Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 4. November 1997
Aktenzeichen: 4 WF 227/97
(OLG Köln: Beschluss v. 04.11.1997, Az.: 4 WF 227/97)
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Auf die Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Siegburg vom 30. Juni 1997 - 30 F 492/96 - aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 23. April 1997 an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Auf den Scheidungsantrag des Antragstellers, der zugleich die
gemeinsame Belassung des Sorgerechts bei den Parteien und die
Durchführung des gesetzlichen Versorgungsausgleichs angeregt hat,
hat das Amtsgericht der Antragsgegnerin Prozeßkostenhilfe "in der
Familiensache" bewilligt.
Im Verhandlungstermin vor dem Familiengericht haben die Parteien
einen Vergleich geschlossen, der auch Regelungen über den
Kindesunterhalt, den Ehegattenunterhalt, die Nutzung der ehelichen
Wohnung und den Zugewinn enthalten hat.
Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin beantragt
nunmehr, ihre Vergütung für den Abschluß des Vergleichs im Hinblick
auf die vorgenannten Folgesachen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 BRAGO auf
15/10 der vollen Gebühr festzusetzen. Der Kostenbeamte hat
lediglich eine 10/10 Vergleichsgebühr festgesetzt, weil sich das
PKH-Verfahren wegen der Regelung in § 122 Abs. 3 Satz 1 BRAGO auch
auf die vergleichsweise geregelten Gegenstände bezogen habe.
Der Familienrichter hat die Erinnerung zurückgewiesen. Gegen
seinen Beschluß richtet sich die Beschwerde der
Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin.
II.
Die gemäß § 128 Abs. 4 BRAGO zulässige Beschwerde ist
begründet.
Für den Abschluß des Vergleichs ist eine 15/10 Gebühr nach § 23
Abs. 1 Satz 1 BRAGO zu erstatten.
1.
Ein Rechtsanwalt erhält für seine für den Abschluß eines
Vergleichs ursächliche Tätigkeit statt einer 15/10 Gebühr lediglich
eine 10/10 Gebühr, wenn über den Gegenstand des Vergleichs ein
gerichtliches Verfahren anhängig war; dem ist der Fall
gleichgestellt, daß ein Verfahren über die Prozeßkostenhilfe
anhängig war (§ 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO). Die Voraussetzungen für
eine Reduzierung der 15/15 Gebühr sind hier nicht gegeben. Der
Antragsteller hat lediglich das Verfahren über die Scheidung und
die notwendigen Folgesachen - Sorgerecht und Versorgungsausgleich -
anhängig gemacht. Die dem Gesuch der Antragsgegnerin entsprechende
Prozeßkostenhilfebewilligung erstreckte sich daher auch lediglich
auf das Scheidungsverfahren und die genannten Folgesachen.
Hinsichtlich der weiteren, nur im Vergleich geregelten Folgesachen
Unterhalt, Ehewohnung und Zugewinn war somit weder ein
gerichtliches Verfahren noch ein Prozeßkostenhilfeverfahren
anhängig.
2.
Die dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 BRAGO demnach verdiente 15/10
Gebühr wäre infolge dessen nur dann zu versagen, wenn die
Vorschrift aus übergeordneten Gesichtspunkten heraus restriktiv
auszulegen wäre. Dafür finden sich indessen keine Anhaltspunkte.
Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der erhöhten Gebühr das
Bemühen des Anwalts, Streitigkeiten durch gütliche Einigung ohne
Beanspruchung des Gerichts zu erledigen, fördern wollen
(PD-Drucksache 12/2962 Seite 103). Der Vergleich der Parteien hat
Ansprüche geregelt, mit denen sich das Gericht - die
Protokollierung des Vergleiches ausgenommen - nicht zu befassen
hatte. Die Zubilligung der erhöhten Gebühr entspricht daher den mit
der Einführung der Vorschrift verbundenen Óberlegungen des
Gesetzgebers.
3.
Die angefochtene, vom Bezirksrevisor befürwortete Entscheidung
des Familiengerichts beruft sich für seine abweichende Auffassung
auf den Beschluß des 14. Zivilsenats des hiesigen
Oberlandesgerichts (veröffentlicht in FamRZ 1997, 94 und
Rechtspfleger 1997, 187). Diesem Beschluß lag freilich ein
Sachverhalt zugrunde, in dem die Beiordnung des
Verfahrensbevollmächtigten für den Abschluß des (dort:
außergerichtlichen) Vergleichs beantragt und bewilligt worden war.
Bei einer derartigen Verfahrenslage ist in der obergerichtlichen
Judikatur ebenso wie im Schrifttum streitig, ob dem Anwalt die
erhöhte oder nur die volle Gebühr zusteht (15/10: OLG Bamberg,
Juristisches Büro 1996, 23; OLG Zweibrücken FamRZ 1997, 946. 10/10:
neben dem 14. Senat des OLG Köln OLG Nürnberg, Juristisches Büro
1996, 25; OLG Saarbrücken, MDR 1996, 1193; OLG Koblenz FamRZ 1997,
946, alle mit weiteren Nachweisen). Darum geht es hier nicht. Ein
Antrag auf Beiordnung für den Vergleichsabschluß ist nicht gestellt
worden.
