Oberlandesgericht Rostock:
Urteil vom 14. März 2012
Aktenzeichen: 2 U 22/10
(OLG Rostock: Urteil v. 14.03.2012, Az.: 2 U 22/10)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 06.08.2010, Az.: 8 O 5/10 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des durch die Gegenseite zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Gegenseite vorher Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 15.000,- € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beklagte betreibt das ... Klinikum ... . Der Kläger ist ein nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG legitimierter Verband zur Förderung gewerblicher Interessen. Er verlangt die Unterlassung der Ankündigung und Durchführung von Leistungen, die die Beklagte mit einer Anzeige, zu deren Inhalt und Erscheinungsbild auf die Anlage BK 1 (Bl. 132 d.A.) Bezug genommen wird, in der Ausgabe der Zeitung "..." vom 20.09.2009 beworben hat. Desweiteren begehrt der Kläger die Erstattung einer Abmahnkostenpauschale in Höhe von 208,65 €.
Der Kläger ist der Auffassung, dass durch die Anzeige der Eindruck erweckt werde, die Beklagte könne jedwede ambulanten Untersuchungen anbieten. Das Angebot sei irreführend gem. § 5 UWG, da die Beklagte - insoweit unstreitig - nur solche ambulanten Leistungen anbieten kann, die ihr nach den §§ 115 ff. SGB V, insbesondere nach dem gem. § 115b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V vereinbarten Katalog erlaubt sind. Der Kläger ist außerdem der Auffassung, der mit der Anzeige angebotene kostenlose Taxi-Service verstoße gegen § 7 Abs. 1 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die von der Anzeige angesprochenen durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen potentiellen Patienten würden die Anzeige vernünftigerweise so verstehen, dass die Beklagte keine Termine für Leistungen vergebe, die sie nicht anbieten könne. Die Patienten würden in der Regel gar nicht beurteilen wollen, welche ambulanten Behandlungen die Beklagte anbieten dürfe, sondern würden nur erwarten, dass sie durch das Personal des Klinikums hierüber sogleich informiert würden und ggf. auch keine Termine erhalten. Insoweit liege keine Behauptung des Klägers vor, dass auch solche Patienten Termine erhalten, für die das Klinikum aus Rechtsgründen nicht ermächtigt sei. Auch eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs liege nicht vor, weil die Anzeige nicht bewirken könne, dass Patienten verbotenerweise ambulant behandelt würden. Auch eine Unterlassung des angebotenen Taxi-Service bzw. der entsprechenden Werbeaussage sei jedenfalls in dem beantragten Umfang nicht veranlasst. Die konkrete Werbeaussage werde durch das HWG nicht erfasst, das gem. § 1 Abs. 1 HWG nur produktbezogene Werbeaussagen, nicht aber allgemeine Unternehmenswerbung erfasse. Ein Verstoß gegen das UWG liege jedenfalls nicht schon in dem Angebot jedweder kostenloser Taxifahrten, wenngleich diesbezüglich einschränkungslos angebotene Leistungen ohne jede Wertobergrenze nicht als übliche Nebenleistungen von Krankenhäusern anerkannt seien.
