Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 6. Oktober 2003
Aktenzeichen: 18 W 36/03

(OLG Köln: Beschluss v. 06.10.2003, Az.: 18 W 36/03)

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 10.06.2003 - AZ: 11 O 55/03 - wird zurückgewie-sen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Gründe

I.

Das Landgericht Bonn hat in dem angefochtenen Beschluss vom 10.06.2003 auf Antrag gem. §§ 327 e Abs.2, 319 Abs. 6 AktG festgestellt, dass die Nichtigkeits- und Anfechtungsklage des Antragsgegners vom 25.03.2003 gegen den Beschluss der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 25.02.2003 über die Übertragung der Aktien aller Minderheitsaktionäre der Antragstellerin gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung auf den Hauptaktionär A. und Co., Z., der Eintragung des angefochtenen Beschlusses nicht entgegensteht.

Gegen diesen, ihm am 20.06.2003 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 03.07.2003 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 10.06.2003 aufzuheben und den Feststellungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde des Antragsgegners als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist gem. § 567 Abs.1 S. 1 ZPO, §§ 327 e Abs. 2, 319 Abs. 6 S. 5 AktG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Das Landgericht Bonn hat zu Recht festgestellt, dass die gegen den Hauptversammlungsbeschluss vom 25.02.2003 erhobene Nichtigkeits- und Anfechtungsklage seiner Eintragung in das Handelsregister nicht entgegensteht.

1.

Die von dem Antragsgegner erhobenen Zulässigkeitsbedenken gegen den von der Antragstellerin gem. §§ 327 e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG gestellten Antrag bestehen aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, auf die insoweit Bezug genommen werden kann, nicht. Insbesondere ist die Antragstellerin und nicht der Hauptaktionär zur Antragstellung gem. § 327 e Abs. 6 AktG berechtigt (Hüffer, AktG, 5. Auflage, § 327 e Rn. 3).

2.

Darüber hinaus sind auch die materiellen Voraussetzungen der §§ 327 e Abs. 2, 319 Abs. 6 Satz 2 AktG gegeben.

Dabei kann dahinstehen, ob die von der Antragstellerin dargelegten Umstände für die Annahme eines vorrangigen Vollzugsinteresses hinreichen. Jedenfalls liegt der Fall einer offensichtlich unbegründeten Nichtigkeits- und Anfechtungsklage vor.

Die Frage, wann von einer offensichtlichen Unbegründetheit ausgegangen werden kann, wird unterschiedlich beantwortet. Eine Meinung hält dieses Merkmal für gegeben, wenn sich die Unbegründetheit bereits ohne weiteres bei kursorischer Prüfung ergibt (OLG Stuttgart AG 1997, 138, 139; LG Freiburg AG 1998, 536, 537). Dies soll danach schon dann gelten, wenn eine zu beantwortende Rechtsfrage in Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutiert wird (LG Hamburg, ZIP 2003, 951 f) . Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass für eine kursorische Rechtsprüfung auch in einem summarischen Verfahren kein Raum ist. Daher ist mit der Gegenmeinung eine vollständige Durchdringung des Streitstoffes in rechtlicher Hinsicht zu verlangen; erst wenn sich auf dieser Basis eindeutig die Erfolglosigkeit der erhobenen Nichtigkeits- und Anfechtungsklage ergibt, kann von ihrer offensichtlichen Unbegründetheit ausgegangen werden(OLG Hamburg AG 2003, 441, 444; OLG Frankfurt aM AG 1998, 428, 429; OLG Stuttgart AG 2003, 456; OLG Düsseldorf ZIP 2001, 1717, 1718; Hüffer, aaO § 319 Rn. 18).

Gemessen an diesem Maßstab erweisen sich die von dem Antragsgegner im Rahmen der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage gegen den Hauptversammlungsbeschluss vom 25.02.2003 erhobenen Einwände als offensichtlich unbegründet.

