Bundespatentgericht:
Urteil vom 3. April 2008
Aktenzeichen: 3 Ni 33/06
(BPatG: Urteil v. 03.04.2008, Az.: 3 Ni 33/06)
Tenor
I. Das deutsche Patent 198 34 925 wird insoweit teilweise für nichtig erklärt, als es über folgende Fassung hinausgeht:
1. Verfahren zur Herstellung einer Substanz, wobei eine rührbare, erste Substanz aus der Zerkleinerung von Kernen oder Nüssen unter Zugabe einer ersten Flüssigkeit im Gewichtsverhältnis 100:50 bis 1000 hergestellt wird, dieser rührbaren, ersten Substanz Öl oder flüssiggemachtes Fett im Gewichtsverhältnis 100:20 bis 120 hinzugegeben wird und somit eine zweite Substanz gewonnen wird, welche in dem Maßgabe gesäuert wird, dass dadurch eine festere, nämlich pastöse Konsistenz, ähnlich der von Quark oder Frischkäse erhalten wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die zweite Substanz durch Bakterien gesäuert wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der zweiten Substanz eine saure zweite Flüssigkeit oder ein Säuerungsmittel zugegeben wird, wobei durch die Menge der zugegebenen sauren zweiten Flüssigkeit die Konsistenz der hergestellten Substanz bestimmbar ist.
4. Verfahren nach Anspruch 1, 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass das zugegebene Öl oder Fett aus Kernen oder Nüssen gewonnen ist.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Kerne oder Nüsse von einer einzigen Pflanzenart stammen.
6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Kerne Sonnenblumenkerne sind.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die erste Flüssigkeit Wasser, Obst- oder Gemüsesaft enthält oder aus Pflanzen oder Pilzen gewonnen ist.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass die saure zweite Flüssigkeit Zitronensaft ist.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass der ersten Substanz Salz, Zucker oder salz-, bzw. zuckerähnliche Stoffe mit einem Gewichtsanteil bis zu 200 %, bezogen auf die Kerne oder Nüsse zugegeben werden.
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 3 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass das Mengenverhältnis der sauren zweiten Flüssigkeit zur flüssigen zweiten Substanz 2 bis 20:100 in Bezug auf deren Gewichtsanteile beträgt.
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass die erste Substanz eine breiige Konsistenz erhält.
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass die hergestellte Substanz mit Luft oder Stickstoff etwas aufgeschlagen wird.
13. Substanz, welche durch ein Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche herstellbar ist, mit folgenden Zutaten:
- zerkleinerte Kerne oder Nüsse - eine erste Flüssigkeit,
- Öl oder Fett,
- ein Säuerungsmittel, wobei das Gewichtsverhältnis der zerkleinerten Kerne oder Nüsse zu der ersten Flüssigkeit 100:50 bis 1000 beträgt, wobei das Gewichtsverhältnis der zerkleinerten Kerne oder Nüsse und der ersten Flüssigkeit zu Öl oder Fett 100:20 bis 120 beträgt und die Substanz eine pastöse Konsistenz, ähnlich der von Quark oder Frischkäse aufweist.
14. Verwendung der Substanz nach Anspruch 13 als Bestandteil eines Nahrungsmittels.
15. Verwendung nach Anspruch 14 als Tofu- oder Milcheiweißersatzprodukt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt 2/3, die Beklagte trägt 1/3 der Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 4. August 1998 beim Deutschen Patentamt angemeldeten und am 28. September 2000 erteilten deutschen Patents DE 198 34 925 C2. Das Streitpatent mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung einer biologischen Substanz aus Kernen oder Nüssen sowie derartige Substanz und deren Verwendung" umfasst 22 Patentansprüche. Die unabhängigen Patentansprüche 1, 13, 14, 17 und 20 lauten:
1. Verfahren zur Herstellung einer Substanz, wobei eine rührbare, erste Substanz aus der Zerkleinerung von Kernen oder Nüssen unter Zugabe einer ersten Flüssigkeit im Gewichtsverhältnis 100:50 bis 1000 hergestellt wird, dieser rührbaren, ersten Substanz Öl oder flüssiggemachtes Fett im Gewichtsverhältnis 100:20 bis 300 hinzugegeben wird und somit eine zweite Substanz gewonnen wird, welche in dem Maße gesäuert wird, dass dadurch eine festere Konsistenz erhalten wird.
13. Substanz, welche durch ein Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche herstellbar ist.
14. Verwendung der Substanz nach Anspruch 13 als Bestandteil eines Nahrungsmittels.
17. Verwendung der Substanz nach Anspruch 13 als Körperpflegemittel.
20. Verwendung der Substanz nach Anspruch 13 als Reinigungsmittel.
Die Patentansprüche 2 bis 12, 15, 16, 18, 19, 21 und 22 betreffen besondere Ausgestaltungen des Verfahrens nach Patentanspruch 1, und der Verwendungen nach den Ansprüchen 14, 17 und 20.
Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage die mangelnde Patentfähigkeit des Streitpatents wegen fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit sowie die fehlende Offenbarung und Ausführbarkeit der Erfindung geltend. Sie stützt sich auf die Druckschriften:
(E1) Weise, O. D., Harmonische Ernährung, 2. Aufl. München, Smaragdina-Verlag, 1990, ISBN: 3-9802471-0-4, S. 242, 243
(E2) Diamond, H. und M., Fit fürs Leben, Fit for Life, Bd. 2, 3. Aufl. Goldmann Ratgeber, Waldthausen-Verlag, Ritterhude, 1989, ISBN: 3-442-13621-0, S. 534 bis 537, 594, 595, 560 bis 565
(E3) Kalender für die Vollwertküche, Lichtwald-Verlag, 1991, ISBN: 3-925951-18-0, 15. bis 21. Oktober, 15. bis 28. Mai, 22. bis 31. August, 1. bis 7. Juni, 1. bis 7. April
(E4) Günther, W., Graswurzelküche, Verlag Bruno Martin, Frankfurt, 1980, ISBN: 3-921786-24-x, S. 110 bis 113
(E5) US 5 296 253 A
(E6) US 4 075 361 A
(E7) DE 37 04 715 A1
(E8) DE 195 23 154 A1
(E9) DE 38 01 045 A1
(E10) WO 96/19121 A1
(E11) DE 43 02 881 C1
(E12) Datenbank WPI, AN 1993-187491 zu SU 1741726 A1 & SU 1 741 726 A1
(E13) US 4 639 374 A
(E14) Internetauszug "Glossar Inhaltsstoffe - Felix Austria"
(E15) DD 294 405 A5
(E16) DE 39 07 677 A1
(E17) de Groot-Böhlhoff, H. e.a., Ernährungswissenschaft, 2. Aufl. 1994, Verlag Europa- Lehrmittel, Haan-Gruiten, ISBN: 3-8085-6052-5, S. 76, 77, 90, 91
(E18) Dr. W..., Gutachterliche Stellungnahme zum Streitpatent vom 18. Oktober 2005
(E19) SU (11) 1741726 A1 in deutscher Übersetzung
(E20) Pauli, Lehrbuch der Küche, 11. Aufl. 1992, S. 277, 278
(E21) M. Hofmann, H. Lydtin, Bayerisches Kochbuch, 51. Aufl., 1984, Birken-Verlag, München-Martinsried, S. 314-317, 671
(E22) Prof. Dr. K..., Gutachten vom 13. März 2007 zum Verletzungsprozess vor dem Landgericht Düsseldorf
(E23) Dr. H... Gutachten vom 3. Mai 2007 zum Verletzungs- prozess vor dem Landgericht Hamburg
(E24) Bescheid vom 16. Dezember 2005 in der Gebrauchsmusterlöschungssache 298 24 133 Lö I 115/05
(E25) Beschluss vom 14. Februar 2007 in der Gebrauchsmusterlöschungssache 298 24 133 Lö I 115/05
(E26) Bescheid vom 5. Mai 2006 in der Gebrauchsmusterlöschungssache 299 24 716 Lö I 127/05
(E27) Beschluss vom 2. Juli 2007 in der Gebrauchsmusterlöschungssache 299 24 716 Lö I 127/05 Die Klägerin stellt den Antrag, das Patent DE 198 34 925 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte stellt den Antrag, die Klage abzuweisen, hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit den Patentansprüchen gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 7. November 2006 (Bl. 154-156 d.A.), weiterhin hilfsweise mit den Patentansprüchen gemäß Hilfsanträgen 2 bis 6, eingereicht mit Schriftsatz vom 25. März 2008 (Bl. 293 bis 307).
Die Patentansprüche 1, 13 und 14 der insgesamt 15 Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 1 lauten:
1. Verfahren zur Herstellung einer Substanz, wobeieine rührbare, erste Substanz aus der Zerkleinerung von Kernen oder Nüssen unter Zugabe einer ersten Flüssigkeit im Gewichtsverhältnis 100:50 bis 1000 hergestellt wird, dieser rührbaren, ersten Substanz Öl oder flüssiggemachtes Fett im Gewichtsverhältnis 100:20 bis 120 hinzugegeben wird und somit eine zweite Substanz gewonnen wird, welche in dem Maße gesäuert wird, dass dadurch eine festere nämlich pastöse Konsistenz, ähnlich der von Quark oder Frischkäse erhalten wird.
13. Substanz, welche durch ein Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche herstellbar ist, mit folgenden Zutaten:
- zerkleinerte Kerne oder Nüsse,
- eine erste Flüssigkeit,
- Öl oder Fett,
- ein Säuerungsmittel, wobei das Gewichtsverhältnis der zerkleinerten Kerne oder Nüsse zu der ersten Flüssigkeit 100:50 bis 1000 beträgt, wobei das Gewichtsverhältnis der zerkleinerten Kerne oder Nüsse und der ersten Flüssigkeit zu Öl oder Fett 100:20 bis 120 beträgt unddie Substanz eine pastöse Konsistenz, ähnlich der von Quark oder Frischkäse aufweist.
