Kammergericht:
Beschluss vom 19. Juni 2007
Aktenzeichen: 9 W 75/07
(KG: Beschluss v. 19.06.2007, Az.: 9 W 75/07)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 4. April 2007 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 27. März 2007 (27 O 273/07) wird auf dessen Kosten bei einem Beschwerdewert von 10.000,00 Euro zurückgewiesen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Der Antragsteller hat gegen den Antragsgegner keinen Anspruch analog § 1004 Absatz 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 823 Absatz 1 BGB, Art. 1 Absatz 1, 2 Absatz 1 GG auf Unterlassung der angegriffenen Berichterstattung.
Zwar beinhaltet das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht, in gewählter Anonymität zu bleiben und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen (BGH NJW-RR2007, 619), auch dieses Grundrecht wird jedoch nicht grenzenlos gewährt. Vielmehr können im Einzelfall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und die Meinungsfreiheit Vorrang haben, was hier der Fall ist.
1. Die Berichterstattung des Antragsgegners betraf die berufliche Tätigkeit des Antragstellers und damit dessen Sozialsphäre.
Diese umfasst den jenseits des Privaten liegenden Bereich der Person, der nach außen so in Erscheinung tritt, dass er grundsätzlich von jedem, jedenfalls aber auch von Menschen wahrgenommen werden kann, zu denen keine rein persönlichen Beziehungen bestehen, der aber der Öffentlichkeit nicht bewusst zugekehrt ist (Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap: 5, Rn. 65).
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Antragsteller in dem angegriffenen Bericht einen Rechtsstreit referiert, in dem der Antragsteller gegen den Autor eines in einer Zeitung veröffentlichten Artikels vorging. Dieser Artikel beschäftigte sich nämlich gerade mit dem Auftreten des Antragstellers als Rechtsanwalt vor Gericht in einem Rechtsstreit, in dem es wiederum um die Zulässigkeit von Textpassagen in einem Buch über einen bekannten Privatbankier ging. Damit thematisiert der Antragsgegner in seinem Bericht das Spannungsverhältnis zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht und informiert anhand einer konkreten juristischen Auseinandersetzung zwischen einem Autor einer Zeitung einerseits und dem von dessen Berichterstattung betroffenen Rechtsanwalt andererseits über die Grenzen einer öffentlichen, kritischen und satirischen Berichterstattung über die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes vor Gericht.
Eine derartige Auseinandersetzung mit dem Auftreten des Antragstellers in dessen Sozialsphäre muss der Antragsteller grundsätzlich hinnehmen.
Äußerungen zu der Sozialsphäre desjenigen, über den berichtet wird, dürfen nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind. Tritt der Einzelne als ein in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen, wirkt er durch sein Verhalten auf andere ein und berührt er dadurch die persönliche Sphäre von Mitmenschen oder Belange des Gemeinschaftslebens, dann ergibt sich auf Grund des Sozialbezuges nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG eine Einschränkung des Bestimmungsrechts desjenigen, über den berichtet wird" (BGH NJW-RR 2007, 619). Der Einzelne muss sich in diesem Bereich von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit hier für andere hat, einstellen und setzt sich damit auch der Kritik an seinen Leistungen aus (BGH a.a.O.).
Anhaltspunkte für eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung durch den Internetauftritt des Antragsgegners lassen sich vorliegend nicht finden.
Hierbei war auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem zitierten Artikel um eine satirische Darstellung der Person des Antragstellers handelte, die ersichtlich nicht für sich in Anspruch nimmt, den Gang der Verhandlung und das Verhalten des Antragstellers ernsthaft, detailgetreu und vollständig wiederzugeben.
Hinzukommt schließlich, dass eine öffentliche Kritik des Antragstellers als Rechtsanwalt nicht zuletzt Ausfluss des (auch) den Zivilprozess beherrschenden
Öffentlichkeitsgrundsatzes (§ 169 GVG) ist und der Antragsteller im Rahmen dessen selbst eine satirische Kritik an seiner Tätigkeit als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) hinzunehmen hat.
2. Der Antragsgegner kann sich demgegenüber auf seine grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit (Art. 5 Absatz 1 Satz 1 GG) berufen.
Gerade der Meinungsfreiheit, der das BVerfG wegen ihrer herausragenden Bedeutung für die menschliche Persönlichkeit und die demokratische Staatsordnung seit jeher einen besonders hohen Rang zuerkennt (BVerfG NJW 1991, 2339), muss hier bei der Abwägung mit den anderen Rechtsgütern ein höheres Gewicht eingeräumt werden. Dies gilt insbesondere bei Äußerungen, die nicht im privaten Interesse, sondern in Öffentlichen Angelegenheiten gemacht werden. Hier spricht bereits eine Vermutung zugunsten der Redefreiheit; an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik dürfen keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (BVerfG a.a.O.). Ebenso wenig ist die geäußerte Meinung selbst hierbei einer inhaltlichen Wertung zu unterziehen.
