Landgericht Berlin:
Urteil vom 9. Februar 2007
Aktenzeichen: 96 O 87/06

(LG Berlin: Urteil v. 09.02.2007, Az.: 96 O 87/06)

Tenor

1. Den Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen gegenüber der Beklagten zu 1. an ihrem Geschäftsführer, untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken durch das Unternehmen der Beklagten zu 1. verschreibungspflichtige Arzneimittel

a) für den Endverbraucher in der Bundesrepublik Deutschland im Wege des Versandhandels in der Verkehr zu bringen,

b) für den Bezug im Wege des Versandhandels durch den Endverbraucher in der Bundesrepublik Deutschland zu bewerben.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien jeweils zur Hälfte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 %, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 60.000,- Euro vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgabe die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.

Der Beklagte zu 2. führt seit 1986 unter der aus dem Rubrum ersichtlichen Anschrift eine Apotheke (vgl. die als Anlage B 1 eingereichte Urkunde, deren Original im Termin am 9. Februar 2007 vorgelegen hat). Diese Apotheke verfügt unter der Domain www.xxx.nl seit einem nicht näher bekannten Zeitpunkt über einen eigenen Internetauftritt (vgl. Anlage B 2).

Nach einer Änderung des Arzneimittelgesetzes (AMG) dürfen seit dem 1. Januar 2004 zulassungspflichtige Arzneimittel im Wege des Versand an Endverbraucher nach Deutschland verbracht werden, wenn sie von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum versandt werden, welche für den Versandhandel nach ihrem nationalen Recht, soweit es dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht, oder nach dem deutschen Apothekengesetz befugt ist, und der Versand den deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel entspricht (§ 73 Abs. 1 Nr. 1a). In § 73 Abs. 1 S. 3 AMG heißt es, dass das zuständige Bundesministerium in regelmäßigen Abständen eine Übersicht über solche Staaten veröffentlicht, in denen für den Versandhandel und den elektronischen Handel mit Arzneimitteln dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen.

Am 16. Juni 2005 wurde im Bundesanzeiger eine "Bekanntmachung der Übersicht zum Versandhandel mit Arzneimitteln nach § 73 Abs. 1 S. 3 des Arzneimittelgesetzes" des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung vom selben Tage veröffentlicht, in der es heißt:

Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung stellt auf der Grundlage einer europaweiten Erhebung fest, dass zurzeit

- in den Niederlanden und

- im Vereinigten Königreich

für den Versandhandel und den elektronischen Handel mit Arzneimitteln dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen. Für die Niederlande gilt dies, soweit Versandapotheken gleichzeitig eine Präsenzapotheke unterhalten. Apotheken aus anderen als den genannten Staaten, in denen diese Vergleichbarkeit nicht besteht, können eine Versandhandelserlaubnis für Arzneimittel nach § 11a ApoG beantragen.

Die Beklagte zu 1. warb im August 2005 im Internet unter der Domain www.xxx.com in der aus den als Anlagenkonvolut K 2 vom Kläger eingereichten Unterlagen Screenshots ersichtlichen Weise unter anderem für Arzneimittel, die in Deutschland nur auf Rezept erhältlich sind. Dort heißt es unter anderem, dass Apothekenteam der Beklagten zu 1. werde geleitet vom Beklagten zu 1., der bereits seit vielen Jahren erfolgreich als Apotheker tätig sei.

Der Beklagte zu 2. war oder ist neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Beklagten zu 1. auch Geschäftsführer der P. B.V., die ausweislich eines vom Kläger als Anlage K 4 eingereichten Schriftsatzes der von der Gesellschaft bevollmächtigten Rechtsanwälte vom 16. September 2005 bis zum 15. März 2005 über das jetzt von der Beklagten zu 1. genutzte Internetportal www.xxx.com einen Versandhandel unter anderem mit Arzneimitteln betrieb. Unter Hinweis auf den Wechsel der Verantwortlichkeit für den Versandhandel verteidigte sich die P. B.V. erfolgreich gegen die Vollstreckung aus einer einstweiligen Verfügung, die der Kläger am 8. April 2005 gegen sie erwirkt hatte (Anlage K 3).