14. Verwendung der Substanz nach Anspruch 13 als Bestandteil eines Nahrungsmittels.
Die Patentansprüche 2 bis 12, betreffen besondere Ausgestaltungen des Verfahrens nach Patentanspruch 1 und der Anspruch 15 der Verwendung nach Anspruch 14.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und stützt sich auf folgende Anlagen:
P1 Muster des Produkts "iBi" der Pateninhaberin P2 Muster des Produkts "Streich" der Klägerin P3 Beschluss der Patentabteilung 41 vom 8. Oktober 2003 über den Einspruch gegen das Streitpatent P4 Vergleichsmessungen zum Rezept "Almonaise" gemäß E2 P5 Vergleichsmessungen zum Ausführungsbeispiel des Streitpatents P6 Viskositätsmessungen zu den Proben Nr. 1 und 2 der P5 P8 Prof. C..., Gutachten vom 14. März 2008 P9 Soucie-Fachmann-Kraut, 2004, Auszug: S. 333, Sonnenblumensamen Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien, der eingereichten Unterlagen sowie des Wortlauts der weiteren Patentansprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Gründe
Die zulässige Klage erweist sich als teilweise begründet. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit aufgrund mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (§§ 22, 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 3, 4 PatG) führt zur teilweisen Nichtigerklärung des Streitpatents in dem im Tenor genannten Umfang. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
I.
1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer pastösen biologischen Substanz aus zerkleinerten Nüssen oder Kernen, einer Flüssigkeit, Öl oder flüssig gemachtem Fett und einem Säuerungsmittel, die insbesondere zur Weiterverarbeitung als Nahrungsmittel oder zur Weiterverarbeitung als Körperpflege- oder Reinigungsmittel bestens geeignet ist. Es betrifft ferner die durch das Verfahren gewonnene Substanz selbst und deren Verwendung als Nahrungs-, Körperpflege- oder Reinigungsmittel. Die Substanz wird in der Hauptsache als Grundstoff für ein Wurst- oder Frischkäseersatzprodukt, d. h. als vegetarischer Brotaufstrich eingesetzt (DE 198 34 925 C2, Sp. 1, Z. 3 bis 10, Sp. 3, Z 39 bis 46 und 55 bis 64).
Zur Bereitstellung von Nahrungsmitteln für Allergiker und Verbraucher, die medikamentenfreie und hormonfreie Nahrungsmittel wünschen, sowie für Vegetarier ist es notwendig, Fremdeiweißprodukte, die durch die Verwendung von Kuhmilch, Kuhmilchprodukten und Hühnereiern in die Nahrungsmittel gelangen, durch eine möglichst natürliche, möglichst wenige industrielle Verarbeitungsschritte durchlaufende Substanz zu ersetzen, die aus einer kleinen Anzahl von ursprünglichen und natürlichen Zutaten mit möglichst wenigen industriellen Verarbeitungsschritten gefertigt werden (Streitpatentschrift Sp. 1 Z. 24 bis 63).
2. Davon ausgehend sieht das Streitpatent die zu lösende Aufgabe darin, eine Grundsubstanz für die Nahrungs-, Pflege- und Reinigungsmittelherstellung bereitzustellen, die aus ursprünglichen, natürlichen und nicht mit Genmanipulation in Kontakt gekommenen Stoffen besteht, als vegane Substanz eingestuft werden kann und wertigkeitsoptimiertes Nahrungsmittel mit sehr geringer Belastung des menschlichen Organismus liefert (Sp. 1 Z. 64 bis Sp. 2 Z. 6).
3. Zur Lösung dieser Aufgabe wird nach dem Streitpatent vorgeschlagen, das Verfahren nach Patentanspruch 1, nach dem eine Substanz aus Kernen oder Nüssen, einer Flüssigkeit, Öl oder einem flüssiggemachten Fett und einem Säuerungsmittel hergestellt wird, die Substanz nach Patentanspruch 13, die durch das Verfahren herstellbar ist, und deren Verwendung als Bestandteil eines Nahrungsmittels, als Körperpflegemittel und als Reinigungsmittel nach den Patentansprüchen 14, 17 und 20. Die Patentansprüche 1, 13, 14, 17 und 20 in der erteilten Fassung des Streitpatents weisen folgende Merkmale auf:
Patentanspruch 1:
Verfahren zur Herstellung einer Substanz, wobeia) eine rührbare, erste Substanz aus der Zerkleinerung von Kernen oder Nüssenb) unter Zugabe einer ersten Flüssigkeit im Gewichtsverhältnis 100:50 bis 1000 hergestellt wird, c) dieser rührbaren, ersten Substanz Öl oder flüssiggemachtes Fett im Gewichtsverhältnis 100:20 bis 300 hinzugegeben wird und somit eine zweite Substanz gewonnen wird, d) welche in dem Maße gesäuert wird, dass dadurch eine festere Konsistenz erhalten wird.
Patentanspruch 13:
a) Substanz, welche durch ein Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche herstellbar ist.
Patentanspruch 14:
a) Verwendung der Substanz nach Anspruch 13 als Bestandteil eines Nahrungsmittels.
Patentanspruch 17:
a) Verwendung der Substanz nach Anspruch 13 als Körperpflegemittel.
Patentanspruch 20 a) Verwendung der Substanz nach Anspruch 13 als Reinigungsmittel.
