Landgericht Köln:
Beschluss vom 12. Oktober 2012
Aktenzeichen: 82 O 10/08
(LG Köln: Beschluss v. 12.10.2012, Az.: 82 O 10/08)
Tenor
Der Beschwerde der Antragsgegnerinnen vom 30. August 2012 gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 3. August 2012 wird nicht abgeholfen.
Die Sache wird dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe
1.Die Beschwerde der Antragsgegnerinnen vom 30. August 2012 gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 3. August 2012, mit dem die Fortsetzung des Spruchverfahrens angeordnet worden ist, ist schon nicht statthaft.
In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Antragsgegnerinnen ist davon auszugehen, dass vorliegend die einfache Beschwerde gemäß § 17 Abs. 1 SpruchG i. V. m. § 19 Abs. 1 FGG a. F. in Betracht kommt.
Auf das vorliegende Spruchverfahren sind die Vorschriften des FGG anzuwenden. Die Vorschriften des FamFG finden hingegen keine Anwendung. Gemäß Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-Reformgesetz sind die Vorschriften des FGG weiterhin anzuwenden, wenn das Verfahren vor dem 1. September 2009 eingeleitet worden ist. Das ist hier der Fall. Die Anträge sind im Jahre 2008 bei Gericht eingegangen.
Zwischenentscheidungen im FGG-Verfahren sind grundsätzlich unanfechtbar. Dazu gehören insbesondere verfahrensleitende Verfügungen wie Beweisanordnungen, die Ablehnung von Beweisanträgen oder die Feststellung des Umfangs der Beweisaufnahme (OLG München, Beschluss vom 10. November 2008 - 31 Wx 87/08, NZG 2009, 40 mit weiteren Nachweisen). Nach überwiegender Auffassung ist die einfache Beschwerde gegen Zwischenentscheidungen im Spruchverfahren - FGG-Verfahren - aber dann eröffnet, wenn der angegriffene Beschluss einen Verfahrensbeteiligten beschwert, unmittelbar in seine Rechte eingreift (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.07.1997 - 19 W 3/96, Juris Online Rn. 34; OLG München, Beschluss vom 14.03.2007 - 31 Wx 7/07, Juris Online Rn. 3 mit weiteren Nachweisen; OLG München, Beschluss vom 10.11.2008 - 31 Wx 87/08, NZG 2009, 40 mit weiteren Nachweisen; abw.: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. April 2004 - 19 W 3/04, Juris Online [sofortige Beschwerde]). Wegen § 18 Abs. 2 FGG a. F. ist insofern auch eine Abhilfeentscheidung des Eingangsgerichts veranlasst.
Vor diesem Hintergrund ist die Beschwerde der Antragsgegnerinnen gegen den Fortsetzungsbeschluss der Kammer unzulässig. Ein unmittelbarer, erheblicher Eingriff in die Rechte der Antragsgegnerinnen liegt nicht vor. Es handelt sich um eine verfahrensleitende Anordnung des Gerichts, die nicht selbstständig anfechtbar ist. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerinnen kann der angegriffene Beschluss, das Verfahren fortzusetzen, nicht mit dem Aussetzungsbeschluss gleichgesetzt werden, da beide Beschlüsse unterschiedliche Wirkungen haben. Die Aussetzung unterbricht das Verfahren, möglicherweise für Jahre, und kann Nachteile für die eine oder andere Partei haben. Der Beschluss, das Verfahren fortzusetzen, beendet diese möglicherweise für die Verfahrensbeteiligten nachteilige Wirkung und führt zum aktiven Prozessstand zurück, d.h. zum Status quo des streitigen Verfahrens, das mit einer Entscheidung abzuschließen ist. Aufgrund fehlender Beschwer der Verfahrensbeteiligten kann die Anordnung der Fortsetzung des Verfahrens auch nicht entsprechend § 252 ZPO mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden, sondern nur der Aussetzungsbeschluss.
Auch vorliegend hat der Beschluss, das Verfahren fortzusetzen, lediglich dazu geführt, dass der bereits vor längerer Zeit erlassene Beweisbeschluss nun vollzogen werden soll. Beschwert wurden die Antragsgegnerinnen allenfalls durch diesen Beweisbeschluss und nicht durch den angegriffenen Beschluss.
Einige Antragsteller haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerinnen mit ihrer Beschwerde eine Aussetzung des Verfahrens "auf alle Ewigkeit" und damit de facto eine dauerhafte Verfahrenseinstellung zu ihren Gunsten anstreben. Damit versuchen die Antragsgegnerinnen, die Entscheidung der Kammer vorwegzunehmen. Das sieht das Prozessrecht nicht vor.
