Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. November 2003
Aktenzeichen: 32 W (pat) 249/02

(BPatG: Beschluss v. 12.11.2003, Az.: 32 W (pat) 249/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 27. Februar 1998 angemeldete, für Zuckerwaren und Schokoladewaren, insbesondere Puffreisschokoladeeingetragene Marke 398 10 926 richtet sich der Widerspruch aus der am 21. Juli 1993 angemeldeten Marke 2063467 die u.a. für Reis, auch in Kochbeuteln sowie vorgekocht oder dehydriert; Zuckerwaren, Schokolade, Schokoladewareneingetragen ist.

Der Widerspruch ist durch Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Mai 2000 und vom 21. Mai 2002, von denen der zweite im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen worden, weil der Abstand zwischen den Marken trotz Warenidentität und (unterstellter) erhöhter Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausreichend sei. Begründet wird dies mit der unterschiedlichen Silbenzahl der beiden Markenwörter und dem sehr verschiedenen Klang- und Sprechrhythmus. Auch schriftbildlich bestehe keine Ähnlichkeit. Bei der jüngeren Marke könne die Insel Bali als Merkhilfe dienen. Es könne auch nicht angenommen werden, dass es sich bei den Marken um Serienzeichen handele.

Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die sich auf einen erhöhten Schutzumfang ihrer Marke beruft. Nach einer von ihr vorgelegten eidesstattlichen Erklärung sind mit der Widerspruchsmarke in den Jahren 2000 bis 2002 Umsätze jeweils in Höhe von ca. ... € erzielt worden. Der Marktanteil von "Balisto" beträgt danach etwa 2 %. Im übrigen besteht nach Auffassung der Widersprechenden Markenähnlichkeit in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht. Die jüngere Marke sei in der Widerspruchsmarke - und zwar an deren Wortanfang - identisch enthalten. Der Endsilbe "sto" komme keine die Unterscheidungskraft beeinflussende Wirkung zu. Da diese Endung im Deutschen untypisch sei, gehe sie gegenüber dem Wortanfang "Bali", mit dem der Verkehr etwas verbinden könne, unter. Wenn sich ein Zeichen in einen inhaltsvollen Begriff und einen Fantasiebestandteil gliedern lasse, werde sich der Verkehr ohne weiteres an dem ihm hinsichtlich seiner Bedeutung bekannten Bestandteil orientieren, zumal dieser als Merkhilfe dienen könne. Klanglich werde die Widerspruchsmarke daher auf "Bali" abgekürzt. Der schriftbildlichen Ähnlichkeit stehe nicht entgegen, dass die beiden gegenüberstehenden Markenwörter einerseits zwei-, andererseits dreisilbig seien. Entscheidend sei, dass die begrifflich identischen und gestalterisch hochgradig ähnlichen Bestandteile den bildlichen Gesamteindruck beider Marken bestimmten. Die gestalterische Ähnlichkeit beruhe auf der jeweils dunkel hinterlegten Schreibschrift und der jeweiligen Anordnung der Markenwörter von links unten nach rechts oben. Klangliche Verwechslungen würden durch die gleiche Silbenfolge und die Möglichkeit der Betonung der älteren Marke auf der ersten Silbe begünstigt. Zu verweisen sei auch auf die häufig ungünstigen Übermittlungsbedingungen (z.B. beim Kauf in Supermärkten, Tankstellen oder an Kiosken). Ein gedankliches In-Verbindung-Bringen sei zu befürchten, weil wesentliche Teile des Verkehrs den Begriff "Bali" u.U. als Stammzeichen ansehen und einem Irrtum über das Vorliegen eines Serienzeichens unterliegen könnten. An das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr dürften vorliegend keine hohen Maßstäbe angelegt werden. Die jüngere Marke wolle sich offensichtlich in rufausbeuterischer Weise an die ältere Marke anlehnen, weshalb sie unter besonders strengen Gesichtspunkten beurteilt werden müsse.

Die Widersprechende stellt den Antrag, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Mai 2000 und 21. Mai 2002 aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

Die Markeninhaberin stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bestreitet, dass die Widerspruchsmarke eine überragende Bekanntheit besitze. Außerdem weist sie auf Unterschiede in der schriftbildlichen Wiedergabe der beiden Markenwörter sowie darauf hin, dass die Schreibschrift auf dem einschlägigen Warensektor üblich sei. "Balisto" werde nicht durch "Bali" geprägt. Die Endung "-sto" werde gerade auf Grund ihrer Unüblichkeit besonders aufmerksam wahrgenommen. Die Widerspruchsmarke erinnere nicht an die Insel Bali, sondern eher an "Ballistik". Es handele sich um einen Fantasiebegriff, der nicht auf "Bali" verkürzt werde. "Balisto" werde auch in der Werbung der Widersprechenden nicht auf der Anfangssilbe betont. Weil die Endung "sto" von "Balisto" nicht abspaltbar sei, besteht auch keine mittelbare Verwechslungsgefahr.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil keine Gefahr von Verwechslungen i.S. d. § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Nach diesen Vorschriften ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn und soweit wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626, 627 - IMS).