In der nach Hilfsantrag 1 verteidigten Fassung weisen die Patentansprüche 1, 13 und 14 folgende, in ihren Unterschieden gegenüber dem Hauptantrag durch Unterstreichung gekennzeichneten Merkmale auf:
Patentanspruch 1:
c1) dieser rührbaren, ersten Substanz Öl oder flüssiggemachtes Fett im Gewichtsverhältnis 100:20 bis 120 hinzugegeben wird und somit eine zweite Substanz gewonnen wirdd1) welche in dem Maße gesäuert wird, dass dadurch eine festere, nämlich pastöse Konsistenz, ähnlich der von Quark oder Frischkäse erhalten wird.
Patentanspruch 13 a) Substanz, welche durch ein Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche herstellbar ist, mit folgenden Zutatenb) zerkleinerte Kerne oder Nüssec) eine erste Flüssigkeitd) Öl oder Fette) ein Säuerungsmittelf) wobei das Gewichtsverhältnis der zerkleinerten Kerne oder Nüsse zu der ersten Flüssigkeit 100:50 bis 1000 beträgt, g) wobei das Gewichtsverhältnis der zerkleinerten Kerne oder Nüsse und der ersten Flüssigkeit zu Öl oder Fett 100:20 bis 120 beträgt undh) und die Substanz eine pastöse Konsistenz, ähnlich der von Quark oder Frischkäse aufweist.
4. Ausgehend von der vorerwähnten Problemstellung und damit von dem technischen Gebiet, auf dem der Gegenstand der beanspruchten Lehre liegt, ist der zuständige Fachmann ein Lebensmitteltechnologe, Lebensmittelchemiker oder Oekotrophologe mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss oder auch ein Koch mit Meisterqualifikation.
II.
1. Die von der Beklagten verteidigten, der Patenterteilung zugrunde liegenden Ansprüche 1 bis 22 gemäß Hauptantrag sind aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 16 i. V. m. S 5 Abs. 3, S 6 Abs. 5 und S 7 Abs 4 der Erstunterlagen ableitbar. Die Patentansprüche 1 und 13 gemäß Hilfsantrag 1 stützen sich außerdem noch auf Sp. 3 Z. 18 bis 22 der Patentschrift, die auf den die Seiten 5/6 übergreifenden Absatz der Erstunterlagen zurückgeht. Die Anspruchsfassungen gemäß Haupt- und Hilfsantrag sind gegenüber den ursprünglichen Unterlagen nicht erweitert, was von der Klägerin auch nicht bestritten wurde.
2. Die Erfindung ist entgegen der Ansicht der Klägerin so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 34 Abs. 4 PatG).
Nach § 34 Abs. 4 PatG ist eine Erfindung in der Anmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Danach ist eine Offenbarung unzureichend, wenn ein Fachmann anhand der Patentschrift unter Zuhilfenahme seines Fachwissens und des allgemeinen Fachwissens nicht in der Lage ist, die Erfindung in ausreichendem Maße im beanspruchten Bereich praktisch zu verwirklichen, wobei ein Weg zur Ausführung der Erfindung genügt und die Beweislast im Nichtigkeitsverfahren bei der Klägerin liegt (Schulte PatG 7. Aufl. § 21 Rdn. 30, 39 und § 34 Rdn. 376 und Rdn. 384; BGH GRUR 2001, 813 - Taxol). Wie ausführlich die Darstellung der Erfindung sein muss, richtet sich nach dem Fachwissen des jeweiligen Fachmanns, an den sich die Offenbarung richtet. Was diesem als Experten auf dem Fachgebiet geläufig ist, bedarf keiner Darlegung. Der Ausführbarkeit einer Offenbarung steht auch nicht entgegen, wenn ein Fachmann die beschriebene Erfindung nicht auf Anhieb verwirklichen kann, sondern sich um das richtige Verständnis bemühen muss. Wenn auch alle wesentlichen Elemente der Erfindung, die zu ihrer Realisierung erforderlich sind, mitgeteilt werden müssen, so ist die Beschreibung einer Erfindung aber keine Gebrauchsanweisung, wie sie im täglichen Leben für Laien gebräuchlich ist, sondern eine fachliche Darstellung, die beim Adressaten - dem Fachmann - eine ausreichende Qualifikation, einen durchschnittlichen Standard des Wissens und eine angemessene Bereitschaft zum Ausprobieren voraussetzen darf. Die Erwartungen dürfen aber nicht überspannt werden, vielmehr muss sich der Aufwand des Fachmanns, den ein Erfinder zu Recht erwarten kann, im zumutbaren Rahmen halten (vgl. Schulte PatG 7. Aufl. § 34 Rdn. 337 und Rdn. 369). Einer weitergehenden Offenbarung der näheren Schritte zur Herstellung einer Substanz bedarf es deshalb nicht, wenn davon auszugehen ist, dass der Fachmann die notwendigen Maßnahmen aufgrund der sonstigen Anweisung des Streitpatents in Verbindung mit seinem allgemeinen Fachwissen treffen kann (BGH Mitt. 2002, 176 - Gegensprechanlage).