Der Antragsgegner hält die Squeezeout-Bestimmungen für verfassungswidrig und beruft sich im übrigen auf Vorbereitungs- und Durchführungsmängel, die zum einen auf dem Verstoß gegen die Mitteilungspflichten gem. § 20 AktG, zum anderen auf eine fehlerhafte Bekanntmachung der Hauptversammlung vom 25.02.2003, auf die sachwidrige Einsetzung des Abschlussprüfers gem. § 327 c Abs. 2 S. 3 AktG, einen formal und inhaltlich zu beanstanden Übertragungsbericht gem. § 327 c Abs. 2 S. 1 AktG sowie Verstöße gegen die Auskunftspflicht des Vorstandes gem. § 131 AktG beruhen sollen. Keine dieser Einwände ist jedoch begründet.

a)

Dies gilt namentlich für den Einwand, die Regelungen des sog. Squeezeout-Verfahrens gem. §§ 327a ff AktG seien mit den Grundsätzen der Verfassung nicht in Einklang zu bringen.

Richtig ist, dass sowohl die mitgliedschaftliche Stellung als auch die vermögensrechtliche Position des Minderheitsaktionärs dem Schutzbereich des Art. 14 GG unterliegt. Dieser Schutz besteht allerdings nicht schrankenlos. Vielmehr stehen sich die Eigentumspositionen von Haupt- und Minderheitsaktionär gegenüber, die es gegeneinander abzuwägen gilt.

Auf der Basis dieser Überlegungen hat das Bundesverfassungsgericht bereits in der sog. Feldmühle-Entscheidung (E 14, 263 ff) den Ausschluss der Minderheitsaktionäre aus einer Aktiengesellschaft nach den §§ 9 und 15 UmwG 1956 als verfassungsgemäß bezeichnet. In diesem Sinne wurde auch in Bezug auf das in § 320 AktG vorgesehene Verfahren zur Eingliederung durch Mehrheitsbeschluss entschieden (BVerGE 100, 303), dessen verfassungsmäßige Unbedenklichkeit offenbar auch von dem Antragsgegner nicht in Abrede gestellt wird. Trotz der bestehenden Unterschiede zu dem Verfahren nach §§ 327 a ff AktG, insbesondere in Bezug auf die Regelungen zur Abfindung, rechtfertigen diese im Ergebnis keine andere Einschätzung.

Zu berücksichtigen ist dabei, das sich die Funktion des Minderheitsaktionärs de facto auf die eines reinen Finanzanlegers reduziert. In einer Aktiengesellschaft, die von einem Gesellschafter mit einem Kapitalanteil von mindestens 95 % beherrscht wird, können die Minderheitsaktionäre weder ihre eigenen unternehmerischen Ziele verfolgen, noch sind sie in der Lage, auf die Verwaltung Einfluss zu nehmen. Selbst wenn sie in einer Hauptversammlung geschlossen aufträten, könnten sie die spezifischen aktienrechtlichen Minderheitsrechte (etwa die Einberufung einer Hauptversammlung gem. § 122 Abs. 1 AktG oder die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gem. § 147 Abs. 1 AktG), in der Praxis nicht mehr wahrnehmen, da sie das erforderliche Quorum nicht erreichen. Schließlich ist der Minderheitsaktionär aufgrund der gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG - vorbehaltlich einer anderweitigen satzungsmäßigen Regelung - bestehenden Möglichkeit der Auflösung der Gesellschaft mittels einer 75 %-Mehrheit ohnehin nicht vor dem Verlust seiner Mitgliedschaftsrechte geschützt.

Unter Berücksichtigung dieser Situation bestehen jedenfalls dann keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Position des Minderheitsaktionärs als Kapitalanleger hinreichend geschützt ist. Insofern ist die Situation mit dem durch das Bundesverfassungsgericht in der sog. MotoMeter-Entscheidung (AG 2001, 42 ff) zu entscheidenden - und von diesem nicht beanstandeten - Fall der sog. übertragenden Auflösung (§ 179a AktG) zu vergleichen (ebenso: Vetter DB 2001, 743, 746; Kossmann NZG 1999, 1198, 1199). Die von dem Antragsgegner angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NZG 2003, 31 f) steht nicht entgegen, denn diese beschränkt sich auf die Erörterung der Subsidiarität der Verfassungsklage als Zugangsvoraussetzung.

Gemessen an den Maßstäben der "MotoMeter-Entscheidung" ist das Verfahren des sog. Squeezeout gem. §§ 327 a ff AktG nicht zu beanstanden.

