Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Oktober 2004
Aktenzeichen: 33 W (pat) 277/03

(BPatG: Beschluss v. 05.10.2004, Az.: 33 W (pat) 277/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die am 27. März 2001 eingetragene Marke 300 05 791 OPTO-TEC ist für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 7, 9, 37 und 42 bestimmt.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren Marke 2 097 603 OptoTexdie für die Waren

"Meßgeräte zur Feststellung von Oberflächenstrukturen bei Textil- und Kunststoffwaren"

eingetragen ist.

Mit Schriftsatz vom 13. September 2001 hat die Markeninhaberin die Benutzung der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs 1 Satz 1 und 2 MarkenG bestritten. Daraufhin hat die Widersprechende mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2001 Benutzungsunterlagen, insbesondere eine eidesstattliche Versicherung sowie Firmenprospekte, vorgelegt. Die Markeninhaberin hat mit Schriftsatz vom 21. Februar 2002 ausgeführt, dass der Einwand der Nichtbenutzung für "Optische Schuß- und Kettenfadenzählsysteme für textile Waren" nicht aufrechterhalten würde. Im übrigen werde weiter die Nichtbenutzungseinrede geltend gemacht.

Die Markenstelle für Klasse 1 hat aufgrund des Widerspruchs die Löschung der angegriffenen Marke teilweise, nämlich für die Waren- und Dienstleistungen

"auf Datenträgern abgespeicherte Computerprogramme für die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung; Maschinen und Geräte für die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung sowie daraus zusammengesetzte Anlagen; Maschinen und elektrische Werkzeuge für die Herstellung von Maschinenteilen und Geräten für die Werkstoffprüfung; Maschinen und Geräte für Teile der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung sowie daraus zusammengesetzte Anlagen, nämlich Analysegeräte, elektrische Anzeigegeräte, Diagnoseapparate nicht für medizinische Zwecke, elektrische Kontrollapparate, Materialprüfinstrumente, Meßgeräte, Meßinstrumente; Maschinen und elektrische Werkzeuge für die Herstellung von Maschinenteilen und Geräten für die Werkstoffprüfung; Beratung auf dem Gebiet der Werkstoffprüfung; Wartung von Maschinen für die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung"

angeordnet und diese Entscheidung im Erinnerungsbeschluss vom 18. August 2003 bestätigt. Sie hat ausgeführt, dass eine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen sei. Aufgrund des Vorbringens der Markeninhaberin seien für die Frage der Beurteilung der Warenähnlichkeit bei der Widerspruchsmarke die Waren "Meßgeräte zur Feststellung von Oberflächenstrukturen bei Textil- und Kunststoffwaren" zugrunde zu legen. Im Umfang der Löschung sei die Warenähnlichkeit zu bejahen, da die zu löschenden Waren bzw Dienstleistungen der angegriffenen Marke der zerstörungsfreien Materialprüfung ebenso dienten wie die Waren der Widerspruchsmarke. Der Widerspruchsmarke komme ein eher durchschnittlicher Schutzumfang zu; auch wenn sie kennzeichnungsschwache Elemente enthalte, sei die Gesamtmarke dadurch nicht geschwächt. Die Abweichungen am jeweiligen Markenende könnten eine hinreichend sichere Unterscheidung alleine in klanglicher Hinsicht nicht gewährleisten.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie hat in der mündlichen Verhandlung die Benutzung der Widerspruchsmarke erneut in vollem Umfang bestritten. Sie trägt vor, dass die unter dem Zeichen "OPTO-TEC" vertriebenen Waren und Dienstleistungen im hochpreisigen Bereich angesiedelt seien. Demzufolge sei den hier angesprochenen Fachkreisen eine erhöhte Aufmerksamkeit zuzurechnen. Auch existiere lediglich ein geringer Kreis von Anbietern derartiger Waren. Ferner sei hinsichtlich der ebenfalls für sehr spezielle Waren eingetragenen Widerspruchsmarke aufgrund der beschreibenden Bestandteile von einer Kennzeichnungsschwäche auszugehen. Insgesamt könne angesichts der Unterschiede der Waren und Dienstleistungen insbesondere eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht bejaht werden.

Die Markeninhaberin hat in der mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 2004 ihr Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wie folgt gefasst:

"die Waren und Dienstleistungen der Klassen 7, 9, 37 und 42 ausschließlich im Zusammenhang mit der automatisierten Rißprüfung"; hilfsweise mit dem weiter hinzutretenden Zusatz "nach dem Farbeindring- und/oder Magnetpulverfahren".

Sie beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist und den Widerspruch in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie rügt den Vortrag der Markeninhaberin hinsichtlich der Benutzung der Widerspruchsmarke in der mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 2004 als verspätet.

Sie trägt vor, dass die mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten Waren sich an eine breite Vielfalt von Fachkreisen unterschiedlichster Branchen aus dem Textil- und Kunststoffgewerbe richteten. Auch wenn es sich insgesamt um Fachkreise handle, sei insbesondere bei fernmündlicher Übermittlung eine klangliche Verwechslungsgefahr zu bejahen. Die beiden Marken unterschieden sich lediglich hinsichtlich ihres letzten Buchstabens. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Kennzeichnungsschwäche beider Marken liege nicht vor. Der Verkehr fasse Marken stets in ihrer Gesamtheit auf. Beide Marken seien lexikalisch nicht nachweisbar, sodass jeweils von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist nicht begründet. Auch der Senat hält die Gefahr von Verwechslungen der sich jeweils gegenüberstehenden Marken im Umfang der angeordneten Löschung gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG für gegeben.

Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zunächst von der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfassten Waren und Dienstleistungen ab, wobei von dem Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auszugehen ist (vgl EuGH GRUR Int 1999, 734 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND). Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (EuGH aaO - Lloyd; BGH aaO - ATTACHÉ/TISSERAND). Dabei stehen die verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden Faktoren in einer Wechselwirkung, so dass zB ein geringerer Grad an Markenähnlichkeit durch eine höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke oder durch einen höheren Grad an Waren- bzw Dienstleistungsähnlichkeit ausgeglichen werden kann (stRspr vgl EuGH GRUR 1998, 922, 923 - CANON; BGH GRUR 2004, 241 - GeDIOS).

1. Für die Beurteilung der Warenähnlichkeit sind jedenfalls die "optischen Schuß- und Kettenfadenzählsysteme für textile Waren" seitens der Widerspruchsmarke zugrunde zu legen. Die Markeninhaberin hat im Verfahren vor dem Patentamt zwar zunächst die Einrede der Nichtbenutzung erhoben, nach Vorlage entsprechender Unterlagen der Widersprechenden jedoch mit Schriftsatz vom 21. Februar 2002 hinsichtlich dieser Waren die Nichtbenutzungseinrede nicht weiter aufrecht erhalten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht vom 5. Oktober 2004 hat sie daraufhin die Benutzung der Widerspruchsmarke wiederum in vollem Umfang bestritten. Dieses Vorbringen ist, wie von der Widersprechenden auch gerügt, als verspätet iSv § 82 Abs 1 MarkenG iVm §§ 282 Abs 2, 296 Abs 2 ZPO anzusehen. Der Widersprechenden war es aufgrund der erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Benutzungseinrede nicht mehr möglich, die Benutzung glaubhaft zu machen, so dass die insoweit erhobene Nichtbenutzungseinrede zu einer Verfahrensverzögerung führen würde.

2. Der Senat geht davon aus, dass die Waren der Widerspruchsmarke, soweit sie zu berücksichtigen sind, den Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, jedenfalls noch ähnlich sind. Diese Waren und Dienstleistungen dienen sämtliche der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung. Zwar hat die Widersprechende die Benutzung lediglich für Maschinen auf dem Textilsektor glaubhaft gemacht. Diese Geräte können jedoch auch in anderen Branchen Verwendung finden. Hinzu kommt, dass die Geräte - worauf in beiden Marken der Bestandteil "opto" hinweist - jeweils der optischen Überprüfung von Waren dienen. Daran vermag auch der von der Markeninhaberin in der mündlichen Verhandlung angefügte Zusatz "ausschließlich im Zusammenhang mit der automatisierten Rissprüfung" bzw hilfsweise "nach dem Farbeindring- und/oder Magnetpulververfahren" nichts zu verändern. Auch die zugrundezulegenden Waren der angegriffenen Marke kommen im Zusammenhang mit der Werkstoffprüfung zum Einsatz.

3. Zugunsten der Markeninhaberin legt der Senat seiner Beurteilung weiterhin eine leichte Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke von Haus aus zugrunde. Der Bestandteil "OPTO" weist auf "optisch/Optik" hin, während die Endung "Tex" einen Zusammenhang mit "Textilien" herstellt.

4. Den insoweit erforderlichen Abstand halten die sich gegenüberstehenden Marken jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht ein. Beide Marken stimmen in den ersten sechs von jeweils sieben Buchstaben überein und unterscheiden sich lediglich hinsichtlich des "x" in der Widerspruchsmarke und des wie "k" artikulierten "c" in der angegriffenen Marke. Das "x" wird wie "ks" ausgesprochen, so dass die Abweichung beider Marken lediglich darin besteht, dass der Widerspruchsmarke klanglich ein "s" angefügt wird. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass der Verkehr insbesondere den Wortanfängen eine besondere Bedeutung zumisst, kann daher eine Verwechslungsgefahr nicht sicher ausgeschlossen werden. Auch wenn davon auszugehen ist, dass die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen lediglich von Fachkreisen erworben werden, kann es insbesondere auch bei mündlichen Empfehlungen oder fernmündlichen Bestellvorgängen zu Verwechslungen kommen. Zwar hat die Markeninhaberin vorgetragen, dass beide Marken schon seit längerer Zeit nebeneinander auf dem Markt bestünden, ohne dass es zu tatsächlichen Verwechslungen gekommen sei. Damit ist jedoch noch nichts über eingetretene oder künftig mögliche Verwechslungen ausgesagt. Außerdem kann die Verwechslungsgefahr in solchen Fällen auch durch sonstige, beim registerrechtlichen Vergleich nicht berücksichtigungsfähige Umstände des tatsächlichen Markengebrauchs beeinflusst werden (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG 7. Aufl, § 9, Rdn 35).

5. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlaß aus Gründen der Billigkeit einem der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aufzuerlegen.

Winkler Kätker Dr. Hock Cl






BPatG:
Beschluss v. 05.10.2004
Az: 33 W (pat) 277/03


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