Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 20. August 2004
Aktenzeichen: 13a D 80/03
(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 20.08.2004, Az.: 13a D 80/03)
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage der Hybrid-Postdienstleistungen betreffenden Verwaltungsvorgänge durch die Antragsgegnerin insoweit rechtswidrig ist, als die entsprechenden Lizenzurkunden mit Namen und Anschriften der Lizenznehmer und der Beschreibung des Leistungskatalogs nach § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG nicht vorgelegt wurden.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten dieses Zwischenverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zwischenverfahren auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin dieses Zwischenverfahrens ist Klägerin im Verfahren 22 K 10879/02 VG Köln. Mit Klage vom 20./23. Dezember 2002 beantragte sie dort, "die durch die Beklagte gemäß §§ 5, 6, 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG erteilten Lizenzen zur Erbringung von Hybrid-Dienstleistungen einschließlich späterer Erweiterungen aufzuheben". In dem Verfahren wurde die Beklagte durch Verfügung des stellvertretenden Kammervorsitzenden vom 27. Dezember 2002 um Stellungnahme und zugleich um "Vorlage der Verwaltungsvorgänge im Original" gebeten. In der Folgezeit legte die Beklagte die Verwaltungsvorgänge nicht vor und begründete dies damit, dass die betreffenden Lizenznehmer noch nicht mit der Aufnahme der lizenzierten Tätigkeit begonnen hätten und die Benennung der Lizenznehmer und deren ladungsfähige Anschriften den in der Vorbereitungsphase möglicherweise noch notwendigen Geheimnisschutz über ihre Identität von vornherein vereiteln würde. Nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit sei die Identität der Lizenznehmer und die Art der angebotenen Dienstleistung selbstverständlich kein Geheimnis mehr.
Die Klägerin hält dem entgegen, die Vorlage der streitgegenständlichen Lizenzbescheide könne durch die Beklagte nicht mit dem Hinweis darauf verhindert werden, dass deren Inhaber ihre Identität nicht offenbaren wollten. Sie erwäge, gerichtlichen Rechtsschutz, auch in Form eines Eilverfahrens, gegen die erteilten Lizenzen einzuleiten und sei deshalb auf die Vorlage zumindest der Lizenzurkunden durch die Beklagte angewiesen.
Mit Antrag vom 19./21. August 2003 hat die Klägerin eine Entscheidung des erkennenden Fachsenats über die Rechtmäßigkeit der Weigerung der Beklagten, die Verwaltungsvorgänge vorzulegen, beantragt. Die Weigerung sei rechtswidrig, weil es nach dem Rechtsschutzsystem der Verwaltungsgerichtsordnung kein Recht auf Anonymität des Inhabers eines streitgegenständlichen Verwaltungsakts gebe, gegen den ein Dritter ein zulässige Klage erhebe.
Die Antragstellerin beantragte außerdem Anfang Juli 2003, die Beklagte nach § 123 VwGO zu verpflichten, ihr mitzuteilen, zu wessen Gunsten sie postrechtliche Lizenzen einschließlich Lizenzerweiterungsbescheide gemäß §§ 6, 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG erteilt hat, die die Erbringung sog. hybrider Postdienstleistungen gestatten, sowie ihr ungeschwärzte Ablichtungen dieser Lizenzen zu übersenden. Den Antrag hat das Verwaltungsgericht Köln durch Beschluss vom 28. Januar 2004 - 22 L 1515/03 - abgelehnt. Der Antrag sei zwar trotz der Möglichkeit des Rechtsschutzes nach § 99 Abs. 2 VwGO zulässig, aber nicht begründet. Ein verfahrensrechtlicher Anspruch der Antragstellerin auf Auskunft gegen die Antragsgegnerin bestehe nicht. Gegen die Annahme eines materiellrechtlichen Auskunftsanspruchs über an Dritte erteilte Lizenzen bestünden erhebliche Bedenken angesichts dessen, dass sog. hybride Postdienstleistungen wegen der Übersendung von Dateien per Datenfernübertragung des Postkunden an den Unternehmer, des erst späteren Ausdrucks der Datei, der Kuvertierung und der Zustellung in Schriftform nur teilweise als herkömmliche Postdienstleistung angesehen werden könnten. Gegen den Beschluss hat die Klägerin Beschwerde eingelegt - OVG NRW, 13 B 438/04 -, über die noch nicht entschieden ist.
