Bundesverfassungsgericht:
Beschluss vom 17. Februar 2009
Aktenzeichen: 2 BvR 1372/07
(BVerfG: Beschluss v. 17.02.2009, Az.: 2 BvR 1372/07)
Tenor
Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
A.
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Abfrage von Kreditkartendaten in einem Ermittlungsverfahren.
I.
1. Die Staatsanwaltschaft Halle leitete im Jahr 2006 ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein, nachdem sie auf eine Internetseite aufmerksam geworden war, die den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten vermittelte. Für den Zugang zu der Internetseite mussten 79,99 $ per Kreditkarte gezahlt werden. Die Staatsanwaltschaft versuchte, die Kunden dieser Internetseite zu ermitteln. Sie schrieb daher die Institute an, die Mastercard- und Visa-Kreditkarten in Deutschland ausgeben, und forderte sie auf, alle Kreditkartenkonten anzugeben, die seit dem 1. März 2006 eine Überweisung von 79,99 $ an die philippinische Bank aufwiesen, über die der Geldtransfer für den Betreiber der Internetseite abgewickelt wurde. Anschließend teilte die Staatsanwaltschaft noch die zwischenzeitlich bekannt gewordene Merchant-ID, die dem Zahlungsempfänger durch die Bank zugewiesene Ziffernfolge, für den Betreiber der Internetseite mit. Die Unternehmen übermittelten der Staatsanwaltschaft daraufhin die erbetenen Informationen, wobei in einem Fall zunächst ein Gerichtsbeschluss erwirkt werden musste. Insgesamt wurden so 322 Karteninhaber ermittelt.
2. Die Beschwerdeführer, die Inhaber von Kreditkarten sind, die von deutschen Banken ausgegeben wurden, beantragten beim Amtsgericht Halle die Feststellung, dass die Datenabfrage der Staatsanwaltschaft rechtswidrig gewesen sei.
a) Verfahren 2 BvR 1372/07
Das Amtsgericht Halle stellte auf den Antrag des Beschwerdeführers zu 1) mit Beschluss vom 11. März 2007 fest, dass die Datenabfrage rechtmäßig gewesen sei. Ein Anfangsverdacht einer Straftat des Besitzes kinderpornographischer Schriften habe vorgelegen. Die Annahme eines Anfangsverdachts durch die Staatsanwaltschaft sei gerichtlich nur auf ihre Vertretbarkeit zu prüfen, die hier insbesondere aufgrund der kriminalistischen Erfahrung aus anderen Verfahren wegen des Abrufs kinderpornographischer Inhalte aus dem Internet durch Nutzer in Deutschland gegeben gewesen sei. Die Anfrage der Staatsanwaltschaft finde in §§ 161, 161a StPO ihre Ermächtigungsgrundlage. Es handele sich um ein Auskunftsverlangen als formlose Zeugenvernehmung der Mitarbeiter der Kreditkartenunternehmen. Die Maßnahme sei keine Rasterfahndung gewesen. Es sei kein mehrstufiger Datenabgleich zwischen verschiedenen Datenquellen erfolgt. Auch bei den Kreditkartenunternehmen habe kein entsprechender Abgleich stattgefunden, sondern es sei eine einfache Suchabfrage in einem einzelnen Datenbestand erfolgt. Die Maßnahme sei auch nicht unverhältnismäßig. Die Transaktionsdaten seien vom Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung erfasst. Die Anfrage der Staatsanwaltschaft, die zu einer Übermittlung von Daten durch private Unternehmen geführt habe, könnte auch zumindest einen faktischen Eingriff in dieses Grundrecht der betroffenen Kreditkarteninhaber dargestellt haben. Die Maßnahme sei jedoch angesichts des verfolgten Zwecks der Bekämpfung von Kinderpornographie verhältnismäßig. Der Grundrechtseingriff sei nicht schwerwiegend, da die Daten der Kreditkarteninhaber, welche die Suchkriterien nicht erfüllten, über die bankinterne Prüfung hinaus nicht nach außen gelangten. Durch den automatisierten Selektionsprozess sei die Anonymität der Betroffenen, welche die in Rede stehende Internetseite nicht genutzt hatten, jederzeit gewahrt gewesen und die Daten über ihre Kreditkartenabbuchungen seien bei den Kreditkartenunternehmen verblieben, wo sie mit ihrer Einwilligung gespeichert worden seien.
