Landgericht Münster:
Beschluss vom 28. Januar 2013
Aktenzeichen: 021 O 75/12
(LG Münster: Beschluss v. 28.01.2013, Az.: 021 O 75/12)
Tenor
Der Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Verfügungskläger ist der Verband der Unternehmen des deutschen Buchhandels. Sein Zweck ist nach § 1 Abs. 4 seiner Satzung, die Interessen seiner Mitglieder zu vertreten und die Erfüllung der Aufgaben des Herstellenden, des Verbreitenden und des Zwischenbuchhandels zu fördern. Zu seinen Aufgaben gehören nach § 2 Abs. 1 Ziff. 3 seiner Satzung auch die Ermittlung und Pflege der im buchhändlerischen Verkehr üblichen Sitten und Gebräuche sowie der Wettbewerbsregeln im Verkehr seiner Mitglieder untereinander und mit dem Publikum sowie nach § 2 Abs. 1 Ziff. 4 die Sicherung der Preisbindung für Verlagserzeugnisse.
Unter dem 21.02.2012 schrieb der Verfügungsbeklagte die Lieferung von preisgebundenen Schulbüchern und die Übernahme der Dienstleistung zur ausleihfertigen Auszeichnung von M.-Barcodeservice-Etiketten für das Schuljahr 2012/13 europaweit aus. Gegenstand dieses Verfahrens ist das Los 1. Es betrifft die Belieferung des Berufskollegs C. mit Büchern mit einem geschätzten Auftragswert von 80.000,00 €. Dabei handelt es sich etwa um 2.000 Bücher.
Mit ausgeschrieben war die Übernahme der Dienstleistung zur ausleihfertigen Auszeichnung von M.-Barcodeservice-Etiketten. Dabei handelt es sich um einen Bibliografieservice der Firma M. GmbH, N.. Die Schule und der Buchhändler verfügen über die entsprechende Software und sind über das Internet verbunden. Der Buchhändler liefert für jedes verkaufte Schulbuch ein Barcode-Etikett, das er zuvor bei der Firma M. GmbH erworben und nach den dort hinterlegten Anweisungen der Schule mit einem entsprechenden Barcode bedruckt hat. Diese Etiketten nebst Barcodes dienen den Schulen zur Bibliografie, Bestandsverwaltung, Systematisierung und vereinfachten Bearbeitung von Nachbestellungen. Für jedes dieser Etiketten muss der Buchhändler günstigstenfalls 4 Eurocent netto an die M. GmbH bezahlen. Im Rahmen der Ausschreibung kann der Teilnehmer an der Ausschreibung betreffend das Los 1 ankreuzen, ob er die M.-Barcodeservice-Etiketten mitliefert und wenn ja, zu welchem Preis. Liefert er die Etiketten nicht mit, bekommt er für diesen Ausschreibungsgesichtspunkt null Punkte. Ansonsten erhält er Punkte, gestaffelt nach dem von ihm geforderten Preis. Verlangt er einen Eurocent, erhält er 25 Punkte. Für jeden mehr geforderten Eurocent erhält er einen Punkt weniger. Wegen dieser Ausschreibungsmodalitäten wird auf Blatt 22 und 23 der Gerichtsakten Bezug genommen.
Am 27.04.2012 teilte der Verfügungsbeklagte den Teilnehmern der Ausschreibung mit, dass die Firma G. GmbH in C1 den Zuschlag erhalten solle. Die G. GmbH hatte die Barcodes zu einem Preis von unter 4 Cent pro Stück netto angeboten. Der Vertragsschluss mit der Firma G. war für den 08.05.2012 geplant.
Auf Antrag des Verfügungsklägers hat die Kammer dem Verfügungsbeklagten durch einstweilige Verfügung vom 09.05.2012 untersagt, einen Auftrag zur Lieferung von Schulbüchern gemäß Los 1 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots vom 21.02.2012 an die Firma G. GmbH, C1., oder eine andere Buchhandlung zu vergeben, sofern die begünstigte Buchhandlung unter Ziffer 11 der Ausschreibung von Los 1 einen Preis pro beschriebenen M.-Barcodeservice-Etikett von weniger als 4,76 Eurocent (brutto) angeboten hat. Ferner wurden dem Verfügungsbeklagten die Verfahrenskosten auferlegt. Diese Unterlassungsverfügung ist dem Verfügungsbeklagten am 16.05.2012 durch den Gerichtsvollzieher zugestellt worden.
