Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 13. Juni 2013
Aktenzeichen: 4 U 26/13
(OLG Hamm: Urteil v. 13.06.2013, Az.: 4 U 26/13)
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 21. November 2012 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A.
Beide Parteien vertreiben gewerbsmäßig über das Internet, und zwar u.a. über F Fahrzeugzubehör, insbesondere Fahrzeugbeleuchtungsartikel.
Der Beklagte bot auf der Internetplattform F in ihrem dortigem Shop "U" unter der Rubrik "Auto-Tuning & -Styling" den Artikel-Nr. ...# "SMD LED Nebelscheinwerfer Fiat Brava 182 H1" (AnlageK3 /Bl. 22 d.A.) an.
In der Artikelbeschreibung heißt es u.a. wie folgt:
"Im Bereich der StVZO nicht erlaubt. Eine Eintragung ist natürlich möglich, bleibt aber jedem selbst überlassen."
Ferner finden sich unter der Überschrift "Widerrufs- und Rückgabebelehrung" folgende Textpassagen:
"Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger (bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor Eingang der ersten Teillieferung) und auch nicht vor Erfüllung unserer Informationspflichten gemäß Art. 246 § 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB sowie unserer Pflichten gemäß § 312e Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246 § 3 EGBGB...
Sie sind nicht verpflichtet, im Falle des Widerrufs die durch Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung zu ersetzen, es sei denn, diese erfolgte vorsätzlich oder grob fahrlässig und Sie wurden bei Vertragsschluß in Textform darauf hingewiesen."
Die Klägerin mahnte den Beklagten deswegen mit anwaltlichen Schreiben vom 03.07.2012 (Anlage K4 /Bl. 28 d.A.) ab und forderte ihn erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 10.07.2012 sowie zur Begleichung von anwaltlichen Abmahnkosten i.H.v. 755,80 € bis zum 16.07.2012 auf.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich der Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß1. verurteilt, unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittela. es sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs in der Bundesrepublik Deutschland bei Fernabsatzverträgen im Internet für die Außenbeleuchtung von Kraftfahrzeugen geeignete Beleuchtungsartikel anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen, die in einer vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigten Bauart ausgeführt sein müssen, wenn diese nicht mit dem amtlich vorgeschriebenen Prüfzeichen gekennzeichnet sind - wie geschehen bei dem F Artikel "SMD LED Nebelscheinwerfer Fiat Brava 182 H1";b. es sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs gegenüber privaten Endverbrauchern bei Fernabsatzverträgen im Internet Autoteile und -zubehör anzubieten und dabei
i. nicht ordnungsgemäß und entsprechend der gesetzlichen Regelung über den Beginn der Widerrufsfrist zu belehren, wenn dies geschieht wie folgt: "Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger (bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor Eingang der ersten Teillieferung) und auch nicht vor Erfüllung unserer Informationspflichten gemäß Art. 246 § 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB sowie unserer Pflichten gemäß § 312e Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246 § 3 EGBGB."
ii. nicht ordnungsgemäß und entsprechend der gesetzlichen Regelung über den Wertersatz innerhalb der Widerrufsfolgen zu belehren, wenn dies geschieht wie folgt: "Sie sind nicht verpflichtet, im Falle des Widerrufs die durch Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung zu ersetzen, es sei denn, diese erfolgte vorsätzlich oder grob fahrlässig und Sie wurden bei Vertragsschluß in Textform darauf hingewiesen.";
wie geschehen im F Artikel ...#;
2. verurteilt, an die Klägerin 387,90€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.07.2012 zu zahlen.
Es hat dies wie folgt begründet:
Die Klage sei zulässig und begründet.
Das Landgericht Bochum sei gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 UWG örtlich zuständig.
Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis der Parteien sei zu bejahen.
Die Klägerin könne vom Beklagten gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 22a Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 StVZO Unterlassung in dem aus dem Tenor zu 1. a) ersichtlichen Umfang verlangen. Nach § 22a Abs. 1 Nr. 7 StVZO seien Scheinwerfer für Fernlicht und für Abblendlicht in einer amtlich genehmigten Bauart auszuführen. Dies betreffe nicht nur die Scheinwerfer als Ganzes, sondern auch Teile davon wie LED-Leuchten. Gemäß § 22 Abs. 2 StVZO dürften Fahrzeugteile, die in einer amtlich genehmigten Bauart ausgeführt sein müssten, im Geltungsbereich der StVZO nur feilgeboten und veräußert werden, wenn sie mit einem amtlich vorgeschriebenen und zugeteilten Prüfzeichen gekennzeichnet seien. Für das Verbot des Feilbietens sei ausschließlich die objektive Verwendungsmöglichkeit entscheidend, unerheblich sei hingegen, wozu der Verwender das Fahrzeugteil im Einzelfall benutzen wolle. Dementsprechend würden beim Anbieten von Fahrzeugteilen ohne Prüfzeichen Hinweise wie "... nicht im Straßenverkehr zugelassen und entspricht nicht der StVZO!" prinzipiell nicht ausreichen. Daher sei es irrelevant, dass der Beklagte die Nebelscheinwerfer unter der Unterrubrik "Auto-Tuning & Styling" angeboten habe.