Das Landgericht verwarf die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 16. Mai 2007 als unbegründet. Zur Begründung verwies das Landgericht auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses. Ergänzend führte die Kammer zum Beschwerdevorbringen aus, die Annahme eines Anfangsverdachts sei in diesem Fall vertretbar gewesen, auf ihre Richtigkeit sei diese Annahme dagegen gerichtlich nicht zu überprüfen. Es habe sich nicht um eine Rasterfahndung gehandelt, da hier Daten jeweils nur bei einer Stelle abgefragt worden seien. Soweit in § 98a StPO vom Abgleich von Daten die Rede sei, handele es sich um ein Redaktionsversehen; gemeint sei ein Abgleich von mehreren Datenbeständen. Der behauptete Grundrechtseingriff sei nicht schwerwiegend, da der Staatsanwaltschaft nur die Treffer und sonst keine weiteren Daten mitgeteilt worden seien.
b) Verfahren 2 BvR 1745/07
Das Amtsgericht Halle stellte auf den Antrag des Beschwerdeführers zu 2) mit Beschluss vom 30. Mai 2007 fest, dass die Datenabfrage rechtmäßig gewesen sei. Die Gründe des Beschlusses entsprechen zur Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags dem Beschluss des Amtsgerichts im Ausgangsverfahren zu 2 BvR 1372/07.
Das Landgericht verwarf die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 5. Juli 2007 als unbegründet. Zur Begründung verwies das Landgericht auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses. Ergänzend führte die Kammer zum Beschwerdevorbringen aus, die Maßnahme der Staatsanwaltschaft sei durch § 161 StPO gedeckt gewesen. Es habe sich nicht um eine Rasterfahndung gehandelt, da hier Daten jeweils nur bei einer Stelle abgefragt worden seien. Das Wesen einer Rasterfahndung bestehe darin, dass Daten mehrerer Speicherstellen maschinell abgeglichen würden. Der Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, die Speicherung von Daten in einer Datenbank durch die 1999 eingeführte sogenannte Ermittlungsgeneralklausel des § 161 StPO zu regeln und damit anders als den Abgleich von Daten in mehreren Datenbeständen, die gewöhnlich verschiedene Sachverhalte erfassen, in den §§ 98a, 98b StPO. Der behauptete Grundrechtseingriff sei nicht schwerwiegend, da der Staatsanwaltschaft nur die Treffer und sonst keine weiteren Daten mitgeteilt worden seien. Der Maßnahme fehle es auch nicht deswegen an der Erforderlichkeit, weil zunächst im Wege der Rechtshilfe die Unterlagen der Empfängerbank auf den Philippinen hätten beschlagnahmt werden können. Der Zweck der Maßnahme sei hier auch gewesen, die Ermittlungen zeitnah zu führen. Da Rechtshilfeersuchen an nicht-europäische Staaten erfahrungsgemäß längere Zeiträume in Anspruch nähmen und gegebenenfalls auch gar nicht zum Erfolg führten, sei die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, diesen Ermittlungsansatz zunächst nicht zu verfolgen, nicht zu beanstanden.
II.
