Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Dezember 2003
Aktenzeichen: 10 W (pat) 701/03

(BPatG: Beschluss v. 18.12.2003, Az.: 10 W (pat) 701/03)

Tenor

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts (Musterregister) vom 30. August 2002 aufgehoben.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Anmelderin beantragte am 9. Oktober 2001 beim Patentamt die Eintragung eines als "Massagegerät" bezeichneten Musters in das Musterregister.

Durch Beschluss vom 30. August 2002 hat das Deutsche Patent- und Markenamt (Musterregister) festgestellt, dass Musterschutz für das angemeldete Muster nicht erlangt worden sei und hat die Eintragung versagt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Veröffentlichung und Verbreitung einer Nachbildung des Musters gemäß § 7 Abs 2 GeschmMG gegen die guten Sitten verstoße. Die Musterdarstellung zeige Stimulationsvibratoren, die den Kernbereich sexueller Ausdrucksformen beträfen. Die gewerbsmäßig zu vertreibenden Vibratoren seien offensichtlich zur kommerziellen Ausnutzung des Geschlechtstriebs bestimmt. Das besondere Design der Stimulationsvibratoren solle zielgerichtet eine erhöhte Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit hervorrufen. Der Geschlechtstrieb werde dabei allein auf den Zweck körperlichen Lustgewinns durch Selbstbefriedigung reduziert. Dies verletze das Sittlichkeitsgefühl eines beachtlichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie trägt insbesondere vor, die Gestaltung des Musters bewirke eine "Entsexualisierung", so dass die bloße Ansicht schon seinen Verwendungszweck nicht erkennen lasse. Zudem sei der insbesondere in den letzten Jahren eingetretene Wertewandel zu berücksichtigen, wonach nicht alles, was einen sexuellen Bezug habe, als anstößig empfunden werde. Bei Vibratoren sei auch zu berücksichtigen, dass sie geeignet seien, Menschen mit physischen oder psychischen Störungen zu einer erfüllten Sexualität zu verhelfen. Zur begehrten Rückzahlung der Beschwerdegebühr trägt die Anmelderin vor, sie habe das Patentamt im Hinblick auf den Senatsbeschluss 10 W (pat) 714/01 vom 16. Januar 2003 im Mai 2003 gebeten, der Beschwerde abzuhelfen, was es aber nicht getan habe. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspreche daher der Billigkeit Die Anmelderin beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 30. August 2002 aufzuheben und festzustellen, dass § 7 Abs 2 GeschmMG dem Antrag auf Eintragung des angemeldeten Musters Massagegerät (Fabriknummer 001) nicht entgegensteht, sowie anzuordnen, dass die Beschwerdegebühr zurückgezahlt wird.

Der Senat hat durch Beschluss vom 12. Juni 2003 dem Präsidenten des Patentamts anheimgegeben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten. Dieser hat von einem Beitritt abgesehen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Patentamt hat die Eintragung des Musters zu Unrecht gemäß § 10 Abs 2 Satz 3 GeschmMG versagt; § 7 Abs 2 GeschmMG steht dem Schutz des angemeldeten Musters nicht entgegen.

Gemäß § 7 Abs 2 GeschmMG wird durch die Anmeldung eines Geschmacksmusters Schutz gegen die Nachbildung nicht erlangt, wenn die Veröffentlichung des Musters oder die Verbreitung einer Nachbildung gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt. Ein Verstoß gegen die guten Sitten ist anzunehmen, wenn das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzt wird, wobei aufgrund der fortschreitenden Liberalisierung der Anschauungen über Sitte und Moral von diesem Ausschlusstatbestand nur sehr zurückhaltend Gebrauch zu machen ist, wenn es um Verstöße gegen das Schamgefühl bzw die Sexualmoral geht (vgl Eichmann/v. Falckenstein, GeschmMG, 2. Aufl, § 7 Rdn 72; BGHZ 10, 228, 232; zur entsprechenden Vorschrift bei den anderen gewerblichen Schutzrechten zB Schulte, PatG, 6. Aufl, § 2 Rdn 23; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 8 Rdn 612). Dies ist hier nicht der Fall.