II.
Der Antrag der Antragstellerin nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Insoweit ist die Verweigerung der Vorlage der Hybrid-Dienstleistungen betreffenden Verwaltungsvorgänge durch die Antragsgegnerin rechtswidrig.
Der Fachsenat geht davon aus, dass die Antragsgegnerin Lizenzen für HybridPostdienstleistungen bzw. Lizenzurkunden mit einer Leistungsbeschreibung, wonach derartige Postdienstleistungen dem § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG unterfallen, an von ihr selbst so bezeichnete "Lizenznehmer" erteilt hat und leitet diese Annahme aus der Kenntnis vergleichbarer Lizenzurkunden, die sich ebenfalls auf Postdienstleistungen nach dieser Bestimmung beziehen, ab. Derartige Äußerungen der Beklagten sind als Verwaltungsakt zu qualifizieren, die auch dem Bestimmtheitsgebot genügen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Oktober 2003, - 13 A 711/02 -.
Der von der Antragstellerin gestellte Antrag ist zwar in seiner wörtlichen Fassung nicht eingeschränkt und bezieht sich uneingeschränkt auf die Vorlage der hybride Postdienstleistungen betreffenden Verwaltungsvorgänge. Der Antrag wird jedoch vom Fachsenat dahin ausgelegt, dass von der Antragstellerin die Vorlage der Verwaltungsvorgänge nur insoweit begehrt wird, dass ihr eine Kenntnisnahme der Lizenzinhaber für hybride Postdienstleistungen und die konkrete Leistungsbeschreibung für diese Postdienstleistung, die nach Auffassung der Antragsgegnerin dem § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG unterfällt, möglich ist. Eine solche Auslegung des Antragsbegehrens erscheint dem Senat unter Berücksichtigung des aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgenden Gebots der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gegen behördliche Maßnahmen, der Art der diesem Zwischenverfahren zu Grunde liegenden Klage im Verfahren 22 K 10879/02, VG Köln (Drittklage, "Konkurrentenklage"), der prozessualen Notwendigkeiten bei solchen Klagen (notwendige Beiladung des Erlaubnisinhabers), des auch in diesem Verfahren relevanten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des den Antrag konkretisierenden Vorbringens der Antragstellerin, beispielsweise in den Schriftsätzen vom 11. Mai 2004 in diesem Verfahren und vom 19. Februar 2003 im Verfahren 22 K 10879/02 VG Köln, gerechtfertigt bzw. geboten.
Die Frage, ob die Verweigerung der Vorlage von Verwaltungsvorgängen (teilweise) rechtswidrig ist, setzt voraus, dass zum Zwecke der nach § 86 Abs. 1 VwGO gebotenen umfassenden Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht eine Vorlagepflicht der Behörde besteht und die Verpflichtung der Behörde zur Aktenvorlage durch ein entsprechendes Verlangen des Gerichts aktualisiert wurde.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. November 2003 - 20 F 13/03 -, NVwZ 2004, 485, vom 15. August 2003 - 20 F 8/03 -, NVwZ 2004, 105, vom 15. August 2003 - 20 F 3/03 -, BVerwGE 118, 352; OVG M.-V., Beschluss vom 1. Oktober 2002 - 12 P 8/02 u. a. -, DÖV 2003, 338, Sodan/Ziekow, VwGO, Stand: Januar 2003, § 99 Rdnr. 15, Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: September 2003, § 99 Rdnr. 9; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl, §99 Rdnr. 5.
Eine derartige gerichtliche Anforderung liegt hier in der Form der Verfügung/Bitte des (stellvertretenden) Kammervorsitzenden vom 27. Dezember 2002 im Verfahren 22 K 10879/02 VG Köln an die Beklagte, "die Verwaltungsvorgänge im Original" vorzulegen, vor. Diese Aktenanforderung reichte sowohl von der Art her als auch nach ihrem erkennbaren Inhalt aus, um eine Pflicht der Beklagten zur Vorlage der Verwaltungsvorgänge zu Hybrid-Postdienstleistungen zu begründen. Für das Verlangen des Gerichts, Akten vorzulegen, bedarf es keiner bestimmten Form. Es kann - wie hier - schon zu Beginn des Verfahrens im Rahmen der Eingangsverfügung erfolgen, die Aktenvorlage kann aber auch durch gerichtlichen Beweisbeschluss erfolgen, wenn sich die Entscheidungserheblichkeit des Inhalts der Unterlagen nicht ohne weiteres aus dem materiellen Recht ergibt und die Verfahrensbeteiligten um die Erheblichkeit streiten,
vgl. zum Ausreichen einer Vorsitzenden- Verfügung für die Aktenvorlage auch die Konstellationen bei BVerwG, Beschlüsse vom 15. August 2003 - 20 F 8/03, 20 F 7.03, 20 F 3.03 -, a. a. O., vom 26. November 2003 - 6 VR 4/03 -, NJW 2004, 963, und vom 24. November 2003 - 20 F 13/03 -, a. a. O.