Die Klägerin könne vom Beklagten auch Unterlassung der veralteten Widerrufsbelehrung mit der veralteten Paragraphenkette verlangen. Insoweit liege eine unrichtige Belehrung vor, die nicht als Bagatelle angesehen werden könne. Die Wiederholungsgefahr sei nicht bereits dadurch entfallen, dass der Beklagte nach Erhalt der Abmahnung seine Belehrung geändert habe.
Soweit der Beklagte Rechtsmissbrauch einwende, lägen hierfür keinerlei Anhaltspunkte vor.
Die Klägerin könne nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG auch Ersatz der aus dem Tenor ersichtlichen Abmahnkosten verlangen. Die Abmahnung sei begründet. Der angesetzte Gegenstandswert von 14.000,00 € und die 1,3 Geschäftsgebühr seien nicht zu beanstanden. Nach Anrechnung der 0,65 Gebühr gemäß § 15a RVG verbleibe der tenorierte Gesamtbetrag.
Hiergegen richtet sich der Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens mit der Berufung wie folgt:
Das Urteil des Landgerichts werde in vollem Umfang zur Überprüfung gestellt.
Die Anrufung des Landgerichts Bochum habe eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung von formal gegebenen Rechtspositionen dargestellt, da ein Bezirk ausgewählt worden sei, der zu der eigentlichen Angelegenheit bzw. zu den Parteien keinerlei besonderen Bezug und die Reisekosten beider Parteien unnötig erhöht habe.
Das Ausgangsgericht habe den Vortrag des Beklagten zum Rechtsmissbrauch nach § 8 Abs. 4 UWG nur unzulänglich berücksichtigt.
Im Rahmen der Klageerwiderung sei bereits vorgetragen worden, dass auch weitere Mitbewerber entsprechende Abmahnungen von der Klägerin erhalten hätten. Dies sei nicht bestritten worden. Die Klägerin scheine auch aktuell mehrere Prozesse vor dem Landgericht Bochum zu führen. Die Art und Weise der Formulierung der Abmahnung und der Klageschrift gebe deutliche Hinweise darauf, dass diese nicht individuell ausgearbeitet seien, sondern formularmäßig unter Hinzufügung einzelner Merkmale als Standardwerke in vielfacher Weise versandt würden.
Die Höhe der Abmahngebühren im vorliegenden Fall möge die Annahme eines Gewinnerzielungsinteresses zwar nicht begründen. Dies berücksichtige jedoch nicht, dass ausweislich der als Anlage B1 vorgelegten Foreneinträge die Abmahnkosten in den vergangenen Jahren noch über 1.000,00 € betragen hätten. Zudem könne auch die Masse der Abmahnungen mit geringen Abmahngebühren einen erheblichen Umsatz bedeuten. Nach Einschätzung des Beklagten und nach den entsprechenden Rechercheergebnissen im Internet seien sehr viele Mitbewerber in den letzten Wochen, Monaten und Jahren abgemahnt worden. Dem Landgericht habe es oblegen, diesen von der Klägerin nicht bestrittenen Anregungen des Beklagten nachzugehen. Von diesem Ermessen habe es jedoch keinen Gebrauch gemacht.
Es liege kein schuldhafter Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 23 StVG, 22a StVZO vor. Der Verkauf der von der Klägerin bezeichneten LEDs in der Form, in der er erfolgt sei, stelle keine unlautere Handlung dar. Das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass Fahrzeugteile, die grundsätzlich in einer amtlich genehmigten Bauart ausgeführt werden müssten, jedenfalls dann ohne vorgeschriebenes und zugeteiltes Prüfzeichen feilgeboten werden dürften, wenn sie nicht zur Verwendung im Geltungsbereich der Verordnung vorgesehen seien. Im vorliegenden habe sich dies aus dem entsprechenden Hinweis, den der Beklagte im Rahmen seines Angebotes an verschiedenen Stellen erteilt habe, ergeben. Der Beklagte habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der veräußerte Artikel gemäß § 22a StVZO ohne Eintragung im öffentlichen Straßenverkehr nicht zulässig sei, und dass er ohne Eintragung nur zu Show- und Tuningzwecken außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs genutzt werden dürfe. Der veräußerte Artikel habe damit nicht "im Geltungsbereich der StVZO" verwendet werden sollen, sondern ausschließlich außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums zu Tuning- und Showzwecken. Zudem sei das Produkt unter der Rubrik "Auto-Tuning und Styling, Designleuchten und Lichter, Lampen und LED`s" angeboten worden sei, wodurch für einen potentiellen Käufer auf Anhieb zu erkennen gewesen sei, dass es sich um ein besonderes Tuningprodukt handelt. Es sei allgemein anerkannt, dass solche Produkte möglicherweise nicht ohne weiteres im öffentlichen Straßenverkehr genutzt werden dürften, und insofern gegebenenfalls eine vorherige Erkundigung eingeholt werden müsse, ob die Fahrzeugteile einer Zulassung bzw. Eintragung bedürfen.