Am 18. Oktober 2005 erging auf den Antrag des Klägers eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin € 96 O 220/05 - gegen die Beklagten, mit der diesen der Versandhandel von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Deutschland und die Werbung hierfür untersagt wurde. Die Akte des Landgerichts Berlin hat im Termin am 9. Februar 2007 vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

In einem Schreiben der niederländischenStaatstoezichtop deVolksgezondheit€Inspectievoor deGesondheitszorg€ vom 6. Februar 2007 (Anlage B 4) heißt es mit dem Betreff "Official Status ofApotheekS. / P. B.V.":

ApotheekS. / P. B.V., The Netherlands is an officially registered public pharmacy (Presenzapotheke). As such, it complies with all requirements for public pharmacy in the Netherlands. This compliance has been the subject of an inspection visit by the Health care Inspectorate, before opening its door tot the public.

Die Parteien streiten unter anderem über die Frage, ob allein aufgrund der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 16. Juni 2005 veröffentlichten Übersicht davon auszugehen sei, dass das niederländische Recht dem deutschen Apothekenrecht entspreche.

Der Kläger macht geltend: Die Beklagte zu 1. betreibe den Versandhandel nicht zusätzlich zum üblichen Apothekenbetrieb aus einer öffentlichen Apotheke heraus.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken durch das Unternehmen der Beklagten zu 1. verschreibungspflichtige Arzneimittel

a) für den Endverbraucher in der Bundesrepublik Deutschland im Wege des Versandhandels in der Verkehr zu bringen,

b) für den Bezug im Wege des Versandhandels durch den Endverbraucher in der Bundesrepublik Deutschland zu bewerben.

Die Beklagte beantragen,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig.

Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Das schädigende Ereignis im Sinne dieser Vorschrift ist in Deutschland eingetreten. Die Beklagte zu 1. wendet sich mit dem Angebot, im Wege des Versandhandels Arzneimittel zu verkaufen unstreitig und aus den als Anlage K 2 eingereichten Unterlagen ersichtlich auch an deutsche Verbraucher. Die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin ergibt sich aus § 14 Abs. 2 S. 2 UWG zuständig.

Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Der Kläger bezweckt nach seiner Satzung die Förderung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder. Dafür, dass er diesen in seiner Satzung verankerten Zweck auch erfüllt, spricht eine tatsächliche Vermutung (Ernst in: Ullmann jurisPK-UWG, 2006, § 8, Rn. 95). Er ist nach ständiger Rechtsprechung auch des Bundesgerichtshofs auch im Bereich des Handelns mit Arzneimittel prozessführungsbefugt.

II.

Die Klage ist begründet.

1. Der Kläger kann von der Beklagten zu 1. gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG verlangen, es zu unterlassen, verschreibungspflichtige Arzneimittel im Wege des Versandhandels in Deutschland an Endverbraucher zu vertreiben und einen solchen Handel zu bewerben. Der Anspruch besteht entsprechend auch gegen den Beklagten zu 2., der unstreitig für die Tätigkeit der Beklagten zu 1. verantwortlich ist und für diese wirbt.