Ergänzend wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch vollumfänglich weiter. Es sei Krankenhäusern nur in Ausnahmefällen erlaubt, ambulante Leistungen anzubieten, was aus der streitgegenständlichen Werbung nicht deutlich werde. Dies ergebe sich auch aus einem Artikel in der ... Zeitung vom 13.10.2009 (Anlage BK 2, Bl. 133 d.A.). Die Werbung unterliege den im Gesundheitsbereich geltenden besonders strengen Voraussetzungen. Das Angebot des kostenlosen Taxi-Service sei Produkt- und Absatzwerbung und keine Imagewerbung, denn es würden auch die im einzelnen praktizierten Verfahren und Behandlungen beworben. Die Unanwendbarkeit des HWG ergebe sich nicht daraus, dass die Reklame für eine große Zahl von Heilmitteln eingesetzt werde. Auf eine wertmäßige Begrenzung des Angebots komme es nicht an. Ergänzend wird auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung vom 18.11.2010 und im Schriftsatz vom 14.02.2012 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
a) eine Terminvergabe für alle ambulanten Untersuchungen, also auch solche, die den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten vorbehalten und für deren Erbringung die Beklagte und/oder ihre Krankenhausärzte nicht gemäß §§ 115a ff. SGB V ermächtigt ist bzw. sind, anzukündigen und/oder durchzuführen und/oder
b) zur Vornahme einer medizinischen Leistung und/oder Behandlung eine kostenlose Hin- und/oder Rückfahrt mit dem Taxi zwischen dem Zuhause des Patienten und dem ... Klinikum anzukündigen und/oder durchzuführen;
2. an den Kläger 208,65 € nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie meint, die allgemein bekannten Strukturen des Gesundheitssystems ließen es einen durchschnittlich informierten Verbraucher ohne weiteres erkennen, dass in einer Klinik nicht alle denkbaren ambulanten Behandlungen durchgeführt werden könnten. Der angesprochene Verkehrskreis habe das Angebot nicht wortwörtlich, sondern als im Geschäftsverkehr übliche Anpreisung zu verstehen. Anderes ergebe sich auch aus dem als Anlage BK 2 zur Akte gereichten Artikel aus der ... Zeitung nicht. Hinsichtlich der Anwendbarkeit des HWG auf den angebotenen Taxi-Service sei zu berücksichtigen, dass die mit der Anzeige benannten Bereiche (z.B. "onkologische Chirurgie") keine Behandlungsmethoden, sondern Abteilungen des Krankenhauses darstellten. Daher liege keine produktbezogene sondern nur eine Imagewerbung vor, auf die das HWG nicht anwendbar sei. Ein Verstoß gegen Vorschriften des HWG könne überdies nur dann angenommen werden, wenn die beanstandete Werbung im Lichte der grundgesetzlich geschützten Berufsausübungsfreiheit der Leistungserbringer im Gesundheitswesen unsachgemäß sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da Belange des Allgemeinwohls - vornehmlich die Interessen schutzbedürftiger Patienten - durch die Werbung nicht betroffen seien. Allgemein sei es nicht zu beanstanden, wenn Ärzte neben ihrem fachlich-medizinischen Angebot auch patientenorientierte Leistungen wie etwa Fahrdienste anbieten und dafür werben. Ergänzend wird auf die Ausführungen in der Berufungserwiderung vom 02.12.2010 und im Schriftsatz vom 13.01.2012 Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG bzw. § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche - und damit auch der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Mahnkosten - nicht zu.
1. Unterlassungsansprüche wegen der "Terminvergabe für alle ambulanten Untersuchungen & stationären Behandlungen"
Dem Kläger steht kein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG zu.
a) Es ist bereits zweifelhaft, ob das Angebot zu einer Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise führen kann. Zwar ist die Anzeige ihrem Wortlaut nach mehrdeutig. Für das Vorliegen einer lauterkeitsrechtlich relevanten Irreführung ist es aber mindestens erforderlich, dass ein nicht ganz unmaßgeblicher Teil des angesprochenen Verkehrs die Angabe in einem Sinn versteht, der nicht den objektiven Gegebenheiten entspricht (BGH v. 21.02.1991, GRUR 1992, 66 ff. - Königl. Bayerische Weisse, zit. nach juris). Insoweit hat das Landgericht zu Recht ausgeführt, dass der die Anzeige wahrnehmende durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame Patient vernünftigerweise nicht erwartet, dass die Klinik Termine für Leistungen anbietet, die sie nicht erbringen kann, sondern dass seine Erwartungshaltung dahin geht, durch das Klinikpersonal sogleich informiert zu werden und ggf. keinen Termin zu erhalten, falls die begehrte Leistung nicht angeboten wird.