Aus der Formulierung des § 22a Abs. 2 S. 1 StVZO ergebe sich, dass, sofern die Produkte außerhalb der StVZO eingesetzt werden sollen, eine Zulassung nicht erforderlich sei. Andernfalls sei der Verkauf von Tuningteilen generell ausgeschlossen und verboten. Dies sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Denn ansonsten sei der Zusatz "zur Verwendung im Geltungsbereich dieser Verordnung" überflüssig. In Anbetracht des Zusatzes müsse die Norm im Umkehrschluss so gewertet werden, dass dann, wenn subjektiv die Nutzung im öffentlichen Verkehr nicht vorgesehen sei, auch ein entsprechendes Prüfzeichen nicht erforderlich sei. Schließlich sei jedes Tuningteil objektiv geeignet, im öffentlichen Straßenverkehr verwendet zu werden. Dieser Aspekt sei unberücksichtigt geblieben.
Darüber hinaus führe die Auslegung des Ausgangsgerichtes dazu, dass solche Bauteile, die als Innenraumbeleuchtung ohne entsprechendes Prüfzeichen, da nicht zulassungsbedürftig, dann nicht feilgeboten werden dürften, wenn sie objektiv auch im Außenbereich des Fahrzeuges ohne weiteres verbaut werden könnten. Insofern sei nicht unerheblich, wo die Fahrzeugteile verbaut werden sollen. Auch insoweit entspreche eine rein objektive Betrachtung nicht dem Wortlaut des § 22a StVZO und auch nicht den eigentlichen Intentionen des Gesetzgebers.
Das Ausgangsgericht sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Unterlassung der vom Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrung eine unlautere Handlung darstelle. Zwar sei es richtig, dass ein Wettbewerbsverstoß für sich genommen schon die Vermutung der Wiederholungsgefahr begründe. In besonders gelagerten Einzelfällen könne jedoch eine Änderung des tatsächlichen Verhaltens des Schuldners genügen, um diese Wiederholungsgefahr auszuräumen. Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Beklagte unmittelbar nach Erhalt des Hinweises die Widerrufsbelehrung, die lediglich hinsichtlich der Paragraphenkette und damit in einem Punkt, dem der durchschnittliche Adressat keine Aufmerksamkeit schenke, versehentlich unrichtig gewesen sei, angepasst habe. Er habe damit die entsprechende Wiederholungsgefahr ausgeräumt. Die Nutzung einer solchen Widerrufsbelehrung stelle in einer solchen Konstellation keine unlautere geschäftliche Handlung dar, die die Klägerin habe in unzulässiger Weise beeinträchtigen können. Ein solcher Verstoß könne allenfalls als Bagatelle qualifiziert werden.
Der Beklagte beantragt deshalb,
das Urteil des Landgerichts Bochum vom 21.11.2012 (I-13 O 167/12) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die landgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens wie folgt:
Der Beklagte gehe rechtsirrig davon aus, dass die Frage der örtlichen Zuständigkeit problematisch sei. Es sei ständige Rechtsprechung des Senates, dass F-Angebote bundesweit aufgerufen werden könnten, und der Unrechtsgehalt sich damit auch an jedem Bildschirm in Deutschland auswirke. Zudem mache die Klägerin ihre Unterlassungsansprüche immer im hier gewählten Gerichtsbezirk geltend.
Hinsichtlich des Einwands nach § 8 Abs. 4 UWG erschöpfe sich der Vortrag des Beklagten in Mutmaßungen und Screenshots aus Internetforen. Die Indizien für einen Rechtsmissbrauch würden nicht ansatzweise dargetan. Eine sekundäre Darlegungslast der Klägerin werde hierdurch nicht begründet.
Die Abmahnung der Klägerin weise keine Indizien für einen Rechtmissbrauch auf. Es handele sich entgegen der Darstellung des Beklagten auch nicht um "Massenschreiben". Die Konkretisierung erfolge durch die Nennung der F-Artikelnummer sowie innerhalb der Unterlassungserklärung mit der Konkretisierung durch die Formulierung "wie geschehen ...". Die Verstöße würden individuell geprüft.
