Oberlandesgericht Celle:
Beschluss vom 13. August 2012
Aktenzeichen: 2 Ws 195/12
(OLG Celle: Beschluss v. 13.08.2012, Az.: 2 Ws 195/12)
Tenor
Die Beschwerden werden verworfen.
Die Beschwerdeführer tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Dannenberg hat die Angeklagte mit Strafbefehl vom 18.11.2008 wegen Hausfriedensbruchs und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte anlässlich einer Demonstration vor dem Gelände des Atommüllzwischenlagers in G. am 29.07.2008 zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt. Hiergegen hat die Angeklagte Einspruch eingelegt.
In der Hauptverhandlung über den Einspruch hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 13.09.2010 den Beteiligten als Rechtsbeistand der Angeklagten nach § 138 Abs. 2 StPO zugelassen. Mit Beschluss vom 13.12.2010 hat das Amtsgericht die Zulassung mit der Begründung zurückgenommen, der Beteiligte habe sich als nicht vertrauenswürdig erwiesen. Die hiergegen gerichteten Beschwerden der Angeklagten und des Beteiligten hat das Landgericht Lüneburg verworfen.
Das Amtsgericht hat die Angeklagte am 21.03.2011 wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätze zu je 10 € verurteilt. Die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft haben gegen dieses Urteil jeweils Berufung eingelegt.
Die Angeklagte und der Beteiligte haben nunmehr beantragt, den Beteiligten erneut als Rechtsbeistand der Angeklagten zuzulassen. Die für das Berufungsverfahren der Angeklagten zuständige Strafkammer des Landgerichts Lüneburg hat den Antrag mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt. Hiergegen wenden sich die Angeklagte und der Beteiligte mit ihren Beschwerden.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerden als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Beschwerden sind zulässig, haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Das Landgericht hat den Antrag auf Zulassung des Beteiligten als Rechtsbeistand der Angeklagten zu Recht abgelehnt.
Die Zulassung eines gewählten Verteidigers als Rechtsbeistand nach § 138 Abs. 2 StPO steht nach herrschender Meinung im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (vgl. OLG Koblenz, NStZ-RR 2008, 179; Laufhütte in Karlsruher Kommentar StPO, 6. Auflage, § 138 Rdnr. 7). Dabei sind im Einzelfall die Interessen des Beschuldigten oder Angeklagten an der Verteidigung durch eine Person seines Vertrauens mit den Erfordernissen der Rechtspflege abzuwägen. Das Gericht hat zu prüfen, ob einerseits die Belange des Beschuldigten oder Angeklagten die Zulassung des Gewählten als Rechtsbeistand rechtfertigen und andererseits Belange der Rechtspflege seiner Zulassung nicht entgegenstehen (OLG Koblenz, aaO).
Strafrechtliche Vorbelastungen können durchgreifende Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der gewählten Person rechtfertigen. Zwar schließt eine völlig unbedeutende Vorstrafe die Zulassung als Rechtsbeistand nach § 138 Abs. 2 StPO nicht von vornherein aus (vgl. OLG Hamburg, NJW 19555, 644); jedoch ist es unter Berücksichtigung der Belange der Strafjustiz etwa nicht hinnehmbar, eine Person, die zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilt ist, in einem Verfahren wegen einer einschlägigen Verfehlung als Rechtsbeistand und damit als ein dem Gericht und der Staatsanwaltschaft gleichgeordnetes Organ der Rechtspflege zuzulassen (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1999, 586).
Die Vertrauenswürdigkeit des Gewählten und seine persönliche Eignung bemessen sich zudem mittelbar nach den für Rechtsanwälte geltenden berufsrechtlichen Vorschriften, zu denen u.a. auch das in § 43a Abs. 2 BRAO geregelte Sachlichkeitsgebot gehört. So bestehen nach der Rechtsprechung durchgreifende Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des gewählten Verteidigers, wenn auf Grund seiner früheren unsachlichen Äußerungen von vornherein eindeutig absehbar ist, dass der Gewählte den für einen anwaltlichen Verteidiger geltenden Verhaltensregeln nicht entsprechen kann oder will (vgl. OLG Hamm NStZ 2007, 238; OLG Koblenz, NStZ-RR 2008, 179).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Entscheidung der Kammer, die durch das Beschwerdegericht nur auf Ermessensfehler überprüft wird (vgl. OLG Hamm, aaO; Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, § 138 Rdnr. 23, jeweils mwN) nicht zu beanstanden. Ihre Einschätzung, dass der Beteiligte - unabhängig davon, ob er über die für eine Verteidigung der Angeklagten notwendige Sachkunde verfügt - als nicht hinreichend vertrauenswürdig anzusehen ist, unterliegt keinen Bedenken.
