Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 18. Juli 2008
Aktenzeichen: 38 O 100/06
(LG Düsseldorf: Urteil v. 18.07.2008, Az.: 38 O 100/06)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Der Kläger ist ein Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Überwachung der Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs gehört.
Die Beklagte ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke herstellt und vertreibt. Zu diesen Produkten gehört auch das Mittel "P" zur diätetischen Behandlung von arthrotischen Gelenkveränderungen. Die Gestaltung der Umverpackung ergibt sich aus der Anlage K 2 zur Klageschrift. In der Packung findet sich die in Anlage K 3 abgebildete Information.
Der Kläger hält das Mittel nicht für verkehrsfähig. Der Vertrieb verstoße gegen § 1 Absatz 4a Satz 2 und § 14b Absatz 1 Diätverordnung sowie § 11 Absatz 1 Nr. 1, 2 LFGB. Eine nutzbringende Verwendung sei nicht ersichtlich, das Subsidiaritätsprinzip werde nicht beachtet. Es fehlten wissenschaftlich ausreichend gesicherte Daten darüber, dass die Inhaltsstoffe quantitativ und qualitativ geeignet seien, den beworbenen Zweck zu erfüllen. Glucosaminsulfat habe ebenso wie Chondroitinsulfat und Kollagenhydrolysat keine nachgewiesene Wirkung.
Im Übrigen seien die Höchstmengen der Anlage 6 zu § 14b Absatz 3 Diätverordnung unzulässig überstritten, ohne dass eine ausreichende Begründung hierfür beigefügt sei. Neben der Unterlassung verlangt der Kläger Erstattung pauschaler Abmahnkosten.
Der Kläger beantragt,
der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft,
oder
einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern untersagt, im geschäftlichen Verkehr das Mittel "P" als "Diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) zur diätetischen Behandlung von arthrotischen
Gelenkveränderungen" in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben, wie aus Anlagen K 2 und K 3 ersichtlich.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 162,40 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. März 2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist auf den Unterschied zwischen pharmazeutischer und diätetischer Wirksamkeit hin. Letztere sei durch mehrere wissenschaftliche Gutachten belegt. Entsprechend dem Sinn der ergänzenden bilanzierten Diät sei das Mittel für bestimmte Verbrauchergruppen nicht nur diätetisch wirksam und nutzbringend, sondern erfülle auch die Bedingungen der Subsidiaritätsklausel. Ernährungsmodifikationen reichten nicht aus. Die Mindest- und Höchstmengen seien nicht auf den Energiegehalt einer Kapsel, sondern den Bedarf der Patientengruppen zu beziehen, so dass eine Überschreitung nicht vorliege.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten des Sachverständigen C vom 15. Juni und 31. Dezember 2007 Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf, dass sie es unterlässt, das Mittel "P" als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zur diätetischen Behandlung von arthrotischen Gelenkveränderungen in den Verkehr zu bringen und zu bewerben.
Ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit den §§ 1 Absatz 4a Satz 2 und 14b Absatz 1 Diätverordnung lässt sich nicht feststellen. Voraussetzung wäre, dass das Mittel nicht der Ernährung von Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf dient, für deren diätetische Behandlung eine Modifizierung der normalen Ernährung oder eine Kombination aus beiden ausreicht oder das nicht
nutzbringend und wirksam in dem Sinn ist, dass es den besonderen Ernährungserfordernissen von Personen mit arthrotischen Gelenkveränderungen nicht entspricht.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die entsprechende Behauptung des Klägers nicht bewiesen. Die Beweislast trägt der Kläger. Er hat grundsätzlich die tatsächlichen Voraussetzungen eines wettbewerbsrechtlich begründeten Unterlassungsanspruches darzulegen und zu beweisen. Der Ausnahmefall, dass derjenige, der für ein Produkt eine Wirksamkeitsbehauptung aufstellt, für die Richtigkeit darlegungs- und beweisbelastet ist, liegt nicht vor. Die Beklagte hat sich nämlich für die Richtigkeit ihrer Behauptung auf mehrere diese Wirkung bestätigende wissenschaftliche Gutachten berufen. Diese von anerkannten Wissenschaftlern stammenden Stellungnahmen (Dr. N, Prof. Dr. Dr. N und Prof. Dr. Dr. Q) hat die Beklagte vorgelegt. Wenn der Kläger diese Gutachten für unrichtig hält, ist es seine Aufgabe, entsprechende Nachweise zu erbringen. Dies ist nicht gelungen. Der - zunächst - auch vom Kläger als besonders kompetent eingeschätzte Sachverständige C hat in seinem Gutachten vom 15. Juni 2007 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 31. Dezember 2007 besondere Ernährungserfordernisse bei Menschen mit arthrotischen Gelenkveränderungen hinsichtlich der Substanzen Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat konstatiert und sodann eine nutritive Wirksamkeit des Mittels P für Personen mit solchen Gelenkveränderungen ausdrücklich bejaht. Er hat nachvollziehbar begründet, dass bisher vorliegende Studien unter Einschluss der sogenannten H-Studie jedenfalls bei einer Kombination von Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat, wie sie im hier fraglichen Mittel zu finden ist, eine nutritive Wirksamkeit belegen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Mengen.
Die vom Kläger gegen den Sachverständigen und seiner Ausführungen vorgebrachten Bedenken überzeugen nicht. Konkrete Anhaltspunkte für das Fehlen einer Unvoreingenommenheit sind nicht vorgetragen. Inhaltlich weist das Gutachten keine erkennbaren Widersprüchlichkeiten oder sonstigen Unrichtigkeiten auf. Nach Auffassung der Kammer differenziert der Sachverständige zu Recht zwischen pharmakologischen und nutritiven Wirkungen. Es liegt dementsprechend nahe, auch unterschiedliche Nachweismethoden zur Anwendung zu bringen. Wäre nur ein Wirksamkeitsnachweis zulässig, der den Kriterien des Arzneimittelrechts entspricht, dürfte zum einen wegen der Besonderheiten und Individualität des Ernährungsverhaltens eine dem Goldstandard entsprechende Untersuchung über einen längeren Zeitraum kaum möglich sein, zum anderen aber auch die Grenzen zum Arzneimittel aufgehoben werden C hat in seiner ergänzenden Stellungnahme auf die Längerfristigkeit physiologischer Effekte hingewiesen und als fachwissenschaftlich nicht genügend bewertet, eine höhere Evidenz für den Nachweis nutritiver Wirksamkeit zu fordern, als sie für die enterale Ernährung anerkanntermaßen definiert wird. Diese Erfordernisse sind vorliegend nach Auffassung des Sachverständigen durch eine ganze Reihe positiver Ergebnisse von wissenschaftlichen Studien guter Qualität publiziert. Die Kammer schließt sich den gutachterlichen Bewertungen an. Es kann offen bleiben, ob die vom Kläger an einzelnen Studien geübte Kritik berechtigt ist. Jedenfalls hat auch der Kläger keine wissenschaftliche Stellungnahme vorgelegt, die konkret das Fehlen einer Wirksamkeit zum Ausdruck bringt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung befasst sich in den Stellungnahmen vom 15. Juni 2007 vordringlich mit der Frage der Zufuhrmengen, wobei feststeht, dass diese Stoffe Nahrungsbestandteile sind. Das zuständige Amt für Verbraucherschutz hat ausdrücklich eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung für das konkrete Produkt erteilt. Nach den derzeit vorliegenden Gutachten, insbesondere demjenigen des Sachverständigen C, ist somit davon auszugehen, dass das Mittel P dazu geeignet und wirksam ist, den besonderen Ernährungserfordernissen von Personen mit arthrotischen Gelenkveränderungen zu entsprechen.