Die Beklagte zu 1. verstößt gegen das sich aus §§ 43 Abs. 1, 73 Abs. 1 AMG ergebende Verbot, verschreibungspflichtige Arzneimittel im Wege des Versandhandels in Deutschland zu vertreiben. Bei den Vorschriften handelt es sich wegen des mit ihnen unter anderem bezweckten Verbraucherschutzes (vgl. BT-Drucks. 15/1525, S. 164) um solche, die im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (vgl. auch KG, GRUR-RR 2005, 170, 171). Gemäß § 43 Abs. 1 AMG, mit dem das deutsche Apothekenmonopol statuiert wird, dürfen zum Endverbrauch bestimmte zulassungspflichtige Arzneimittel, zu denen gemäß § 43 Abs. 3 AMG insbesondere verschreibungspflichtige Arzneimittel im Sinne von § 48 AMG gehören, auf die der Kläger den Unterlassungsanspruch beschränkt hat, nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden. § 73 AMG, mit dem die vom EuGH bei verschreibungspflichtigen Arzneimittel unter näher dargelegten Umständen als zulässig angesehene Beschränkung des freien Warenverkehrs (vgl. EuGH, GRUR 2004, 174, 180) in gemeinschaftsrechtskonformer Weise konkretisiert wird (vgl. hierzu KG, GRUR-RR 2005, 170, 173f), ergänzt diese Vorschrift durch ein so genanntes Verbringungsverbot. Von diesem Verbot ausgenommen sind im Wege des Versandhandels vertriebene Arzneimittel, wenn € soweit im vorliegenden Fall von Bedeutung € sie von einer Apotheke versandt werden, die nach dem deutschen Apothekengesetz hierzu befugt ist, oder von einer ausländischen Apotheke versandt werden, die dies nach den Vorschriften des für sie geltenden nationalen Rechts darf, dass den Vorschriften des deutschen Apothekenrechts entsprechen muss (§ 73 Abs. 1 Nr. 1a AMG). Nur im Rahmen eines danach zulässigen Vertriebs darf für der ihn betreibende Unternehmer für einen Versand von Arzneimitteln werden (vgl. KG, GRUR-RR 2005, 170, 174).

a) Die Beklagte zu 1. verfügt unstreitig über keine Erlaubnis zum Versand von Arzneimitteln im Sinne von § 43 Abs. 1 AMG, die im deutschen Apothekenrecht in § 11a ApoG geregelt ist. Die Beklagte zu 1. nimmt für sich auch nicht in Anspruch, die Anforderungen zu erfüllen, die nach dieser Vorschrift für den Fall der Erteilung einer solchen Erlaubnis erforderlich sind. Hierzu gehört insbesondere das Erfordernis, dass der Versand aus einer öffentlichen Apotheke zusätzlich zum üblichen Apothekenbetrieb erfolgt, womit nach deutschen Apothekenrecht nach wie vor der Betrieb von reinen Internetapotheken verhindert wird (§ 11a S. 1 Nr. 1 ApoG). Ferner sieht § 11a S. 1 Nr. 2 im Interesse des Verbraucherschutzes und der Arzneimittelsicherheit vor, dass der Apotheker zur Einrichtung eines Qualitätssicherungssystems verpflichtet ist.

b) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Vorschriften des niederländischen Apothekenrechts im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel denjenigen des deutschen Rechts entsprechen.

aa) Das Kammergericht hat hierzu in seiner in GRUR-RR, 2005, 170ff, veröffentlichten Entscheidung vom 9. November 2004 € 5 U 300/01 € ausgeführt:

"Schriftliche niederländische Regelungen finden sich zu den grundlegenden deutschen Sicherheitsstandards in § 11 a ApoG allenfalls andeutungsweise in § 50 Nrn. 4 bis 7 des "Beschlusses über die Herstellung und Lieferung pharmazeutischer Produkte" für den so genannten "Postorderpharmazie-Verkauf" (ordnungsgemäße Lagerung, Lieferung in einwandfreiem Zustand, Buchhaltung für den Ein- und Verkauf) und in Art. 19 Nr. 1, 26b Nrn. 3, 4, 27 Nrn. 1 bis 6, 28 Nrn. 1, 2, 29, 31 Nrn. 1e, 4, 6 des "Beschlusses über die Ausübung der Arzneiherstellungskunst" zur Lieferung "durch persönliche Übergabe", Lieferung von hergestellten Arzneimitteln mit bestimmten Giften und Lieferung auf Rezept. Dies wird nicht annähernd insbesondere § 11a ApoG gerecht (Verbund mit einer öffentlichen Apotheke, besondere Transport-Sicherungen zu Verpackung, Empfänger, Zustellungszeitraum und besondere Beratung und Aufklärung des Verbrauchers).

[.]Selbst wenn auch die Ergebnisse der internen mündlichen Diskussion innerhalb der niederländischen Apothekenaufsichtsinspektion miteinbezogen werden könnten, ist das deutsche Schutzniveau nicht hinreichend gewährleistet.