Darüber hinaus sei die Klägerin eine der größten Anbieter für Autoteile im Onlinesegment und handele über einen eigenen Webshop sowie drei F-Accounts wie auch stationär. Bei einer derartigen Geschäftstätigkeit müsse ihr die Berechtigung einer größeren Abmahntätigkeit zuzusprechen sein.
Im Hinblick auf die vom Beklagten verwendete unrichtige Widerrufsbelehrung habe das Landgericht sich auf die Rechtsprechung des Senates gestützt.
Hinsichtlich Beleuchtungsartikeln für Kfz, die unter § 22a StVZO zu subsumieren seien, habe der Senat bereits entschieden, dass allein auf die objektive Eignung und nicht die subjektive Zweckbestimmung abzustellen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
B.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Denn die zulässige Klage ist begründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
1.
Hierbei ist es ohne Belang, ob das Landgericht Bochum für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich zuständig war. Denn gemäß § 513 Abs. 2 ZPO kann die Berufung hierauf nicht gestützt werden.
2.
Der Klageantrag entspricht mit dem im Senatstermin aufgenommenen Maßgabezusatz den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
3.
Die Klägerin ist mit dem Angebot von Beleuchtungsartikeln für Kraftfahrzeuge im Internet auf demselben räumlichen wie sachlichen Markt tätige Mitbewerberin des Beklagten und als solche klagebefugt i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.
4.
Die Klagebefugnis der Klägerin wird nicht durch den seitens des Beklagten schon erstinstanzlich erhobenen prozessualen Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 8 Abs. 4 UWG in Frage gestellt.
Ein Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG setzt voraus, dass das beherrschende Motiv des Mitbewerbers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Als typischen Beispielsfall des sachfremden Motivs umschreibt das Gesetz das Gebührenerzielungsinteresse. Damit wird die Art der unzulässigen Geltendmachung eines solchen Anspruchs näher charakterisiert, aber der Weg zu anderen Missbrauchsformen durch die Rechtsverfolgung offen gelassen. Das beschriebene Vorgehen selbst oder jedenfalls die Art des Vorgehens muss rechtsmissbräuchlich sein. Der Anspruchsberechtigte muss mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen verfolgen und diese müssen unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (vgl. u.a. BGH GRUR 2002, 260 - Vielfachabmahner; Senat, GRUR-RR 2005, 141, 142; Köhler/Bornkamm, 31. Aufl., § 8 UWG, Rn. 4.10).
Darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 UWG, die zwar von Amts wegen im Wege der Freibeweises, jedoch nicht mittels Amtsermittlung zu prüfen sind, ist der Verletzer, mithin hier der Beklagte. Erst wenn in ausreichendem Umfang Indizien vorgetragen sind, die für eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruches sprechen, obliegt es sodann dem Anspruchsteller, diese zu widerlegen (BGH, GRUR 2001, 178 - Impfstoffversand an Ärzte; GRUR 2006, 243 - MEGA-Sale; Köhler/Bornkamm, 31. Aufl., § 8 UWG, Rn. 4.25).
Die hierzu seitens des Beklagten angeführten Indizien lassen weder für sich genommen noch in der Gesamtschau den Schluss zu, dass die Klägerin überwiegend sachfremde, mithin keine schutzwürdigen wettbewerbsrechtlichen Interessen verfolgte.
a)
Selbst eine umfangreiche Abmahntätigkeit der Klägerin wäre für sich genommen nicht geeignet, einen Missbrauch zu belegen (vgl. BGH GRUR 2005, 433 - Telekanzlei). Dies wäre vielmehr nur dann der Fall, wenn die Abmahntätigkeit der Klägerin sich gleichsam verselbständigt hätte, d.h. in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zur eigentlichen Geschäftstätigkeit stehen und damit bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse mehr bestehen könnte (vgl. BGH GRUR 2001, 260 - Vielfachabmahner; Köhler/Bornkamm, 31. Aufl., § 8 UWG, Rn. 4.12).
Hiervon kann vorliegend nicht die Rede sein.
Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die Geschäftstätigkeit der Klägerin eine umfangreiche Abmahntätigkeit bei objektiver Betrachtung vernünftigerweise nicht zulässt. Im Gegenteil lässt sich dem Berufungsvorbringen der Klägerin entnehmen, dass sie eine der größten Anbieter für Autoteile im Onlinesegment ist, über einen eigenen Webshop handelt und über drei F-Accounts sowie stationär handelt. Erstinstanzlich hatte die Klägerin hierzu vorgetragen und durch einen entsprechenden Screenshot belegt, dass sie allein auf dem Internetshop *Internetadresse* 196 Artikel zur Rubrik Fahrzeugbeleuchtung anbietet. Diese erhebliche Unternehmenspräsenz rechtfertigt ein breites Vorgehen gegen unlautere Mitbewerber.
b)
Der Inhalt des Abmahnschreibens spricht nicht für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Die Verwendung von Textbausteinen und Standardschreiben ist in vielerlei Lebensbereichen gängige Praxis bei im Wesentlichen gleichgelagerten Sachverhalten und als solche nicht zu beanstanden.
c)
Der der Abmahnung zugrunde gelegte Gegenstandswert von 14.000,00 € begegnet keinen Bedenken.
