Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Juli 2002
Aktenzeichen: 19 W (pat) 4/01
(BPatG: Beschluss v. 15.07.2002, Az.: 19 W (pat) 4/01)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 01 B des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 21. September 2000 aufgehoben und das Patent erteilt.
Bezeichnung: Verfahren und Vorrichtung zur Längenmessung, insbesondere zur Abtastung der Kontur einer Oberfläche.
Anmeldetag: 28. April 1997 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 11, Beschreibung Seiten 1, 2 und 2a, ferner Spalten 1 ab Zeile 57, Spalten 2, 3 und 4, sämtliche überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2002, ferner Beschreibung Spalte 5 und Zeichnungen gemäß Offenlegungsschrift.
Gründe
I Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse G 01 B - hat die am 28. April 1997 eingereichte Anmeldung durch Beschluß vom 21. September 2000 mit der Begründung zurückgewiesen, daß der Fachmann nicht erfinderisch tätig werden müsse, um angesichts des Standes der Technik zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen vorgelegt und beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 11, Beschreibung Seiten 1, 2 und 2a, ferner Spalten 1 ab Zeile 57, Spalten 2, 3 und 4, sämtliche überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2002, ferner Beschreibung Spalte 5 und Zeichnungen gemäß Offenlegungsschrift.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Verfahren zur Längenmessung, insbesondere zur Messung der Kontur einer Oberfläche, bei dem - zunächst Kennlinien und Betriebsdaten eines Meßtasters in eine Auswerteschaltung eingelesen werden,
- bei dem dann der Meßtaster über eine zu messende Oberfläche geführt und der Kontur der Oberfläche entsprechende Daten gewonnen werden, und - danach die aktuellen Betriebsdaten in einen Datenspeicher des Meßtasters zurückgeschrieben werden."
Mit den Merkmalen dieses Anspruchs soll die Aufgabe gelöst werden, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Längenmessung, insbesondere zur Messung der Kontur einer Oberfläche, zu schaffen, das bzw die einfach in der Handhabung ist und bei dem Fehlmessungen zwangsläufig ausgeschlossen sind (S 2 Abs 3).
Die Anmelderin vertritt die Ansicht, beim anspruchsgemäßen Verfahren komme es darauf an, daß die Betriebsdaten eines Meßtasters zunächst in eine Auswerteschaltung eingelesen würden, die dann nach Durchführung der Messung aktualisiert in einen Datenspeicher des Meßtasters zurückgeschrieben würden. Ein derartiges Verfahren sei im Stand der Technik nicht bekannt. Die anspruchsgemäße Lösung sei daher neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die Beschwerde ist zulässig und hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg, weil das offensichtlich gewerblich anwendbare Verfahren zur Längenmessung nach dem Patentanspruch 1 auch neu und erfinderisch ist.
Das Verfahren zur Längenmessung, insbesondere zur Messung der Kontur einer Oberfläche geht aus der Offenlegungsschrift Spalte 5 Zeilen 3 bis 12 iVm Spalte 4 Zeilen 34 bis 42 hervor, die hier mit den ursprünglichen Unterlagen übereinstimmt.
1. Neuheit Das Verfahren zur Längenmessung des Patentanspruchs 1 ist neu, da aus keiner der im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen Druckschriften ein Verfahren bekannt ist, das alle im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale aufweist.
Aus der amerikanischen Patentschrift 5,209,131 ist ein Verfahren zur Längenmessung bekannt, bei dem ein Meßtaster über eine zu messende Oberfläche geführt wird und der Kontur der Oberfläche entsprechende Daten gewonnen werden (Sp 1 Z 7 bis 14, Sp 29 Z 58 bis 67). In einem Speicher des Auswertegeräts sind Korrekturwerte für den Meßtaster gespeichert, die vor der Längenmessung in das Auswertegerät eingelesen werden (Sp 24 Z 52 bis 56, Sp 25 Z 30 bis 38, Sp 29 Z 46 bis 58). Im Vergleich zum anspruchsgemäßen Verfahren werden bei dem bekannten Verfahren keine Betriebsdaten des Meßtasters in die Auswerteschaltung eingelesen, die nach der Durchführung der Erfassung der Oberflächenkontur aktualisiert in einen Datenspeicher des Meßtasters zurückgeschrieben werden.
Mit dem durch Vorbenutzung bekannt gewordenen Oberflächenmeßgerät "HOMMEL TESTER T20" der Firma Hommelwerke GmbH ist ein Verfahren zur Längenmessung, insbesondere zur Messung der Kontur einer Oberfläche, bekannt, bei dem zunächst von einer Auswerteschaltung durch eine Gleichstromdurchgangsprüfung das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein eines Kondensators in den Zuleitungen zum Meßtaster festgestellt wird, wodurch in der Auswerteschaltung einer von zwei Meßbereichen eingestellt wird; danach wird bei dem bekannten Verfahren der Meßtaster über die zu messende Oberfläche geführt und der Kontur der Oberfläche entsprechende Daten werden gewonnen. Da der bekannte Meßtaster keinen Speicher zur Speicherung der Kennlinien und Betriebsdaten aufweist, unterscheidet sich das Verfahren zur Längenmessung des Patentanspruchs 1 von diesem bekannten Verfahren dadurch, daß die Kennlinien und Betriebsdaten des Meßtasters aus dem Datenspeicher des Meßtasters in das Auswertegerät eingelesen und nach der Durchführung des Meßvorgangs die aktuellen Betriebsdaten in den Datenspeicher des Meßtasters zurückgeschrieben werden.