[.] Es fehlt schon an einem Gebot zur Führung einer Präsenz-Apotheke. Die Regelungen des Art. 50 Nrn. 1 bis 3 des Beschlusses über die Herstellung und Lieferung pharmazeutischer Produkte (zu einem für die Öffentlichkeit zugänglichen Verkaufslokal) finden nach Nr. 7 dieses Artikels auf die "Postorder-Pharmazie" (Lieferung pharmazeutischer Produkte per Post oder Kurier, die von einem individuellen Abnehmer per Post, Telefon, Telefax oder durch Inanspruchnahme der Dienste der Informationsgesellschaft bestellt wurden, Art. 1 Nr. 10 des Beschlusses über die Lieferung pharmazeutischer Produkte) keine Anwendung. Gem. Art. 1 Nr. 1k des Gesetzes über die Arzneimittelversorgung sind "Apotheken" ein Raum oder zusammenhängende Räume und Lagerräume, der oder die von einem Apotheker € für die Arzneimittelherstellung oder im Zusammenhang damit benutzt wird oder werden, und zwar gem. Art. 14 Nr. 1 S. 2 dieses Gesetzes auf "einem bestimmten bezeichneten Grundstück". Art. 1 Nr. 1j definiert "Arzneimittelherstellung" als Zubereitung von Arzneimitteln und Abgabe von Arzneimitteln. Gem. Art. 19 Nr. 1 des Beschlusses über die Arzneimittel-Herstellungskunst wird aber die "Abgabe" eines Arzneimittels von seiner "Lieferung" unterschieden. Auch über den Umfang der "präsent" für die Abgabe an den Verbraucher zu haltenden Arzneimittel finden sich keine näheren Vorschriften. Soweit sich der Beklagte auf Art. 3 I des Beschlusses über die Ausübung der Arznei-Herstellungskunst bezieht, ist diese Vorschrift am 12. 6. 2002 aufgehoben worden.

[.] Selbst wenn der Arzneimittelversand mit einer Präsenz-Apotheke gekoppelt sein sollte, so blieben auch dann erhebliche Lücken im Hinblick auf das Schutzniveau des § 11a ApoG.

[.] Zwar mag nach der "internen Diskussion" der niederländischen Arzneimittel-Inspektion darauf geachtet werden, dass eine Beratung durch pharmazeutisches Personal in deutscher Sprache erfolgt (vgl. § 11a S. 1 Nr. 2d ApoG), der Patient, der das Arzneimittel bestellt, es letztendlich auch erhält (vgl. § 11a S. 1 Nr. 2b ApoG) und ein erforderliches Rezept im Original vorgelegt wird (vgl. § 11a S. 1 Nr. 1 ApoG). Ein "Qualitätssicherungssystem" verlangt die Inspektion aber nicht. Dann fehlt eine regelmäßige Kontrolle durch Externe, und zwar sowohl zur Effizienz der betriebsinternen Maßnahmen als auch ihrer fortlaufenden Einhaltung.

[.] Darüber hinaus fehlen Regelungen zum Versendungszeitraum (§ 11a S. 1 Nr. 3a ApoG), zur kostenfreien Zweitzustellung (§ 11a S. 1 Nr. 3b ApoG), zur Sendungsverfolgung (§ 11a S. 1 Nr. 3e ApoG) und zur Transportversicherung (§ 11a S. 1 Nr. 3f ApoG)" (KG, GRUR-RR 2005, 170, 173).

Der Kammer ist nicht bekannt, dass sich die Vorschriften des einschlägigen niederländischen Rechts in der Zwischenzeit geändert haben. Dies wird in Kenntnis der Entscheidung des Kammergerichts auch von den Beklagten nicht geltend gemacht.