Auch unter Berücksichtigung der üblichen Wertfestsetzung des Senates kommt ein geringerer Streitwert für die in Rede stehende Abmahnung, deren Gegenstandswert sich nach dem Streitwert des Hauptsacheverfahrens bemisst (Köhler/Bornkamm, 31. Aufl., § 12 UWG Rn. 1.96), nicht in Betracht. Die Höhe des angesetzten Streitwertes kann als vergleichsweise niedrig bezeichnet werden.
Dass die Klägerin in der Vergangenheit höhere Gegenstandswerte in Ansatz gebracht haben mag, ist für die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit ihres nunmehrigen, Vorgehens ohne Belang. Auch die Summe der bislang für Abmahnungen veranschlagten Kosten ist kein Anhaltspunkt für ein rechtsmissbräuchliches Handeln. Die Kosten müssen im Einzelnen ins Verhältnis zur jeweils ausgesprochenen Abmahnung gesetzt werden. Nur wenn hierbei das Maß des Üblichen und Angemessenen überschritten würde, könnte auf eine Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden.
d)
Die Anrufung des Landgerichts Bochum für die Geltendmachung des Klageanspruches rechtfertigt ebenso wenig die Annahme eines Rechtsmissbrauches.
§ 14 Abs. 2 UWG eröffnet den besonderen Gerichtsstand des Tatortes. Dieser umfasst sowohl den Handlungsort als auch den Erfolgsort. In Anbetracht der Verbreitung des Internets ist prinzipiell jeder Ort der Bundesrepublik Deutschland als Erfolgsort anzusehen. Damit besteht eine Vielzahl von Tatortgerichtsständen (sog. fliegender Gerichtsstand), zwischen denen die Klägerin nach § 35 ZPO die freie Wahl hatte (vgl. Ahrens-Bähr, 6. Aufl., Kap. 17 Rdnr. 15ff.; Senat, Beschluss vom 15.10.2007, Az. 4 W 148/07).
Das von der Klägerin insoweit praktizierte "Forum Shopping" ist im Rahmen des deutschen Wettbewerbsrechts grundsätzlich zulässig (vgl. Köhler/Bornkamm, 31. Aufl., § 8 UWG, Rn. 4.23). Die Klägerin hat hiervon in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Denn sie durfte sich zur Durchsetzung ihres Klageanspruchs auch und vor allem dasjenige Landgericht in Deutschland aussuchen, vor dem sie sich die größten Erfolgsaussichten für ihr Begehren versprach (vgl. Senat BeckRS 2009, 24370).
II.
Die Klage ist begründet.
1.
Der solchermaßen aktivlegitimierten Klägerin steht der mit dem Klageantrag zu 1. a) geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3; 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 22a Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 StVZO, 23 Abs. 1 StVG zu.
a)
Das in Rede stehende Internetangebot des Beklagten stellt eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.
b)
Diese Handlung war unlauter i.S.d. §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1 UWG.
Denn sie erfüllt den Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG, indem sie gegen §§ 22a Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 StVZO, 23 Abs. 1 StVG verstößt.
aa)
Bei den genannten Vorschriften handelt es sich um Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG.
Denn sie dienen dem Schutz der Sicherheit des Verbrauchers beim Gebrauch der erworbenen Ware und damit dem Schutz seines durch die Marktteilnahme berührten Interesses. Derlei Bestimmungen stellen regelmäßig Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar (vgl. BGH GRUR 2010, 754 - Golly Telly; OLG Köln GRUR-RR 2010, 34; Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 4 Rn. 11.35d; Ullmann in jurisPK-UWG, 3. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 81).
bb)
Der Beklagte handelte mit dem in Rede stehenden F-Angebot tatbestandsmäßig i.S.d. §§ 22a Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 StVZO, 23 Abs. 1 StVG.
Er bot hiermit gewerbsmäßig Fahrzeugteile, die der Bauartgenehmigungspflicht nach § 22a Abs. 1StVZO unterliegen, feil, obwohl sie nicht mit dem amtlich vorgeschriebenen und zugeteilten Prüfzeichen versehen waren (§§ 22a Abs. 2 StVZO, 23 StVG).
Die vom Beklagten angebotenen, mit speziellen LED-Birnen versehenen Nebelscheinwerfer unterliegen gemäß §§ 22a Abs. 1 Nr. 10, 52 Abs. 1 StVZO grundsätzlich der Bauartgenehmigungspflicht, verfügen jedoch nicht über ein solches gemäß der Fahrzeugteileverordnung zu erteilendes Prüfzeichen.