Die wirtschaftliche Position der Minderheitsaktionäre wird durch die Regelungen zur Barabfindung, der Nachprüfung durch einen vom Gericht zu bestellenden Sachverständigen (§ 327 c Abs. 2 S. 2,3 AktG) sowie der gerichtlichen Nachprüfbarkeit gem. § 327 f AktG hinreichend geschützt. (ebenso: LG Berlin DB 2003, 707, 708; LG Osnabrück AG 2002, 527 f; OLG Oldenburg NZG 2003, 691; OLG Hamburg AG 2003, 442, 443). Hinzukommt die zu stellende Bankgarantie gem. § 327 b Abs. 2 AktG und die Verzinsungspflicht gem. § 327 b Abs. 2 AktG. Soweit der Antragsgegner mit Hanau (NZG 2002, 1040 ff) einwendet, der Rechtsschutz der Minderheitsaktionäre sei angesichts der oft überlangen Dauer der Spruchstellenverfahren nur unzureichend gegeben, so mag dies im Einzelfall aufgrund der praktischen Anwendung des Verfahrens und der eingeschränkten Ressourcen der Justiz der Fall sein, kann aber nicht der gesetzlichen Regelung als solcher zugeschrieben werden. Was die Tatsache anbelangt, dass eine Verzinsung der Barabfindung erst ab der Bekanntgabe der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister erfolgt (§ 327 b Abs. 2 1. Hs. AktG), so knüpft diese Regelung an die konstitutive Wirkung der Eintragung an; im übrigen sieht § 327 b Abs. 2 2. Hs. AktG die Geltendmachung auch eines weitergehenden Schadens ausdrücklich vor. Der Senat verkennt nicht, dass sich die gem. § 327 b Abs. 1 AktG zu stellende Bankgarantie allein auf die beschlossene Barabfindung bezieht und daher hinter dem in einem möglichen Spruchstellenverfahren ermittelten Betrag zurückbleiben kann. Hieraus resultiert die Möglichkeit eines finanziellen Risikos für den Minderheitsaktionär im Falle zwischenzeitlicher Insolvenz des Hauptaktionärs. Allerdings ist dieses, sich allein auf einen möglichen Mehrbetrag beziehendes Differenzrisiko aufgrund der sonstigen Sicherungen des Verfahrens in Form der Wertbestimmung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen sowie der umfassenden Dokumentationspflicht gem. § 327 c Abs. 2 und Abs. 3 AktG so gering, dass hierdurch die verfassungsmäßigen Rechte der Minderheitsaktionäre nur unwesentlich tangiert werden. Soweit der Antragsgegner schließlich auf die Beeinträchtigung künftiger Gewinne abstellt, so unterliegen derartige Erwerbschancen ohnehin nicht dem grundgesetzlichen Schutz des Art. 14 GG (BVerfG AG 2001, 42, 43).

Ein Verstoß gegen EG-Recht kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der im Oktober 2002 von der EU-Kommission vorgelegte Vorschlag einer EU-Übernahmeregelung (ZIP 2002, 1863 ff) bislang nicht umgesetzt wurde.

b)

Soweit es um den Inhalt der erforderlichen Mitteilungen durch den Hauptaktionär gem. § 20 Abs. 1 und 4 AktG geht, kann ebenso wie für die Frage der Ordnungsmäßigkeit des Übertragungsberichts gem. § 327 c Abs. 2 S. 1 AktG einschließlich seiner Unterzeichnung durch hierzu zeichnungsberechtigte Vertreter des Hauptaktionärs in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in seinem Beschluss vom 10.06.2003 Bezug genommen werden.

Ohne Erfolg bleibt insbesondere der Einwand des Antragsgegners, den gem. § 20 AktG gebotenen Mitteilungspflichten sei nur unzureichend nachgekommen worden.

Eine zusätzliche Mitteilungspflicht gem. § 20 AktG der hinter der Fa. A. & Co stehenden Einzelpersonen ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht erforderlich (MüKo-Bayer, AktG, 2. Auflage, § 16 Rn. 49 f). Dies könnte nur dann anders sein, wenn sich - wie etwa im Falle der Treuhandschaft - das Interesse des Unternehmens allein auf das Halten der Aktien beschränkte. (BGH ZIP 1991, 719, 721). Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles ist vorliegend jedoch nicht erkennbar. Inhaltlich genügt überdies die allgemeine Mitteilung über die Art der Beteiligungsform gem. § 20 Abs. 1 oder Abs. 4, ohne dass hierzu genauere Angaben zur Höhe der Beteiligung, deren Zusammensetzung oder die Art der Mehrheitsbeteiligung erforderlich wären (Hüffer, aaO § 20 Rn. 6; MüKo, aaO § 20 Rn. 31). Der Gesetzgeber legt insoweit nur Wert auf die Mitteilung der Mehrheitsbeteiligung als solcher, nicht dagegen auf die Angabe, welcher Art diese Mehrheitsbeteiligung ist (MüKo, aaO, Rn. 24).