Auf den Widerspruch des Verfügungsbeklagten hat die Kammer am 14.11.2012 mündlich verhandelt. In dieser Verhandlung hat der Verfügungsbeklagte beantragt, die einstweilige Verfügung vom 09.05.2012 aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Der Verfügungskläger hat beantragt, die einstweilige Verfügung vom 09.05.2012 unter Zurückweisung des Widerspruchs zu bestätigen.
Im Dezember 2012 haben die Verfahrensbeteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
II.
Der Verfügungsbeklagte hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen, da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung von Anfang an zulässig und begründet war.
1)
Der Antrag war zulässig.
a)
Die angerufene Kammer für Handelssachen des Landgerichts war sachlich zuständig.
Der Verfügungsbeklagte meint, aus § 104 Abs. 2 GWB ergebe sich, dass der hier geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 9 Abs. 1 S. 1 BuchPrG nur vor den Vergabekammern und dem Beschwerdegericht geltend gemacht werden könne. Dieser Auffassung tritt die Kammer nicht bei.
Die Kammer ist zwar der Auffassung, dass vorbeugende Unterlassungsansprüche wie der aus § 9 Abs. 1 S. 1 BuchPrG in Ansehung des § 104 Abs. 2 S. 1 GWB im Vergabeverfahren geltend gemacht werden können. Zwar beschränkt § 107 Abs. 2 GWB seinem Wortlaut nach die Antragsbefugnis nur auf die Geltendmachung der Verletzung unternehmerischer Rechte im Sinne von § 97 Abs. 7 GWB, der die Befugnis einräumt, die Einhaltung von Vergabeverfahrensvorschriften geltend zu machen. Es ist aber zweckmäßig, die Geltendmachung von Verfahrensvorschriften und vorbeugenden Unterlassungsansprüchen auf die eigens dafür eingerichteten Spruchkörper des Vergabeverfahrens zu konzentrieren. Ferner können die dort geltend gemachten Ansprüche zügig geklärt werden, damit die Erteilung von Aufträgen zur Bedarfsdeckung bzw. Beschaffung der öffentlichen Hand zügig abgeschlossen werden kann (vgl. hierzu Immenga/Mestmäcker-Stockmann, Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2007, § 104 GWB, Rn 10 ff.).
Nach der Auffassung der Kammer gilt die Zuständigkeitskonzentration des § 104 Abs. 2 GWB jedoch nur für die nach § 107 Abs. 2 antragsbefugten Unternehmen. Hätte sie allgemeine Geltung, wie der Verfügungsbeklagte meint, würde das bedeuten, dass der Verfügungsbeklagte gegen mutmaßliche Verstöße gegen das Buchpreisbindungsgesetz mangels Antragsbefugnis überhaupt nicht vorgehen könnte, wenn sie innerhalb eines Vergabeverfahrens erfolgen.
Für die Auffassung des Verfügungsbeklagten spricht zwar, dass die Vorschriften über das Vergabeverfahren im Interesse der zügigen Klärung von Rechtsfragen abschließend sind.
Diese Auffassung würde allerdings zu einer erheblichen Rechtsschutzlücke zu Lasten des Verfügungsklägers führen, welche mit dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren wäre (vgl. hierzu auch BGH, NZBau 2008, 664, 665 Gliederungsziffer 11 a.E.). Beim Verfügungskläger handelt es sich nicht nur um den €verlängerten Arm€ schon nach § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugten Unternehmern des Buchhandels, sondern er hat nach Maßgabe seiner Vereinssatzung im Hinblick auf § 9 Abs. 2 Nr. 2 BuchPrG die Aufgabe, zur Wahrung der in § 1 BuchPrG genannten Gesetzeszwecke überwachend und einschreitend tätig zu werden.
Von daher ist die ordentliche Gerichtsbarkeit für die Entscheidung über den Antrag des Verfügungsklägers zuständig, obwohl ein Verstoß gegen das BuchPrG im Rahmen eines Vergabeverfahrens geltend gemacht wird.
b)
Entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten ist der Verfügungskläger auch nicht nach § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB von der Geltendmachung seiner Ansprüche ausgeschlossen. Da der Verfügungskläger nicht antragsbefugt i. S. v. § 107 Abs. 2 GWB ist, käme allenfalls eine entsprechende Anwendung in Betracht. Diese scheidet nach der Auffassung der Kammer jedoch aus, da die Vorschrift des § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB in die speziellen Regelungen des Vergaberechts eingebettet und daher auf den allgemeinen Rechtsschutz des Unlauterkeitsrechts nicht übertragbar ist.
c)
Der Antrag ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB unzulässig.