Dennoch bot der Beklagte diese Fahrzeugteile gewerbsmäßig zur Verwendung im Geltungsbereich der Verordnung feil (§§ 22a Abs. 2 StVZO, 23 Abs. 1 StVG).
(1)
Für das Verbot des Feilbietens ist nämlich allein die objektive Verwendungsmöglichkeit im öffentlichen Straßenverkehr und nicht die subjektive Verwendungsbestimmung des Anbieters der Fahrzeugteile entscheidend (Senat, Beschl. v. 25.09.2012 - I-4 W 72/12, MMR 2013, 100; OLG Hamm VkBl. 1966, 336; VM 1968, 24; OLG Schleswig VRS 74, 55; Kirchner in Lütkes, Straßenverkehr, § 22a StVG Rn.1; Kirchner in Lütkes, Straßenverkehr, § 22a StVZO Rn. 4). Dementsprechend reichen beim Anbieten von Fahrzeugteilen ohne Prüfzeichen selbst Hinweise wie: "... nicht für den Straßenverkehr zugelassen und entspricht nicht der STVZO!" oder ähnliche Formulierungen prinzipiell nicht aus (so auch das Kraftfahrtbundesamt in der im Informationssystem Typengenehmigungsverfahren abgedruckten Entscheidung Nr. 07-02).
Diesem Verständnis der maßgeblichen Verbotsnorm steht mit dem Zusatz "zur Verwendung im Geltungsbereich der Verordnung" nicht deren Wortlaut entgegen. Die Formulierung nimmt nur den zur Verwendung außerhalb des Geltungsbereiches der Verordnung bestimmten Verkauf, mithin das zum direkten Export bestimmte, also nicht an Verbraucher im Inland gerichtete Angebot vom Verbot aus.
Die Formulierung ist im Übrigen durchaus auslegungsfähig, und zwar anhand des mit der Norm des § 22a Abs. 2 StVZO verfolgten Gesetzeszweckes. Dementsprechend findet die Vorschrift nur auf solche Fahrzeugteile keine Anwendung, die objektiv nach ihrer Bauart von der Genehmigungspflicht nicht erfasst werden. Alle übrigen Fahrzeugteile werden erst durch das Prüfzeichen verkehrsfähig.
Der Grundgedanke des § 22a Abs. 2 StVZO liegt darin, dass das - bis zum Inkrafttreten des diesem zugrunde liegenden Verkehrssicherungsgesetzes vom 19.12.1952 geltende - alleinige Verwendungsverbot für sich genommen nur geringe Möglichkeiten der Überwachung bot. Durch die Einführung der Prüfzeichenpflicht und des Verbots des Vertreibens nicht mit Prüfzeichen versehener Fahrzeugteile sollte im Interesse der Verkehrssicherheit der Gefahr entgegengewirkt werden, dass nicht amtlich genehmigte Fahrzeugteile, bei denen die Möglichkeit mangelhafter Ausführung nicht ausgeschlossen werden kann, in den Verkehr gebracht werden. Auf diese Weise sollte im Dienste der Verkehrssicherheit der Verwendung unzulänglicher Teile entgegengewirkt werden. Mit diesem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung wäre es nicht vereinbar, die Tatbestandsmäßigkeit schon dann zu verneinen, wenn der Anbieter der Fahrzeugteile diese mit der Bestimmung, sie dürften nicht im öffentlichen Verkehr verwendet werden, feilbietet. Denn damit wäre gerade keine Gewähr dafür gegeben, dass nicht genehmigte Fahrzeugteile, bei denen die Gefahr mangelhafter Ausführung besteht, nicht doch in unzulässiger Weise an Fahrzeugen angebracht und im öffentlichen Straßenverkehr genutzt werden (Senat, Beschl. v. 25.09.2012 - I-4 W 72/12, MMR 2013, 100; OLG Hamm VkBl. 1966, 336; VM 1968, 24; OLG Schleswig VRS 74, 55).
Der Verkauf von Tuningteilen ist damit nicht generell ausgeschlossen. Es wird lediglich der Verkauf solcher (Tuning-)Fahrzeugteile i.S.d. § 22a Abs. 1 StVZO verboten, die über keine Bauartgenehmigung verfügen und bei denen nicht schon aufgrund ihrer Bauart ausgeschlossen werden kann, dass sie in Fahrzeugen verbaut werden, die am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen.
