Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. März 2004
Aktenzeichen: 9 W (pat) 320/02

(BPatG: Beschluss v. 15.03.2004, Az.: 9 W (pat) 320/02)

Tenor

Das Patent 42 26 482 wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das am 11. August 1992 angemeldete und am 10. Januar 2002 veröffentlichte Patent 42 26 482 ist von der H... GmbH & Co KG in V..., Einspruch erhoben worden. Zur Begründung ihres Einspruchs weist die Einsprechende insbesondere auf folgende Druckschrift hin:

DE 35 44 805 A1 Die Einsprechende trägt vor, gegenüber diesem Stand der Technik in Verbindung mit dem Fachwissen eines Durchschnittsfachmannes beruhe der Streitgegenstand nach Haupt- und Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit folgenden Unterlagen:

Patentanspruch 1, eingegangen am 25. Februar 2004, Patentansprüche 2 bis 5 gemäß Patentschrift 42 26 482, Beschreibung, Spalten 1 und 2, eingegangen am 25. Februar 2004, im übrigen Zeichnungen, Figuren 1 bis 5, gemäß Patentschrift 42 26 482, hilfsweise, Patentanspruch 1 und Beschreibung, Spalten 1 und 2, jeweils als Hilfsantrag eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 15. März 2004, im übrigen Patentansprüche 2 bis 5 und Zeichnungen gemäß Hauptantrag.

Weiter hilfsweise erklärte die Patentinhaberin die Teilung des Patents.

Die Patentinhaberin widerspricht den Ausführungen der Einsprechenden in sämtlichen Punkten. Nach ihrer Überzeugung beruht der mit Haupt- und Hilfsantrag beschränkt verteidigte Gegenstand der jeweiligen Patentansprüche 1 gegenüber dem genannten Stand der Technik auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

Lenkschloss für ein Kraftfahrzeug mit einem Schließzylinder, dessen Zylinderkern mit dem inneren Ende einen Steuernocken (6) verdreht, der einen den Sperrriegel (14) bewegenden Steuerschieber (9) quer zur Schlossachse (10) verschiebt, wobei der Steuernocken (6) mit seinem inneren Ende mit einem Drehschalter (4) verbunden ist, wobei der Sperrriegel (14) mit seiner Achse zur Schlossachse (10) in einem solch großen Abstand seitlich entfernt angeordnet ist, dass das dem Schließzylinder zugewandte Ende des Drehschalters (4) nahe und benachbart dem Steuerschieber (9) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Steuerschieber (9) in einer Ebene senkrecht zur Schlossachse plattenförmig ausgebildet ist und senkrecht zu seiner Bewegungsrichtung einen seitlichen Vorsprung (20) aufweist, der zu einem Teil in der Ebene des plattenförmigen Steuerschiebers (9) liegt und dessen äußerer Bereich rechtwinklig aus dieser Ebene zu einem Vorsprungende (20a) abgebogen ist, um am inneren Ende des Sperrriegels (14) mit diesem Vorsprungende (20a) anzuliegen.

Bei identischem Oberbegriff lautet das Kennzeichen des Patentanspruchs 1 nach dem Hilfsantrag:

dadurch gekennzeichnet, dass der Steuerschieber (9) plattenförmig ausgebildet ist und einen seitlichen Vorsprung (20) aufweist, der am inneren Ende des Sperrriegels (14) anliegt, wobei der Steuerschieber (9) durch mindestens zwei Schraubendruckfedern (13) in Richtung der Lenkachse belastet ist.

Rückbezogene Patentansprüche 2 bis 5 sind den jeweiligen Patentansprüchen 1 nachgeordnet.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch PatG § 147 Abs 3 Satz 1 begründet. Der Einspruch ist gemäß PatG § 59 Abs 1 frist- und formgerecht erhoben sowie ausreichend substantiiert worden und somit zulässig. Er hat auch in der Sache Erfolg.