bb) Ein Entsprechen des niederländischen und deutschen Apothekenrechts, das § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a AMG als Voraussetzung für die die Ausnahme vom Verbringungsverbot vorsieht, kann daher nur dann angenommen werden, wenn man € wie es die Beklagten für richtig halten € der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung zu veröffentlichenden Übersicht eine Bedeutung zumisst, die es überflüssig macht, dies aufgrund eines Vergleichs der deutschen mit den niederländischen Regelungen im Einzelfall festzustellen. Das Kammergericht hat dies in der zitierten Entscheidung mit der Erwägung für möglich gehalten, dass zwar die deutschen Behörden den Prüfungsumfang der EG-ausländischen Apothekenaufsicht hinreichend verlässlich nur dem geschriebenen - sei es in abstrakten Regelungen oder in Fallentscheidungen der Behörden oder Gerichte - EG-ausländischem Recht entnehmen können, weil erst diese Schriftlichkeit die Ernsthaftigkeit und dauerhafte gleichmäßige Anwendung der grundlegenden Sicherheitsstandards zu erkennen gibt, während bloße mündliche Absprachen und Anweisungen der EG-ausländischen Aufsichtsbehörde in ihrer zukünftigen Anwendung abgeschwächt oder aufgeweicht werden könnten, ohne dass dies den deutschen Behörden hinreichend erkennbar wird, dass aber das gemäß § 73 Abs. 1 S. 3 AMG zuständige Bundesministerium sich unter Umständen mit weniger offenkundigen EG-ausländischen Regelungen begnügen könne, wenn ein hinreichender Informationsfluss mit den EG-ausländischen Aufsichtsbehörden verlässlich abgesprochen ist (KG, GRUR-RR 2005, 170, 172f).

Ob dies der Fall ist und auch die Frage, ob die in § 73 Abs. 1 S. 3 AMG vorgesehene Übersicht, die nach der Gesetzesbegründung dem Verbraucher zur Orientierung beim Bezug von Arzneimittel aus EWR-Vertragsstaaten und somit dem Schutz der Verbraucher dienen soll (vgl. BT-Drucks. 15/1525, S. 166), eine rechtliche Bindungswirkung entfalten kann (so LG Frankfurt am Main, MMR 2007, 64, 66f) oder nur kraft Überzeugungskraft der ihr zugrunde liegenden Untersuchungen eine mehr oder weniger weit reichende Vermutung begründet, kann für die Entscheidung dahin stehen. In der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung veröffentlichten Übersicht wird für die Niederlande nicht etwa € wie für das Vereinigte Königreich geschehen € festgestellt, dass für den Versandhandel mit Arzneimitteln vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen, sondern dies wird nur mit der Maßgabe festgestellt, dies sei der Fall, wenn Versandapotheken gleichzeitig eine Präsenzapotheke unterhalten. In der Bekanntmachung wird damit ersichtlich darauf abgestellt, dass die Voraussetzung des § 11a S. 1 Nr. 1 ApoG vorliegen muss, wonach der Versand aus einer öffentlichen Apotheke zusätzlich zu dem üblichen Apothekenvertrieb zu erfolgen hat.

Das Betreiben einer solchen Präsenzapotheke durch die Beklagte zu 1. ist nicht ersichtlich. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass auch nach dem Vorbringen der Beklagten die Versandapotheke (P.: Beklagte zu 1.) von einer anderen Rechtsperson betrieben wird als die öffentliche Apotheke (ApotheekS.: Beklagter zu 2.), so dass es € ausgehend vom Wortlaut der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung € an einem gleichzeitigen Unterhalten einer Präsenzapotheke durch eine Versandapotheke fehlt. Zweck der Verknüpfung des Betriebs einer Versandapotheke mit einer Präsenzapotheke, die in der auch in der Bekanntmachung ausdrücklich in Bezug genommenen Vorschrift des § 11a ApoG geregelt wird, ist es, dass der "Flüchtigkeit" des Internet-Auftritts der Versandapotheken entgegen gewirkt werden soll, um auf diese Weise ein Mindestmaß an Seriosität der Betreiber und ihrer fachlichen Kompetenzen und finanziellen Möglichkeiten zu gewährleisten (vgl. KG, GRUR-RR 2005, 170, 174). Dieser Zweck wird nicht bereits dadurch erreicht, dass der Inhaber einer Präsenzapotheke gleichzeitig als Geschäftsführer einer von einer juristischen Person betriebenen Versandapotheke fungiert. Gerade der vorliegende Fall zeigt vielmehr, dass ohne eine Identität des Unternehmensinhabers jederzeit die Möglichkeit besteht, dass durch einen Austausch des Geschäftsführers oder das "Vorschieben" einer anderen juristischen Person genau die "Flüchtigkeit" eintritt, die verhindert werden soll. So haben der oder die Gesellschafter der Beklagten zu 1. offenbar mehrere fast namensgleiche Gesellschaften gegründet, die je nach Lage der Dinge als Betreiber der Versandapotheke auftraten, was im konkreten Fall die Vollstreckung aus einem gegen die vorübergehende Inhaberin der Versandapotheke gerichteten Titel vereitelte. Damit wurde zwar der Versandhandel jeweils über die Domain www.xxx.com abgewickelt wurde, jedoch wechselte die haftende Person und war damit in einem nach dem Zweck der Vorschrift ebenso nicht gewollten Sinn "flüchtig".