Die Frage, ob damit ggf. auch solche Fahrzeugteile unter den Anwendungsbereich des §§ 22a Abs. 2 StVZO fallen, die theoretisch zweckentfremdet als Fahrzeugteil i.S.d. § 22a Abs. 1 StVZO verwendet werden könnten, stellt sich ohnehin erst, wenn damit tatsächlich eine sog. Einrichtung vorläge, die einem der in § 22a Abs. 1 StVZO aufgeführten Tatbestände unterfiele. Sie bedarf hier im Übrigen keiner weiteren Erörterung. Denn ein solcher Fall ist vorliegend ohnehin nicht streitgegenständlich.
(2)
Aber selbst wenn man mit der Auffassung des Beklagten die subjektive Verwendungsbestimmung des Anbieters für maßgeblich erachten würde, wird man vorliegend nicht davon ausgehen können, dass die streitgegenständlichen Nebelscheinwerfer tatsächlich ausschließlich zur Verwendung außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs angeboten wurden.
Dem Angebot lässt sich dies jedenfalls nicht ohne weiteres entnehmen.
Allein der Umstand, dass sich das Angebot unter der Rubrik "Auto-Tuning & -Styling" findet, lässt keine solchen Rückschlüsse zu. Mit Fahrzeugtuning bezeichnet man -laut Wikipedia - individuelle Veränderungen an Personenkraftwagen, Motorrädern und auch Lastkraftwagen, die dem Zweck dienen, die Leistung oder die Fahreigenschaften zu verbessern. Dass derlei Tuningprodukte per se nicht im öffentlichen Straßenverkehr verwendet werden sollen, ist weder allgemein bekannt noch richtig. Denn es gibt durchaus Tuningprodukte, die entweder gar nicht erst der Bauartgenehmigung bedürfen oder mit einem Prüfzeichen versehen sind.
Die im Angebot wiedergegebenen Fotos lassen auch nicht darauf schließen, dass es allein um den Einsatz zu Show- und Tuningzwecken gehen soll. Abgebildet ist nämlich ein Fahrzeug, das rein äußerlich nicht zu "Show- und Tuningzwecken", sondern zum Einsatz im öffentlichen Straßenverkehr bestimmt ist. Dies entspricht der Produktbeschreibung der Nebelscheinwerfer, in der es heißt: "Nutzung als Tagfahrlicht".
Wenn es sodann erst am Ende der Beschreibung heißt: "Im Bereich der StVZO nicht erlaubt. Eine Eintragung ist möglich, bleibt aber jedem selbst überlassen.", liegt hierin keine Einschränkung der Verwendungsmöglichkeit. Im Gegenteil bringt der Anbieter gerade durch die vorliegend gewählte Formulierung zum Ausdruck, dass er davon ausgeht, dass die Scheinwerfer im öffentlichen Straßenverkehr zum Einsatz kommen; es jedoch Sache des Käufers - und nicht mehr seine Verantwortung - sei, ob dies mit oder ohne die hierfür erforderliche Bauartgenehmigung geschieht.
c)
Dieser Verstoß stellt schon deshalb eine i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG spürbare Beeinträchtigung von Verbraucherinteressen dar, weil die verletzte Norm dem Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Verbraucher dient (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 3 Rn. 120, 149).
d)
Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund des bereits verwirklichten Verstoßes tatsächlich vermutet (Köhler/Bornkamm, 31. Aufl., § 8 UWG, Rn. 1.33).
2.
Der Klägerin steht der mit den Klageanträgen zu 1.b) geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3; 4 Nr. 11 UWG i.V.m. i.V.m. § 312 c Abs. 1 BGB, Art. 246 § 1 Nr. 10 EGBGB zu.
a)
Die Verwendung der in Rede stehenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten stellt eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 2 Rn. 50).
b)
Diese Handlung war unlauter i.S.d. §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1 UWG.
Denn sie erfüllt in zweifacher Hinsicht den Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 312 c Abs. 1 BGB, Art. 246 § 1 Nr. 10 EGBGB - und hierbei handelt es sich um Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 4 Rn. 11.170).
aa)
Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung mit dem Verweis auf § 312e Abs. 1 S. 1 BGB ist seit dem 04.08.2011 überholt und entsprach insofern nicht mehr der aktuellen Gesetzeslage. Denn nunmehr findet sich die entsprechende Regelung über die Informationspflichten beim Vertragsschluss im elektronischen Geschäftsverkehr in § 312g Abs. 1 S. 1 BGB.