Der Antragsgegner betreibt eine Internetseite, auf der er über die Rechtsprechung einschließlich der mündlichen Verhandlungen (insbesondere) des Landgerichts Hamburg sowie des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Pressesachen berichtet, diese auswertet und referiert. Damit übt er öffentliche Kritik an der Rechtsprechung dieser Gerichte. Dieses Bemühen des Antragsgegners um eine öffentliche Beschäftigung mit der Tätigkeit dieser Gerichte ist hinzunehmen. Ersichtlich nimmt der Antragsgegner hierbei für sich in Anspruch, sein Anliegen auch im öffentlichen Interesse und zur Einflussnahme auf die öffentliche Meinung zu verfolgen, mag dies in der breiten Öffentlichkeit auch nur in relativ geringem Maße Resonanz finden. Jedenfalls ist die vom Antragsgegner auf seiner Internetseite Geführte öffentliche Darstellung und Diskussion der Rechtsprechungstätigkeit insbesondere des Landgerichts Hamburg sowie des Hanseatischen Oberlandesgerichts) in Pressesachen als adäquates Mittel für die Durchsetzung der eigenen Meinung in der geistigen Auseinandersetzung von Art. 5 Absatz 1 Satz 1 GG gedeckt.
Im Rahmen einer solchen vom Antragsgegner betriebenen Auseinandersetzung, was auch das Auftreten und Handeln der einzelnen Prozessbeteiligten in den mündlichen Verhandlungen einschließt, ist es deshalb zulässig, auch unter namentlicher Nennung das Bemühen eines betroffenen Rechtsanwaltes darzustellen, eine .kritisch-satirische Berichterstattung über das Prozessverhalten der Beteiligten mit juristischen Mitteln zu verhindern. Gerade um die Darstellung des Beispielsfalles hierbei plastisch und nachvollziehbar zu machen, war es hierbei auch gerechtfertigt, den Inhalt des Zeitungsartikels, der den Anlass für den Rechtsstreit, über den der Antragsgegner berichtet hat, bildet, zu zitieren, mögen hierdurch auch die vom Antragsteller dem Autor gegenüber beanstandeten und durch das Gericht dem dortigen Prozessgegner untersagten Äußerungen im Wortlaut wiedergegeben werden. Der Bericht des Antragsgegners über die mündliche Verhandlung in dem Rechtsstreit zwischen dem Antragsteller und dem Autor des Zeitungsartikels wäre nicht verständlich, würde der Inhalt des Zeitungsartikels nicht wiedergegeben.
So ist der Bericht des Antragsgegners nicht lediglich ein Vorwand, um die beanstandeten Äußerungen aus dem Zeitungsartikel öffentlich erneut zu wiederholen.
3. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Verbreitung eines Teils dieser Äußerungen als Schmähkritik gerichtlich untersagt worden sind, denn der wiedergegebene Zeitungsartikel ist als subjektive Äußerung eines Dritten erkennbar.
Zwar kann auch in der Wiedergabe der Aussage eines Dritten eine eigene Äußerung des Zitierenden liegen, wenn er sich den Inhalt der fremden Äußerung erkennbar zu eigen macht (BGH NJW 1997; BVerfG NJW 2004, 590). Auch ist dies regelmäßig dann anzunehmen, wenn es an einer eigenen und ernsthaften Distanzierung fehlt (BGH NJW 1996, 1131; NJW 1997, 1148). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Aus dem Inhalt des Berichtes des Antragsgegner sowie aus der äußeren Gestaltung wird vorliegend hinreichend erkennbar, dass sich der Antragsgegner die wiedergegebenen Textpassagen nicht zu eigen gemacht hat. Dem Antragsgegner ging es erkennbar allein darum, Anlass und Entwicklung des Rechtsstreits zwischen dem Antragsteller und dem Autor des Zeitungsartikels zu dokumentieren, ohne die angegriffenen Äußerungen selbst einer eigenen Wertung zu unterziehen. So lässt der Bericht des Antragsgegners keine Billigung der wiedergegebenen Fremdäußerung erkennen. Es wird deutlich gemacht, dass der in dem Rechtsstreit zwischen dem Antragsteller und dem Autor streitige Zeitungsartikel wiedergegeben und damit allein der Anlass dieses Rechtsstreits dokumentiert wird. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsgegner der in diesem Artikel geäußerten Meinung beipflichtet. Die Äußerungen werden nicht etwa in einen eigenen Gedankengang eingefügt, so dass dadurch eine Aussage des Antragsgegners bekräftigt werden würde (vgl. BGH NJW 1976, 1198).
Letztlich macht der Antragsgegner dies auch äußerlich dadurch deutlich, dass er sich am Ende der Wiedergabe des Zeitungsartikels von den verbotenen (rot gekennzeichneten) Textpassagen ausdrücklich distanziert.
KG:
Beschluss v. 19.06.2007
Az: 9 W 75/07
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/cbacc6b67628/KG_Beschluss_vom_19-Juni-2007_Az_9-W-75-07