Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Januar 2011
Aktenzeichen: 12 W (pat) 304/06

(BPatG: Beschluss v. 20.01.2011, Az.: 12 W (pat) 304/06)

Tenor

Das Patent 103 61 520 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2011, Beschreibung unter Austausch der Seiten 3/7 und 4/7 durch die in der mündlichen Verhandlung eingereichten neuen Seiten 3/7 und 4/7 sowie Zeichnungen (Figuren 1 und 2) gemäß Patentschrift.

Gründe

I Gegen das am 23. Dezember 2003 angemeldete Patent 103 61 520 mit der Bezeichnung

"Verfahren zur Vermeidung von Verstopfungen der Durchflusswege eines Separators", dessen Erteilung am 8. September 2005 veröffentlicht wurde, hat die Einsprechende am 8. Dezember 2005 Einspruch erhoben.

Der Einspruch wird darauf gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei, da ihm Neuheit und erfinderische Tätigkeit fehlten.

Die Einsprechende verweist auf die folgenden Druckschriften:

E1) WO 86/03431 A1, E2) DE1657270A, E4) US4151950A, E5) DE1900592A, E6) DE 36 01 814 A1, E7) DE 101 35 073 C2.

Sie macht weiter geltend, der Gegenstand des Patents sei offenkundig vorbenutzt. Sie legt dazu die folgenden Dokumente vor und benennt M... und P... als Zeugen:

E3a) Dairy processing handbook, Tetra Pak Processing Systems AB, 1995, Kapitel 6.2, Seiten 98 und 104 bis 110, E3b) Affidavit Rolf Mansson vom 5.12.2005 mit ergänzenden Erläuterungen vom 19.12.2006, Anlage:

Application Handbook Cold Milk Separation, Alfa Laval Separation AB, Abschnitt 1.4, Seiten 1(3) bis 3(3), E3c) Affidavit Dave Preece vom 5.12.2005, Anlage 1: Application Handbook Cold Milk Separation, Alfa Laval Separation AB, Abschnitt 1.4, Seiten 1(4) -4(4), Anlage 2: Fax an McClunie Birch Ltd vom 8.12.1999, 5 Seiten, Anlage 3:

Flussdiagramme für Anchor Products Ltd vom 27.3.1995, 6 Seiten, Anlage 4:

Beschreibung "Cold Milk Separation Control"

für Alpine Dairy Products vom 25.6.1996, 3 Seiten.

Im Prüfungsverfahren waren neben der E7 = P1 und der E6 = P2 (im Prüfungsverfahren jedoch anstelle der Offenlegungsschrift A1 die Patentschrift C2) die folgenden Druckschriften in Betracht gezogen worden:

P3) US 2 717 119, P4) DE 100 36 085 C1, P5) EP 0 427 750 B1, P6) DE 44 07 061 C2, P7) DE 200 10 743 U1.

In der Anmeldung waren zum Stand der Technik neben der E7 = P1 = VAG 4 und der P4 = VAG 1 die folgenden Druckschriften genannt:

VAG 2) DE 198 07 294 A1, VAG 3) DE 198 20 870 A1.

Vom Senat wurde mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung noch die folgende Druckschrift in das Verfahren eingeführt:

E8) DE1075503B.

Die Einsprechende vertritt die Auffassung, der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents beruhe gegenüber einer Zusammenschau der E7 und der E8 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Sie beantragt, das Patent vollständig zu widerrufen, Die Patentinhaberin widerspricht dem Vorbringen der Einsprechenden.

Sie beantragt zuletzt, das Patent mit den im Tenor genannten Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten.

