Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 17. Dezember 2013
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 68/13

(BGH: Beschluss v. 17.12.2013, Az.: AnwZ (Brfg) 68/13)

Tenor

Auf den Antrag des Klägers wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 15. Juli 2013 insoweit zugelassen, als die Klage gegen die Beklagte zu 2 abgewiesen worden ist.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1; im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Urteil im Berufungsverfahren vorbehalten.

Der Geschäftswert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage darüber, ob eine Verpflichtung des Beklagten zu 1 in seiner Funktion als Präsident 1 der Beklagten zu 2 bestand, einen Antrag des Klägers auf die Tagesordnung der ordentlichen Kammerversammlung vom 20. April 2012 zu setzen. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen; hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

II.

Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des Klägers hat nur zum Teil Erfolg.

1. Der Antrag ist unbegründet, soweit der Anwaltsgerichtshof die gegen den Beklagten zu 1 gerichtete Klage mangels Passivlegitimation abgewiesen hat; die diesbezüglich vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO) liegen nicht vor.

§ 112d Abs. 1 BRAO bestimmt:

Die Klage ist gegen die Rechtsanwaltskammer oder Behörde zu richten, 1. die den Verwaltungsakt erlassen hat oder zu erlassen hätte; für hoheitliche Maßnahmen, die berufsrechtliche Rechte und Pflichten der Beteiligten beeinträchtigen oder verwirklichen, gilt dies sinngemäß;

2. deren Entschließung Gegenstand des Verfahrens ist.

Bereits dieser Wortlaut spricht gegen die Annahme, eine Klage gegen die vom Präsidenten einer Rechtsanwaltskammer als Organ seiner Kammer nach §§ 85 Abs. 1, 87 Abs. 1 BRAO getroffene Entscheidung, den Antrag eines Kammermitglieds nicht auf die Tagesordnung zu setzen, sei nicht gegen die 2

"Rechtsanwaltskammer", sondern gegen den Präsidenten persönlich als "Behörde" zu richten.

Einer solchen Annahme widerspricht auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17. Dezember 2008 (BT-Drucks. 16/11385, S. 41 f.) heißt es:

"§ 112d Abs. 1 BRAO-E regelt künftig teilweise abweichend von dem nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO geltenden Rechtsträgerprinzip, dass die Klagen wie bisher gegen die Behörden, also die Rechtsanwaltskammern (§ 37 Abs. 2 BRAO) oder die Justizverwaltungen zu richten sind. Dies gilt auch, wenn Organe der Rechtsanwaltskammern handeln. Die in § 112d Abs. 1 Nr. 2 BRAO-E genannten Entschließungen erfassen die Wahlen und Beschlüsse."

Nach dem Willen des Gesetzgebers sind mithin Klagen, auch wenn Organe der Rechtsanwaltskammern für diese gehandelt haben, gegen die Kammern zu richten.

Dies verdeutlicht auch § 112d Abs. 1 Nr. 2 BRAO. Nach § 90 BRAO a.F. konnten Wahlen oder Beschlüsse des Vorstands, des Präsidiums oder der Versammlung der Kammer unter bestimmten Voraussetzungen für ungültig oder nichtig erklärt werden. Hierbei richtete sich der Antrag nach § 91 Abs. 1 Satz 1 BRAO a.F. gegen die Rechtsanwaltskammer und nicht gegen das betroffene Organ. Diese Fälle werden nunmehr von § 112d Abs. 1 Nr. 2 BRAO erfasst. Dass abweichend von der bisherigen Rechtslage die Klagen nicht mehr gegen die Kammer, sondern das betroffene Organ zu richten wären, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung gerade nicht.

Dementsprechend wird im Schrifttum nicht - auch nicht an den in der Zulassungsbegründung zitierten Fundstellen; dort wird nur die o.a. Gesetzesbegründung wiedergegeben - die Auffassung vertreten, die Klage sei beim Handeln eines Organs der Rechtsanwaltskammer nicht gegen diese, sondern gegen das Organ als "Behörde" zu richten (siehe nur Böhnlein in Feuerich/ Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 112d Rn. 5; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/ Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 112d BRAO, Rn. 3, 5, 9; Deckenbrock in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 112d Rn. 1, 3; Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufl., § 112d Rn. 1).

Der Anwaltsgerichtshof hat deshalb zutreffend die Klage gegen den Beklagten zu 1 mangels Passivlegitimation abgewiesen. Da die Rechtslage eindeutig ist, wirft der Fall auch keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten oder eine erst in einem Berufungsverfahren zu klärende Grundsatzfrage auf.

2. Soweit die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage abgewiesen worden ist, lässt der Senat die Berufung nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Nach § 5 Nr. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung (GO) der Beklagten zu 2 ist ein Gegenstand auf die Tagesordnung der Kammerversammlung zu setzen, wenn dies von mindestens 25 Kammermitgliedern schriftlich beantragt wird. Den streitgegenständlichen Antrag des Klägers haben weitere 25 Kammermitglieder unterzeichnet. Der Anwaltsgerichtshof hat die Auffassung vertreten, dem Präsidenten der Beklagten zu 2 stehe bei Anträgen nach § 5 Nr. 3 Satz 2 GO ein Prüfungsrecht dahingehend zu, ob diese einen Gegenstand betreffen, der vom Funktionsbereich der Kammer abgedeckt ist und damit in deren Zuständigkeit fällt; verneinenden Falls habe er die Aufnahme in die Tagesordnung abzulehnen. Der Kläger hat diese Auffassung mit beachtlichen Argumen-9 ten angegriffen. Bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung kann nicht ausgeschlossen werden, dass die von ihm angestrebte Berufung Erfolg hat.

III.

Das Verfahren wird als Verfahren über die Berufung des Klägers gegen die Beklagte zu 2 fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Kläger bedarf es nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung:

Die Berufung ist durch den Kläger innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die Rechts- 12 mittelbelehrung in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 6 VwGO).

Tolksdorf Roggenbuck Seiters Martini Quaas Vorinstanzen:

AGH München, Entscheidung vom 15.07.2013 - BayAGH I - 19/12 -






BGH:
Beschluss v. 17.12.2013
Az: AnwZ (Brfg) 68/13


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