Oberlandesgericht Schleswig:
Beschluss vom 21. Juni 2007
Aktenzeichen: 5 W 36/07
(OLG Schleswig: Beschluss v. 21.06.2007, Az.: 5 W 36/07)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers zu 1) gegen den Beschluss des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen III des Landgerichts Kiel vom 4. Juni 2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags des Klägers zu 1) auf Abkürzung der der Beklagten mit richterlicher Verfügung vom 21.Mai 2007 gewährten Verlängerung der Stellungnahmefrist zu vorausgegangenen Schriftsätzen des Klägers zu 1) ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. An der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde fehlt es nicht. Eine richterliche Frist, wie sie hier in Rede steht, kann gemäß § 224 Abs. 2 ZPO auf Antrag abgekürzt werden, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind. Gegen die Ablehnung des Abkürzungsantrags findet dem Wortlaut von § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO folgend die sofortige Beschwerde statt, weil es sich um eine die mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidung handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist (ebenso Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. A. 2005, § 225 Rn. 9; Zöller/Stöber, ZPO, 26. A. 2007, § 225 Rn. 8; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 27. A. 2005, § 225 Rn. 4; Wöstmann in Saenger, HK-ZPO, 2006, § 225 Rn. 4).
Der Sonderfall des § 225 Abs. 3 ZPO, wonach eine Anfechtung des Beschlusses, durch den ein Gesuch um Fristverlängerung zurückgewiesen worden ist, nicht stattfindet, liegt nicht vor. Schon wegen dieser vom Gesetzgeber im Zusammenhang mit der richterlichen Entscheidung über Friständerungen ausdrücklich getroffenen Sonderregelung vermag der Senat der in der Literatur vertretenen Minderansicht (Feiber im Münchner Kommentar zur ZPO, 2. A. 2000, § 225 Rn. 8; wohl zustimmend Stadler in Musielak, ZPO, 5. A. 2007, § 225 Rn. 4 dort FN 22) nicht zu folgen, mit Rücksicht auf die ebenfalls gesondert geregelte Unanfechtbarkeit der Entscheidung über ein Terminsänderungsgesuch in § 227 Abs. 4 S. 3 ZPO sei grundsätzlich keine selbständige Anfechtung von Entscheidungen über Friständerungsgesuche zuzulassen.
2. Ebensowenig wie das Landgericht folgt der Senat der Argumentation der Beklagten, ein Fristverkürzungsantrag gegen eine bewilligte Verlängerung einer richterlichen Frist sei bereits unzulässig. Auch die Verlängerung einer solchen Frist ist dem Wortlaut nach eine richterliche Frist, gegen die ein Abkürzungsantrag nach § 224 Abs. 2 ZPO gerichtet werden kann. Nicht zu verkennen ist allerdings, dass die vorgelagerte Entscheidung des Landgerichts vom 21.Mai 2007, dem Verlängerungsgesuch der Beklagten - nämlich Verlängerung der bereits mit Verfügung vom 29.März 2007 gewährten achtwöchigen Stellungnahmefrist auf verschiedene im März 2007 eingegangene Schriftsätze des Klägers zu 1) um weitere 6 Wochen - stattzugeben, gemäß § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO nicht angefochten werden kann. Diese gesetzgeberische Entscheidung wird aber nicht grundsätzlich unterlaufen, wenn die Verlängerungsfrist auf Antrag wieder abgekürzt werden kann. Denn im Wege der Abkürzung darf die Verlängerung nicht vollständig rückgängig gemacht, sondern allenfalls insoweit verändert werden, dass der notwendige Vertrauensschutz der Partei, der die Verlängerung bereits bewilligt worden ist, gewahrt bleibt. Zu bedenken ist auch, dass gerade bei der erstmaligen Verlängerung einer richterlichen Frist eine Anhörung der Gegenseite nicht stattfinden muss (arg. e. § 225 Abs. 2 ZPO, vgl. auch Roth in Stein/Jonas, aaO, § 225 Rn. 4) und mithin der Gegner erst über den Antrag auf Abkürzung der verlängerten Frist Gelegenheit hat, sich mit seinen Argumenten Gehör zu verschaffen. Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Waffengleichheit im Prozess muss deshalb ein solcher Abkürzungsantrag - und gegen dessen Ablehnung die sofortige Beschwerde - zulässig sein (vgl. zu diesem Argument unter Rückgriff auch auf die EMRK Jänisch in Wieczorek, ZPO, 3. A. 2005, § 567 Rn. 9).