Mit den fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
1. Verfahren 2 BvR 1372/07
Der Beschwerdeführer zu 1) trägt vor, die Entscheidung verletze ihn als von der Datenabfrage betroffenen Kreditkarteninhaber in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Maßnahme der Staatsanwaltschaft könne nicht auf § 161 StPO gestützt werden. Bei der Maßnahme der Staatsanwaltschaft handele es sich um eine personenbezogene Datenfahndung, die der Rasterfahndung nahe stehe und für die daher ebenfalls die Anforderungen des § 98a StPO erfüllt sein müssten. Wie bei der Rasterfahndung sei eine Suche in Daten ohne Anforderungen an die Nähe zur Gefahr und zur verdächtigen Person durchgeführt worden, die dazu dienen sollte, Verdächtige erstmals aufzuzeigen. Der Wortlaut von § 98a StPO - Abgleich verschiedener Daten - zeige, dass es für eine Rasterfahndung nicht erforderlich sei, dass Daten aus unterschiedlichen Quellen miteinander abgeglichen würden. Es sei unzulässig, wenn die Staatsanwaltschaft anstelle eines eigenen Datenabgleichs die entsprechenden Daten von privaten Unternehmen abfrage und sich so ins Privatrecht flüchte. Datenfahndungen wie die hier vorgenommene führten zu einem Gefühl ständiger heimlicher Überwachung und Kontrolle und einem Einschüchterungseffekt, der den Bürger von der Nutzung von Kreditkarten abschrecke. Die Vorgehensweise sei fehleranfällig, da Buchungen auch über eine gestohlene Kreditkarte vorgenommen worden sein könnten oder ein Unternehmen auch verschiedene entgeltliche Dienste mit teils strafbaren und teils strafrechtlich unbedenklichen Inhalten anbieten könne. Es sei für eine solche Maßnahme erforderlich, dass greifbare Verdachtsmomente vorlägen und nicht nur eine statistische Wahrscheinlichkeit, dass strafbare Inhalte einer Internetseite auch von Nutzern in Deutschland abgerufen werden. Die Maßnahme sei nicht erforderlich gewesen, da die Staatsanwaltschaft die Nutzer der Internetseite auch hätte ermitteln können, indem sie beim Diensteanbieter nach den Kommunikationsdaten des Webservers gesucht hätte. Auf diese Weise wäre der Kreis der Verdächtigen von vornherein klein gehalten worden. Es bestehe ein Missverhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs und der Schwere der Straftaten, die Gegenstand des Ermittlungsverfahrens seien. Der Besitz kinderpornographischer Schriften sei nach der damit verbundenen Strafandrohung vom Gesetzgeber nicht als schwere Straftat eingeordnet worden. Auch die Zahl der 22 Millionen Kreditkarteninhaber, die von der Datenabfrage betroffen gewesen seien, stehe im Missverhältnis zu den schließlich ermittelten 322 Verdächtigen.
2. Verfahren 2 BvR 1745/07
Der Beschwerdeführer zu 2) rügt, die Maßnahme der Staatsanwaltschaft sei ein faktischer Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Eine Verwendung von Daten liege auch in der maschinellen Auswertung von Daten bei einem privaten Unternehmen auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft. Der Eingriff sei auch schwerwiegend, da hierdurch jeder Kreditkarteninhaber mit der jederzeitigen Überprüfung seiner Daten rechnen müsse, ohne davon zu erfahren und daher auch ohne die Möglichkeit einer Rechtmäßigkeitskontrolle. Anders als bei der Abfrage eines KfZ-Kennzeichens bei der Zulassungsstelle oder einer IP-Adresse bei einem Internet-Diensteanbieter werde hier nicht nur nach dem Inhalt eines Datensatzes oder weniger Datensätze gesucht, um die Adresse eines bestimmten Tatverdächtigen zu ermitteln, sondern alle Datensätze würden ausgewertet. Dafür gebe es keine hinreichende gesetzliche Grundlage, die besondere Vorkehrungen zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung enthalte. § 161 StPO sei keine ausreichende Rechtsgrundlage, da diese Vorschrift eine Auskunftspflicht nur für staatliche Stellen enthalte, jedoch kein Zwangsmittel gegenüber Privaten vorsehe, wenn diese die Auskunft verweigerten. § 161a StPO könne nicht herangezogen werden, um zur Herbeiführung der Auskunft eine zeugenschaftliche Vernehmung anzudrohen, denn die Mitarbeiter der Kreditkartenunternehmen hätten zum Zeitpunkt der Anfrage noch gar keine Kenntnis von den erfragten Daten gehabt. Es hätten daher die Vorschriften über die Rasterfahndung in §§ 98a, 98b StPO analog herangezogen werden müssen, deren Anforderungen hier aber nicht erfüllt gewesen seien. Die Maßnahme sei auch unverhältnismäßig. Sie sei nicht erforderlich gewesen, da die Staatsanwaltschaft die Unterlagen der Empfängerbank auf den Philippinen im Wege der Rechtshilfe hätte beschaffen können. Es sei außerdem nicht zumutbar, die Daten von 20 Millionen Kreditkarteninhabern zu überprüfen, um schließlich 322 Verdächtige einer Straftat nach § 184b Abs. 4 StGB zu ermitteln, die im Höchstmaß nur mit zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sei und damit im Strafrahmen der Sachbeschädigung entspreche.