Soweit der Kläger die mündliche Anhörung des Sachverständigen beantragt hat, ist der Antrag als verspätet zurückzuweisen. Der Kläger hatte ausreichend Gelegenheit, zu den schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen Stellung zu nehmen. Er hat hiervon auch innerhalb der gesetzten Fristen Gebrauch gemacht. Zwar hat der Kläger grundsätzlich ein Recht darauf, den Sachverständigen mündlich anzuhören. Vorliegend ist die Anhörung jedoch erstmals im Termin vom 04. Juli 2008 beantragt worden. Gemäß § 411 Absatz 4 ist die Anhörung nicht fristgemäß geltend gemacht worden. Der Termin vom 04. Juli 2008 war ersichtlich zur abschließenden mündlichen Verhandlung vorgesehen. Die Entscheidung des Rechtsstreits wird durch eine Anhörung maßgeblich verzögert. Die vom Kläger gewünschten Auskünfte betreffen im Wesentlichen Sachverhalte, zu denen bereits in den Gutachten ausführlich Stellung genommen worden ist. Im Übrigen geht es um allgemeine Ausforschungen.
Soweit sich der Kläger hinsichtlich des Unterlassungsanspruches auf das Subsidiaritätserfordernis beruft, ergibt sich hieraus keine wettbewerbsrechtlich zu begründende Unterlassungspflicht. Die Betroffenen dürften - viel weniger noch als das Bundesamt für Risikobewertung - wissen, mit welchen Lebensmitteln und welchen Mengen jeweils der Bedarf auszugleichen ist. Eine Kontrolle ist für Laien nahezu unmöglich. Bei Arthrosepatienten ist zudem mit eingeschränkter Beweglichkeit zu rechnen. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, ist eine erhöhte Fleischzufuhr aus anderen Gründen therapeutisch nicht empfehlenswert.
Ein die Unterlassungspflicht auslösender Verstoß gegen die Höchstmengenvorschriften der Anlage 6 zu § 14b Absatz 3 Diätverordnung liegt ebenfalls nicht vor. Zum einen ist es jedenfalls nicht unüblich, die Mindest- und Höchstmengen von ergänzenden bilanzierten Diäten auf den Bedarf der Patientengruppen und nicht den Energiegehalt der Kapsel zu beziehen. Auch das zuständige Amt für Verbraucherschutz beanstandet trotz Auflistung der Mengenangaben keinen Verstoß gegen die Höchstmengenvorschriften. Zu berücksichtigen sind ferner die Erwägungen, die das Oberlandesgericht Frankfurt insoweit aufgestellt hat (OLG Frankfurt Beck RS 2006 Nr. 03996 Seite 10). Zum anderen sind aber auch nach § 14b Absatz 5 die Diätverordnung Abweichungen zulässig. Sie unterliegen lediglich einem Begründungszwang. Fehler beim Begründungszwang sind jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Unterlassungsbegehrens. Dem Kläger geht es um ein allgemeines Vertriebsverbot als ergänzende bilanzierte Diät.
Eine solches Verbot lässt sich auch nicht aus § 6 LFGB im Hinblick auf ein Zusatzstoffverbot herleiten. Unabhängig von der konkreten Einordnung des Glucosaminsulfates und des Chondroitinsulfates sind die Stoffe nicht vom Anhang der Richtlinie 2001/15/EG erfasst, so dass sie gemäß Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie ohne besondere Zulassung zur Herstellung von diätetischen Lebensmitteln zulässig sind.
Die vom Kläger gesondert angegriffene Umverpackung und Packungsbeilage des Produkts (Anlagen K 2 und K 3) beinhalten keine Werbeaussage, die über die Produktbeschreibung und Zweckbestimmung hinaus geht. Diese Angaben sind gemäß § 21 Diätverordnung und Artikel 4 der Richtlinie 1999/21/EG ausdrücklich vorgeschrieben.
Mangels Unterlassungsanspruch scheidet auch ein Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
Der Streitwert wird auf 100.000,00 Euro festgesetzt.
LG Düsseldorf:
Urteil v. 18.07.2008
Az: 38 O 100/06
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