Ein gleichzeitiges Betreiben von Versand- und Präsenzapotheke ergibt sich auch nicht aus dem von den Beklagten im Termin am 9. Februar 2007 in Kopie vorgelegten Schreiben der offenbar zuständigen niederländischen Behörde vom 6. Februar 2007. Dort werden nämlich ohne jede Erläuterung die Beklagte zu 1. und der Beklagte zu 2. gleichgesetzt, obwohl es sich € in diesem Rechtsstreit unstreitig € um unterschiedliche Personen handelt. Tatsächliche Anhaltspunkte, warum diese Gleichsetzung aus Sicht der zuständigen Behörde geboten sein könnte, sind dem Schreiben nicht zu entnehmen. Vielmehr wirft die getroffene Feststellung, die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen sei Gegenstand eines Kontrollbesuchs der zuständigen Behörde vor Eröffnung (wohl der Versandapotheke) gewesen, die Frage auf, ob das von der P. B.V. oder das von der Beklagten zu 1. betriebene Unternehmen kontrolliert worden sind. Anders als in dem vom Landgericht Berlin € 97 O 11/05 € mit Urteil vom 3. Mai 2006 entschiedenen Fall, in dem ausweislich des Tatbestands des Urteils ein Schreiben der niederländischen Aufsichtsbehörde vorgelegt wurde, wonach die die Versandapotheke betreibende juristische Person auch die Präsenzapotheke betrieb, ergibt sich aus dem Schreiben damit gerade nicht, dass das in der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung vorausgesetzte gleichzeitige Unterhalten einer Präsenzapotheke gegeben ist. Hiergegen spricht zudem, dass auch nach dem Vorbringen der Beklagten der Beklagte zu 1. als Inhaber derApotheekS. nicht etwa unter der Domain www.xxx.com zu finden ist, sondern seine Internetadresse mit www.xxx.nl angibt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten reicht es somit nicht aus, dass sie unter derselben Anschrift jeweils eine eigene Apotheke betreiben, was nach dem vom Kammergericht dargestellten niederländischen Apothekenrecht zulässig ist. Vielmehr muss wegen des fehlenden Gebots zur Führung einer Präsenzapotheke in den Niederlanden auch nach der Ansicht des Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung hinzukommen, dass Versandapotheke und Präsenzapotheke gleichzeitig betrieben werden, was nach dem Zweck der Vorschriften des deutschen Apothekenrechts bedeutet, dass die Inhaber des Unternehmens identisch sein müssen.

2. Für die Wiederholungsgefahr, die neben einer begangenen Zuwiderhandlung gegen § 3 UWG Voraussetzung für das Bestehen eines Unterlassungsanspruch ist (§ 8 Abs. 1 S. 1 UWG), besteht eine tatsächliche Vermutung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 u. 2 ZPO. Insoweit war der verkündete Tenor gemäß § 319 Abs. 1 ZPO dahin zu berichtigen, dass die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs gegen eine bezifferte Sicherheit vorläufig vollstreckbar ist und die in § 709 S. 2 ZPO vorgesehene Möglichkeit der Bestimmung der Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zum jeweils beizutreibenden Betrag nur für die allein bezifferbare Vollstreckung wegen der dem Kläger entstanden Kosten gilt.






LG Berlin:
Urteil v. 09.02.2007
Az: 96 O 87/06


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