B.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerden haben keine Aussicht auf Erfolg. Sie sind unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten.
Die Datenabfrage der Staatsanwaltschaft und die sie bestätigenden Gerichtsentscheidungen verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
1. Die Abfrage der Kreditkartendaten durch die Staatsanwaltschaft war kein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beschwerdeführer, deren Kreditkartendaten bei den Unternehmen nur maschinell geprüft, mangels Übereinstimmung mit den Suchkriterien aber nicht als Treffer angezeigt und der Staatsanwaltschaft daher nicht übermittelt wurden.
a) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>). Es sichert seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 67, 100 <143>; 84, 239 <279>; 103, 21 <33>; 115, 320 <341>).
b) Die Kreditkartendaten der Beschwerdeführer wurden in diesem Fall jedoch nicht durch eine staatliche Stelle oder auf deren Veranlassung erhoben, gespeichert, verwendet oder weitergegeben. Ihre bei den Kreditkartenunternehmen gespeicherten Daten wurden nicht an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt oder dort zur weiteren Verwendung gespeichert. Durch den automatischen Suchlauf, den die Kreditkartenunternehmen auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft durchführten, wurden die Daten der Beschwerdeführer maschinell geprüft, aber mangels Erfüllung der Suchkriterien schon bei den Unternehmen nicht als Treffer angezeigt. Ihre Daten wurden daher nie an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, und die Staatsanwaltschaft hatte keine Möglichkeit, den Datenbestand der Kreditkartenunternehmen für eigene Abfragen zu benutzen. Für die Annahme eines Eingriffs genügt es nicht, dass die Daten bei den Unternehmen in einen maschinellen Suchlauf mit eingestellt wurden, da ihre Daten anonym und spurenlos aus diesem Suchlauf ausgeschieden wurden und nicht im Zusammenhang mit dieser Ermittlungsmaßnahme behördlich zur Kenntnis genommen wurden (vgl. BVerfGE 100, 313 <366>; 107, 299 <328>; 115, 320 <343>).
2. Die Maßnahme der Staatsanwaltschaft beruhte auf der Ermächtigungsgrundlage des § 161 Abs. 1 StPO. Diese Vorschrift stellt eine ausreichende gesetzliche Grundlage für diese Ermittlungsmaßnahme dar.
a) Bei der vorliegenden Maßnahme handelte es sich nicht um eine Rasterfahndung im Sinne von § 98a StPO oder eine ähnliche Maßnahme, die an den Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage zu messen wäre. Datenermittlungen wie die hier vorliegende, welche die besonderen Merkmale einer Rasterfahndung nicht aufweisen und sich auf andere Ermächtigungsgrundlagen stützen lassen, werden dagegen durch § 98a StPO nicht ausgeschlossen (unbeschadet §§ 94, 110, 161).
Die Rasterfahndung ist eine besondere Fahndungsmethode unter Nutzung der elektronischen Datenverarbeitung. Die Strafverfolgungsbehörde lässt sich von anderen öffentlichen oder privaten Stellen personenbezogene Daten übermitteln, um einen automatisierten Abgleich (Rasterung) mit anderen Daten vorzunehmen. Durch den Abgleich soll diejenige Schnittmenge von Personen ermittelt werden, auf welche bestimmte, vorab festgelegte und für die weiteren Ermittlungen als bedeutsam angesehene Merkmale zutreffen (vgl. BVerfGE 115, 320 <321>). Es handelt sich dabei um einen automatisierten Vergleich personenbezogener Daten, die in Dateien anderer Stellen als Strafverfolgungsbehörden gespeichert sind, mit Hilfe fallspezifischer kriminalistischer Prüfungskriterien (vgl. Schäfer, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 2004, § 98a Rn. 2).