Im Patentanspruch 1 nach Hauptantrag wird angegeben, wie ein Fachmann vorzugehen hat, um eine Substanz mit einer zerkleinerte Nüsse oder Kerne und eine Flüssigkeit in einem festgelegten Verhältnis umfassenden rührbaren Mischung, Öl oder einem flüssiggemachten Fett in einem festgelegten Verhältnis zur Mischung und einem Säuerungsmittel herzustellen. Dieses im Patentanspruch 1 angegebene Herstellungsverfahren wird in der Streitpatentschrift auf Sp. 2 Z. 7 bis Sp. 3 Z. 22 ausführlich beschrieben und durch ein Ausführungsbeispiel auf Sp. 3 Z. 25 bis 38 näher erläutert. Sowohl nach Patentanspruch 1 des Haupt- und Hilfsantrags als auch gemäß Beschreibung und Ausführungsbeispiel wird durch die Zugabe des Säuerungsmittels (bevorzugt Zitronensaft) als letzte Verfahrensstufe zu der durch die Vermischung der rührbaren Mischung (ersten Substanz) mit dem Öl oder Fett gebildeten zweiten Substanz eine festere Konsistenz der Substanz erhalten. Dies kann der Fachmann unschwer feststellen, obwohl keine Viskositätsdaten oder ähnliches für den Zustand vor und nach der Säurezugabe vorliegen. Jedenfalls kann der Fachmann durch Nacharbeiten des Ausführungsbeispiels feststellen, dass die Bildung einer festeren Konsistenz nicht zwangsläufig von der Abkühlung des verflüssigten Fetts abhängt, da hier Sonnenblumenöl verwendet wird, und ob eine Verflüssigung durch die Zugabe von 7,8 Gew.-% Zitronensaft (40 Gramm auf 473 Gramm (100 Gramm + 165 Gramm + 8 Gramm + 200 Gramm) eintritt, wie die Klägerin behauptet. Die Nacharbeitung des Ausführungsbeispiels durch die Beklagte zeigt eine deutliche Verfestigung der Substanz durch die Säuerung (P5, Nr. 02). Auch die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Vergleichsmessungen gemäß dem Ausführungsbeispiel des parallelen Patents EP 1 102 550 B1 der Beklagten, das dem Ausführungsbeispiel des Streitpatents entspricht, zeigen diese deutliche Verfestigung der Substanz bei stufenweisem Arbeiten, d. h. Zugabe der Zitronensäure am Schluss, gegenüber einer einstufigen Verfahrensweise, d. h. Zugabe der Zitronensäure gleichzeitig. Das negative Ergebnis des von der Klägerin vorgelegten Gutachtens E18 - die Zugabe von Zitronensaft am Schluss des Herstellungsverfahrens führt zu keiner festeren Konsistenz - kann den Senat nicht von der fehlenden Ausführbarkeit des Verfahrens gemäß Streitpatent überzeugen, zumal abweichend vom Streitpatent bereits fein gemahlene Sonnenblumenkerne zur Herstellung der Substanz eingesetzt wurden, und, wie die Beklagte zutreffend vorträgt, die Viskositätsmessungen der erhaltenen Substanz bei 500 U/s durchgeführt wurden, was zu einer temporären Verflüssigung der Substanz durch das starke Rühren führt. Das Gleiche gilt für das gerichtliche Gutachten E22. Denn dort wird lediglich angegeben, dass die Bildung einer festeren Konsistenz durch die Säuerung nicht experimentell bestätigt werden konnte, ohne diese Behauptung durch Daten oder Herstellungsbeispiele zu belegen.
3. Soweit die Klägerin fehlende Patentfähigkeit des gemäß Hauptantrag verteidigten Streitpatents in der erteilten Fassung geltend macht, hat ihre Klage Erfolg.
3.1 Die Neuheit der Gegenstände der Patentansprüche 13 und 14 nach Hauptantrag ist gegenüber der aus E2 bekannten Almonaise nicht gegeben.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 13, eine Substanz, wird durch ihr Herstellungsverfahren nach den Verfahrensansprüchen 1 bis 12 gekennzeichnet. Es liegt damit ein sogenannter Productbyprocess-Anspruch vor, der seinem Gegenstand nach ein Erzeugnisanspruch ist, wobei das Verfahren lediglich der Definition des Erzeugnisses dient, nicht aber selbst Gegenstand der geschützten Lehre ist (vgl. BGH GRUR 1992, 375, Tablettensprengmittel), so dass das Erzeugnis selbst - unabhängig von seinem Herstellungsweg - die Voraussetzungen der Patentierbarkeit erfüllen muss (BGH GRUR 1993, 651, 655 - tetraploide Kamille). Damit wird das Verfahren jedoch nicht bedeutungslos. Vielmehr gehören zu den Sachmerkmalen der hierdurch bezeichnete beanspruchte Gegenstand und seine erfindungsgemäßen körperlichen oder funktionellen Eigenschaften, die sich aus der Anwendung des Verfahrens bei seiner Herstellung ergeben. Welche das sind, ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln. Maßgebend ist dabei - wie stets - wie der angesprochene Fachmann die Angaben zum Herstellungsweg versteht und welche Schlussfolgerungen er hieraus für die erfindungsgemäße Beschaffenheit der auf diesem Wege herstellbaren Sache zieht (BGH GRUR 2001, 1129, 1133 - zipfelfreies Stahlband).