Das Patentbegehren nach Haupt- und Hilfsantrag ist der Patentschrift zu entnehmen. Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag enthält außer sämtlichen Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 kennzeichnende Merkmale, die aus dem erteilten Patentanspruch 6 sowie Sp 2 Abs 21 iVm den Figuren 1 bis 3 der Streitpatentschrift hervorgehen. Die kennzeichnenden Merkmale des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag gehen aus dem erteilten Patentanspruch 6 sowie Sp 2 Abs 19 und 21 iVm den Figuren 1 bis 3 der Streitpatentschrift hervor. Die Ursprungsoffenbarung ist unbestritten.

Nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten und des Senats wird als Durchschnittsfachmann ein Maschinenbauingenieur der Feinwerktechnik angenommen, der bei einem Kfz-Zulieferer mit der Konstruktion von Lenkschlössern befasst ist und über eine etwa dreijährige Berufserfahrung verfügt. Zu seinen Aufgaben zählt auch die Adaption von Lenkschlössern an Fahrzeugen der zu beliefernden Fahrzeughersteller.

Ein gattungsgemäßes Kraftfahrzeug-Lenkschloss mit einem gemeinsamen Gehäuse für einen Schließzylinder und einen Drehschalter offenbart die DE 35 44 805 A1. Mit dem bekannten Lenkschloss wird, ebenso wie beim Streitpatent, eine kompakte Bauweise erreicht, vgl insb Sp 3 Abs 2. Dazu ist in einem zentralen Gehäuseabschnitt zwischen dem Schließzylinder und dem Drehschalter ein quer zur Schlossachse verschiebbarer Riegel 21 angeordnet, der aus einem Schieber 22, 47 oder 55 und einem Sperrbolzen 23, 48 oder 56 zusammengesetzt ist, vgl insb Sp 5 Z 29 bis 31 sowie Anspruch 1. Der Riegel ist in Sperrrichtung federbelastet und seine entgegengesetzte Bewegung erfolgt gemäß Sp 5 Z 58 durch eine Schaltwelle des Schließzylinders in nicht näher erläuterter, aber funktionsnotwendig bekannter Weise. Dabei verdreht ein Zylinderkern des Schließzylinders mit seinem inneren Ende einen Steuernocken, der den Schieber quer zur Schlossachse verschiebt. Selbstverständlich ist die Schaltwelle mit ihrem inneren Ende mit dem Drehschalter verbunden. Wie sich aus der Gehäusedarstellung ergibt, ist das dem Schließzylinder zugewandte Ende des Drehschalters nahe und benachbart dem Schieber angeordnet. Ausweislich der zeichnerischen Darstellung ist der Schieber in sämtlichen in der Druckschrift angegebenen Varianten in seiner Ebene senkrecht zur Schlossachse scheiben- oder plattenförmig ausgebildet, vgl insb Sp 5 Z 54/55. Der Schieber 22, 47 oder 55 und der zugehörige Sperrbolzen 23, 48 oder 56 sind außerdem in übereinander liegenden Ebenen höhenversetzt zueinander angeordnet, vgl insb Anspruch 1 iVm Sp 5 Z 31 bis 36. Diese Anordnung bedingt, dass der Schieber 55 zBsp gemäß nachstehenden Figuren 7 und 8 einen Vorsprung (Verlängerung 58) aufweist, der zum Sperrbolzen 56 hin aus der Schieberebene abgewinkelt ist und somit zu einem Teil, nämlich mit dem Winkelbereich noch in der Schieberebene liegt.

Der äußere Bereich des Vorsprungs erstreckt sich rechtwinklig und damit auch senkrecht zu seiner Bewegungsrichtung aus der Schieberebene zu einem Vorsprungsende, vgl insb Sp 8 Z 1 bis 6. Das Vorsprungsende liegt am inneren Ende des Sperrbolzens 56 an und ist damit verbunden, vgl insb die Figuren 7 und 8.