Mit der Bitte des (stellvertretenden) Kammervorsitzenden um Vorlage der Verwaltungsvorgänge lag eine Entscheidung des für diese Frage maßgebenden Gerichts der Hauptsache,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. November 2003 - 20 F 13/03 -, a. a. O.,
hier des VG Köln, vor und war für die Beklagte erkennbar, dass die erbetenen Akten vom Verwaltungsgericht für die weitere Bearbeitung der von der Klägerin anhängig gemachten Klage als notwendig und damit als entscheidungserheblich angesehen wurden. Auch wenn es sich bei der Bitte um Vorlage der Verwaltungsvorgänge um eine routinemäßige Aktenanforderung gehandelt hat und der weitere prozessuale Verlauf nach Eingang der Klage seinerzeit im Einzelnen noch nicht absehbar war, kam der Aktenanforderung doch eine über die rein routinemäßige Anforderung hinausgehende Bedeutung zu. Es war nämlich sowohl für das Verwaltungsgericht als auch für die Beklagte erkennbar, dass es sich bei der Klage der Klägerin um die Anfechtungsklage eines durch die fraglichen Lizenzen nicht begünstigten Dritten handelt und deshalb im Rahmen einer ordnungsgemäßen Klagebearbeitung eine notwendige Beiladung gemäß § 65 VwGO der begünstigten Lizenznehmer erforderlich sein würde, um eine Verbindlichkeit der in dem Verfahren anstehenden gerichtlichen Entscheidung auch ihnen gegenüber zu erreichen. Name und Anschrift der begünstigten Lizenzinhaber und die konkrete Leistungsbeschreibung der lizenzierten Tätigkeit waren aus der Klageschrift nicht erkennbar, konnten nach dem in der Klageschrift vom 20. Dezember 2002 dargelegten vorprozessualen Ablauf von der Klägerin auch nicht angegeben werden und hätten demnach vom Verwaltungsgericht allein aus den von der Beklagten angeforderten Verwaltungsvorgängen erkannt werden können. Zwar hätte es für die weitere ordnungsgemäße Bearbeitung der Klage zunächst ausgereicht, wenn das Verwaltungsgericht die Bitte um Vorlage der Verwaltungsvorgänge auf die Angaben der Namen und Anschriften der Lizenzinhaber bzw. auf die Vorlage der entsprechenden Bescheide beschränkt hätte, jedoch verliert wegen dieses Unterlassens die Verfügung des stellvertretenden Kammervorsitzenden nicht ihre Verbindlichkeit gegenüber der Beklagten.
Die Verbindlichkeit der gerichtlichen Aktenanforderung gegenüber der Beklagten entfiel auch nicht deshalb, weil - wie die Beklagte meint - die Klage der Klägerin nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 82 Abs. 1 VwGO entsprach. Da eine Ergänzungsverfügung nach § 82 Abs. 2 VwGO der Übersendung der Klageschrift nicht beigefügt war, konnte und musste die Beklagte davon ausgehen, dass sich beim Verwaltungsgericht, das - wie auch der Beklagten bekannt war - über intensive Erfahrungen mit postrechtlichen Streitigkeiten verfügte, hinsichtlich der Bestimmtheit der Klage keine Bedenken ergeben hatten und das Klageverfahren seinen normalen prozessualen Fortgang nehmen würde. Dementsprechend hätte die Beklagte zwar, wenn sie Zweifel an der Bestimmtheit der Klage hatte, diese im Rahmen der Stellungnahme zum Klagebegehren darlegen können; zu einer umfassenden Verweigerung der Vorlage aller Hybrid-Postdienstleistungen betreffenden Verwaltungsvorgänge war sie hingegen auf Grund möglicher Zweifel an der Bestimmtheit der Klage nicht berechtigt. Im Übrigen entspricht die Klageschrift der Klägerin den Erfordernissen des § 82 Abs. 1 VwGO für die Mindestangaben in einer Klage. Weitere konkretisierende Angaben waren der Klägerin nicht möglich, insbesondere konnte sie mangels Kenntnis der betreffenden Lizenzen keine näheren Angaben machen zu den entsprechenden Bescheiden bzw. zu den betroffenen Lizenzinhabern.
