Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 10. Dezember 2010
Aktenzeichen: 6 U 112/10
(OLG Köln: Urteil v. 10.12.2010, Az.: 6 U 112/10)
Tenor
1.) Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 27.5.2010 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln -81 O 38/10 - abgeändert:
Die einstweilige Verfügung der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 19.3.2010 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.
2.) Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Gründe
I.
Die Parteien sind Wettbewerber u.a. auf dem Markt für Geschirrspülmaschinenreiniger. Die Antragsgegnerin hat bereits in der Vergangenheit ihre Produkte mit „sehr guten“ Ergebnissen bei „Konsumenten-Tests“ beworben. Gegen eine solche Werbung für Fleckenentfernungsmittel ist die Antragstellerin im Jahr 2009 vorgegangen. Eine Werbung mit Aufklebern auf Geschirrspülmitteln mit einem Konsumenten-Test („Glanz-Leistung SEHR GUT“) von Mitte 2008 und Anfang 2009, die der Antragstellerin in dem damaligen Verfahren von der Antragsgegnerin vorgehalten worden ist, hat die Antragstellerin bisher nicht angegriffen.
Am 1.3.2010 veröffentlichte die „Stiftung Warentest“ einen Testbericht, aus dem ein Produkt der Antragstellerin als Testsieger hervorging, während zwei Produkte der Antragsgegnerin mit einer deutlich schlechteren Benotung lediglich Platz 11 bzw. 13 belegten. Kurze Zeit später bewarb die Antragsgegnerin zwei andere Geschirrspülmaschinenreiniger mit Konsumententests sowohl in TV-Werbespots und im Internet als auch in Form von Aufklebern auf den Produkten, von denen einer die nachstehend wiedergegebene Gestaltung aufweist:
Die Antragstellerin hat beim Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der der Antragsgegnerin die verfahrensgegenständliche Werbung im Internet, Fernsehen und mittels der Produktaufkleber verboten worden ist. Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit Ausnahme des Verbots der Internetwerbung bestätigt. Mit der Berufung verfolgt die Antragsgegnerin ihren Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung weiter. Die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung und Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags.
1. Zutreffend hat das Landgericht allerdings die beanstandete Werbung als irreführend im Sinne des § 5 UWG angesehen. Der Verkehr erwartet von einer werblich besonders herausgestellten Aussage, dass diese der Erwähnung wert ist (vgl. Senat, Beschluss vom 16.11.2009 - 6 W 130/09 und Urteil vom 18.2.2009 - 6 W 5/09). Auf einen „Konsumenten-Test“ trifft dies nur dann zu, wenn er seriös durchgeführt worden ist und die Ergebnisse daher repräsentativ sind. Dabei kann das Ergebnis zwar durchaus die subjektiven Einschätzungen von Verbrauchern wiederspiegeln. In diesem Fall muss aber zum einen das subjektive Element des Tests in der Werbung deutlich gemacht werden und zum anderen muss die von den Verbrauchern abgegebene Bewertung ausschließlich auf Eigenschaften des Produkts beruhen und daher von äußeren Umständen unbeeinflusst sein. Dabei obliegt es dem Werbenden, entsprechende (notwendigerweise pauschale) Behauptungen des Wettbewerbers durch einen substantiierten und nachprüfbaren Vortrag zu entkräften (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 5 Rdn. 3.23). Daran fehlt es. Auf der Grundlage des Vortrags der Antragsgegnerin lässt sich nicht beurteilen, ob der Test den dargestellten Anforderungen gerecht wird. Auf die Frage, ob auch bei einem solchen Test ein Fundstellennachweis erforderlich ist, kommt es danach nicht an.
2. Es fehlt jedoch an einem Verfügungsgrund. Die Antragstellerin hat, indem sie die frühere Werbung für Geschirrspülmaschinenreiniger unbeanstandet gelassen hat, die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG widerlegt.
a) Die frühere Werbung der Antragsgegnerin für Geschirrspülmaschinenreiniger mit den Ergebnissen von „Konsumenten-Tests“ ist - wie bereits das Landgericht zutreffend dargelegt hat - im Hinblick auf den Irreführungsvorwurf mit der verfahrensgegenständlichen Werbung kerngleich. Der einzige nennenswerte inhaltliche Unterschied zwischen der nun angegriffenen und der früheren Werbung liegt darin, dass damals mit einer Bewertung der „Glanz-Leistung“ geworben wurde, während nunmehr der Name des beworbenen Produkts als Gegenstand der Bewertung durch die Konsumenten genannt ist. Dies hätte jedoch aus dem Kernbereich eines Verbots der früheren Werbung nicht herausgeführt. Denn der irreführende Aspekt der werblichen Äußerung wird weder durch die Verwendung des wortspielerischen Begriffs „Glanz-Leistung“ noch dadurch verändert, dass Gegenstand der früheren Werbung die Bewertung des Produkts nur im Hinblick auf seine „Glanz-Leistung“ war. Ein Geschirrspülmaschinenreiniger wird ganz überwiegend nach seiner Reinigungsleistung beurteilt. Eine Werbung damit, dass ein Mittel das Geschirr glänzend macht, ist daher nach der Verkehrsauffassung einer Werbung für das Produkt insgesamt gleichzusetzen. Die „Glanz-Leistung“ ist nicht nur irgendein Kriterium für die Bewertung von Geschirrspülmaschinenreinigern, sondern die insofern maßgebliche Größe. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin wird auch nicht durch die Verwendung des Wortspiels ein abweichender Gesamteindruck der Werbung hervorgerufen. Dass das Wortspiel dazu führen sollte, den Konsumenten-Test als nicht seriös, fundiert und neutral erscheinen zu lassen, ist mit der von der Werbung verfolgten Intention nicht vereinbar und wird vom Verkehr daher nicht in dieser Weise verstanden.