3. Das Landgericht hat den Antrag auf Abkürzung der Fristverlängerung von 6 Wochen - ablaufend am 10. Juli 2007 nach seiner Berechnung Bl. 1419a R d.A. - mit zutreffenden Argumenten in seinem Beschluss vom 4. Juni 2007 und ergänzend im Nichtabhilfebeschluss vom 12. Juni 2007 zurückgewiesen. Dem Kläger zu 1) stehen die erforderlichen erheblichen Gründe für ein Abkürzung (§ 224 Abs. 2 ZPO) nicht zur Seite.
In diesem Zusammenhang sind seine Interessen an der Abkürzung abzuwägen mit dem grundsätzlich schutzwürdigen Vertrauen der Beklagten in den Bestand der bewilligten Verlängerung (dazu vgl. BGH NJW 1998, 1155 f, bei juris Rn. 9 f), wobei zugleich ihr Interesse an der vorausgegangenen Verlängerung selbst einzustellen ist.
a) Die Beklagte hat ihre erheblichen Gründe für die begehrte Verlängerung gegenüber dem Landgericht entgegen der Auffassung des Klägers zu 1) ausreichend dargelegt. Es kann ihr im Grundsatz nicht verwehrt sein, einen neuen Anwalt federführend mit der Klagverteidigung gegen die vom Kläger betriebene Anfechtung des Beschlusses zu TOP 3 der Hauptversammlung der beklagten AG vom 23/24. August 2005 zu betrauen. Dass dieser - trotz der bereits vorliegenden umfangreichen Klagerwiderung der Vorgängeranwälte zu diesem Punkt - einige Zeit zur Einarbeitung und zur Erwiderung auf die Repliken des Klägers zu 1) benötigt, liegt auf der Hand, zumal der Kläger zu 1) sich mit diesen Repliken von März 2007 auf einen Prozessstoff von mehreren tausend Seiten Akten (teilweise aus anderen Verfahren) bezieht, wie das Landgericht im Nichtabhilfebeschluss unwidersprochen angemerkt hat.
Die bewilligte Stellungnahmefrist von 8 Wochen hat der Kläger zu 1) auch nicht mit einem Abkürzungsantrag angegriffen, so dass nur zu fragen ist, ob seitens der Beklagen ausreichend erhebliche Gründe für die erstmalige Verlängerung um 6 Wochen vorgebracht worden sind. Insoweit ist anwaltliche Überlastung mit anderen Fristsachen ein typischer und in der Regel bei erstmaliger Verlängerung auch zu akzeptierender Grund, für dessen Glaubhaftmachung regelmäßig eine anwaltliche Erklärung genügt (Roth in Stein/Jonas, aaO, § 224 Rn. 9; Feiber in MüKo-ZPO, aaO, § 224 Rn. 5 und § 225 Rn. 4; Stadler in Musielak, aaO, § 224 Rn. 3), wie sie hier auch vorliegt. Schon angesichts des Umfanges des von dem Kläger selbst in seiner Replik einbezogenen Aktenmaterials bestand kein zwingender Anlass für das Landgericht, den ihm zunächst telefonisch und dann auch schriftlich unterbreiteten Gründen für den Verlängerungsantrag zu misstrauen.