Die Widerspruchsmarke besitzt von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Umstände, die für einen erhöhten Schutzumfang sprechen könnten (etwa der Marktanteil der mit der Marke versehenen Waren, die Intensität, geografische Ausdehnung und Dauer der Benutzung sowie der Werbeaufwand, vgl. BGH GRUR 2002, 1067, 1069 - DKV/OKV m.w.N.), sind von der Widersprechenden nicht glaubhaft gemacht worden. Die in der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung aufgeführten Umsatzzahlen beziehen sich nicht auf den Anmeldezeitpunkt der jüngeren Marke, was (auch) erforderlich gewesen wäre (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rz. 40). Im übrigen wird aus diesen Zahlen der von der Marke gehaltene Marktanteil nicht deutlich. Soweit von einem Markanteil von 2 % die Rede ist, bleibt unklar, auf welches Marktsegment sich diese Angabe bezieht.

In Anbetracht der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist der Abstand, den die jüngere Marke gegenüber der älteren einhält, trotz teilweiser Identität der Waren noch ausreichend, um Verwechslungen rechtserheblichen Umfangs ausschließen zu können. Dies gilt ungeachtet der Tatsachen, dass sich die Schriften, in der beide Markenwörter geschrieben sind, ebenso wie die aufsteigende Anordnung dieser Wörter innerhalb der Marken, in auffälliger Weise ähneln, und dass die jüngere Marke mit den beiden Anfangssilben der älteren Marke identisch übereinstimmt. Diese Gemeinsamkeiten mögen den Eindruck entstehen lassen, dass sich die jüngere Marke an die ältere anlehnt. Zur Begründung einer Verwechslungsgefahr im markenrechtlichen Sinn reichen sie jedoch nicht aus.

Schriftbildlich liegt eine Ähnlichkeit schon deshalb nicht vor, weil die beiden Markenwörter mit sieben gegenüber vier Buchstaben bzw. drei gegenüber zwei Silben von deutlich unterschiedlicher Länge sind. Dazu kommt die unterschiedliche farbliche Gestaltung der Marken, die bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht außer acht gelassen werden kann (vgl. BPatG MarkenR 2002, 348, 352 ff. - Farbige Arzneimittelkapsel).

Auch klanglich sind die beiden Markenwörter nicht zu verwechseln. Bei mündlicher Wiedergabe wird man die Endung "sto" der Widerspruchsmarke nicht weglassen. Es gibt keinerlei Hinweise, dass man diese Marke auf "Bali" verkürzen wird. Insbesondere liegt es fern, in den zwei ersten Silben der Widerspruchsmarke die Insel Bali zu erkennen. Vielmehr wird der Verkehr "Balisto" überwiegend als reines Fantasiewort ansehen. Gesundheitsbewusste Konsumenten werden u.U. einen Zusammenhang mit "Ballaststoffen" herstellen. Jedenfalls bietet sich eine Zerlegung in einzelne, begrifflich abgrenzbare Bestandteile nicht an. Da auch nichts dafür spricht, dass die ältere Marke - ebenso wie die jüngere - auf der ersten Silbe betont wird, lassen sich die Markenwörter, wenn man sie jeweils als Ganzes miteinander vergleicht, bei mündlicher Wiedergabe gut voneinander unterscheiden.

Unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2, letzter Halbsatz MarkenG) sind Verwechslungen rechtserheblichen Umfangs ebenfalls nicht zu befürchten. Wegen des Grundsatzes, dass beim Vergleich zweier Marken vom jeweiligen Gesamteindruck auszugehen ist, reicht das Vorhandensein eines übereinstimmenden Elements in beiden Marken noch nicht zur Annahme einer derartigen Verwechslungsgefahr aus. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass diesem Bestandteil ein Hinweischarakter auf den Inhaber der älteren Marke zukommt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der übereinstimmende Bestandteil als Stammbestandteil einer Serie der Widersprechenden wirkt, oder wenn es sich dabei um einen Bestandteil mit erhöhter Verkehrsgeltung handelt. Da der Wortanfang "Bali-" nicht als eigenständiger Bestandteil der Widerspruchsmarke wahrgenommen wird und dementsprechend eine Assoziation mit der Insel Bali nur bei der jüngeren Marke auf der Hand liegt, besteht keine begriffliche Ähnlichkeit der beiden Marken. Schon aus diesem Grund wird das Publikum den Bestandteil "Bali-" der Widerspruchsmarke nicht als Stamm einer Zeichenserie, zu der dann auch die jüngere Marke gehören könnte, ansehen.

Auch mit der Ähnlichkeit der Schrift, in der die beiden Markenwörter erscheinen, kann eine Verwechslungsgefahr vorliegend nicht begründet werden. Es mag Fälle geben, in denen das Erscheinungsbild einer Marke durch die Verwendung einer ganz ausgefallenen Schrift dominiert wird, so dass allein durch die Verwendung einer ähnlichen Schrift in einer anderen Marke der Eindruck entstehen kann, dass beide Marken auf dasselbe Unternehmen hinweisen. Demgegenüber sind die im vorliegenden Fall beiderseits verwendete Schreibschriften keineswegs ungewöhnlich, so dass allein aus ihrer Ähnlichkeit keine Verwechslungsgefahr entsteht.

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BPatG:
Beschluss v. 12.11.2003
Az: 32 W (pat) 249/02


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