Durch die Anwendung des Verfahrens gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag ergeben sich lediglich folgende körperlichen und funktionellen Eigenschaften für die Substanz:
Mischung zerkleinerter Nüsse oder Kerne mit einer Flüssigkeit im Gewichtsverhältnis 100:50 bis 1000 und einem Öl oder flüssiggemachten Fett im Gewichtsverhältnis von 100:20 bis 300 sowie Gehalt an Säure mit einer gegenüber einer rührbaren Mischung festeren Konsistenz.
Die aus E2 bekannte Almonaise stellt eine solche Substanz dar, denn sie enthältzerkleinerte Kerne (Mandeln) im Gemisch mit einer Flüssigkeit (Wasser) im Verhältnis 1:1 (jeweils eine halbe Tasse), Öl im Verhältnis von 2 bis 3 zur Mischung (2 bis 3 Tassen), sowie 2 bis 3 Esslöffel Zitronensaft (vgl. Rezeptur auf S. 536).
Mit diesen Bestandteilen bildet sich nach der Vermischung eine dickere Masse, die eine Beschaffenheit zwischen einer Mayonnaise und einer geschlagenen Käsecreme aufweist (vgl. S. 536 Abs. 3 und 4), also eine Substanz mit einer gegenüber einer rührbaren Mischung festeren Konsistenz.
Die mittels des Verfahrens nach Patentanspruch 1 des Hauptantrags hergestellte Substanz ist damit nicht neu.
Das gleiche gilt für die Verwendung der Substanz als Bestandteil eines Nahrungsmittels gemäß Anspruch 14 des Hauptantrags, da die Almonaise gleichfalls als Nahrungsmittel verwendet wird.
3.2 Die Neuheit der Gegenstände der Patentansprüche 1, 17 und 20 gemäß Hauptantrag ist zwar gegeben. Sie sind jedoch mangels erfinderischer Tätigkeit nicht bestandsfähig.
Nächstliegender Stand der Technik ist die in E2 beschriebene Almonaise und deren Herstellungsverfahren. Die Almonaise stellt, wie vorstehend dargelegt, eine Substanz dar, deren Inhaltsstoffe auch in ihrer mengenmäßigen Zusammensetzung sowie ihrer Konsistenz unter die Merkmale des Anspruchs 1 nach Hauptantrag fallen. Beim Verfahren zur Herstellung von Almonaise, einer Mandelcreme als Mayonnaiseersatz, werden geschälte Mandeln und Wasser im Mixer bei hoher Geschwindigkeit püriert, bis sich eine Creme gebildet hat, dann u. a. Zitronensaft zugefügt und schließlich Öl eingerührt. Hier erfolgt also die Säuerung (Merkmal d des Anspruchs 1), bevor in die Mischung das Öl eingerührt wird (Merkmal c) und sich eine dickere Masse gebildet hat (S. 535, 536). Mit dem einzigen Unterschied des Verfahrens gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags, nämlich der Zugabe des Säuerungsmittels erst nach der Vermischung mit Öl, um eine festere Konsistenz zu erhalten, wird aber, wie vorstehend dargelegt, keine neue Substanz erhalten, und ist keine von der Lehre nach E2 abweichende Wirkung verbunden, so dass die Reihenfolge der Zugabe des Säuerungsmittels keinen Beitrag zur technischen Lehre des Patents leistet und diese damit im Belieben des Fachmanns steht (vgl. BGH GRUR 2008, 56, 59 - Injizierbarer Mikroschaum). Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist damit mangels erfinderischer Tätigkeit nicht bestandsfähig.
Für die Verwendungen der Substanz gemäß Patentanspruch 13 als Körperpflegemittel und als Reinigungsmittel nach den Patentansprüchen 17 und 20 liegt zwar kein einschlägiger Stand der Technik vor. Die Neuheit der Verwendungen ist daher gegeben. da der offenbarte Zweck (Funktion, Effekt, Wirkung) bisher der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht worden war (Schulte PatG 7. Aufl., § 1 Rdn. 234). Die neue Art der Verwendung eines bekannten Erzeugnisses muss aber erfinderische Qualität aufweisen (Benkard PatG 10. Aufl., § 4 Rdn. 77, PA GRUR 1952, 161 unter D1). Dies ist hier nicht der Fall. Denn Nahrungsmittelpasten, wie die Substanz gemäß Patentanspruch 13, werden vor allem im Hausgebrauch gerne als Körperpflegemittel, z. B. Quark als Gesichtsmaske, und auch zu Reinigungszwecken eingesetzt. Es stand damit im Belieben des Fachmanns die Substanz gemäß Patentanspruch 13 zu diesen beanspruchen Zwecken einzusetzen. Die Beklagte hat zur Patentfähigkeit dieser Verwendungen nichts vorgetragen und damit nicht geltend gemacht, dass mit den beanspruchten Verwendungen besondere, nicht zu erwartende Wirkungen oder Effekte verbunden sind, die das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit stützen könnten. Solche sind auch für den Senat nicht erkennbar. Die Gegenstände der Patentansprüche 17 und 20 beruhen daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3.3 Ein bestandsfähiger Rest ist für den Senat auch nicht in den jeweiligen nachgeordneten Patentansprüchen 2 bis 12, 15, 16, 18, 19, 21 und 22 des Hauptantrags zu erkennen. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass ihnen ein eigenständiger patentfähiger Gehalt zukäme. Diese Patentansprüche fallen daher ebenfalls der Nichtigkeit anheim.