b) Die frühere Werbung war der Antragstellerin jedenfalls seit Juli 2009 bekannt. Nachvollziehbare Gründe, warum sie gegen diese Werbung nicht vorgegangen ist, sind nicht erkennbar. Zwar waren die Werbemaßnahmen abgeschlossen, es bestand aber bereits damals Anlass für die Annahme, dass die Antragsgegnerin in absehbarer Zukunft wieder auf entsprechende Art und Weise werben würde. Denn die Antragsgegnerin hatte bereits zwei Mal über einen Zeitraum von mehreren Monaten mit entsprechenden Konsumententests geworben. Sie hat zudem andere Produkte ebenfalls mit solchen Testergebnissen beworben. Die Werbung mit überragend guten Ergebnissen von Konsumenten-Tests hatte also bei der Antragsgegnerin Methode.
Ein Vorgehen wäre auch ohne weiteres möglich gewesen. Ob einstweiliger Rechtsschutz noch hätte erlangt werden können (wofür nach dem Vortrag der Antragstellerin einiges spricht), kann dahinstehen, denn auch dann, wenn die Antragstellerin ein Klageverfahren angestrengt hätte, dürfte angesichts der üblichen Bearbeitungszeiten der mit Wettbewerbssachen betrauten Kammern beim Landgericht Köln davon auszugehen sein, dass die Antragstellerin inzwischen einen vollstreckbaren Titel erlangt hätte.
c) Die Dringlichkeit ist nicht deshalb wieder neu entstanden, weil eine neue Verletzungssituation eingetreten wäre.
aa) Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, die Dringlichkeit sei wieder aufgelebt, weil die Antragsgegnerin den Wettbewerbsverstoß intensiviert habe. Die Beweislast für die Umstände, aus denen die Antragstellerin trotz Kenntnis von den früheren Verstößen die Dringlichkeit herleitet, trägt die Antragstellerin (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 12 Rdn. 3.19). Die Antragstellerin kann sich nicht mehr auf § 12 Abs. 2 UWG berufen, denn die Dringlichkeitsvermutung ist bereits dadurch widerlegt, dass die Antragstellerin gegen die früheren Verstöße nicht vorgegangen ist. In diesem Fall ist für weitere Beweiserleichterungen kein Raum.
Der Antragstellerin ist es nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass die Antragsgegnerin ihre Werbung in signifikantem Maße intensiviert hätte. Vielmehr ist nach den von der Antragsgegnerin vorgelegten Storyboards davon auszugehen, dass auch im Rahmen der früheren Werbeaktionen mit Konsumenten-Tests entsprechende Fernsehwerbung geschaltet worden ist.
Die Antragstellerin hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass sie hiervon keine Kenntnis hatte und daher jedenfalls aus ihrer subjektiven Sicht die Rechtsverletzung intensiviert worden ist. Insofern konnte sich die Antragstellerin nicht auf ein bloßes Bestreiten ihrer Kenntnis beschränken, zumal - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass der Antragstellerin die damalige Werbung bekannt war. Zudem hätte es angesichts ihrer Kenntnis von den Produktaufklebern nahegelegen, weitere Nachforschungen über den Umfang der Werbemaßnahmen anzustellen. Dass die Antragstellerin dies unterlassen hat, stellt sich als grobe Fahrlässigkeit dar, die ebenfalls dringlichkeitsschädlich ist (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § .12 Rdn. 3.15).
bb) Auch durch die Veröffentlichung des Testberichts der Stiftung Warentest ist eine die Dringlichkeit begründende neue Verletzungssituation nicht eingetreten. Aufgrund dieses Berichts mag zwar für die Antragstellerin ein Anlass bestanden haben, das eigene Produkt zu bewerben. Der Senat teilt aber nicht die Auffassung der Antragstellerin, dass eine solche Werbung durch die Werbung der Antragsgegnerin mit Konsumenten-Tests signifikant stärker beeinträchtigt worden wäre als sonstige (frühere) Werbemaßnahmen. Würde man der Ansicht der Antragstellerin folgen, stünde es zudem in ihrem Belieben, die Dringlichkeit dadurch neu zu begründen, dass sie sich zu eigenen Werbemaßnahmen entschließt. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die verfahrensgegenständliche Werbung mit einer Werbung mit einem Testergebnis der Stiftung Warentest verwechselbar wäre. Dies ist aber unzweifelhaft nicht der Fall.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
2. Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
3. Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 112.500 €.
OLG Köln:
Urteil v. 10.12.2010
Az: 6 U 112/10
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/cae225700542/OLG-Koeln_Urteil_vom_10-Dezember-2010_Az_6-U-112-10