vom 19.06.2012 mit Fristsetzung zum 30.06.2012 aufgefordert, über den Vorschuss abzurechnen. Nachdem die Beklagten hierauf nicht reagiert hätten, habe sie zu Recht einen Rechtsanwalt mit der Angelegenheit betraut. Als Bevollmächtigte ihres Versicherungsnehmers seien die Beklagten auch ihr gegenüber verpflichtet gewesen unverzüglich abzurechnen. Bei § 43a Abs. 5 S. 2 BRAO handele sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, so dass auch aus unerlaubter Handlung ein Schadensersatzanspruch bestehe.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

an die Klägerin 546,69 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.08.2012 zu bezahlen sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.585,18 EUR für den Zeitraum vom 01.12.2010 bis zum 27.07.2012.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass sie gegenüber der Klägerin keine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag zu beachten hätten, nachdem sie allein von deren Versicherungsnehmerbeauftragt wurden. Nur dieser habe ihnen gegenüber Ansprüche. Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts sei seitens der Klägerin nicht erforderlich gewesen, da die Klägerin selbst über ausreichenden juristischen Verstand verfüge. Mit einem Telefonat wäre die Sachlage geklärt worden. Schreiben der Klägerin in der Angelegenheit seien ihnen nicht zugegangen.

Das Gericht hat den Rechtsstreit am 10.06.2013 verhandelt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens und zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenteile Bezug genommen

Gründe

Die Klage ist zulässig und zum Teil begründet.I.

Die Klägerin kann von den Beklagten gemäß §§ 280, 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB Schadensersatz verlangen. Ob darüber hinaus ein entsprechender Anspruch auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 43a Abs. 5 S. 2 BRAO besteht, wofür viel spricht, kann offenbleiben.

1. Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin aktivlegitimiert ist. Dies ergibt sich aus § 86 Abs. 1 S. 1 VVG, der auch für die als Schadensversicherung zu betrachtende Rechtsschutzversicherung gilt. Indem die Klägerin auf die vom Versicherungsnehmer zu tragenden Räumungskosten Vorschusszahlungen erbracht hat, hat sie diesem im Sinne von § 86 VVG einen Schaden ersetzt (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 06.06.2007, Az.: 5 U 482/06-60, Juris). Sie kann daher von den Beklagten, die insoweit als Dritte im Sinne von § 86 Abs. 1 VVG anzusehen sind, grundsätzlich auch selbst Rückzahlung verlangen.

2. Die Beklagten waren nach Rücknahme des Räumungsauftrags auch zur Abrechnung und ggf. Rückzahlung des Kostenvorschusses verpflichtet.

Der entsprechende Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung war gemäß § 271 Abs. 1 BGB mit Beendigung / Wegfall des Räumungsauftrags fällig.

Spätestens ab dem 01.12.2010 befanden sich die Beklagten mit der Rückzahlung des Anspruchs auch in Verzug (§ 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB). Nach dieser Vorschrift bedarf es einer Mahnung für den Eintritt des Verzuges (ausnahmsweise) nicht, wenn aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist. Diese Voraussetzungen waren jedenfalls am 01.12.2012 eingetreten, als die Beendigung des Räumungsauftrags bereits über drei Wochen zurücklag.

§ 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB stellt eine Ausformung des Gedankens von Treu und Glauben dar. Eine Mahnung ist danach beispielsweise entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ausdrücklich angekündigt hat (sog. Selbstmahnung) oder aber wenn der Schuldner zur Herausgabe einer ohne Rechtsgrund erlangten Leistung verpflichtet und die verschärfte Haftung nach § 819 BGB eingetreten ist, weil diese der Haftung ab Rechtshängigkeit gleichsteht (vgl. Bamberger/Roth, BGB, 2011, § 286 BGB RN 37 mit weiteren Nachweisen).

