Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Juni 2006
Aktenzeichen: 26 W (pat) 60/05
(BPatG: Beschluss v. 14.06.2006, Az.: 26 W (pat) 60/05)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die Eintragung der Wortmarke 302 54 623 Energy Wingseingetragen für die Waren der Klasse 33:
"Spirituosen (ausgenommen Biere)"
ist Widerspruch eingelegt worden aus der international registrierten Wortmarke IR 758 477 GIVES YOU WINGS eingetragen unter anderem für die Waren der Klasse 33:
"Boissons alcooliques, à l'exception des bires; boissons energetiques alcoolisees", auf die der Widerspruch allein gestützt wird.
Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen, der letzte - am 17. Februar 2005 - ergangen im Erinnerungsverfahren, den Widerspruch für unbegründet gehalten und ihn wie auch die daraufhin eingelegte Erinnerung zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, zwischen den in den beiderseitigen Warenverzeichnissen aufgeführten Waren bestehe zwar eine bis zur Identität reichende Ähnlichkeit, weswegen strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen seien. Dieser sei jedoch eingehalten, daher bestehe bei Berücksichtigung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. In ihrer Gesamtheit seien die beiden Marken aufgrund der klanglich, wortbildlich und begrifflich unterschiedlichen Anfangsbestandteile offenkundig in jeder unmittelbaren Vergleichsrichtung verwechslungsfrei voneinander abgesetzt. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden präge der gemeinsame Bestandteil "wings" die Marken nach ihrem Gesamteindruck nicht und könne daher nicht selbständig eine Kollisionslage begründen. Beide Marken stellten vielmehr sprachlich und begrifflich jeweils eine einheitliche Wortkombination dar. Die Widerspruchsmarke "GIVES YOU WINGS" (= verleiht dir Flügel) sei ein Slogan, der nur in der Gesamtheit seiner Wortbestandteile verständlich sei. Die angegriffene Marke "Energy Wings" sei eine typisch englische Wortzusammenstellung mit der Bedeutung "Energieflügel". Auch unter dem Gesichtspunkt des gedanklichen Inverbindungbringens könnten diese beiden in sich geschlossenen Gesamtbegriffe nicht der Gefahr der Verwechslung unterliegen.
Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der Auffassung, der aufgrund der hohen Ähnlichkeit bzw. Teilidentität der beiderseitigen Warenanmeldungen erforderliche Abstand der Marken sei nicht eingehalten und eine Verwechslungsgefahr gegeben. Die Markenstelle habe zu Unrecht eine Prägung der Vergleichsmarken durch den gemeinsamen Bestandteil "wings" verneint. "Wings" sei vielmehr der einzig unterscheidungskräftige Bestandteil in beiden Marken, weil die übrigen Bestandteile "GIVES YOU..." einerseits und "Energy" andererseits als rein beschreibend für die in Anspruch genommenen Waren anzusehen seien. Hinzu komme, dass die Verbraucher dem Erwerb der fraglichen Waren nur eine geringe Aufmerksamkeit entgegenbrächten und daher leicht der Gefahr der Verwechslung unterliegen könnten.
Die Widersprechende beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Ausführungen der Markenstelle als zutreffend und wiederholt ihre bereits vor der Markenstelle geäußerte Auffassung, es handele sich beiderseits um Gesamtbegriffe, die von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht willkürlich in ihre Bestandteile aufgespaltet würden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen den Verfahrensbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Markenstelle hat die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken i. S. d. §§ 42, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zutreffend verneint.
Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd; GRUR 2005, 427, 428 - Lila-Schokolade; GRUR 2005, 513, 514 - MEY/Ella May).
Nach diesen Grundsätzen ist eine Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen. Selbst unter Zugrundelegung einer bis zur Identität reichenden Warenähnlichkeit und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke genügt der Abstand der Vergleichsmarken auch bei Anlegung strenger Maßstäbe zueinander, um eine Verwechslungsgefahr hinreichend sicher auszuschließen. Die Marken weisen nach ihrem jeweiligen Gesamteindruck weder im Klang, noch im (Schrift-) Bild oder im Bedeutungs- oder Sinngehalt eine hinreichende Ähnlichkeit auf. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- (Sinn-)gehalt ist von dem Grundsatz auszugehen, dass es auf die Gesamtheit der einander gegenüberstehenden Zeichen ankommt (BGH GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud; GRUR 2003, 712, 714 - Goldbarren; GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd). Jedoch kann einem einzelnen Zeichenbestandteil im Gesamteindruck unter Umständen eine besondere, das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft beizumessen und deshalb bei Übereinstimmung von Zeichen in dem jeweils prägenden Bestandteil die Gefahr einer Verwechslung der beiden Gesamtbezeichnungen zu bejahen sein. Dies setzt voraus, dass die anderen Bestandteile im Rahmen des Gesamteindrucks weitgehend in den Hintergrund treten (BGH, a. a. O. - Ferrari-Pferd). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden wird schon die Widerspruchsmarke, aber auch die angegriffene Marke nicht durch den Bestandteil "wings" geprägt. Wie die Markenstelle völlig zutreffend ausgeführt hat, erkennt der angesprochene Verkehr in der Widerspruchsmarke eine Wortverbindung in Form eines Slogans ("Verleiht Dir Flügel"), der ohne Sinnentstellung weder auf den einen noch einen anderen Wortbestandteil verkürzt werden kann. Vielmehr kommt jedem Wort das gleiche Gewicht zu. Gerade bei kurzen Slogans wie hier besteht für den Verkehr keine Veranlassung, ihn auf ein einziges, noch kürzeres Schlagwort verkürzen. Daher kann nicht angenommen werden, dass die Widerspruchsmarke durch den Bestandteil "wings" in einer Weise geprägt wird, dass ihre weiteren, zudem am Beginn des Wortkombination stehenden und gleichgewichtig ausgestalteten Bestandteile "GIVES YOU..." für den Verkehr zurücktreten und von ihm vernachlässigt werden könnten. Diesem Slogan steht die Wortkombination "Energy Wings" gegenüber, die - selbst bei Unterstellung einer geringen Aufmerksamkeit des Verkehrs, für die allerdings nichts spricht - erkennbar einen Gesamtbegriff bildet. Nach der Wortkombination handelt es sich gerade nicht nur um den allgemeinen Begriff "Flügel" (wings), sondern um spezifische, nämlich "mit Energie versehene Flügel". Eine Verkürzung auf den Bestandteil "wings" kommt auch ungeachtet der Tatsache nicht in Betracht, dass der isolierte Begriff "Energy" im Hinblick auf die in Anspruch genommenen Waren "Spirituosen" beschreibenden Anklang hat. Letzteres mag für sich besehen zwar zutreffen, soweit dem Genuss von Spirituosen nicht nur in der Werbung für Alkoholika, sondern auch im Volksmund jedenfalls ein vorübergehender Zugewinn an Energie zugeschrieben wird. Jedoch ist der Auffassung der Widersprechenden, aus diesem Grunde werde die angegriffene Marke allein durch das Wort "wings" geprägt, dennoch nicht zu folgen. Die Auffassung der Widersprechenden fußt auf einer Zergliederung der angegriffenen Marke in ihre einzelnen Bestandteile, während der Verkehr zu einer solchen zergliedernden Betrachtungsweise erfahrungsgemäß nicht neigt (BGH a. a. O. - Ferrari-Pferd).
Für eine mittelbare Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbs. MarkenG wegen des Vorliegens eines Serienzeichens ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
III.
Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG abzuweichen, nach dem jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.
BPatG:
Beschluss v. 14.06.2006
Az: 26 W (pat) 60/05
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