4. Die von der Beklagten hilfsweise gemäß Hilfsantrag 1 verteidigte Fassung der Patentansprüche 1 bis 15 erweist sich dagegen als bestandsfähig.
4.1 Die Neuheit der Gegenstände der Patentansprüche 1 und 13 des Hilfsantrags 1 ist gegeben.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 13 des Hilfsantrags 1 ist gegenüber der am nächsten kommenden Druckschrift E2 neu, da die in E2 beschriebene Almonaise einen höheren Anteil an Öl als die Substanz nach Patentanspruch 1 aufweist. Nach Merkmal g) beträgt nämlich das Gewichtsverhältnis der Mischung aus zerkleinerten Nüssen oder Kernen zu Öl oder Fett lediglich 100:20 bis 120 beim Gegenstand des Patentanspruchs 13, wogegen bei der Almonaise 1 Tasse der Mischung mit 2 bis 3 Tassen Öl verrührt wird. Außerdem liegt die Substanz gemäß Patentanspruch 13 in einer pastösen Konsistenz, ähnlich der von Quark oder Frischkäse vor, wogegen bei E2 die endgültige Beschaffenheit zwischen einer Mayonnaise und einer geschlagenen Käsecreme liegen soll. Der Fachmann kann die Substanz nach Patentanspruch 13 des Streitpatents und die Almoniase der E2 damit auch in der Beschaffenheit unterscheiden. Denn unter "pastös" versteht er nach dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Eintrag im Duden "pastenartig, teigig" und nach dem von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Nachweis in Wikipedia ist die Konsistenz einer Paste nicht mehr fließfähig, sondern streichfest, wobei er als Beispiele für eine Paste gut streichbare Genussmittel wie Brotaufstrich und Fleischpaste kennt. Demgegenüber weist eine Mayonnaise die Beschaffenheit einer dickflüssigen Sauce auf, vgl. Anlage 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 25. März 2008. In der Beschaffenheit kommt auch zum Ausdruck, dass eine Mayonnaise, wie der Mayonnaiseersatz Almonaise, bekanntlich eine Ölin-Wasser-Emulsion darstellt, wogegen es sich gutachtlich bei der Substanz gemäß Streitpatent um eine stabile Dispersion, ein Emulsionssystem bzw eine Ölin-WasserinÖl-Emulsion handelt (vgl. Gutachten E22 S. 5, Abs. 5; Gutachten P8, S. 6 le. Abs bis S. 7 Abs. 3).
Auch die weiteren Entgegenhaltungen können die Neuheit der Substanz gemäß Patentanspruch 1 des Hilfsantrags nicht Frage stellen. Bei der in E3 beschriebenen Sonnenblumencreme erfolgt keine Zugabe von Wasser, sodass diese Creme keine erste Flüssigkeit enthält (vgl. Blatt 15-21. Oktober). In E1 werden die Rezepturen Tahinisauce, Hummous und Pesto-Sauce beschrieben. Die Tahinisauce geht von Tahini, einem Sesammus, aus, dem Zitronensaft und zum Schluss Wasser zugefügt wird. Dabei wird jedenfalls kein Emulsionssystem aus einer ersten Substanz aus der Zerkleinerung von Kernen oder Nüssen mit einer ersten Flüssigkeit und Öl, wie beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 gebildet. Das gleiche gilt für Hummous mit Kichererbsen als Hauptbestandteil. Die Pesto-Sauce enthält kein Säuerungsmittel und entspricht damit auch nicht der Substanz gemäß Patentanspruch 1. Bei der aus E12/E19 bekannten Herstellung von Halva aus Sonnenblumenkernen und Nüssen wird zwar gemahlene Sonnenblumenkernmasse mit Sonnenblumenöl vermengt und nach Rühren Zitronensaft zugegeben (vgl. E19 S. 2). Der Zusatz einer Flüssigkeit im ersten Verfahrensschritt fehlt aber, wodurch sich kein Emulsionssystem, wie beim Streitpatent bilden kann. Bei der aus E13 bekannten Mandelpaste wird weder Öl noch ein flüssiggemachtes Fett zugegeben. Dies gilt auch für das Beispiel 7, wo zur Säuerung eine Fermentation mit Bakterien erfolgt. Das Verfahren zur Herstellung von Würzpasten auf der Basis von zerkleinerten pflanzlichen Rohstoffen der E15 kommt wegen des hohen Wassergehalts des dabei verwendeten Frischgemüses ohne die Herstellung einer rührbaren Substanz aus der Zerkleinerung von Kernen oder Nüssen aus. Die Konsistenz der Würzpasten wird hier durch Gelbildner eingestellt (Anspruch 1, Beispiel 1). Die auch in der mündlichen Verhandlung in Betracht gezogene Druckschrift E21 lehrt lediglich, dass der Zusatz von Zitronensaft geschlagenem Eiweiß eine besondere Standfestigkeit verleiht (S. 671 Abs. 1.a)).