b) Den dargelegten Interessen der Beklagten an der Verlängerung und deren Fortbestand ist das Abkürzungsinteresse des Klägers zu 1) gegenüberzustellen. Dieses Abkürzungsinteresse besteht im Grundsatz in dem jeweiligen Interesse des Antragstellers an der Verfahrensbeschleunigung. Darauf beruft sich allerdings der Kläger zu 1) im vorliegenden Verfahren eher in zweiter Linie. Insoweit kann eine besondere, die Interessen der Beklagten überwiegende Schutzbedürftigkeit nicht festgestellt werden, weil eine erhebliche Verfahrensverzögerung durch die fraglichen weiteren 4 Wochen Verlängerung der Stellungnahmefrist - 2 Wochen Verlängerung akzeptiert der Kläger zu 1) - bereits nicht erkennbar ist. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass eine umfängliche Klagerwiderung auch betreffend die Anfechtung des Beschlusses zu TOP 3 der fraglichen Hauptversammlung bereits vorliegt, ist das Landgericht ersichtlich nicht gehindert, die Sache trotz der noch ausstehenden Stellungnahme zu der Replik weiter zu fördern und einen Termin vorzubereiten.
Tatsächlich hat das Landgericht die Sache auch weiter bearbeitet und zeitgleich mit dem Nichtabhilfebeschluss einen von dem Kläger zu 1) durchaus begrüßten richterlichen Hinweis gegeben, wonach es dessen Argumentation bei vorläufiger Bewertung in zentralen Punkten für schlüssig hält, auf die Beweislast der Beklagen in einem wesentlichen Punkt hinweist und Bedenken gegen die bisherigen Argumente der Beklagten zum Ausgabepreis der Aktien geltend macht. Allein wegen dieses richterlichen Hinweises müsste der Beklagten eine gewisse Stellungnahmefrist eingeräumt werden und bestehen deshalb keine Bedenken, dass sie auf die Repliken des Klägers zu 1) - auf die nämlich der Hinweis Bezug nimmt und deren Argumente er aufgreift - noch bis zum 10. Juli 2007 Stellung nehmen kann. Soweit überhaupt Bedenken gegen den Umfang der Fristverlängerung von 6 Wochen im Hinblick auf das Verfahrensbeschleunigungsinteresse des Klägers zu 1) bestanden haben sollten, hat das Landgericht diese jedenfalls indirekt mit seiner Hinweisverfügung beseitigt.
c) Im Mittelpunkt der Argumentation, mit der der Kläger zu 1) seinen Abkürzungsantrag begründet, steht tatsächlich aber nicht sein Interesse an der Verfahrensbeschleunigung an sich, sondern stehen im Grundsatz verfahrensfremde Ziele, nämlich Ziele im Hinblick auf die am 20. Juli 2007 anstehende nächste Hauptversammlung der Beklagten. Der Kläger beruft sich auf ein wesentliches Aktionärsinteresse, rechtzeitig vor der Hauptversammlung von der Beklagten zu erfahren, wie sie sich zu seinen die Begründung seiner Anfechtung des fraglichen Hauptversammlungsbeschlusses (betreffend die Abberufung des Sonderprüfers A.) vertiefenden Argumenten in den Replik-Schriftsätzen von März 2007 stellt. Er verweist darauf, dass die Thematik des vorliegenden Verfahrens und mithin auch die offene Stellungnahme Bedeutung für die in der Hauptversammlung anstehenden Entlastungs- und Aufsichtsratswahlbeschlüsse habe, es auch um die Frage der ausreichenden Information der Hauptversammlungen der vergangenen Jahre und der anstehenden Hauptversammlung durch den Vorstand gehe und schließlich zu bedenken sei, dass etwa für Anträge nach § 126 Abs. 1 AktG Fristen von zwei Wochen vor der Hauptversammlung gelten würden.
Unbeschadet der Frage, ob im Einzelfall überhaupt verfahrensfremde Ziele der Parteien in die Abwägung nach § 224 Abs. 2 ZPO einbezogen werden können, folgen hier aus den vorgebrachten Argumenten jedenfalls keine erheblichen Gründe, trotz der dargelegten Interessen der Beklagten - nicht zuletzt ihrem Vertrauensinteresse - eine Abkürzung der Fristverlängerung vorzunehmen. Dabei ist zunächst von Bedeutung, dass der Kläger zu 1) die Grundlinien der Argumentation der Beklagten zu seiner Anfechtungsklage bereits kennt, obgleich er sie für €dünn€ hält (sein Schriftsatz vom 20. Juni 2007, Bl. 2). Der neu eingeschaltete Anwalt der Beklagten hat in seinem Schriftsatz vom 04. Juni 2007 auf diese €maßgebliche Argumentation der Beklagten€ auch bereits verwiesen. Wesentlich Neues scheint der Kläger zu 1) darüber hinaus von dem ausstehenden Schriftsatz des neuen Anwaltes der Beklagten auch selbst nicht zu erwarten, wie er in seinem Schriftsatz an das Landgericht vom 23. Mai 2007 mit seinen Bemerkungen auf S. 4, Abs. 1 (Bl. 1423 d.A.) deutlich gemacht hat.