Der nunmehr geltende Patentanspruch 1 lautet:

Verfahren zur Vermeidung von Verstopfungen der Durchflusswege eines Separators bei der Verarbeitung eines fetthaltigen Ausgangsproduktes, bei welchem Kaltmilch mit einer Temperatur von 2 -15¡C, insbesondere 4 -10¡C, in Rahm mit einem Fettgehalt von 28 -45 % und Magermilch getrennt wird, mit folgenden Schritten:

a) zum Erkennen einer drohenden Verstopfung wird die Konzentration des Fettgehaltes einer ablaufenden Produktphase ermittelt; und b) beim Erreichen oder Überschreiten eines vorgegebenen Fettgehaltgrenzwertes wird durch eine Veränderung der Betriebsparameter die Trennzone in der Separatortrommel zum Verhindern einer Verstopfung über einen vorgegebenen Mindestzeitraum hinweg nach innen verschoben, wozu eine Erhöhung der Zulaufleistung innerhalb eines Zeitraumes von 5 -60 sec um 5 -40 % erfolgt.

Dem schließen sich die Ansprüche 2 bis 5 als direkt oder indirekt auf den Anspruch 1 rückbezogene Unteransprüche an.

Sie lauten:

2.

Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Ermittlung des Fettgehalts mittels eines Masse-Durchflussmessers erfolgt.

3.

Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass ein Masse-Durchflußmesser mit einem separaten Dichteausgang bei der Ermittlung des Fettgehaltes verwendet wird.

4.

Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Zulaufleistung innerhalb eines Zeitraumes von 5 -20 sec, erhöht wird.

5.

Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Zulaufleistung um 5 -20 % erhöht wird.

II 1) Der Einspruch ist zulässig. Er wurde fristund formgerecht erhoben und hinsichtlich der Behauptung der Einsprechenden, dass der in § 21 PatG genannte Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit vorliege, mit einer nachprüfbaren Begründung versehen. Der Einspruch führt zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents gemäß dem Antrag der Patentinhaberin.

2) Der geltende Anspruch 1 lässt sich wie folgt gliedern:

Verfahren zur Vermeidung von Verstopfungen der Durchflusswege eines Separators bei der Verarbeitung eines fetthaltigen Ausgangsproduktes, bei welchem Kaltmilch mit einer Temperatur von 2 -15¡C, 3) Als Fachmann ist vorliegend ein Maschinenbauingenieur (FH) der Fachrichtung Verfahrenstechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung im Bereich der Entwicklung und des Betriebs von Separatoren zur Milchverarbeitung angesprochen.

insbesondere 4 -10¡C, in Rahm mit einem Fettgehalt von 28 -45 %

und Magermilch getrennt wird, mit folgenden Schritten:

a) zum Erkennen einer drohenden Verstopfung wird die Konzentration des Fettgehaltes einer ablaufenden Produktphase ermittelt; undb) beim Erreichen oder Überschreiten eines vorgegebenen Fettgehaltgrenzwertesb1) wird zum Verhindern einer Verstopfungdurch eine Veränderung der Betriebsparameterüber einen vorgegebenen Mindestzeitraum hinwegb2) die Trennzone in der Separatortrommel nach innen verschoben, b3) wozu eine Erhöhung der Zulaufleistung innerhalb eines Zeitraumes von 5 -60 sec um 5 -40 % erfolgt.

4) Zum Verständnis des Patents Milch wird bei der Verarbeitung mittels Zentrifugen/Separatoren in Magermilch und Rahm mit einem möglichst hohen Fettgehalt von bis zu 45 % getrennt. Erfolgt das Trennen der Milch in kaltem Zustand, so neigt die Rahmphase zur Ausbildung einer butterartigen Konsistenz und führt dann zur Verstopfung der Durchflusswege im Separator, insbesondere des Rahmablaufs (Patentschrift, Absätze 0007 und 0016).

Nach dem im Patent genannten Stand der Technik müssen bei einer solchen Blockade die Verstopfungen durch Zufuhr von Heißwasser aufgelöst werden, was zu Produktverlusten führt (Patentschrift, Absatz 0008).

Vor diesem Hintergrund liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zu schaffen, mit dem drohende Verstopfungen der Durchflusswege im Separator frühzeitig erkannt und (ohne Zufuhr von Heißwasser) vermieden werden können (Patentschrift, Absatz 0009).