Die deutsche Patentschrift 39 33 575 C2 beschreibt bei einer Tasteinrichtung ein Verfahren zur Längenmessung, bei dem zwar der Meßtaster über eine zu messende Oberfläche geführt wird und der Kontur der Oberfläche entsprechende Daten gewonnen werden. Da die bekannte Tasteinrichtung aus einem mechanischen Taster und einer elektronischen Auswerteschaltung als einheitlich kalibrierte Meßeinheit besteht, um mechanisch bedingte individuelle Eigenschaften des Tasters auszugleichen (Sp 1 Z 12 bis 14, Z 39 bis 45), gibt es auch keinen Hinweis, die Kennlinien und Betriebsdaten des Meßtasters aus einem Datenspeicher des Meßtasters in das Auswertegerät einzulesen und nach der Durchführung des Meßvorgangs die aktuellen Betriebsdaten in den Datenspeicher des Meßtasters zurückzuschreiben.
Die übrigen noch im Verfahren befindlichen, in der mündlichen Verhandlung weder von der Anmelderin noch vom Senat aufgegriffenen Entgegenhaltungen gehen über den vorstehend abgehandelten Stand der Technik nicht hinaus und bringen auch keine neuen Gesichtspunkte, so daß auf sie nicht eingegangen zu werden braucht.
2. Erfinderische Tätigkeit Das Verfahren zur Längenmessung des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Als Fachmann ist bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ein Physikingenieur mit Fachhochschulausbildung anzusehen, der mehrjährige Berufserfahrungen in der Entwicklung von Meßgeräten zur Längenmessung, insbesondere zur Messung der Kontur von Oberflächen von Werkstücken hat.
Ausgehend von dem Verfahren zur Längenmessung, wie es in der amerikanischen Patentschrift 5,209,131 angesprochen ist, stellt sich die patentgemäße Aufgabe, die Handhabung zu vereinfachen und Fehlmessungen zwangsläufig auszuschließen, dem Fachmann in der Praxis von selbst. Denn dieser wird stets bestrebt sein, bei einem Längenmeßverfahren für möglichst große Meßgenauigkeit bei einfacher Bedienung zu sorgen, dh insbesondere auch Bedienungsfehler auszuschließen; denn dies sind wichtige Gesichtspunkte für den kommerziellen Erfolg derartiger Meßverfahren.
Der Erfinder hat nun erkannt, daß dieses Ziel bei einem Verfahren zur Längenmessung dadurch erreicht werden kann, daß zunächst Betriebsdaten des Meßtasters in die Auswerteschaltung eingelesen werden und nach Gewinnung der Daten, die der Kontur der Oberfläche entsprechen, die aktuellen Betriebsdaten in den Datenspeicher des Meßtasters zurückgeschrieben werden, wie es im einzelnen im Patentanspruch 1 angegeben ist. Für diese Vorgehensweise gibt es für den Fachmann im Stand der Technik keine Hinweise. Denn insbesondere die Speicherung der aktuellen Betriebsdaten in einem Datenspeicher des Meßtasters ist nirgendwo angesprochen. Es bedarf somit eigener erfinderischer Überlegungen, um zum Verfahren des Patentanspruchs 1 zu gelangen.
3. Zusammen mit dem Patentanspruch 1 sind auch die auf diesen rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 11 gewährbar. Patentanspruch 2 betrifft eine Vorrichtung, zu der aufgrund der Bezugnahme auf den Patentanspruch 1 die dort zur näheren Präzisierung des Verfahrens enthaltenen Vorrichtungsmerkmale (Meßtaster, Datenspeicher, Auswerteschaltung) gehören (vgl BPatGE 41, 112, 118). Insgesamt betrifft dann der Patentanspruch 2 aufgrund seiner Merkmale eine nicht selbstverständliche zweckmäßige Ausgestaltung einer Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1, deren Patentfähigkeit durch den in Bezug genommenen Patentanspruch 1 gegeben ist. Die Patentansprüche 3 bis 11 betreffen jeweils eine nicht selbstverständliche zweckmäßige Ausgestaltung der Vorrichtung nach Patentanspruch 2.
Dr. Kellerer Schmöger Dr. Mayer Dr. Kaminski Fa
BPatG:
Beschluss v. 15.07.2002
Az: 19 W (pat) 4/01
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