Der Verfügungsbeklagte hält den Antrag für unzulässig, weil sich erst 85 Buchhändler in Ansehung seines möglichen Verstoßes gegen das BuchPrG an der Ausschreibung beteiligten und später die Bieter, die den Zuschlag nicht erhalten haben, über den Verfügungskläger nunmehr den Verstoß gegen das BuchPrG rügen.
Dies kann nicht zu Lasten des Verfügungsklägers gehen. Er hat € wie bereits ausgeführt € Aufgaben, die über die isolierte Wahrnehmung von Interessen einzelner seiner Mitglieder hinausgehen. Das zeigt sich am vorliegenden Fall, indem der Verfügungskläger gerade gegen ein buchhändlerisches Unternehmen vorgeht und seinen wirtschaftlichen Interessen zuwiderhandelt.
2)
Der Antrag war auch begründet.
a)
Der Verfügungskläger konnte den Unterlassungsanspruch aus § 9 Abs. 1 S. 1 BuchPrG als Verfügungsanspruch geltend machen. Durch die bevorstehende Vergabe des Auftrags an die G.GmbH drohte der Verfügungsbeklagte, gegen die §§ 3, 7 Abs. 3, 4 BuchPrG zu verstoßen.
Die Aktivlegitimation des Verfügungsklägers ergibt sich aus § 9 Abs. 2 Ziff. 2 des BuchPrG i. V. m. seiner Satzung. Der Verfügungsbeklagte konnte als drohender Störer in Anspruch genommen werden, da er einen Buchhändler zu einem Verstoß gegen das BuchPrG zu veranlassen drohte (vgl. BGH, ZUM 2002, 773).
Hätte die Buchhandlung G. GmbH die Bücher zu denen von ihr angebotenen Bedingungen an den Verfügungsbeklagten geliefert, hätte sie gegen § 3 des BuchPrG verstoßen. Sie hätte sich dadurch, dass sie die M.-Barcodeservice-Etiketten mitgeliefert hätte, nicht die für die jeweiligen Bücher festgesetzten Preise eingehalten. Denn die Firma musste für jedes der Etiketten mindestens 4 Eurocent bezahlen, bot diese dem Verfügungsbeklagten aber zu höchstens 3 Eurocent pro Stück an.
Hier greift nicht die Ausnahme des § 7 Abs. 4 Nr. 1 BuchPrG an. Entscheidend für die vorliegende Zugabe sind nicht die einzelnen Etiketten, bei denen es sich um körperliche Gegenstände i. S. v. § 90 BGB und damit auch um Waren handelt. Entscheidend ist vielmehr die Mitlieferung der auf den Barcodes mitgelieferten Computerdaten sowie die damit einhergehenden Nutzungsmöglichkeiten. Dabei handelt es sich nicht um Waren, vielmehr um eine Dienstleistung, die von der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 4 Ziff. 1 BuchPrG nicht erfasst ist. Angesichts der umfangreichen Nutzungsmöglichkeiten, welche die Barcodeetiketten bieten, kann auch nicht von einem geringen Wert ausgegangen werden.
Es liegt auch keine Ausnahme nach § 7 Abs. 4 Ziff. 4 BuchPrG vor. Es ist nicht näher vorgetragen und auch nicht, dass die Lieferung von Barcode-Etiketten und die damit verbundene Nutzungsmöglichkeit mittlerweile handelsüblich ist.
Der drohende Verstoß gegen § 3 BuchPrG war auch geeignet, den Wettbewerb zwischen den Mitbewerbern der Ausschreibung wesentlich zu beeinträchtigen.
b)
Die nähere Darlegung eines Verfügungsgrundes war nach § 9 Abs. 3 BuchPrG i. V. m. § 12 Abs. 2 UWG entbehrlich.
Da der Antrag des Verfügungsklägers zulässig und begründet war, hat der Verfügungsbeklagte nach dem Rechtsgedanken des § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
LG Münster:
Beschluss v. 28.01.2013
Az: 021 O 75/12
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