Darüber hinaus wird ohnehin - dies entspricht offensichtlich auch der Annahme des Klägers zu 1) - eine Klärung der komplexen Problematik kaum durch einen weiteren Schriftsatz der Beklagten, sondern erst im weiteren Verlauf des Prozesses durch dessen Entscheidung oder jedenfalls mit weiterer richterlicher Hilfe in der mündlichen Verhandlung erreicht werden können, was aber auch bei einer Abkürzung der Verlängerungsfrist keinesfalls bis zur anstehenden Hauptversammlung der Beklagten mehr geschehen kann.
Schon das Landgericht hat den Kläger zu 1) darauf hingewiesen, dass ihn die ausstehende Stellungnahme kaum an Anträgen zur Vorbereitung der Hauptversammlung nach den §§ 126 ff AktG, insbesondere unter Wahrung der Frist in § 126 Abs. 1 AktG, hindern kann, zumal er selbst bereits eine differenzierte Position zu dem angefochtenen Widerrufsbeschluss zu TOP 3 der Hauptversammlung vom August 2005 und dessen Hintergründen entwickelt hat, ihm dazu auch schon eine Erwiderung der Beklagten vorliegt und er auf dieser Grundlage seine Vorbereitungen zur anstehenden Hauptversammlung autonom treffen kann. Was die dort anstehenden Beschlüsse über die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates sowie die Neuwahl des Aufsichtsrates angeht, kann er ggf. weitere Erkenntnisse aus der erwarteten Stellungnahme einbringen, denn die verlängerte Frist läuft am 10. Juli 2007 noch deutlich vor der Hauptversammlung ab.
Was letztlich die Frage ausreichender und rechtzeitiger Information der Hauptversammlung betrifft (dazu vgl. bereits Senat WM 2006, 231 ff) kann dies nicht Gegenstand der Abwägung im Rahmen des § 224 Abs. 2 ZPO anlässlich der Entscheidung über den Abkürzungsantrag im vorliegenden Verfahren über die Anfechtung eines zwei Jahre zurückliegenden Hauptversammlungsbeschlusses sein. Die ausstehende Stellungnahme hat ersichtlich nicht die Funktion, die für den 20. Juli 2007 einberufene Hauptversammlung zu informieren. Das vorliegende Beschwerdeverfahren kann nicht gleichsam als vorbeugender Rechtsschutz für die Wahrnehmung von Pflichten verstanden werden, die dem Vorstand einer AG gegenüber einer künftigen Hauptversammlung obliegen.
4. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO, um die der Kläger zu 1) mit Schriftsatz vom 21. Juni 2007 gebeten hat, liegen nicht vor. Entscheidungserheblich ist bereits der Umstand, dass durch die sechswöchige Fristverlängerung jedenfalls infolge des richterlichen Hinweises vom 12. Juni 2007 keine erkennbare Verfahrensverzögerung eingetreten ist und der Beklagten nach diesem wesentliche Argumente des Klägers zu 1) aufgreifenden Hinweis ohnehin einige Wochen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muss. Fehlt es schon deshalb an den für eine positive Entscheidung über den Abkürzungsantrag erforderlichen erheblichen Gründen (§ 224 Abs. 2 ZPO), kommt es letztlich auf die von dem Kläger zu 1) in seinem jüngsten Schriftsatz aufgeführten Gesichtspunkte nicht mehr an.
OLG Schleswig:
Beschluss v. 21.06.2007
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