Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 27. Mai 2013
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 19/13

(BGH: Beschluss v. 27.05.2013, Az.: AnwZ (Brfg) 19/13)

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des II. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom 25. Januar 2013 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger ist seit dem 27. November 1998 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 19. Oktober 2011 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls. Die Klage gegen den Widerrufsbescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Der statthafte Antrag des Klägers bleibt ohne Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

a) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Anwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind das Erwirken von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 4). Im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011, aaO Rn. 9) waren diese Voraussetzungen erfüllt. Nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs sah sich der Kläger titulierten, teils in der Vollstreckung befindlichen Verbindlichkeiten in Höhe von 56.553 € ausgesetzt. Seine monatlichen Ausgaben überstiegen seine Einnahmen. Eine Gebührenforderung von 41.225,71 €, welche später, zu einem nicht näher dargelegten Zeitpunkt, realisiert worden sein soll, ist nicht geeignet, den durch die zahlreichen Vollstreckungen indizierten Vermögensverfall in Frage zu stellen. Wie sich aus dem Widerrufsbescheid vom 19. Oktober 2011 ergibt, war die fragliche Forderung durch ein englisches Versäumnisurteil tituliert; die Gegenseite hatte jedoch Einspruch eingelegt, um dessen Rechtzeitigkeit gestritten wurde. Ob die Forderung bestand und durchgesetzt werden konnte, war danach offen. 2 b) Wie schon dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 1 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2007 - AnwZ (B) 101/05, ZVI 2007, 618 Rn. 8 m.w.N.). Der Kläger verweist ohne weitere Erläuterung oder Mitteilung einer Fundstelle (Datum des Schriftsatzes pp.) auf seinen Vortrag im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof "zur Verwaltung fremder Gelder durch eine eigene Gesellschaft". Aus dem Widerrufsbescheid vom 19. Oktober 2011 ergibt sich, dass der Kläger Geschäftsführer und/oder Gesellschafter zahlreicher Gesellschaften war, welche überwiegend in der Rechtsform einer Limited nach englischem Recht bestanden. Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2012 hat der Kläger (u.a.) die Abschrift eines an die Beklagte gerichteten Schriftsatzes gleichen Datums zu den Akten gereicht, in welchem dargelegt wird, dass der Kläger seinen Zahlungsverkehr über eine F. Limited betreibt; dabei handele es sich um eine Abrechnungsgesellschaft, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er sei. Eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden wurde durch die Einschaltung der Abrechnungsgesellschaft nicht ausgeschlossen. Der Kläger selbst hatte Zugriff auf deren Vermögen; seine Gläubiger konnten zwar nicht die Konten der Gesellschaft, wohl aber die Anteile des Klägers hieran pfänden und verwerten. 5 2. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft die Sache nicht auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; BVerfG, NVwZ 2009, 515, 518; BVerwG, NVwZ 2005, 709). Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihrer Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihrer Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Berufungsgerichts erforderlich ist.

Diesen Anforderungen wird die Begründung des Zulassungsantrags nicht gerecht. Die von ihr ohne weitere Erläuterung aufgeworfene Frage nach den Auswirkungen der Einschaltung einer Abrechnungsgesellschaft lässt sich überdies auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zu § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ohne weiteres beantworten.

3. Der Kläger hat keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 3. September 2012 haben sich die Parteien darauf verständigt, dass der Kläger der Beklagten eine "vollständige Auflistung seiner Vermögensverhältnisse" vorzulegen habe; die Beklagte werde auf der Grundlage dieser Unterlagen entscheiden, ob der angefochtene Bescheid zurückgenommen werde. Im Fall der Rücknahme des Bescheides sollte der Kläger die Verfahrenskosten tragen. Nach Ablauf der 6 vorgesehenen Fristen hat die Beklagte dem Gericht mitgeteilt, dass der Bescheid nicht zurückgenommen werden könne. Der Kläger hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Nunmehr rügt der Kläger, dass nicht klar gewesen sei, welche Anforderungen an eine "vollständigen Auflistung der Vermögensverhältnisse" gestellt würden. Er meint, der Anwaltsgerichtshof sei verpflichtet gewesen, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

Diese Ansicht trifft nicht zu. Gegenstand des anwaltsgerichtlichen Verfahrens war die Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheides vom 19. Oktober 2011, welche nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Widerrufs zu beurteilen war (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9). Gegenstand der in der mündlichen Verhandlung getroffenen Übereinkunft war hingegen die Frage, ob es dem Kläger zwischenzeitlich gelungen war, seine Vermögensverhältnisse wieder zu ordnen. Nur so ist die in Aussicht genommene Kostenübernahme zu erklären; der zu den Akten gereichte Schriftwechsel der Parteien, insbesondere der Schriftsatz des Klägers vom 17. September 2012 bezieht sich überdies auf die gegenwärtigen Vermögensverhältnisse des Klägers, nicht auf dessen Vermögensverhältnisse in dem für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides. Für die Entscheidung des Rechtsstreits sind die in ihnen enthaltenen Angaben ohne Bedeutung. Der Streit der Parteien darüber, ob die Vermögensverhältnisse des Klägers nunmehr als geordnet angesehen werden können, ist im Rahmen eines neu zu stellenden Antrags auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft auszutragen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 18 ff.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Kayser Lohmann Seiters Quaas Braeuer Vorinstanz:

AGH Frankfurt, Entscheidung vom 25.01.2013 - 2 AGH 17/11 - 10






BGH:
Beschluss v. 27.05.2013
Az: AnwZ (Brfg) 19/13


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