Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Februar 2003
Aktenzeichen: 11 W (pat) 702/02

(BPatG: Beschluss v. 03.02.2003, Az.: 11 W (pat) 702/02)

Tenor

Auf den Einspruch wird das Patent widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das Patent 44 35 264 mit der Bezeichnung "Bogenniederhalter" (Veröffentlichungstag der Patenterteilung: 10. Mai 2001) ist am 9. August 2001 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Zum Stand der Technik sind zu der bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten DE 87 03 993 U1 (D2) im Einspruchsverfahren noch die DE 24 18 881 C3 (D1) genannt worden.

Die Einsprechende beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Mit Schriftsatz vom 13. März 2002 hat die Einsprechende beantragt, das Einspruchsverfahren an das Patentgericht zu verweisen.

Die Patentinhaberin beantragt, den Einspruch zurückzuweisen und das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten, hilfsweise mit den Ansprüchen 1 bis 13 vom 21. Januar 2002 und den Unterlagen in der erteilten Fassung im Übrigen aufrechtzuerhalten.

Sie begründet ihren Antrag damit, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 zumindest nach dem Hilfsantrag erfinderisch sei, denn auch eine Kombination des genannten Standes der Technik könne ihn nicht nahelegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Ziff 2 PatG nF durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist unbestritten zulässig.

3. Der Einspruch ist begründet.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung zum Führen von Bogen zu einer bogenverarbeitenden Maschine zu schaffen, bei der Handhabung und Ausbildung verbessert sind.

Fachmann ist ein Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit einschlägigen Kenntnissen und Erfahrungen in Entwicklung und Bau von Bogenniederhaltern in bogenverarbeitenden Maschinen.

Zum Hauptantrag:

Der Anspruch 1 nach Hauptantrag entspricht der erteilten Fassung und lautet:

"Vorrichtung zum Führen von Bogen zu einer bogenverarbeitenden Maschine mit Mitteln zum Einstellen eines Abstandes zwischen einem Anlegetisch und mindestens einem Bogenniederhalter, dadurch gekennzeichnet, dass der Bogenniederhalter (3) jeweils gegen die Kraft eines Energiespeichers (19) auslenkbar angeordnet ist und daß die Kraft des Energiespeichers (19) unabhängig von der Einstellung des Abstandes (a) und ohne diesen zu verändern einstellbar ist."

Diesem Anspruch 1 folgen die rückbezogenen Ansprüche 2 - 14.

Der Anspruch 1 nach Hauptantrag ist zulässig. Er basiert auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2.

Der Gegenstand des Anspruches 1 nach Hauptantrag mag zwar neu sein, beruht aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die DE 87 03 993 U1 (D2), Fig 2 iVm S 4, Z 24 - S 5, Z 20, zeigt nämlich bereits eine Vorrichtung zum Niederhalten von Bogen 2 im Zuführbereich einer bogenverarbeitenden Maschine mit Hilfe einer auf den Anlegetisch 1 unter Federkraft anpressbaren Bürste 3. Mit der im Anschlag 17 geführten Federstange 16 und der Stellmutter 21 ist der Abstand zwischen dem Anlegetisch und dem als Bürste 3 ausgebildeten Niederhalter einstellbar. Nachteilig ist dabei, dass eine Abstandsänderung zugleich eine Änderung der Federvorspannung ergibt, mit der die Bogen auf den Anlegetisch angepresst werden. Mit jeder Verdrehung der Federstange 16 wird nämlich nicht nur der Abstand der Bürste 3 zum Anlegetisch 1, sondern auch der Abstand zwischen den beiden Federenden verstellt, was eine vom eingestellten Abstand abhängige Federvorspannung und somit unterschiedlichen Anpressdruck bedeutet.

Zur Lösung dieses Problems entnimmt der Fachmann der DE 24 18 881 C3 (D1), Fig 4 iVm Sp 5, Z 32 - Sp 6, Z 5, die ebenfalls eine Vorrichtung zum Niederhalten von Bogen an bogenverarbeitenden Maschinen zeigt, die Anregung für eine von der Abstandseinstellung zwischen Bogen und Niederhalter unabhängige Federvorspannung für den Anpressdruck. Bei dieser bekannten Vorrichtung ist nämlich mittels der Schraube 25 die Winkellage, vgl Sp 5, Z 39-42, und somit der Abstand des die Bogen 27 niederhaltenden Fingers 22 zum Anlegetisch 7 veränderbar und - unabhängig davon - mittels einer weiteren Schraube (Gewindebolzen) 24 der Abstand der beiden Federwiderlager und somit die Vorspannung der Feder 26 einstellbar. Dadurch hat die Änderung des Bogenabstandes ohne weiteres ersichtlich keinen Einfluss auf den Anpressdruck, mit der die Bogen niedergehalten werden.

