Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 29. Januar 2004
Aktenzeichen: 13 B 2689/03
(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 29.01.2004, Az.: 13 B 2689/03)
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässigen Beschwerden sind begründet.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 1 K 6093/03 VG Köln zu Unrecht stattgegeben. Der Antrag ist abzulehnen.
Zwar ist der Antrag zulässig. Die Antragstellerin ist insbesondere antragsbefugt, weil sie sich auf eine Verletzung des § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG beruft, der nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Oktober 2002 - 6 C 8.01 -, DVBl. 2003, 403 (409), im Rahmen der Entgeltgenehmigung das Interesse der Wettbewerber des regulierten Unternehmens schützt, eine solche Rechtsverletzung möglich ist und sie zum Kreis der Wettbewerber der Beigeladenen auf dem hier relevanten Markt zählt.
Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt jedoch zu Lasten der Antragstellerin aus, weil die mit Bescheid der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 2. September 2003 - BK 2a 03/011 - erteilte Genehmigung des Tarifs AktivPlus basis calltime 120 bei der in der vorliegenden Verfahrensart nur möglichen Prüfungsdichte mit großer Wahrscheinlichkeit einer Überprüfung im Hauptsacheverfahren standhalten wird und es deshalb bei der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 TKG verbleibt.
Einen Grund für die Versagung der von der Beigeladenen beantragten Genehmigung für das Entgelt AktivPlus basis calltime 120 gibt es für den Senat gegenwärtig nicht. Dieser Tarif sieht gegen ein Überlassungsentgelt von 3,63 EUR ein 120-minütiges Freikontingent und ab der 121. Minute nutzungsdauertarifierte City- und Deutschlandverbindungen nach dem Tarif AktivPlus basis vor. Dass das Freikontingent-Element oder das nutzungsdauertarifierte Element des Tarifs AktivPlus basis calltime 120 gegen den Maßstab des § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG - nur diese Verbotsvorschrift hat Wettbewerber schützende Wirkung und kommt für eine Rechtsverletzung der Antragstellerin in Betracht - verstößt, ist nicht feststellbar.
Der ab der 121. Verbindungsminute berechnete Tarif AktivPlus basis ist durch bestandskräftigen Bescheid der Regulierungsbehörde vom 11. April 2003 - BK 2a 03/002 - genehmigt. Bereits hieraus folgt, dass nicht von einem gegen § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG verstoßenden Abschlag ausgegangen werden kann, jedenfalls soweit ein solcher Abschlag nicht offensichtlich ist. Letzteres ist der Fall. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben nachvollziehbar dargelegt, dass die Dumpingpreisuntergrenze unter Anwendung der nicht zu beanstandenden IC+25%-Regel bei 2,15 Ct./Min. (Kosten für Zuführung und Terminierung nach Lokal-Tarif bzw. Double Transit-Tarif: 1,72 Ct/Min. zzgl. 0,43 Ct/Min.) liegt, während der AktivPlus basis-Tarif ein Verbindungsentgelt von 3,2 Ct./Min. vorsieht. Dieses zwischen der Dumpingpreisgrenze und dem im Pricecap-Verfahren entwickelten Standard-Verbindungsentgelt von 4,58 Ct./Min. liegende Entgelt ist kostendeckend und wird nicht mit einem Teil des Überlassungsentgelts (2,16 EUR/Mon.) querfinanziert. Dasselbe gilt für das Verbindungsentgelt mit Blick auf das Überlassungsentgelt von 3,63 EUR/Mon. für den Tarif AktivPlus basis calltime 120. Soweit Wettbewerber der Beigeladenen die IC+25%-Regel angreifen, ist diese Kritik nicht nachvollziehbar. Im Verfahren BK 2a 03/002 ist die Anwendung dieser Regel von den Wettbewerbern nicht verwaltungsgerichtlich angegriffen worden; vielmehr haben sie den Beschluss vom 11. April 2003 bestandskräftig werden lassen. Im Übrigen kann davon ausgegangen werden, dass die Wettbewerber nach Ende der Markteintrittsphase Kostensenkungspotentiale wie die Beigeladene ausnutzen und mit der Nebenkostenpauschale (25%) auch bei gesunkenen Interconnectionentgelten (IC) auskommen. Der Anschlusskostenbeitrag trifft die Wettbewerber nur für wenige Monate der Tariflaufzeit und ist vernachlässigbar.
Mit der obigen Feststellung entfällt zugleich die Prämisse für die Annahme des Verwaltungsgerichts, das Überlassungsentgelt für den Tarif AktivPlus basis calltime 120 verstoße gegen § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG, das ab der 121. Minute angesetzte Verbindungsentgelt des Tarifs AktivPlus basis sei nicht kostendeckend und müsse mit dem Überlassungsentgelt querfinanziert sein, so dass für das Freikontingent des Tarifs AktivPlus basis calltime 120 nur ein um das Überlassungsentgelt des Tarifs AktivPlus basis reduzierter, dann nicht mehr kostendeckender Preis, also ein verbotswidriger Dumpingpreis verbleibe. Unabhängig hiervon erweist sich die Ausgangsüberlegung des Verwaltungsgerichts auch deshalb als bedenklich, weil das Verwaltungsgericht annimmt, Kunden würden möglichst das Freikontingent ausschöpfen, aber keine oder jedenfalls nur wenig Leistungen im nutzungsdauerabhängigen Tarif nachfragen. Dann läge nämlich im nutzungsdauertarifierten Bereich keine oder nur eine geringe Unterdeckung vor, so dass eine Finanzierung durch das Überlassungsentgelt nicht oder allenfalls nur in geringem Umfang erforderlich wäre und das Überlassungsentgelt ganz oder nahezu ganz zur Deckung des Freikontingents zur Verfügung stünde.
Das somit voll zur Deckung des Freikontingents heranzuziehende Überlassungsentgelt von 3,63 EUR/Mon. für den Tarif AktivPlus basis calltime 120 ist ebenfalls kein gegen § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG verstoßender Dumpingbetrag. Die insoweit kostenintensivste Deutschlandverbindung in der Peak-Zeit berechnet sich nach der IC+25%-Formel auf 3,14 Ct./Min. (= 0,65 + 1,86 = 2,51; zzgl. 25 %), die bei durchschnittlich 108,3 Verbindungsminuten eines Kunden im Monat einen Mindest-Kostenbetrag von 3,40 ergeben und das o. a. Überlassungsentgelt nicht erreichen und selbst bei 120 Verbindungsminuten nur einen geringfügigen Kostenbetrag ergeben, was angesichts der tatsächlichen Kosten noch gerechtfertigt ist und nicht wettbewerbsbeeinträchtigend wirkt.
Ein Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften im Sinne des § 27 Abs. 3 TKG - als solche kommen hier nur §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB in Betracht - ist bei überschlägiger Betrachtung nicht feststellbar. Dabei berücksichtigt der Senat auch, dass ein Rabattsystem wie das des Tarifs AktivPlus basis calltime 120 heute in vielen Branchen üblich ist und nicht als missbräuchlich angesehen wird und dass auch Wettbewerber der Beigeladenen zu ähnlichen Rabatten in der Lage sind oder sein müssten sowie ein Wettbewerb allgemein nicht verhindert wird. Insoweit bietet dieser Tarif keine - von einigen Wettbewerbern gesehene - Parallelen zur Problematik der Tarife T-Net calltime 120 und T-Online calltime 120.
OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 29.01.2004
Az: 13 B 2689/03
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