c)

Auch auf den Umstand, dass die Mitteilung des Hauptaktionärs vom 30.01.2003 erst nach dem schriftlichen Beschlussverlangen an den Vorstand der Antragstellerin vom 22.11.2002 und nach dem Antrag auf Bestellung eines Abschlussprüfers gem. § 327 c II 3 AktG, welcher bereits durch Beschluss des Landgerichts vom 10.12.2002 bestimmt wurde (Bl. 12 und 13 des Übertragungsberichtes vom 16.01.2003), erfolgte, kann eine Anfechtungsklage nicht mit Erfolg gestützt werden.

Diese Einwände sind zu berücksichtigen, auch wenn sie erst in der Beschwerdebegründung ausdrücklich angesprochen sind. Es genügt, wenn die Gründe, auf welche die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses gestützt wird, innerhalb der Ausschlussfrist des § 246 AktG in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern in den Rechtsstreit eingeführt werden (BGHZ 32, 318, 323; BGH NJW 1966, 2055; 1993, 400, 404; MüKo-Hüffer, 2. Auflage, § 246 Rn. 41; Hüffer, AktG, 5. Auflage, § 246 Rn. 26). Dies ist hier der Fall. Bereits in der Klageschrift wurde die Erfüllung der Mitteilungspflicht sowie der daraus abzuleitenden Folgen unter Angabe sämtlichen relevanten Tatsachenstoffes dem Grunde nach problematisiert.

Gemäß § 20 Abs. 7 AktG durfte der Hauptaktionär bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Mitteilung über seine Mehrheitsbeteiligung die ihm hieraus erwachsenen Rechte nicht ausüben, wobei von diesem Ausschluss ausnahmslos alle Rechte des Aktionärs erfasst werden (MüKo-Bayer, AktG, 2. Auflage, München 2000, § 20 Rn. 45; Hüffer, aaO § 20 Rn. 12). Damit war er vor dem 30.01.2003 weder zur wirksamen Beantragung der gerichtlichen Bestellung eines Abschlussprüfers noch dazu befugt, die Einberufung der Hauptversammlung zu verlangen. In Bezug auf das Einberufungsverlangen kommt noch hinzu, dass gem. § 327 a AktG die Voraussetzung der qualifizierten Mehrheit bereits zum Zeitpunkt des Verlangens gegeben sein muss (Hüffer aaO § 327 a Rn. 8, 11; Habersack, aaO § 327 a Rn. 18 f).

aa)

Soweit sich die Rüge des Antragsgegners gegen die Wirksamkeit der gerichtlichen Bestellung des Sachverständigen wendet, ist der Einwand im vorliegenden Verfahren unbeachtlich. Der Beschluss des Landgerichts vom 10.12.2002 stellt die allein maßgebliche Grundlage für die Bestellung des Sachverständigen dar, dessen Rechtmäßigkeit und Richtigkeit im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu überprüfen ist. Über die Verweisung des § 327 c II S. 3 AktG auf § 293 c AktG folgt, dass diese Bestellung den Verfahrensgrundsätzen der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegt (Hüffer, aaO § 293 c Rn. 4), die als Rechtsmittel gegen die getroffene gerichtliche Entscheidung die sofortige Beschwerde gem. § 20 FGG vorsieht (Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 2003, § 293 Rn. 11). Etwaige Mängel der gerichtlichen Sachverständigenbestellung können nur mit dem vorgenannten Rechtsmittel verfolgt werden, was vorliegend - soweit erkennbar - nicht geschehen ist (ebenso für den Fall des § 122 III AktG: OLG Düsseldorf, ZIP 1997, 1153, 1159).