Zwar unterscheidet sich der Patentgegenstand von der bekannten Vorrichtung nach der D1 durch konstruktive Einzelheiten, wie die lineare Bewegung des als Winkelblech 12 ausgebildeten Niederhalters, wogegen das bekannte fingerförmige Halteorgan 22 eine Schwenkbewegung zum Niederhalten der Bogen ausführt. Solche im konstruktiven Ermessen des Fachmannes liegenden Unterschiede finden sich aber nicht im Anspruch 1, sondern nur in der Beschreibung des Ausführungsbeispiels.

Die Patentinhaberin weist noch auf die andere Funktion der Vorrichtung nach der D1 hin, welche als Bogensperre diene, die nur ausgewählte Bogen niederhalte, wogegen der beanspruchte Bogenniederhalter alle ankommenden Bogen zusammendrücke. Abgesehen davon, dass auch dieser Unterschied sich nicht im Anspruch 1 findet, kann diese unterschiedliche Funktion dahingestellt bleiben, weil nach Sp 1, Z 45-49 der Streitpatentschrift für den Fachmann vielfältige Anwendungsmöglichkeiten des Patentgegenstandes angegeben sind, unter anderem auch das "Trennen der Bögen bei geschuppt zugeführtem Bogenstrom", wie es in Figur 1 der D1 dargestellt ist.

Unzweifelhaft lehrt der Niederhalter nach der D1 die separate Einstellung des Bogenabstandes und der Bogenanpresskraft. Diese zur aufgabengemäßen Verbesserung der Handhabung und Ausbildung einer Vorrichtung zum Führen von Bögen beim bekannten Niederhalter nach der D2 einzusetzen, stellt nur eine einfache konstruktive Maßnahme dar, die den Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruches 1 nach Hauptantrag führt.

Daher hat der Anspruch 1 nach Hauptantrag keinen Bestand.

Die auf den Anspruch 1 nach Hauptantrag rückbezogenen Ansprüche 2 - 14 fallen mit diesem.

Zum Hilfsantrag:

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich von demjenigen nach Hauptantrag dadurch, dass im kennzeichnenden Teil das Merkmal

"dass die Vorrichtung an einem bewegbaren Schutz angeordnet ist"

eingefügt ist.

Dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag folgen die rückbezogenen Ansprüche 2 - 13.

Die Zulässigkeit des Anspruches 1 nach Hilfsantrag ist gegeben. Er basiert auf den erteilten Ansprüchen 1 und 11, die auf die ursprünglichen Ansprüchen 1, 2 und 15 zurückgehen.

Der Gegenstand des Anspruches 1 nach Hilfsantrag mag zwar neu sein, beruht aber ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Hinzufügung der Angabe des Einbauortes des Bogenniederhalters 3 hat keine direkte Auswirkung auf den beanspruchten Gegenstand. Sie fügt also dem Gegenstand des Anspruches 1 nach Hauptantrag nichts Substantiielles hinzu, sodass der nach Hilfsantrag beanspruchte Gegenstand nicht anders zu beurteilen ist als derjenige nach Hauptantrag. Der Fachmann wird alle Einbaumöglichkeiten nahe der Wirkungsstelle ausprobieren und ohne erfinderisches Zutun eine vorteilhafte Lage aufgrund fachmännischer Überlegungen auswählen. Eine überraschende Wirkung ist bei der Anbringung des Bogenniederhalters 3 an einem ohnehin vorhandenen bewegbaren Schutz nicht erkennbar und auch nicht vorgebracht worden.

Daher hat auch der Anspruch 1 nach Hilfsantrag keinen Bestand.

Die auf den Anspruch 1 nach Hilfsantrag rückbezogenen Ansprüche 2 - 13 fallen ebenfalls mit diesem.

Aus diesen Gründen ist das Patent zu widerrufen.

Dellingerv. Zglinitzki Skribanowitz Harrer Fa






BPatG:
Beschluss v. 03.02.2003
Az: 11 W (pat) 702/02


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