Dies beruht zum einen darauf, dass der Beteiligte bereits mehrfach wegen Hausfriedensbruchs und anderer Straftaten in Erscheinung getreten ist, mithin wegen einer Straftat, wie sie in dem vorliegenden Verfahren auch der Angeklagten zur Last gelegt wird. Das Landgericht Gießen hat den Beteiligten am 29.07.2007 wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung in 6 Fällen sowie wegen Hausfriedensbruchs zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 1 € verurteilt. Er wurde weiterhin am 04.09.2008 vom Amtsgericht Gießen wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Es kommt hinzu, dass der Beteiligte diese Vorverurteilungen gegenüber dem Amtsgericht Dannenberg in dem erstinstanzlichen Verfahren gegen die Angeklagte ebenso verschwiegen hat wie den Umstand, dass er die vom Amtsgericht Gießen gegen ihn verhängte sechsmonatige Haftstrafe während der laufenden Hauptverhandlung zu verbüßen hatte und aus diesem Grunde nicht an zwei Hauptverhandlungsterminen teilnehmen konnte. Ein vertrauenswürdiger Verteidiger hingegen hätte dem Amtsgericht seine anstehende Inhaftierung und die daraus folgende Verhinderung an der Wahrnehmung von Hauptverhandlungsterminen von sich aus mitgeteilt.
Die Einschätzung der Kammer hinsichtlich der unzureichenden Vertrauenswürdigkeit des Beteiligten wird darüber hinaus auch durch die für einen nach § 138 Abs. 2 StPO zugelassenen Rechtsbeistand mittelbar anwendbaren berufsrechtlichen Vorschriften für Rechtsanwälte gestützt. Wie ein Rechtsanwalt hat auch ein Rechtsbeistand unter Beachtung des speziellen Sachlichkeitsgebots nach § 43a Abs. 2 S. 2 BRAO sachlich und professionell vorzutragen und sich herabsetzender Äußerungen, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlass gegeben haben, zu enthalten. Da § 138 Abs. 2 StPO die Zulassung eines Rechtsbeistands als Verteidiger nur ausnahmsweise vorsieht, ist von ihm die Einhaltung der für Rechtsanwälte geltenden Verhaltensvorschriften im besonderen Maße zu verlangen (vgl. OLG Koblenz, aaO).
Mit seinem im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem Amtsgericht Dannenberg über den sachbearbeitenden Dezernenten der Staatanwaltschaft getätigten Äußerungen hat der Beteiligte das Sachlichkeitsgebot indes in eklatanter Weise verletzt. So hat er ihn in seinem Schriftsatz vom 06.12.2010 eines €ins wahnhafte reichenden Verfolgungsinteresses€ bezichtigt, ihm einen €erkennbar menschenfeindlich-autoritären Charakter€ attestiert und die Befürchtung geäußert, dass sich €die wahnhaften Persönlichkeitsmerkmale des Staatsanwalts auf den Prozess erheblichen auswirken€ würden. In ähnlich abfälliger Weise hat er sich über den für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Amtsgericht Dannenberg zuständigen Richter geäußert. In seinem Schriftsatz vom 18.12.2010 führt er u.a. aus, €€ ist die Behauptung € willkürlich und entbehrt jeder Grundlage. Gericht und Staatsanwaltschaft haben sich mit wissentlichen Falschdarstellungen diese Grundlage selbst zu schaffen versucht. ... Das Gericht zeigte sich als williger Vollstrecker der Wünsche der Staatsanwaltschaft€. Mit diesen Angriffen gegen Verfahrensbeteiligte hat der Beteiligte die Grenze zur Schmähkritik deutlich überschritten. Es ist zu besorgen, dass er bei einer (erneuten) Zulassung als Rechtsbeistand der Angeklagten auch im Berufungsverfahren nicht bereit oder in der Lage sein wird, sachlich und angemessen zu argumentieren. Ist indes absehbar, dass der gewählte Verteidiger den für einen anwaltlichen Verteidiger geltenden Verhaltensregeln nicht entsprechen wird oder kann, kommt im Interesse eines objektiv und sachlich zu führenden Verfahrens und auch im Interesse des Beschuldigten oder Angeklagten die Zulassung des gewählten Verteidigers als Rechtsbeistand nach § 138 Abs. 2 StPO nicht in Betracht (so auch OLG Hamm, aaO; OLG Koblenz, aaO).
Die Ablehnung der Zulassung des Beteiligten als Rechtsbeistand führt nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Interessen der Angeklagten. Angesichts der Tatsache, dass sie selbst in anderen Verfahren als Rechtsbeistand für Beschuldigte oder Angeklagte auftritt, und unter Berücksichtigung ihrer Schriftsätze im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Amtsgericht Dannenberg ist die Angeklagte durchaus in der Lage, sich selbst zu verteidigen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
OLG Celle:
Beschluss v. 13.08.2012
Az: 2 Ws 195/12
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