Im übrigen ist die parallele Prüfung der Barabfindung durch den Hauptaktionär und Sachverständigen entgegen der Annahme des Antragsgegners ( unter Hinweis auf: Puszkajler, ZIP 2002, 518, 521) nur dann bedenklich, wenn konkrete Hinweise auf die Beeinflussbarkeit des Abfindungsprüfers gegeben sind; solche liegen hier aber nicht vor. Vielmehr hat der Sachverständige den Bericht des Hauptaktionärs offen in seine Überprüfung mit einbezogen.

bb)

Soweit es um das Übernahmeverlangen als formale Voraussetzung für die Beschlussfassung geht (Emmerich/Habesack aaO Rn. 19 spricht von ihrem "korporationsrechtlichen Charakter"), ist dieses an keine bestimmte Form gebunden (Emmerich/Habersack, aaO). Es kann daher auch noch in dem weiteren Betreiben des Verfahrens durch den Hauptaktionär gesehen werden, wie es in der Übersendung des Übertragungsberichtes und der Mitteilung vom 30.01.2003 geschehen ist.

cc)

Soweit es die Einberufung der Hauptversammlung betrifft, war der Vorstand der Antragstellerin hierzu aufgrund des - wie dargelegt - unzulässigen Verlangens ihres Hauptaktionärs am 16.01.2003 (noch) nicht befugt. Es wird nicht verkannt, dass ein solcher Einberufungsmangel grundsätzlich gem. § 243 AktG zur Anfechtung der auf diese Weise zustande gekommenen Beschlüsse berechtigen kann (MüKo-Hüffer, aaO, § 243 Rn. 32; Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4, 2. Auflage, München 1999, 3 41 Rn. 27; Emmerich-Habersack, aaO, § 327 f, Rn. 19). Dies bedeutet aber nicht, dass ein solcher Verstoß gegen Verfahrensvorschriften unabhängig von seiner Relevanz für den nachfolgend getroffenen Beschluss in jedem Falle dessen Unwirksamkeit zur Folge hat. Dabei kann der von der BGH-Rechtsprechung für den Bereich der Informationsmängel favorisierte Kausalitätsgedanke (BGH NJW 1992, 2760, 2765; NJW 1993, 1976, 1983; NJW 1995, 3115, 3117) hier nicht herangezogen werden, da der vorliegende Verfahrensmangel, der vergleichbar ist mit den in §§ 121 f AktG geregelten Tatbeständen, sich nicht unmittelbar auf die Entscheidungsbildung auswirkt, sondern nur die institutionellen Voraussetzungen für die Beschlussfassung regelt (im Ergebnis ebenso: MüKo-Hüffer, aaO, § 243 Rn. 30).

Vielmehr ist in einem solchen Fall entscheidend darauf abzustellen, ob der Verstoß in seiner konkreten Erscheinungsform die mit der betroffenen Verfahrensnorm geschützten Interessen aller Teilnahme- und Abstimmungsberechtigten beeinträchtigt. Kann ein solcher Eingriff in den vorgenannten Schutzzweck ausgeschlossenen werden, besteht für eine Anfechtbarkeit der Entscheidung kein Raum (im Ergebnis ebenso: OLG Düsseldorf ZIP 1997, 1153, 1160; Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, Anh § 47 Rn. 68; ähnlich: OLG Celle NJW-RR 1998, 970: "Betroffenheit des Teilnahmerechts durch unzulässige Bestimmung des Versammlungsortes").

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen ergibt sich für den zu entscheidenden Fall folgendes:

Der vorliegend gegebene Verfahrensverstoß stellt sich konkret so dar, dass der Vorstand nicht erst am 30.01.2003, als ihm die formale Mitteilung des Hauptaktionärs gemäß § 20 Abs. 1 und 4 AktG übersandt wurde, sondern bereits am 16.01.2003 die Hauptversammlung zum 25.02.2003 einberufen hat. Bei umgehender Wiederholung der Einladung nach Eingang der Mitteilung des Hauptaktionärs wäre die Einberufungsfrist des § 123 AktG von 1 Monat nicht mehr einzuhalten gewesen, der Termin hätte um wenige Tage verschoben werden müssen.

Der Sinn und Zweck der Mitteilungspflichten des § 20 AktG besteht nun darin, die betroffene Gesellschaft, die Aktionäre, Gläubiger sowie die Öffentlichkeit rechtzeitig über die bestehenden Beteiligungsverhältnisse zu informieren (MüKo-Hüffer, aaO, § 20 Rn. 1; Hüffer, AktG, § 20 Rn. 1). Die von § 327 a AktG bereits für den Zeitpunkt des Übernahmeverlangens geforderten Mehrheitsverhältnisse sollen sicherstellen, dass nur der materiell Berechtigte das Verfahren einzuleiten vermag. Schließlich dient die Einladungsfrist gem. § 123 AktG dem Dispositionsschutz der Aktionäre, die sich auf den Hauptversammlungstermin sollen hinreichend vorbereiten können (Hüffer, aaO, § 123 Rn. 1).