Im Senatsbeschluss 10 W (pat) 714/01 vom 16. Januar 2003 (Volltext in juris, LS in Mitt 2003, 424), der ebenfalls zum Musterschutz angemeldete Vibratoren betraf und auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat der Senat einen Verstoß gegen die guten Sitten verneint. Darin ist ausgeführt, hierfür sei es angesichts der heute herrschenden durchschnittlichen Anschauungen über Sitte und Moral nicht ausreichend, dass ein Muster einen sexuellen Bezug aufweise, in dem es sich um Vibratoren handele, sondern es sei auf die konkrete Ausgestaltung abzustellen. Die Grenze sei dabei dort zu ziehen, wo solche Mustergegenstände einen diskriminierenden, die Menschenwürde verletzenden Eindruck vermittelten, sei es in der Art ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung oder in der Art der Darstellung (zB, wenn sie Frauen als beliebig verfügbare Sexualobjekte darstellen) oder wenn ihre Gestaltung derart sei, dass Sexuelles in grob aufdringlicher, anreißerischer Weise in den Vordergrund gerückt sei oder überwiegend auf die Erregung sexueller Reize abgezielt werde.

Auch die vorliegende Ausgestaltung weicht wie in dem schon entschiedenen Fall deutlich von üblichen Vibrator-Gestaltungen ab, die in der Regel das männliche Glied mehr oder weniger naturalistisch abbilden. Vielmehr lässt die Ausgestaltung in erster Linie an originelle, comicartige Figuren, zB eine Nixe denken, und ist jedenfalls keine solche, bei der in grob pornographischer Weise das männliche Glied naturalistisch dargestellt ist und die allein auf die Erzielung eines sexuellen Reizes abstellt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass ein beachtlicher Teil des Verkehrs das vorliegende Muster in Form eines Vibrators in der konkret angemeldeten Ausgestaltung nicht etwa nur als geschmacklos empfindet, sondern sich von ihm in seinem sittlichen Empfinden erheblich verletzt fühlt.

Ob das Muster nur mit einem verschobenen Anmeldetag eingetragen werden kann, da die per Fax am Anmeldetag eingereichte Musterdarstellung das Muster kaum erkennen lässt, sondern erst die am 10. Oktober 2001 eingereichte Musterdarstellung, vgl § 7 Abs 3 Nr 2 iVm § 10 Abs 3 GeschmMG, ist nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gewesen. Hierüber wird das Patentamt noch zu entscheiden haben.

III.

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist unbegründet.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr kommt gemäß § 10a Abs 1 GeschmMG iVm § 80 Abs 3 PatG nur ausnahmsweise in Betracht, wenn besondere Umstände es als unbillig erscheinen ließen, die Beschwerdegebühr einzubehalten (vgl Schulte, aaO, § 80 Rdn 67, § 73 Rdn 143, 147). Solche Umstände sind nicht gegeben. Allein der Umstand, dass die Beschwerde Erfolg hat, vermag die Rückzahlung nicht zu rechtfertigen, denn eine Rückzahlung ist grundsätzlich nur bei groben materiellrechtlichen Fehlern oder Begründungsmängeln geboten (vgl Schulte, aaO, § 73 Rdn 149), die hier nicht festgestellt werden können. Ebensowenig vermag der Umstand, dass das Patentamt der von der Anmelderin im Mai 2003 beantragten Abhilfe nicht nachgekommen ist, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr zu rechtfertigen. Denn mit der Vorlage der Beschwerde an das Bundespatentgericht im Januar 2003 ist die alleinige Zuständigkeit des Bundespatentgericht für die Entscheidung über die Beschwerde begründet worden (vgl Schulte, aaO, § 73 Rdn 137).

Schülke Püschel Schuster Pr






BPatG:
Beschluss v. 18.12.2003
Az: 10 W (pat) 701/03


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