Damit wurde der Verbraucher durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten nicht i.S.d. § 312c Abs. 1 BGB, Art. 246 § 1 Nr. 10 EGBGB über die Ausübung des Widerrufsrechts informiert. Denn mit dem Verweis auf die Vorschrift des § 312e Abs. 1 S.1 BGB, die sich in ihrer neuen Fassung nunmehr zum Wertersatz im Falle des Widerrufs verhält, macht die Belehrung nicht klar, dass die Widerrufsfrist nicht vor Erfüllung der im nunmehrigen § 312 g Abs. 1 S. 1 BGB aufgeführten Pflichten beginnt (§ 312g Abs. 6 S. 1 BGB).
bb)
Zudem entspricht die Belehrung zum Wertersatz bei Fernabsatzverträgen nicht der aktuellen Regelung des § 312e Abs. 1 BGB - und dies steht zwischen den Parteien auch gar nicht in Streit. Auch insoweit wird der Verbraucher nicht i.S.d. § 312c Abs. 1 BGB, Art. 246 § 1 Nr. 10 EGBGB über die Ausübung des Widerrufsrechts informiert.
cc)
Der Rechtsbruch des Beklagten ist erheblich i.S.v. § 3 Abs. 1 UWG.
Denn unzutreffende Widerrufsbelehrungen begründen die Gefahr, dass der die Rechtslage nicht überblickende Verbraucher in der irrigen Annahme, die Frist sei bereits verstrichen, davon absieht, von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen. Dies gilt auch für die falsche Angabe des "überholten" und damit falschen § 312e BGB. Der Verbraucher wird damit nämlich gerade nicht darüber informiert, dass der Lauf der für ihn maßgeblichen Widerrufsfrist davon abhängt, dass der Beklagte die ihm obliegenden Informationspflichten des § 312g Abs. 1 BGB erfüllt hat. Dem Verbraucher werden durch diese Vorgehensweise Informationen vorenthalten, die er ggf. für seine geschäftliche Entscheidung benötigt. Es kommt hinzu, dass die Belehrung des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen über sein Widerrufsrecht, die ihre gemeinschaftsrechtliche Grundlage in Art. 4 der Richtlinie 97/7/EG (Fernabsatzrichtlinie) hat, eine Information darstellt, die gem. Art. 7 Absatz V i.V. mit Anhang II der Richtlinie 2005/29/EG (UGP-Richtlinie) per se als wesentlich gilt, und deren Verletzung dementsprechend erheblich ist (BGH GRUR 2010, 1124 - Holzhocker; Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 3 Rn. 147).
Der Annahme eines spürbaren Verstoßes i.S.d. § 3 UWG steht nicht entgegen, dass die Umsetzung des neuen Rechts in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten nur versehentlich verabsäumt wurde. Denn ein Verschulden ist für den Unterlassungsanspruch nicht Voraussetzung (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 3 Rn. 124).
Die Wiederholungsgefahr ist Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch und daher ohnehin erst zu prüfen, wenn die Spürbarkeit der Zuwiderhandlung feststeht. Demzufolge kann sie kein Kriterium für die Beurteilung der Spürbarkeit sein (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 3 Rn. 128).
c)
Die Wiederholungsgefahr, die durch den Verstoß indiziert wird, ist nicht dadurch entfallen, dass die Antragsgegnerin den Verstoß nach der Abmahnung umgehend entfernt und die alte Widerrufsbelehrung gelöscht hat. Die Wiederholungsgefahr kann nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden. Eine solche ist nicht erfolgt.
3.
Der Klägerin steht der mit dem Klageantrag zu 2. geltend gemachte, der Höhe nach unstreitige Zahlungsanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1, 249 Abs. 1, 250 S. 2 BGB zu, und zwar nebst Zinsen in der tenorierten Höhe seit dem 14.09.2012 (§§ 291 Abs. 1 S. 1 2. HS, 288 Abs.1 BGB).
Der Klägerin stand zunächst der noch mit der Abmahnung vom 03.07.2012 geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von den durch die Abmahnung entstandenen Kosten, und zwar in der vom Landgericht tenorierten und mit der Berufung nicht angegriffenen Höhe aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu.
Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 S. 2 UWG sind erfüllt, da die Abmahnung der Klägerin nach den obigen Ausführungen berechtigt war.
Die Klägerin kann gemäß § 281 Abs. 1 S.1 BGB statt der Leistung in Form der Freistellung nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG Schadensersatz in Geld (§ 250 S. 2 BGB) verlangen (hierzu MünchKomm-Krüger, 6. Aufl., § 257 BGB Rdnr. 12). Denn der Beklagte, der auf die Abmahnung der Klägerin nicht reagierte, hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch mit der Klageerwiderung vom 14.09.2012 nunmehr generell zurückgewiesen und damit auch den Freistellungsanspruch der Klägerin in Abrede gestellt. Eine solche ernsthafte und endgültige Verweigerung der Freistellung dem Grunde nach macht sowohl eine Fristsetzung nach § 281 Abs. 2 BGB als auch eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 250 S. 1 BGB entbehrlich (vgl. Senat, Urteil vom 23.10.2012 - 4 U 134/12).
C.
Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 S. 2, 97 Abs.1, 709 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 13.06.2013
Az: 4 U 26/13
Link zum Urteil:
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