Dagegen liegt keine Rasterfahndung vor, wenn die Strafverfolgungsbehörde von privaten Stellen Auskünfte zu speziellen Täter-Daten erhält, also nicht die Gesamtdateien zum weiteren Abgleich mit anderen Dateien übermittelt bekommt (vgl. Schäfer, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 2004, § 98a Rn. 4; Jäger, in: KMR-StPO, Stand: Juni 2008, § 98a Rn. 4; Hilger, NStZ 1992, S. 457 <460>). Kern der Rasterfahndung ist der Abgleich der herausgefilterten Datenbestände mehrerer Speicherstellen, der die Verknüpfung verschiedener Sachbereiche ermöglicht, um ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen. Die Suchabfrage in Dateien derselben Speicherstelle ist keine Rasterfahndung (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 6. September 2000 - 2 Ws 109/00 -, NStZ 2001, S. 158 <159>; OLG Köln, Beschluss vom 6. Oktober 2000 - 2 Ws 413/00, 2 Ws 414/00 -, NStZ-RR 2001, S. 31; Nack, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, § 98a Rn. 5; Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. 2008, § 98a Rn. 8; Jäger, in: KMR-StPO, Stand: Juni 2008, § 98a Rn. 7; Wohlers, in: SK-StPO, Stand: Mai 2008, § 98a Rn. 4). Die §§ 98a, 98b StPO gelten auch dann nicht, wenn die ersuchten Stellen selbst einen Datenabgleich durchführen (vgl. BTDrucks 12/989, S. 37; Hilger, NStZ 1992, S. 457 <460 Fn 60>). Die Unternehmen haben hier der Staatsanwaltschaft nur eine Auskunft über bei ihnen gespeicherte Daten erteilt, nachdem sie einen internen Suchlauf durchgeführt hatten. Ein Abgleich zwischen den Datensätzen verschiedener Speicherstellen fand nicht statt.
Die Wirkung und Eingriffsintensität der Anfrage der Staatsanwaltschaft und der dadurch veranlassten Übermittlung der Daten entspricht auch nicht der einer Rasterfahndung, so dass kein Anlass für eine entsprechende Anwendung der §§ 98a, 98b StPO besteht (so aber Schnabel, DuD 31 <2007>, S. 426 <427 f.>). Bei der Rasterfahndung nach § 98a StPO werden Daten von Personen, die bestimmte, auf den Täter vermutlich zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen, mit anderen Daten maschinell abgeglichen. Über das technische Kriterium hinaus, ob dabei Datensätze einer oder mehrerer Speicherstellen abgefragt werden, hat die hier durchgeführte Abfrage eine materiell andere, deutliche geringere Eingriffsintensität. Bei der Rasterfahndung wird nach Personen gesucht, die mehrere allgemeine Merkmale aufweisen oder - bei der negativen Rasterfahndung - gerade nicht aufweisen, welche auf den Täter vermutlich zutreffen. Die Rasterfahndung dient so dem Hinarbeiten auf die Personen, die das nach kriminalistischen Erfahrungen festgelegte Verdächtigenprofil erfüllen (vgl. BTDrucks 12/989, S. 37). Durch den Abgleich auf Grundlage dieser allgemeinen Merkmale werden regelmäßig auch zahlreiche unbeteiligte Personen, die zufällig bestimmte tätertypische Merkmale erfüllen, zum Gegenstand der Überprüfung im Ermittlungsverfahren, obwohl im Übrigen keine tatsächlichen Anhaltspunkte für ihre Eigenschaft als Verdächtige vorliegen (vgl. BTDrucks 12/989, S. 37; Schäfer, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 2004, § 98a Rn. 12). Mit der hier durchgeführten Abfrage der Kreditkartendaten wurde dagegen gezielt nach Personen gesucht, die eine genau bezeichnete, nach dem damaligen Ermittlungsstand mit hinreichender Wahrscheinlichkeit strafbare Handlung vorgenommen haben: das Zahlen eines bestimmten Betrages per Kreditkarte an einen bestimmten Empfänger innerhalb eines bestimmten Zeitraums, wodurch sie sich wahrscheinlich den Besitz kinderpornographischer Schriften verschafften. Kreditkarteninhaber, zu denen keine solche Abbuchung gespeichert war, wurden dagegen nicht als Treffer angezeigt und waren in ihren Grundrechten nicht betroffen.