Die Sach- und Rechtslage ist im vorliegenden Fall nicht vergleichbar mit entschiedenen Fallgestaltungen, bei denen die Gesellschaft als Kostenschuldnerin der Gutachterkosten vor dem Beginn der Tätigkeit des bestellten Sachverständigen eine abschließende Entscheidung zur Rechtslage anstrebte. Richtig ist zwar, dass die Antragsgegnerinnen durch die Fortsetzung dieses Verfahrens ggf. mit erheblichen Sachverständigenkosten belastet würden. Diese finanzielle Betroffenheit eröffnet für sich gesehen aber nicht die Möglichkeit, die verfahrensleitende Anordnung, das Spruchverfahren fortzusetzen, mit der Beschwerde angreifen zu können. Erforderlich ist eine Sachentscheidung des Gerichts, die über eine verfahrensleitende Anordnung hinausgeht, etwa bei der Zwischenentscheidung über die Unzulässigkeit des Hauptantrags und die Zulässigkeit des Hilfsantrags. Insofern war die Beschwerde eröffnet (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. April 2004 - 19 W 3/04, Juris Online). An einer vergleichbaren Entscheidung in der Sache fehlt es hier. Dabei kann offen bleiben, ob dem Eingangsgericht vorliegend eine Zwischenentscheidung in dem Sinne, die Statthaftigkeit des Spruchverfahrens wegen des streitgegenständlichen Delistings positiv festzustellen, möglich wäre.
2.Die Kammer hält aber auch in der Sache an der angegriffenen Entscheidung fest. Die Beschwerde der Antragsgegnerinnen wäre auch unbegründet.
Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerinnen findet auf das streitgegenständliche Delisting weiterhin die fachgerichtliche Rechtsprechung unter Führung der Macrotron-Entscheidung des Bundesgerichtshofs Anwendung. Das ergibt sich aus einer einfachgesetzlichen Gesamtanalogie zu den §§ 305, 320 b, 327 b AktG, § 29, 207 UmwG. Mit der Einführung von § 29 UmwG hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass ein Delisting im Wege des Formwandels entschädigungspflichtig sein soll. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht geäußert hat, dass der Verlust des regulierten Marktes der Börse im Zuge eines freiwilligen Delistings nicht in allen Einzelheiten mit den herangezogenen Regelungen gemäß §§ 305, 320 b, 327 b AktG, §§ 29, 207 UmwG vergleichbar ist, da beim Delisting nicht in die Struktur der Gesellschaft eingegriffen wird, d. h. die Gesellschafterrechte und der wahre Wert der Beteiligung erhalten bleiben, liegt dennoch ein wesensverändender Eingriff in die aktienrechtliche Beteiligung vor (BGH, AG 2003, 273 ff., "Ingram Macrotron AG"). Hinsichtlich der Unterschiede und Wirkungen zwischen dem Handel von Aktien im regulierten Markt und im Freiverkehr kann auf die ausführlichen Ausführungen der Kammer in dem Beschluss vom 24.07.2009 hingewiesen werden.
Den Minderheitsaktionären wird durch das Delisting der liquide Markt genommen, über den sie jederzeit desinvestieren können. Eine börsennotierte Aktie hat einen inneren Wert (gesellschaftsrechtlicher Wert) und einen äußeren Wert (Börsenwert). Die Realisierung dieses äußeren Wertes wird erheblich gefährdet bzw. beeinträchtigt, auch wenn die Verkehrsfähigkeit dem Grunde nach, wie es das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, nicht tangiert wird.
Nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Empirie lässt sich derzeit bei einem Downgrading vom regulierten Markt in den Freiverkehr weder belegen, dass der Börsenkurs stabil bleibt, noch nachweisen, dass dieser sinkt. Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht die bisherige Gesamtanalogie der Fachgerichte zu den §§ 305, 320 b, 327 b AktG, §§ 29, 207 UmwG gebilligt, um dem Minderheitsaktionär bei einem vom Mehrheitsaktionär durchgesetzten Delisting eine Ausstiegsmöglichkeit gegen angemessene Abfindung wegen einer wesentlichen Veränderung des Beteiligungsrechts zu eröffnen.
Unerheblich ist vorliegend, ob der Preis der Aktie der Q AG nach dem Börsensegmentwechsel tatsächlich eingebrochen oder stabil geblieben ist. Für die Statthaftigkeit eines Spruchverfahrens wegen eines regulären Delistings kann nicht von Bedeutung sein, wie sich die Aktie im Freiverkehr nach dem Börsenrückzug entwickelt. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Börsenrückzug und das Abfindungsangebot der Gesellschaft bzw. des Mehrheitsaktionärs ist eine Aussage darüber, wie sich das Delisting für die Minderheitsaktionäre auswirkt, noch gar nicht möglich. Im Übrigen kann die tatsächliche Entwicklung der Aktie im Freiverkehr nach einem Delisting nicht unreflektiert als Beurteilungsmaßstab übernommen werden. Denn einerseits kann der Kursverlauf beeinflusst sein von einem laufenden Spruchverfahren. Zum anderen besteht das Problem, dass die Entwicklung der Aktie im regulierten Markt, d. h. bei der Fortsetzung des Handels im dortigen Börsensegment, nicht bekannt ist. Die Nachteile, die Minderheitsaktionäre bei einem Delisting treffen, können jedoch nur bei einem Vergleich beider Entwicklungen beurteilt werden. Feststellbar ist jedenfalls ein massiver Rückgang des Handels der Q-Aktie nach dem Wechsel in den Freiverkehr. Insofern kann auf die Zahlen im Beschluss der Kammer vom 24.07.2009 Bezug genommen werden.
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Beschluss v. 12.10.2012
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