Der einzige Unterschied zwischen dem Vorbekannten und dem Streitgegenstand nach dem Hauptantrag besteht darin, dass der den Sperrbolzen mitnehmende Vorsprung beim Stand der Technik an der zur Lenksäule orientierten Frontseite des plattenförmigen Steuerschiebers angeordnet ist, während er nach dem Streitpatent "seitlich" angeordnet sein soll. Zur Ausbildung dieses gegenständlichen Unterschiedsmerkmals bedurfte es keiner erfinderischen Tätigkeit.

Für den Durchschnittsfachmann am Anmeldetag bestand eine gewöhnliche Aufgabe darin, das aus der DE 35 44 805 A1 bekannte Lenkschloss an Lenksäulen mit unterschiedlichen Ausrichtungen zur Fahrzeuglängsachse anzupassen, beispielsweise aus ergonomischen Gründen oder nach Vorgabe des jeweiligen Fahrzeugherstellers. Im Rahmen einer derartigen Adaption bietet es sich als nächstliegend an, die Lage der Schlossachse zu variieren. Für eine zuverlässige Verriegelung der Lenksäule ist dabei unverzichtbar, dass die Sperrbolzenachse auch weiterhin die Lenksäulenachse schneidet. Um auch die übrigen Vorteile des bekannten Lenkschlosses, insb die kompakte Bauform und die erhöhte Stabilität, beizubehalten, ergibt sich mit der Änderung der Lage der Schlossachse zwingend eine Variation der Anbindung des Sperrbolzens an den Schieber. Diese Anbindung kann funktionsmäßig überall an dem Schieber vorgenommen werden, also auch dergestalt, dass der den Sperrbolzen mit dem Schieber verbindende Vorsprung zBsp seitlich an dem Schieber angeordnet ist. Für diese konstruktive Variation, die im übrigen weder eine Änderung der Funktion noch einen Verzicht auf Vorteile des bekannten Lenkschlosses bedeutet, ist eine erfinderische Tätigkeit nicht erforderlich. Dazu reichen die handwerklichen Kenntnisse und das dem Durchschnittfachmann geläufige Fachwissen allein aus.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ist somit nicht patentfähig.

Die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 teilen dieses Schicksal und haben ebenfalls keinen Bestand.

Soweit die Merkmale des beanspruchten Lenkschlosses nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag mit denjenigen des Hauptantrages übereinstimmen, gelten die vorstehenden Ausführungen auch hier.

Gemäß Hilfsantrag ist der Steuerschieber des beanspruchten Lenkschlosses durch mindestens zwei Schraubendruckfedern in Richtung der Lenkachse belastet. Dieser einzige Unterschied vermag den Senat nicht vom Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik zu überzeugen. Der Riegel und damit auch der Steuerschieber des vorbekannten Lenkschlosses ist bereits durch eine Schraubendruckfeder 27 in Richtung der Lenkachse belastet, vgl auch Sp 5 Z 48 bis 53 iVm den Figuren 1 und 7. Wenn sich im Rahmen der vorstehend erläuterten Adaption eine seitliche Anordnung des den Sperrbolzen mitnehmenden Vorsprungs ergibt, führt dies zwangsläufig zu einer einseitigen Belastung des Steuerschiebers. Einseitige Belastungen dieser Art bergen bekanntlich immer die Gefahr des Verkantens oder Verklemmens des Schiebers in der Führung. Um dieser Gefahr vorzubeugen, muss eine fachgerechte Adaption anstelle einer einzelnen Schraubendruckfeder mindestens zwei Federn vorsehen. Deren Anordnung und Dimensionierung zählt zu den üblicherweise von dem Durchschnittsfachmann zu verrichtenden Arbeiten, dazu bedarf es auf keinen Fall einer erfinderischen Tätigkeit.

Insoweit ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag ebenfalls nicht patentfähig.

Gleiches gilt für die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5.

Petzold Bork Bülskämper Kirschneck Ko






BPatG:
Beschluss v. 15.03.2004
Az: 9 W (pat) 320/02


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