b) Die Maßnahme wurde daher zulässigerweise auf § 161 Abs. 1 StPO gestützt.
aa) § 161 Abs. 1 StPO stellt als Ermittlungsgeneralklausel die Ermächtigungsgrundlage für Ermittlungen jeder Art dar, die nicht mit einem erheblichen Grundrechtseingriff verbunden sind und daher keiner speziellen Eingriffsermächtigung bedürfen. Sie ermächtigt die Staatsanwaltschaft zu den erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen, die weniger intensiv in Grundrechte des Bürgers eingreifen (vgl. Griesbaum, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, § 161 Rn. 1; Erb, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2008, § 161 Rn. 2; Wohlers, in: SK-StPO, Stand: Mai 2008, § 161 Rn. 4). Die Staatsanwaltschaft kann auf dieser Grundlage in freier Gestaltung des Ermittlungsverfahrens die erforderlichen Maßnahmen zur Aufklärung von Straftaten ergreifen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 18. September 1995 - 2 BvR 103/92 -, NStZ 1996, S. 45). § 161 Abs. 1 StPO bildet auch die Rechtsgrundlage für die allgemeine Erhebung personenbezogener Daten (vgl. Erb, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2008, § 161 Rn. 3b) und damit für eine Ermittlungsanfrage der Staatsanwaltschaft gegenüber privaten Stellen wie den hier betroffenen Kreditkartenunternehmen.
bb) Die Abfrage von Kreditkartendaten, die sich auf eine konkret beschriebene Tathandlung beziehen, berührt die Kreditkarteninhaber, welche die Tatkriterien erfüllten und deren Daten daher an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurden, zwar in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. § 161 Abs. 1 StPO genügt den Anforderungen an eine Ermächtigungsgrundlage für einen Eingriff dieser Art und dieses Umfangs. Ein Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaft, das darauf gerichtet ist, dass Private in den bei ihnen gespeicherten Daten maschinell nach Personen suchen, gegen die sich aufgrund konkret beschriebener Umstände der Verdacht einer Straftat richtet, kann auf diese Ermächtigungsgrundlage gestützt werden (a.A. Petri, StV 2007, S. 266 <268>). Eine darüber hinausgehende Spezialermächtigung ist nicht deswegen erforderlich, weil der Staat sich so Daten verschafft, die von den Dateninhabern nicht für seinen Zugriff bestimmt waren, oder weil die Ermittlungsmaßnahme heimlich erfolgte (a.A. Hefendehl, StV 2001, S. 700 <703>).
Die Ermittlungsmaßnahme war nicht deswegen unzulässig, weil sie von den Kreditkarteninhabern unbemerkt erfolgte. Die Heimlichkeit eines polizeilichen Vorgehens ist kein Umstand, der nach der Strafprozessordnung für sich allein schon die Unzulässigkeit der ergriffenen Maßnahmen begründet (vgl. BGHSt 39, 335 <346>; 42, 139 <150>). Es gilt der Grundsatz der freien Gestaltung des Ermittlungsverfahrens, der auch das verdeckte Führen von Ermittlungen erlaubt (vgl. Griesbaum, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, § 161 Rn. 12; Erb, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2008, § 160 Rn. 42a). Ermittlungen in Heimlichkeit sind eine unabdingbare Voraussetzung des Erfolgs einer Reihe von Maßnahmen der Strafverfolgung, die nicht allein deshalb rechtsstaatswidrig sind (vgl. BVerfGE 109, 279 <325>).