Allerdings hat der 14. Senat in der vorgenannten Entscheidung
die Auffassung vertreten, daß "bereits das PKH-Verfahren in der
Ehescheidungssache auch den Unterhaltsvergleich zum Gegenstand"
habe, "da sich die Beiordnung eines Rechtsanwalts hierauf nach §
122 Abs. 3 Satz 1 BRAGO erstreckt, ohne daß es hierzu eines
besonderen Ausspruchs bedarf." Wäre das richtig, so könnte - wie
dem Familiengericht zuzugeben ist - eine 15/10 Gebühr auch dann
nicht anfallen, wenn ein Antrag auf Beiordnung für den
Vergleichsschluß nicht gestellt worden ist.
Der Senat vermag sich dem indessen nicht anzuschließen. Die
strenge begriffliche Unterscheidung zwischen einem anhängigen
Gerichtsverfahren und dem Gegenstand eines Vergleiches ist die
Grundlage der gesetzgeberischen Entscheidung in § 23 Abs. 1 Satz 3
BRAGO. Nach § 624 Abs. 2 ZPO erstreckt sich die Bewilligung der
Prozeßkostenhilfe für die Scheidungssache nur auf die (notwendigen)
Folgesachen Sorgerecht und Versorgungsausgleich. Demgegenüber
bezieht sich die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten nach §
122 Abs. 3 Satz 1 BRAGO auch auf den Abschluß eines Vergleichs in
den dort genannten weiteren (nicht notwendigen) Folgesachen.
Inwiefern daraus der Schluß gezogen werden könnte, die umfassendere
Beiordnung nach § 122 Abs. 3 BRAGO mache entgegen § 624 Abs. 2 ZPO
auch bereits ein Prozeßkostenhilfeverfahren für die nicht
notwendigen Folgesachen anhängig, ist nicht zu sehen.
III.
Der Senat ist - worauf vorsorglich hingewiesen wird - der
Auffassung, daß die 15/10 Gebühr auch dann nicht zu reduzieren ist,
wenn die Erstreckung der bewilligten Prozeßkostenhilfe auf den
Vergleichsabschluß beantragt und bewilligt worden ist.
1.
Eine derartige Antragstellung ist fast ausnahmslos überflüssig,
weil die Beiordnung eines Rechtsanwalts in einer Ehesache in den in
§ 122 Abs. 3 aufgeführten nicht notwendigen Folgesachen ohnehin
besteht und Gerichtskosten bei einem Vergleichsabschluß gerade bei
Folgesachen - Streitigkeiten über den Zugewinnausgleich ausgenommen
- nicht anfallen (Nr. 1660 des KV zum GKG in Verbindung mit § 620
ZPO). Eine dem Antrag entsprechende Entscheidung des Gerichtes ist
daher nur deklaratorischer Art. Eine Prüfung von Erfolgsaussichten
darf insoweit nicht vorgenommen werden. Die in der
obergerichtlichen Judikatur (vgl. die Nachweise oben unter Ziffer
II.2.) bei Befürwortern und Gegner einer erhöhten Vergleichsgebühr
geführte Diskussion um die Frage, ob der Antrag auf erweiterte
Prozeßkostenhilfe für den noch abzuschließenden Vergleich das
Gericht nötigt, die Voraussetzungen für die Bewilligung der
Prozeßkostenhilfe auch im Hinblick auf die beabsichtigte
vergleichsweise Vereinbarung zu prüfen und insbesondere in eine
Klärung der Erfolgsaussichten einzutreten, ist daher im Ansatz
unverständlich.
2.
Bezieht sich die vergleichsweise Regelung auch auf den
Zugewinnausgleich, so ist der Antrag auf Erstreckung der
Prozeßkostenhilfe für den Abschluß des Vergleichs nicht
überflüssig. Die Erweiterung der Prozeßkostenhilfe führt hier
nämlich zum Fortfall der 1/4 Gerichtsgebühr, die sonst nach Nr.
1660 KV GKG entstehen würde. Gleichwohl kann dies auf die
Zubilligung der 15/10 Gebühr für den Verfahrensbevollmächtigten
keinen Einfluß haben. Es wäre kostenrechtlich ein absurdes
Ergebnis, wenn der Verfahrensbevollmächtigte den im Interesse
seines Mandanten - pflichtgemäß - gestellten Antrag auf Erstreckung
der Prozeßkostenhilfe für den Vergleichsschluß damit "bezahlen"
müßte, daß sich seine eigene Gebühr von 15/10 auf 10/10 mindert.
Vielmehr hat es auch insoweit bei der schlichten Feststellung zu
verbleiben, daß die 15/10 Gebühr des Verfahrensbevollmächtigten
nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO verdient ist, weil
im Hinblick auf den mitverglichenen Zugewinnausgleich weder ein
Gerichtsverfahren noch ein Prozeßkostenhilfeverfahren anhängig
war.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten
werden nicht erstattet (§ 128 Abs. 5 BRAGO).
OLG Köln:
Beschluss v. 04.11.1997
Az: 4 WF 227/97
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