Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 7. Juni 2010
Aktenzeichen: AnwZ (B) 85/08
(BGH: Beschluss v. 07.06.2010, Az.: AnwZ (B) 85/08)
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25. April 2008 und der Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. Januar 2008 aufgehoben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist seit dem 23. September 1987 im Bezirk der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 10. Januar 2008 hat die Antragsgegnerin seine Zulassung wegen Vermögensverfalls widerrufen. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diesen Bescheid hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.
II.
Das gemäß § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F. zulässige Rechtsmittel ist begründet.
1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnissen lebt, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 26. November 2002, AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577).
2. Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des Widerrufsbescheids vor.
a) Zu diesem Zeitpunkt wurden gegen den Antragsteller schon seit mehreren Jahren immer wieder Klage- und Zwangsvollstreckungsverfahren betrieben. Der Bescheid ist auf folgende seinerzeit offene Forderungen von Gläubigern des Antragstellers gestützt (Nr. 32, 34 bis 39 der Forderungsliste der Antragsgegnerin):
32. Forderung des Rechtsanwaltsversorgungswerks über 11.749,23 €
34. Forderung der A. AG über 197,11 €
35. Forderung der K. GmbH & Co KG über 4.042,50 €
36. Forderung der C. AG über 1.500,00 €
37. Forderung von W. über 2.815,40 €
38. Forderung der Ad. S. GmbH über 654,20 €
39. Forderung der D. AG über 805,64 €.
Diese Verfahren zeigen, dass die Vermögensverhältnisse des Antragstellers ein geordnetes Wirtschaften nicht ermöglichten. Diese waren so beengt, dass er selbst geringe Forderungen nicht begleichen konnte.
c) Der damit eingetretene Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den darauf möglichen Zugriff seiner Gläubiger (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2004, AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 unter 2 a). Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden hier ausnahmsweise nicht gefährdet waren, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor.
3. Auch ein rechtmäßiger Widerrufsbescheid ist aber aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für seinen Erlass im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens zweifelsfrei entfallen sind (Senat, BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150). So liegt es hier.
a) Die Schulden des Antragstellers haben sich zwar im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens zunächst deutlich erhöht. Wegen einiger Forderungen ist der Antragsteller auch mit Haftbefehlen in das Schuldnerverzeichnis des Vollstreckungsgerichts eingetragen worden. Der Antragsteller hat aber am 7. Juli 2009 bei der Sparkasse H. ein Umschuldungsdarlehen über 125.000 € aufgenommen und damit die noch offenen Forderungen erfüllt. Hierbei hatte er zunächst eine Forderung der Ad. übersehen, diese aber nachträglich ebenfalls erfüllt.
b) aa) Eine nachträgliche Konsolidierung der Vermögensverhältnisse setzt allerdings voraus, dass der Rechtsanwalt über die Begleichung der aufgelaufenen Schulden oder ihre geordnete Rückführung hinaus erreicht, dass dauerhaft keine neuen Schulden auflaufen, deren ordnungsgemäße Begleichung nicht durch entsprechende Geldmittel oder eingehaltene Vereinbarungen mit dem Gläubiger sichergestellt ist. Das muss ihm auch von sich aus und nachhaltig gelingen. Es genügt nicht, wenn der Rechtsanwalt eine Ordnung seiner Vermögensverhältnisse nur unter dem Druck immer wieder neuer Widerrufe seiner Zulassung aufrechterhalten oder erreichen (Senat, Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 27/07, juris Tz. 15; Beschl. v. 4. März 2009, AnwZ (B) 78/08, BRAK-Mitt. 2009, 129 [Ls.] = juris Tz. 9) oder wenn er nur wirtschaften kann, indem er neue Schulden auflaufen lässt (Senat, Beschl. v. 14. November 2005, AnwZ (B) 93/04, juris Tz. 6; Beschl. v. 10. August 2009, AnwZ (B) 40/08, juris Tz. 10).
bb) Eine in diesem Sinne nachhaltige Konsolidierung ist dem Antragsteller gelungen. Mit der Aufnahme des Darlehens hat der Antragsteller den Plan einer umfassenden Bereinigung seiner bis dahin aufgelaufenen Schulden verfolgt. Er hat diese Schulden auch sämtlich erfüllt. Dass er dabei eine Verbindlichkeit zunächst übersehen hatte, ändert an der Umsetzung des gefassten Plans durch den Antragsteller nichts. Dieser Plan lässt auch eine nachhaltige Konsolidierung erwarten. Der Antragsteller hat nämlich nach den Darlegungen seines Steuerberaters die Aussicht, mit seiner Kanzlei einen Gewinn zu erwirtschaften, der ihm ein nachhaltig geordnetes Wirtschaften erlaubt. Das wird auch darin deutlich, dass der Steuerberater nach wie vor bereit ist, auf Anforderung der Sparkasse für den Antragsteller zu bürgen. Die von der Antragsgegnerin aufgezeigten Klageverfahren gegen den Antragsteller stellen diese Beurteilung nicht in Frage. In beiden Fällen geht es nicht um Forderungen, die der Antragsteller mangels liquider Mittel nicht erfüllt. Vielmehr führt der Antragsteller mit beiden Klageparteien inhaltliche Auseinandersetzungen, die Rückschlüsse auf ein Scheitern der Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse nicht zulassen. Entsprechendes gilt für den noch fehlenden Nachweis einer Erledigung der Forderungen Pensionskasse L. und D. , auf die die Antragsgegnerin hingewiesen hat.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. §§ 201 Abs. 2, 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO a.F. und § 13a FGG a.F. Der Senat hat nach billigem Ermessen zu entscheiden, ob außergerichtliche Kosten ausnahmsweise erstattet werden. Er übt dieses Ermessen dahin aus, von einer Anordnung der Erstattung abzusehen, weil der Widerrufsbescheid rechtmäßig war und der Antragsteller erst im Verfahren vor dem Senat seine Vermögensverhältnisse konsolidiert hat.
Tolksdorf Schmidt-Räntsch Roggenbuck Stüer Quaas Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 25.04.2008 - 1 AGH 19/08 -
BGH:
Beschluss v. 07.06.2010
Az: AnwZ (B) 85/08
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