Der Umstand allein, dass das Erfragen gespeicherter, nicht allgemein zugänglicher Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift, führt nicht dazu, dass hierfür bereits eine über § 161 StPO hinausgehende Spezialermächtigung erforderlich wäre. Die Erforschung von Straftaten berührt ihrem Wesen nach immer Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten und Dritter und ist schon begrifflich mit der Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten verbunden. Jede polizeiliche Vernehmung, bei der ein Zeuge seine Kenntnisse über andere Personen und deren Verhalten mitteilt, ist eine Erhebung personenbezogener Daten (vgl. Kramer, NJW 1992, S. 2732 <2735>). Maßgeblich für die Frage der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage ist daher die Eingriffsintensität. Grundrechtseingriffe weisen dann eine hohe Eingriffsintensität auf, wenn sie sowohl durch Verdachtlosigkeit als auch durch eine große Streubreite gekennzeichnet sind, wenn also zahlreiche Personen in den Wirkungskreis einer Maßnahme einbezogen werden, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben (vgl. BVerfGE 100, 313 <376, 392>; 107, 299 <320 f.>; 109, 279 <353>; 113, 29 <53>; 113, 348 <383>). Daran gemessen wies die hier vorgenommene Maßnahme nur eine geringe Eingriffsintensität auf. Die Staatsanwaltschaft erfragte hier aufgrund konkreter Tatumstände - Abbuchungsbetrag, Zeitraum, Empfängerbank, Merchant-ID des Empfängers - bei privaten Stellen freiwillige Auskünfte über Personen, gegen die aufgrund dieser Umstände ein zureichender Tatverdacht bestand. Durch eine Datenübermittlung an die Strafverfolgungsbehörden betroffen war nur ein eng begrenzter und präzise beschriebener Personenkreis, der nach dem damaligen Ermittlungsstand durch sein Verhalten den Tatverdacht begründet hatte. Die Daten sonstiger Kreditkarteninhaber wurden dagegen nicht übermittelt.
cc) Beschränkungen des Art. 2 Abs. 1 GG bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht (vgl. BVerfGE 65, 1 <44>; 113, 29 <50>; 115, 166 <190>). Hinreichend bestimmt ist ein Gesetz, wenn sein Zweck aus dem Gesetzestext in Verbindung mit den Materialien deutlich wird (vgl. BVerfGE 65, 1 <54>). Diese Voraussetzungen erfüllt § 161 Abs. 1 StPO für Eingriffe der hier vorliegenden Art. Der den Datenzugriff begrenzende Verwendungszweck ist hinreichend präzise vorgegeben. Die Ermittlungsmethoden der Strafprozessordnung sind zwar im Hinblick auf die Datenerhebung und den Datenumfang weit gefasst. Die jeweiligen Eingriffsgrundlagen, so auch § 161 Abs. 1 StPO, stehen aber unter einer strengen Begrenzung auf den Ermittlungszweck der Aufklärung von Straftaten (vgl. BVerfGE 113, 29 <52>). Auf die Ermittlung anderer Lebenssachverhalte und Verhältnisse erstrecken sich die Eingriffsermächtigungen nicht. Bei einer strafrechtlichen Ermittlung dürfen daher keine Sachverhalte und persönlichen Verhältnisse ausgeforscht werden, die für die Beurteilung der Täterschaft und für die Bemessung der Rechtsfolgen der Tat nicht von Bedeutung sind. Mit dieser strengen Begrenzung sämtlicher Ermittlungen und damit auch der Datenerhebung auf den Zweck der Tataufklärung begrenzt die Strafprozessordnung die Eingriffe in das Recht an den eigenen Daten grundsätzlich auf diejenigen, die für die Strafverfolgung im konkreten Anlassfall von Bedeutung sind (vgl. BVerfGE 113, 29 <52>). Die strafprozessualen Ermächtigungen erlauben damit einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, finden ihre Grenze aber in der Zweckbestimmung für das jeweilige Strafverfahren (vgl. BVerfGE 113, 29 <52>). Voraussetzung für Ermittlungsmaßnahmen nach § 161 Abs. 1 StPO sind zureichende tatsächliche Anhaltspunkte einer Straftat (§ 152 Abs. 2 StPO). Eine Aufzählung aller kriminalistischen Vorgehensweisen, die von § 161 Abs. 1 StPO erfasst werden, ist dagegen nicht möglich und für Maßnahmen, die mit weniger intensiven Grundrechtseingriffen verbunden sind, auch nicht erforderlich.
dd) Die Maßnahme hält sich auch innerhalb der Grenzen, die der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit allen Ermittlungshandlungen setzt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die jeweilige Maßnahme einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck verfolgt und zu dessen Erreichung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne ist. Der Eingriff darf den Betroffenen nicht übermäßig belasten, muss diesem also zumutbar sein (vgl. BVerfGE 63, 131 <144>).