Da weder § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO noch § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine diesbezügliche ausdrückliche formelle Entscheidung erfordern, sondern an das Merkmal der faktischen Verweigerung der Vorlage von Akten anknüpfen, steht dem Antrag der Antragstellerin nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch nicht entgegen, dass die - gemäß § 75 a Abs. 2 TKG i. V. m. §§ 44 Satz 2 PostG an die Stelle der in § 99 VwGO genannten obersten Aufsichtsbehörde tretende - Antragsgegnerin keine formelle Entscheidung bezüglich der Verweigerung der Aktenvorlage getroffen hat. Im Übrigen kann in der faktischen Verweigerung der Vorlage der angeforderten Verwaltungsvorgänge inzident die entsprechende Entscheidung der Antragsgegnerin gesehen werden, zumal die Nichtvorlage der Akten mit dem Identitätsschutz der betreffenden Lizenznehmer vor Aufnahme ihrer lizenzierten Tätigkeit und damit mit einer im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO relevanten materiellrechtlichen Erwägung begründet wurde.
Nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO hat die zuständige Behörde eine Ermessensentscheidung zu treffen, bei der die im Widerstreit stehenden Interessen an der Offenlegung der Akten oder Urkunden einerseits und an der Wahrung der in ihnen enthaltenen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse andererseits gegeneinander abzuwägen sind.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. August 2003 - 20 F 8.03, 20 F 3.03 -, a.a.O. und vom 29. Juli 2002 - 2 AV 1.02 -, NVwZ 2002, 1249; Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: September 2003, § 99 Rdnr. 35 ff.
Die Behörde hat dabei unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob überwiegende Interessen an der Offenlegung die Vorlage der Akten trotz möglicher vertraulich zu behandelnder Bestandteile gebieten. Dabei ist in die gebotene Abwägung nicht nur die Notwendigkeit und Bedeutung einer lückenlosen Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht in einem Rechtsstreit, sondern auch das schutzwürdige Interesse der Beteiligten und das öffentliche Interesse daran sowie das Interesse eines anderen Verfahrensbeteiligten an der Geheimhaltung seiner verfassungsrechtlich geschützten Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse einzustellen. Die Rechmäßigkeit der vom Fachsenat überprüfbaren Entscheidung hängt dementsprechend davon ab, ob die Behörde die tatsächlichen Grundlagen vollständig gewürdigt und richtig eingeschätzt, zutreffende Bewertungen und Prognosen im Rahmen der Tatbestandsmerkmale des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorgenommen und die widerstreitenden Interessen an der Aktenvorlage einerseits und an der Geheimhaltung andererseits abgewogen hat, und auch davon, ob sonstige allgemeine verfahrensrechtliche Grundsätze eingehalten wurden.
Nach diesen Kriterien und unter Berücksichtigung des dargelegten prozessualen Ausgangspunkts, dass es sich bei dem diesem Zwischenverfahren zugrundeliegenden Verfahren um eine Drittklage mit dem Erfordernis einer notwendigen Beiladung der betreffenden Lizenznehmer handelt, ist die uneingeschränkte Verweigerung der Vorlage der Hybrid-Postdienstleistungen betreffenden Verwaltungsvorgänge durch die Antragsgegnerin rechtswidrig. Die Antragsgegnerin hat insoweit mit dem für die Aktenvorlageverweigerung angegebenen Grund des Identitätsschutzes der Lizenznehmer vor deren Aufnahme der lizenzierten Tätigkeit eine nicht zutreffende Gewichtung der wechselseitigen Interessen vorgenommen.