Die vorliegende Fallgestaltung ist mit der letztgenannten vergleichbar. Denn gemäß § 23 BORA hatten die Beklagten spätestens mit Beendigung des Mandats, hier des Räumungsauftrags, gegenüber der Klägerin (§ 86 VVG) über den ausdrücklich für die erwartete Räumung angewiesenen Vorschuss unverzüglich abzurechnen. Auch aus § 43a Abs. 5 BRAO, wonach der Rechtsanwalt bei der Behandlung der ihm anvertrauten Vermögenswerte zu der erforderlichen Sorgfalt verpflichtet ist und fremde Gelder unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen hat, ergibt sich eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten. Dieser Verpflichtung zur unverzüglichen Abrechnung, d.h. einer Abrechnung ohne schuldhaftem Zögern, sind die Beklagten unbestritten nicht nachgekommen. Darüber hinaus war den Beklagten spätestens am 06.11.2010 positiv bekannt (§ 819 Abs. 1 BGB, vgl. RGZ 93, 271, 272), dass der Grund für den Vorschuss, die Kosten der bevorstehenden Räumung, wegen des zwischenzeitlichen freiwilligen Auszugs der Mieter des Versicherungsnehmers der Klägerin weggefallen und sie daher zur Abrechnung und Rückzahlung verpflichtet waren. Angesichts der eindeutigen Vorschriften, auch der standesrechtlichen, in Bezug auf den Umgang mit anvertrautem Geld bedurfte es jedenfalls nach über drei Wochen nach Auftragsbeendigung keiner besonderen Aufforderung zur Abrechnung und Rückzahlung mehr.

3. Allerdings kann die Klägerin als Verzugsschaden keine 1,3 Gebühr aus einem Gegenstandswert von 6.000 EUR geltend machen, sondern nur eine 0,3 Gebühr aus einem Gegenstandswert von 4.585,18 EUR.

Maßgeblich für den Gegenstandswert ist letztlich der von den Beklagten geschuldete Betrag, der sich unstreitig aufgrund eigener Gebührenansprüche nicht auf 6.000 EUR sondern auf 4.585,18 EUR belief. Dass die Beklagten auch mit der Abrechnung in Verzug waren, führt vorliegend aufgrund wirtschaftlicher Identität bei der Höhe des Gegenstandswerts zu keinem anderen Ergebnis.

Es ist im Verhältnis zu den Beklagten keine 1,3 Gebühr angemessen und ersatzfähig, sondern lediglich eine 0,3 Gebühr für ein einfaches Mahnschreiben.

Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch im geltend gemachten Umfang ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit - hier die erneute anwaltliche Mahnung vom 30.07.2012 - im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (BGH, Urteil vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08 -, juris, und ständig).

Nachdem aus Sicht der Klägerin die Beklagten auf zwei Schreiben nicht reagiert hatten, war die Klägerin trotz eigener Juristen berechtigt, einen Rechtsanwalt einzuschalten, um der Ernsthaftigkeit ihres Bestrebens zum Forderungseinzug Nachdruck zu verleihen. Sie war nicht verpflichtet, zunächst noch telefonischen Kontakt aufzunehmen. Angesichts der klaren Rechts- und Sachlage, der eindeutigen Abrechnungs- und Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten, hätte es der Klägerin jedoch oblegen, ihren Prozessbevollmächtigten vorgerichtlich lediglich mit einem einfachen Mahnschreiben zu beauftragen, und nicht mit einer weitergehenden Prüfung. Für ein einfaches Mahnschreiben wäre eine 0,3 Gebühr angemessen gewesen (vgl. AG Meldorf, NJW-RR 2011, 1629 f, bei Juris, mit ausführlicher Begründung). Mehr kann die Klägerin im Verhältnis zum und vom Schuldner nicht verlangen. Dass die Klägerin aufgrund eines weitergehenden Auftrags im Innenverhältnis zur Entrichtung höherer vorgerichtlicher Kosten an ihren Prozessbevollmächtigten verpflichtet ist, ist im Verhältnis zum Schuldner ohne Relevanz (vgl. BGH NJW 2010, 3035).

Eine 0,3 Gebühr aus einem Gegenstandswert von bis zu 5.000 EUR beläuft sich zzgl. Postpauschale und Umsatzsteuer auf 128,95 EUR.

4. Die Entscheidung zu den Zinsen aus dem Vorschussbetrag stützt sich ebenfalls auf §§ 280, 286 Abs. 2 Nr. 4, 288 BGB und bzgl. der Rechtsanwaltskosten auf §§ 280, 286 Abs. 1, 288 BGB.II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.






AG Kehl:
Urteil v. 21.11.2013
Az: 4 C 610/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c9df25d43336/AG-Kehl_Urteil_vom_21-November-2013_Az_4-C-610-12




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share