Dies erfolgt erfindungsgemäß bei einem Verfahren gemäß dem Merkmal 1 des geltenden Anspruchs 1 durch die in den Merkmalen a bis b3 angegebenen Maßnahmen.

5) Die geltenden Ansprüche sind zulässig.

Der geltende Anspruch 1 ist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 beschränkt. Seine Merkmale ergeben sich aus den erteilten Ansprüchen 1, 3, 4, 9 und 11, sowie aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 3, 4, 10 und 12. Die Merkmale der geltenden Unteransprüche 2, 4 und 5 ergeben sich aus den erteilten Ansprüchen 5, 10 und 12 sowie aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 5, 12 und 14. Der in der erteilten Fassung der Ansprüche nicht enthaltene geltende Unteranspruch 3 gestaltet die Lehre des gegenüber dem erteilten Anspruch 1 beschränkten geltenden Anspruchs 1 in zweckmäßiger Weise aus, ohne sie zu verlassen. Seine Merkmale ergeben sich aus der Patentbeschreibung, Absatz 0019, sowie aus dem ursprünglich eingereichten Anspruch 7.

6) Der im Patent ausführbar offenbarte und zweifelsfrei gewerblich anwendbare Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu gemäß § 3 PatG.

Keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen offenbart ein Verfahren zur Vermeidung von Verstopfungen der Durchflusswege eines Separators bei der Trennung von Kaltmilch in Rahm und Magermilch, bei dem zum Verhindern einer Verstopfung eine Erhöhung der Zulaufleistung entsprechend dem Merkmal b3 erfolgt.

7) Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit gemäß § 4 PatG.

Die Druckschrift E8 offenbart ein Verfahren zur Vermeidung von Verstopfungen der Durchflusswege eines Separators bei der Trennung von Kaltmilch in Rahm und Magermilch, das auch hinsichtlich der genannten Temperaturund Fettgehaltswerte im Wesentlichen dem Merkmal 1 des geltenden Anspruchs 1 entspricht, siehe dazu die E8, Spalte 1, Zeilen 1 bis 33, und Spalte 4, Zeilen 9 bis 37. Gemäß E8 ist vorgesehen, durch vorübergehendes Drosseln eines Einlasses oder Auslasses der Zentrifuge einen Druckstoß zu erzeugen, der im Inneren der Zentrifuge dort gebildete Ablagerungen löst, siehe Spalte 1, Zeile 49, bis Spalte 2, Zeile 31, sowie die Ansprüche 1 bis 3. Es erfolgt also zum Verhindern einer Verstopfung eine Veränderung der Betriebsparameter entsprechend dem Merkmal b1.

E8 offenbart jedoch nicht, diese Veränderung der Betriebsparameter entsprechend den Merkmalen a und b bedarfsabhängig beim Erreichen oder Überschreiten eines vorgegebenen Grenzwertes für den Fettgehalt einer ablaufenden Produktphase vorzunehmen. Gemäß E8 ist vielmehr eine periodische Erzeugung von Druckstößen vorgesehen, siehe Spalte 4, Zeilen 23 bis 45. E8 offenbart weiterhin auch keine Erhöhung der Zulaufleistung entsprechend dem Merkmal b3. Gemäß E8 ist vielmehr ein Drosseln eines Einlasses oder Auslasses der Zentrifuge vorgesehen, wodurch im Fall des Drosselns des Einlasses zwar die Zulaufleistung verändert wird, aber nicht erhöht, sondern verringert. Die Einsprechende hat hierzu die Auffassung vertreten, die in E8 offenbarte vorübergehende Verringerung der Zulaufleistung durch Drosselung des Einlasses könne gedanklich zerlegt werden in einen Abfall der Zulaufleistung und einen darauffolgenden Anstieg der Zulaufleistung auf den Wert vor Beginn der Drosselung, und dieser Anstieg sei eine Erhöhung der Zulaufleistung im Sinne des Merkmals b3 des Anspruchs 1. Dies entspricht jedoch nicht dem, was der Fachmann der E8 entnimmt, da eine vorübergehende Drosselung des Einlasses insgesamt nicht eine Erhöhung, sondern eine Verringerung der Zulaufleistung gegenüber der Zulaufleistung ohne Drosselung ergibt.