Die vorgenannten schutzwürdigen Interessen des Aktionärs werden durch den dargelegten, konkreten Verfahrensverstoß nicht beeinträchtigt.

In dem Übertragungsbericht des Hauptaktionärs (dort Bl. 12), in dem - wie gesagt - ebenso wie in der Übersendung der Mitteilung vom 30.01.2003 die Wiederholung des Verlangens auf Einberufung der Hauptversammlung zu sehen ist, wurden die Beteiligungsverhältnisse den inhaltlichen Anforderungen des § 20 Abs. 1 und 4 AktG entsprechend dargestellt. Gleiches geschah - davon ist mangels gegenteiligen Vortrages auszugehen - in dem Einladungsschreiben des Vorstandes, der im Entwurf ebenfalls Bestandteil des Übertragungsberichtes ist. Es mag an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob angesichts des Umstandes, dass der Bericht von den Vertretungsberechtigten des Hauptaktionärs eigenhändig unterschrieben ist, dieser auch formal den Voraussetzungen einer wirksamen Mitteilung im Sinne des § 20 AktG entspricht. Festzuhalten bleibt, dass mit dem Übersendung des Übertragungsberichtes an den Vorstand sowie der Einladung verbunden mit der dort aufgezeigten Möglichkeit für alle Aktionäre, die relevanten Urkunden einsehen zu können, dem von der o.g. Norm geschützten Informationsinteresse der Gesellschaft wie auch der Aktionäre hinreichend genüge getan wurde. Dadurch, dass diesen die Informationsmöglichkeiten ab dem Zeitpunkt der Einladung eingeräumt wurden, hatten alle an der Entscheidung Beteiligten überdies in der vom Gesetz festgelegten Frist hinreichende Gelegenheit, alle für die Willensbildung notwendigen Umstände umfassend zu prüfen.

d)

Ohne Erfolg beruft sich der Antragsgegner auch auf den geltend gemachten Bekanntmachungsfehler. Nach der Neufassung des § 25 AktG zum 01.01.2003 ist die Bekanntmachung als sog. Pflichtmitteilung im elektronischen Bundesanzeiger zulässig, wenn die Satzung - wie hier in § 3 - lediglich von der Bekanntmachung "im Bundesanzeiger" ausgeht (ebenso: Oppermann ZIP 2003, 793, 795; Groß DB 2003, 867, 869; aA Mimberg ZGR 2003, 21 ff: Bekanntmachung nur in der gedruckten Ausgabe). Diese an § 25 AktG a.F. orientierte Formulierung spricht dafür, dass die Beteiligten keine der dort eingeräumten anderweitigen Veröffentlichungsmöglichkeiten bestimmen, sondern sich allein (quasi im Wege einer dynamischen Bezugnahme) an der Grundregel des (jeweiligen) Gesetzes orientieren wollten.

e)

Die Antragstellerin ist auch ihren gem. §§ 327 d, 131 AktG auferlegten Auskunftspflichten hinreichend nachgekommen.

aa)

Die von dem Antragsgegner als nicht hinreichend beantwortet beanstandeten beiden Fragen beziehen sich insgesamt auf Umstände, die für die Bewertung der Gesellschaftsanteile von Bedeutung sind. Die Verletzung derartiger Informationspflichten können im Wege der Anfechtungsklage nicht geltend gemacht werden.

Es ist streitig, ob etwaige Informationsdefizite überhaupt Gegenstand des Anfechtungsverfahrens sein können (so Hüffer, aaO § 327 f Rn. 2; Grunewald ZIP 2002, 18, 21; Henze ZIP 2002, 97, 108; wohl auch: LG Frankfurt aM DB 2003, 1726, 1727), oder ob dahingehende Pflichtverletzungen ausschließlich im Spruchstellenverfahren geltend zu machen sind (Vetter DB 2001, 743, 746 und AG 2002, 176, 189 f; für das UmwG: BGH Z 146, 179, 182ff; DB 2001, 472, 472).

Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung und hält insbesondere die zum Umwandlungsgesetz ergangene Rechtsprechung ebenfalls auf die vorliegende Konstellation für anwendbar. Ziel des Gesetzes ist es beim Umwandlungsverfahren wie auch beim Squeezeout mit der Einführung des Spruchstellenverfahrens ein Scheitern der Beschlussfassung wegen einer Verletzung von Informations-, Auskunfts- und Berichtspflichten bezüglich der Unternehmensbewertung und eine Blockade des Vollzugs der beschlossenen Maßnahme durch eine hierauf gestützte Klage zu vermeiden. In beiden Verfahren geht es - wie insbesondere auch die Beschwerdebegründung des Antragsgegners zeigt - wesentlich um die Höhe der Entschädigung ausscheidender Aktionäre im Wege der zu bestimmenden Barabfindung. Im Ergebnis kommt aber eine fehlerhafte Information über einen wertrelevanten Gesichtspunkt einer fehlerhaften Barabfindung gleich (BGH Z 146, 179, 186, 187). Eine Anfechtung wird daher in einem solchen Fall auch den Interessen des Aktionärs nicht gerecht, da dieses Verfahren nur zu einer Kassation der Entscheidung führen kann, nicht hingegen zu einer Anpassung der Barabfindung (BGH NJW 2003, 1032 ff).

bb)

Mit dem Landgericht ist aber auch davon auszugehen, dass die Antragstellerin ihrer Informationspflicht ordnungsgemäß nachgekommen ist.

Eine Auskunft im Sinne des § 131 AktG hat sich allein auf die Angelegenheiten der Gesellschaft und auf all das zu beziehen, was zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist (Hüffer, aaO § 131 Rn. 11f).

Die von dem Antragsgegner als nicht beantwortet monierten beiden Fragen dienten allein der Bestimmung der Liquidität des Hauptaktionärs. Dieser Umstand kann nicht Gegenstand des Verfahrens gem. § 327 a ff GmbHG sein, da er außerhalb der Sphäre der Gesellschaft selbst liegt.

In Bezug auf die begehrten Auskünfte zum letzten Jahresabschluss der Fa. A. und Co gilt darüber hinaus, dass § 327 c III Nr. 2 AktG lediglich die Auslage der drei letzten Jahresabschlüsse der Gesellschaft selbst verlangt. Das Gesetz verpflichtet den Hauptaktionär hingegen weder zu Auskünften gegenüber der Hauptversammlung noch gegenüber der Aktiengesellschaft (Grunewald, ZIP 2002, 18, 19 f; Vetter AG 2002, 176, 186).

Im übrigen kann insoweit auf die Ausführungen des Landgerichts im Nichtabhilfebeschluss vom 29.07.2003 verwiesen werden.

f)

Soweit vereinzelt in der Literatur verlangt wird, dass der den Squeezeout betreibende Aktionär zumindest eine Aktie unmittelbar selbst halten muss (Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, München 2003, § 327a AktG, Rn. 17), ist dem nicht zu folgen. Nimmt man die Verweisung in §§ 327 a II auf 16 II und IV AktG konsequent vor und berücksichtigt man weiterhin die hier im Vordergrund stehende wirtschaftliche Betrachtungsweise, wird eine unmittelbare Beteiligung nicht zu verlangen sein (Fleischer ZGR 2002, 757, 775; Sieger/Hasselbach, ZGR 2002, 121, 134). Die gegenteilige Auffassung liefe letztlich auf einen reinen Formalismus hinaus, wonach der Hauptaktionär vor dem Antrag eine einzige Aktie erwerben müsste, um die formalen Voraussetzungen zu erfüllen. Diese Auffassung kommt auch im Regierungsentwurf zu den §§ 327 a ff AktG(BT-Drucksache 14/7034 S. 72) zum Ausdruck, wenn es dort heißt: "Das aufwändige, wirtschaftlich aber unsinnige "Umhängen" von Beteiligungen um die formalen Voraussetzungen für das Squeezeout zu schaffen, solle vermieden werden".

Nach allem hat die erhobene Nichtigkeits- und keine Aussicht auf Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Beschwerdewert wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt (§§ 20 Abs. 1 GKG, 3 ZPO).






OLG Köln:
Beschluss v. 06.10.2003
Az: 18 W 36/03


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