Entscheidende Bedeutung bei der Interessenabwägung kommt der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zu, auf die sich die Antragstellerin berufen kann. Diese schließt ein, dass die Verwaltungsvorgänge, welche die für das Verwaltungsverfahren und dessen Ergebnis maßgeblichen Sachverhalte und behördlichen Erwägungen dokumentieren, dem Gericht zur Verfügung stehen, soweit sie für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung und der geltend gemachten Rechtsverletzung von Bedeutung sein können. Die Gewährleistung schließt einen möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz gegen Verletzungen der Individualrechtssphäre durch Eingriffe öffentlicher Gewalt ein. Zur Effektivität des Rechtsschutzes gegenüber der öffentlichen Gewalt gehört es, dass das Gericht das Rechtschutzbegehren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht prüfen kann und genügend Entscheidungsbefugnisse besitzt, um drohende Rechtsverletzungen abzuwenden oder erfolgte Rechtsverletzungen zu beheben. Das Gericht muss dabei die tatsächlichen Grundlagen selbst ermitteln und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Verwaltung, deren Entscheidung angegriffen ist, gewinnen und begründen. Soweit die Effektivität des Rechtsschutzes von der Offenlegung der Verwaltungsvorgänge abhängt, die zu der angegriffenen Entscheidung geführt haben, wird auch die Kenntnisnahme durch das Gericht von dem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG umschlossen, weil ihm anderenfalls die Gewährung eines umfassenden Rechtsschutzes auf Grund einer eigenen tatsächlichen Grundlagenermittlung unmöglich wäre.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 -, NJW 2000, 1175.
Die Rechtsschutzgarantie umfasst dementsprechend auch die Notwendigkeit einer umfassenden Nachprüfung des Verwaltungshandelns in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch das Gericht und eine dem Rechtschutzbegehren angemessene Entscheidungsart und Entscheidungswirkung. Dies gilt nach Auffassung des Fachsenats auch in Bezug auf Mitwirkungsrechte und - verpflichtungen auf Grund prozessualer Besonderheiten wie z. B. einer Drittanfechtungsklage, bei der die verfahrensmäßige Einbeziehung des durch eine Erlaubnis Begünstigten im Wege einer (notwendigen) Beiladung (§ 65 VwGO) erfolgt. Auch insoweit muss das Gericht den Sachverhalt aufklären und Kenntnis davon haben, wem eine mit einer Klage angefochtene Erlaubnis erteilt wurde und welchen Inhalt diese konkret hat. Die Beiziehung von Verwaltungsvorgängen und eine daran anknüpfende Beiladung der Lizenzinhaber dient auch deren Interesse, weil ihnen nur so ermöglicht wird, ihre Rechtsposition in das Verfahren einzubringen und weil eine gerichtliche Entscheidung ohne Beteiligung eines notwendig Beizuladenen keine umfassende Verbindlichkeit allen Betroffenen gegenüber bewirkt.
Die Antragstellerin hat dargelegt, dass nach ihrer Einschätzung Lizenzen für Hybrid-Postdienstleistungen erteilt worden sind bzw. die Antragsgegnerin davon ausgehe, dass diese Art der Postdienstleistung dem § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG unterfällt, dass sie, die Antragstellerin, dagegen gerichtlichen Rechtsschutz in Form von Klagen oder Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will und dass es dafür der Kenntnis der Lizenznehmer und des Inhalts der entsprechenden Lizenzurkunden bedürfe. Ein effektiver Rechtsschutz in dieser Hinsicht erfordert aber, wie dargelegt, die prozessuale Einbeziehung der Lizenzinhaber durch eine notwendige Beiladung und dementsprechend die gerichtliche Kenntnis vom Inhalt erteilter Lizenzen, die wegen des Unvermögens der Antragstellerin zur Mitteilung dieser Angaben in der Klageschrift nur durch die Beiziehung der entsprechenden Verwaltungsvorgänge zum Verfahren erfolgen kann.
Diesem der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG entsprechenden Ansinnen der Antragstellerin stehen keine vorrangigen schutzwürdigen Belange der begünstigten Lizenznehmer entgegen. Es erscheint schon zweifelhaft, ob ein derart weitgehender Konkurrentenschutz, der auch die Offenlegung der Namen und Anschriften künftiger Wettbewerber und des genehmigten Betätigungsfeldes vor Aufnahme der beabsichtigten Tätigkeit hindert, vom Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO umfasst ist. Selbst wenn dies, möglicherweise auch angesichts dessen, dass die Antragstellerin als ehemaliger Monopolist u. U. nicht den sonst üblichen absoluten Schutz im Wettbewerb genießen sollte,
vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 15. August 2003 -20 F 3.03 -, a. a. O.,
anzunehmen wäre, ist hier ein Vorrang der Interessen der Lizenznehmer an einer Geheimhaltung ihrer Identität vor Aufnahme der konkurrierenden Geschäftstätigkeit nicht anzuerkennen. Für die Frage, ob für einen wettbewerblich relevanten Umstand wesensmäßig eine Geheimhaltungsbedürftigkeit besteht, ist in Abwägung mit dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes generell ein strenger Maßstab anzuwenden, weil nur so die mit der Verweigerung einer Vorlage von Akten verbundene Einschränkung der richterlichen Aufklärungs- und Rechtsfindungstätigkeit gerechtfertigt werden kann.
Vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann, Pietzner, a. a. O., § 99 Rdnr. 18; Sodan/Ziekow, a. a. O., § 99 Rdnr. 28.
Unter Einbeziehung dieser Erwägung ist hier zu berücksichtigen, dass die uneingeschränkte Verweigerung der Vorlage der Hybrid-Postdienstleistungen betreffenden Verwaltungsvorgänge dazu führt, dass das Gericht eine prozessual ordnungsgemäße Bearbeitung der Klage der Antragstellerin, zu der für die Wirksamkeit einer späteren Entscheidung notwendige Schritte wie Beiladungen gehören, nicht in die Wege leiten kann. Dies würde letztlich im Ergebnis auf eine Verweigerung effektiven Rechtsschutzes für die Antragstellerin, die Inhaberin der gesetzlichen Exklusivlizenz nach § 51 Abs. 1 Satz 1 PostG ist und der diesbezüglich ein Schutzbereich zukommt, hinauslaufen. Jedenfalls ist im Hinblick auf den dargelegten prozessualen Ausgangspunkt, dass es sich um eine Drittanfechtungsklage handelt und im Verfahren die Beiladung der Lizenzinhaber notwendig ist, die totale Verweigerung der Aktenvorlage durch die Antragsgegnerin auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht zu rechtfertigen. Im Verhältnis zu der totalen Verweigerung der Aktenvorlage hätte für sie als anderes Mittel die Möglichkeit bestanden, - wie in anderen postrechtlichen Lizenzverfahren auch -, wenigstens Namen und Anschrift sowie den Inhalt der erteilten Lizenzen mitzuteilen, um eine ordnungsgemäße gerichtliche Bearbeitung der Drittanfechtungsklage und eine tragfähige gerichtliche Entscheidung zu ermöglichen. Dass insoweit eine Teilbarkeit der Lizenzen und eine Beschränkung der Mitteilung auf diese Angaben nicht möglich war, ist von der Antragsgegnerin nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich. Auch diese Erwägungen fallen im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ausschlaggebend ins Gewicht und zwingen zur Annahme eines überwiegenden Interesses der Antragstellerin an der Offenlegung der bezeichneten Angaben, auf die sich ihr (eingeschränktes) Antragsbegehren bezieht.
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kann die Antragstellerin nicht auf eine eigene Feststellung der mit den fraglichen Lizenzen ausgestatteten Wettbewerber und der Lizenzinhalte durch Marktbeobachtung verwiesen werden. Denn die mögliche Verletzung ihrer Rechte liegt bereits in der Lizenzerteilung und die Antragstellerin braucht den Eintritt eines Wettbewerbsnachteils nicht abzuwarten.
Von einer Aufforderung nach § 99 Abs. 2 Satz 5 VwGO an die Antragsgegnerin, die verweigerten Akten vorzulegen, hat der Senat abgesehen. Durch Beiziehung der verweigerten Akten würde zwar in diesem Zwischenverfahren die Namen/Anschriften der Lizenznehmer und der Inhalt der betreffenden Lizenzen dem Gericht offen gelegt, dies würde aber das zugrundeliegende Verfahren 22 K 10879/02 VG Köln nicht weiterbringen bzw. zur Erledigung führen, weil nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO die Entscheidungsgründe eines Beschlusses in diesem Zwischenverfahren Art und Inhalt der geheimgehaltenen Akten nicht erkennen lassen dürfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung, die trotz des eingeschränkten Antragsbegehrens und der Beschränkung im Tenor der Entscheidung in Höhe des Auffangwertes gerechtfertigt erscheint, beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG in der bisherigen Fassung, die gemäß § 72 Nr. 1 GKG i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) für dieses Verfahren weiterhin gilt.
OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 20.08.2004
Az: 13a D 80/03
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