Die wirksame Strafverfolgung ist ein legitimer Zweck zur Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Die Sicherung des Rechtsfriedens durch Strafrecht ist seit jeher eine wichtige Aufgabe staatlicher Gewalt. Die Aufklärung von Straftaten, die Ermittlung des Täters, die Feststellung seiner Schuld und seine Bestrafung wie auch der Freispruch des Unschuldigen sind die wesentlichen Aufgaben der Strafrechtspflege, die zum Schutz der Bürger den staatlichen Strafanspruch in einem justizförmigen und auf die Ermittlung der Wahrheit ausgerichteten Verfahren in gleichförmiger Weise durchsetzen soll. Strafnormen und deren Anwendung in einem rechtsstaatlichen Verfahren sind Verfassungsaufgaben (vgl. BVerfGE 107, 104 <118 f.>; 115, 166 <192>). Der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kommt daher nach dem Grundgesetz eine hohe Bedeutung zu (vgl. BVerfGE 100, 313 <388>; 115, 166 <192>).
Zur Erreichung des Zwecks, die einer Straftat nach § 184b Abs. 4 StGB verdächtigen Personen zu ermitteln, war die Maßnahme geeignet. Mildere, ebenso geeignete Mittel waren hier nicht ersichtlich. Ein Rechtshilfeersuchen an die Philippinen, um die Zahlungseingänge bei der dortigen Empfängerbank zu ermitteln, konnte die Staatsanwaltschaft aufgrund der unabsehbaren zeitlichen Verzögerung und unsicheren Erfolgsaussicht als weniger geeignet ansehen. Die Internetnutzer, die sich Zugang zu der Internetseite mit den kinderpornographischen Inhalten verschafft haben, konnten auch nicht über eine Anfrage bei den Anbietern von Internetzugangsdiensten ermittelt werden, da diese keine Daten über aufgerufene Internetseiten speichern. Auch der nach der hier zu beurteilenden Maßnahme, am 1. Januar 2008 in Kraft getretene § 113a TKG n.F. verbietet in seinem Absatz 8 eine Speicherung der Daten über aufgerufene Internetseiten.
In der Abwägung mit dem Zweck, Täter zu ermitteln, die sich den Besitz kinderpornographischer Schriften verschafft haben, ist das Gewicht des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, der mit der Abfrage der Kreditkartendaten verbunden war, geringer zu bewerten. Betroffen wurden dadurch regelmäßig nur Personen, die durch ihr Verhalten den hinreichenden Verdacht einer Straftat begründet hatten. Ermittelt wurden die Datenspuren, die mit Wahrscheinlichkeit durch die Tathandlung selbst hinterlassen wurden. Eine darüber hinausgehende Ausforschung fand nicht statt. Die bei Ermittlungsmaßnahmen unvermeidliche Gefahr, dass ein Unschuldiger zunächst verdächtig erscheinen könnte, etwa wenn mit einer gestohlenen Kreditkarte bezahlt wurde, Buchungen falsch gespeichert wurden oder sich ein Kunde bei demselben Anbieter zu demselben Preis nur Zugang zu legalen Inhalten verschafft hat, wird demgegenüber allenfalls wenige Fälle betreffen und führt nicht dazu, dass Daten über Kreditkartenzahlungen nicht zur Grundlage staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gemacht werden dürften. Der Umstand, dass Zahlungsvorgänge zum Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen werden können, entspricht der Möglichkeit, bei anderen Vorgängen des täglichen Lebens die Aufmerksamkeit der Strafverfolgungsbehörden zu erregen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
BVerfG:
Beschluss v. 17.02.2009
Az: 2 BvR 1372/07
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