Auch das Verfahren zur Herstellung einer Substanz nach Patentanspruch 1 des Hilfsantrags ist gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu. In keiner der Druckschriften E1, E2, E3, E12/E19, E13 und E15 wird die Maßnahme gemäß Merkmal d1) des Patentanspruchs 1 beschrieben, dass in dem Maße gesäuert wird, dass dadurch eine festere, nämlich pastöse Konsistenz, ähnlich der von Quark oder Frischkäse erhalten wird.
Die weiteren Entgegenhaltungen liegen ferner und können ebenfalls die Neuheit der Gegenstände der Patentansprüche 1 und 13 des Hilfsantrags 1 nicht in Frage stellen. Sie wurden auch in der mündlichen Verhandlung nicht mehr in Betracht gezogen.
4.2 Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 13 beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Ausgehend von der Almonaise der E2 als nächstliegendem Stand der Technik, stellt sich für den Fachmann die objektive Aufgabe, dass die Eignung von solchen Substanzen als Brotaufstrich zu verbessern bzw. eine Substanz herzustellen, werden soll, die eine pastöse Konsistenz, ähnlich der von Quark oder Frischkäse aufweist. Durch die Bereitstellung der Substanz nach Patentanspruch 13 wird diese Aufgabe ausgehend von der Almonaise der E2 dadurch gelöst, dass das Gewichtsverhältnis der ersten Substanz, nämlich der zerkleinerten Mischung von Nüssen oder Kernen mit Flüssigkeit, zum Öl oder flüssiggemachten Fett auf ein Gewichtsverhältnis 100:20 bis 120 verringert und die Substanz eine pastöse Konsistenz, ähnlich der von Quark oder Frischkäse aufweist, wogegen bei der Almonaise die endgültige Beschaffenheit zwischen einer Mayonnaise und einer geschlagenen Käsecreme liegen soll. Weder von E2 noch dem weiteren Stand der Technik erhält der Fachmann eine Anregung, eine Substanz einer pastösen Konsistenz, ähnlich der von Quark oder Frischkäse, aus den im Patentanspruch 13 genannten Zutaten mit dem dort festgelegten Mischungsverhältnis bereitzustellen. Das im Patentanspruch 13 genannte, gegenüber der erteilten Fassung eingeschränkte Gewichtsverhältnis der ersten Substanz zu Öl oder flüssiggemachtem Fett ist auch nicht beliebig oder willkürlich gegenüber dem breiteren Bereich der erteilten Fassung des Streitpatents ausgewählt, sondern vom Ausführungsbeispiel im Streitpatent gedeckt, bei dem gerade eine Substanz gebildet wird, die die im Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1 im Merkmal d1) genannte pastöse Konsistenz aufweist. Die Auffassung der Klägerin, dass die vorgenommene Beschränkung hier nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit führen könne (vgl. BGH GRUR 2004, 47 - blasenfreie Gummibahn I), kann daher nicht durchgreifen.
Die erfinderische Tätigkeit des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 wird bereits durch die Substanz nach Patentanspruch 13 getragen, die durch das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 herstellbar ist. Hier ist darüber hinaus nicht auszuschließen, dass mit der Reihenfolge der Zugabe entsprechend den Merkmalen a bis d1) eine besondere Wirkung verbunden ist, nämlich das Erhalten einer festeren, pastösen Konsistenz, ähnlich der von Quark oder Frischkäse, durch eine gesteuerte Säuerung als letzter Verfahrensstufe (Merkmal d1) eines nach den Merkmalen a), b) und c1) gebildeten Emulsionssystems bzw. der zweiten Substanz. Eine solche Säuerung wird lediglich bei E21 in Betracht gezogen, die aber die Zugabe eines Säuerungsmittels (Zitronensaft) zu Eiweißschnee betrifft, der mit der zweiten Substanz gemäß Patentanspruch 1 nicht vergleichbar ist.
4.3 Die Patentfähigkeit des unabhängigen Patentanspruchs 14 wird durch die Verwendung der Substanz nach Patentanspruch 13 getragen. Die Patentansprüche 1, 13 und 14 der mit Hilfsantrag 1 hilfsweise verteidigten Fassung der Patentansprüche haben daher Bestand. Mit ihnen haben die darauf rückbezogenen, vorteilhafte Ausführungsformen der Patentansprüche 1 und 14 betreffenden Ansprüche 2 bis 12 und 15 ebenfalls Bestand.
Ein Eingehen auf die weiteren Hilfsanträge 2 bis 6 der Patentinhaberin erübrigt sich somit.
IV Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
Dr. Schermer Engels Dr. Proksch-Ledig Dr. Gerster Dr. Schuster Pr
BPatG:
Urteil v. 03.04.2008
Az: 3 Ni 33/06
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