Da die E8 zumindest die Merkmale a, b und b3 nicht offenbart, kann dahinstehen, ob durch das gemäß E8 vorgesehene zeitweise Drosseln eines Einlasses oder Auslasses eine Verschiebung der Trennzone in der Separatortrommel entsprechend Merkmal b2 bewirkt wird. Denn auch dann wäre der Gegenstand gemäß dem geltenden Anspruch 1 nicht durch die Lehre der E8 nahegelegt.

Die bereits im Prüfungsverfahren in Betracht gezogene E7 offenbart ein weiteres Verfahren zur Vermeidung von Verstopfungen der Durchflusswege eines Separators bei der Trennung von Milch in Rahm und Magermilch, das -bis auf die im geltenden Anspruch 1 genannten Temperaturund Fettgehaltswerte -dem Merkmal 1 des geltenden Anspruchs 1 entspricht, siehe dazu in E7 die Absätze 0001 und 0002 sowie den Anspruch 1. E7 offenbart auch, das Verfahren entsprechend den Merkmalen a und b des geltenden Anspruchs 1 bedarfsabhängig beim Erreichen oder Überschreiten eines vorgegebenen Grenzwertes für den Fettgehalt einer ablaufenden Produktphase durchzuführen, siehe in E7 den Anspruch 1.

Gemäß E7 soll jedoch im Bedarfsfall nicht etwa eine Veränderung der Betriebsparameter erfolgen, sondern der Betrieb unterbrochen und eine Leerung oder eine CIP (Cleaning in Place) der Zentrifuge durchgeführt werden, siehe in E7 den Anspruch 1. E7 offenbart somit nicht die Merkmale b1, b2 und b3 des geltenden Anspruchs 1.

Selbst wenn also der Fachmann die Lehren der E7 und E8 kombiniert hätte und das in E8 offenbarte Verfahren zur Vermeidung von Verstopfungen eines Separators dementsprechend nicht gemäß E8 periodisch, sondern gemäß E7 bedarfsabhängig beim Erreichen oder Überschreiten eines vorgegebenen Grenzwertes für den Fettgehalt einer ablaufenden Produktphase durchgeführt hätte, wäre er somit nicht zum Merkmal b3 des geltenden Anspruchs 1 gelangt. Denn die von E8 zur Vermeidung von Verstopfungen vorgeschlagene vorübergehende Verringerung der Zulaufleistung durch Drosselung des Einlasses der Zentrifuge konnte dem Fachmann nicht nahelegen, zum Erzielen derselben Wirkung gerade das Gegenteil zu tun, nämlich -wie vom Merkmal b3 des geltenden Anspruchs 1 verlangt -die Zulaufleistung zu erhöhen.

Das Merkmal b3 des geltenden Anspruchs 1 wird auch durch die zu den behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen vorgelegten Dokumente zu E3a bis E3c weder offenbart noch nahegelegt. Es bestand daher kein Anlass, der Frage nachzugehen, ob die in diesen Dokumenten beschriebenen Verfahren durch Vorbenutzung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

Die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen weiter ab und haben auch in der mündlichen Verhandlung zu Recht keine Rolle gespielt.

8) Die geltenden Unteransprüche 2 bis 5 werden vom Anspruch 1 mitgetragen.

Dr. Ipfelkofer Bayer Schlenk Dr. Krüger Me






BPatG:
Beschluss v. 20.01.2011
Az: 12 W (pat) 304/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/cbcb8a2fcfb2/BPatG_Beschluss_vom_20-Januar-2011_Az_12-W-pat-304-06




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share