Ob angesichts der von der Berufung in Bezug genommenen besonders strengen Maßstäbe im Gesundheitswesen oder aus sonstigen Erwägungen trotzdem die Gefahr einer Irreführung begründet ist, kann dahinstehen.
b) Denn der geltend gemachte Unterlassungsanspruch des Klägers besteht jedenfalls deswegen nicht, weil es auch bei Annahme einer Gefahr der Irreführung an deren geschäftlicher Relevanz fehlen würde.
Neben der Erzeugung einer irrigen Vorstellung über das Angebot muss eine Angabe, um gem. § 5 UWG unzulässig zu sein, auch geeignet sein, die zu treffende Marktentscheidung der umworbenen Verkehrskreise in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (BGH v. 15.09.1999, GRUR 2000, 436 ff., zit. nach juris).
An einer unmittelbaren Beeinflussung der Marktentscheidung durch die irreführende Angabe fehlt es, wenn der Irrtum zum Zeitpunkt der endgültigen Marktentscheidung des zunächst getäuschten Verbrauchers bereits aufgeklärt ist und die Marktentscheidung deshalb nicht unmittelbar auf dem erregten Irrtum beruht.
Die Aufklärung erfolgt hier dadurch, dass spätestens vor Durchführung der Untersuchung abgeklärt wird, ob die begehrte ambulante Leistung zu denen gehört, die der Beklagten nach den §§ 115 ff. SGB V erlaubt sind. Ob die Klärung bei der ersten Kontaktaufnahme erfolgt - was der Kläger bestreitet - ist dabei unerheblich. Jedenfalls erfolgt sie vor Erbringung der ambulanten Leistung und damit vor der endgültigen Marktentscheidung des Patienten, denn der insoweit darlegungsbelastete Kläger trägt nicht vor, dass die Beklagte Leistungen, zu deren Erbringung sie gem. der §§ 115 ff. SGB V nicht berechtigt ist, tatsächlich durchführt. Die mit der streitbefangenen Anzeige einhergehende Irreführung führt daher allenfalls zu einem Anlockeffekt.
Auch solche, einen Anlockeffekt auslösenden Irreführungen können zwar unter das Verbot irreführender Werbung fallen, weil sie eine mittelbare Relevanz für die letztliche Marktentscheidung des Verbrauchers haben können (Köhler/Bornkamm, 29. Aufl., § 5 UWG, Rz. 2.194 f.). Vorliegend ist aber auch eine mittelbare Relevanz nicht gegeben, denn - wie schon durch das Landgericht herausgestellt - der durchschnittlich informierte Patient ist sich der sich aus §§ 115 SGB V ergebenden Beschränkungen im einzelnen nicht bewusst. Wenn die Beklagte das Wort "alle" in der Anzeige weglassen würde oder sogar dann, wenn sie die Anzeige so umformulieren würde, dass Terminsvergaben für "alle zulässigen" ambulanten Leistungen angeboten werden bzw. die Anzeige einen Hinweis enthielte, dass das Angebot sich nur auf die gem. §§ 115 ff. SGB V erlaubten ambulanten Untersuchungen bezieht, würde dies interessierte Patienten in aller Regel nicht davon abhalten, bei generellem Interesse an dem Angebot den Kontakt mit der Klinik aufzunehmen.
Wettbewerblich relevante Effekte sind überdies auch deshalb nicht zu erwarten, weil davon auszugehen ist, dass der durchschnittliche Patient sich wegen einer Leistung an die Klinik wendet, die medizinisch indiziert ist und die deswegen auch dann durchgeführt werden muss, wenn dies wegen der gesetzlichen Beschränkungen nicht durch die Klinik der Beklagten erfolgen kann. Der Patient wird sich durch die Kontaktaufnahme mit der Klinik der Beklagten deshalb nicht davon abbringen lassen, die Untersuchung oder Behandlung anderswo durchführen zu lassen, wenn dies bei der Beklagten nicht zulässig ist. Eine Schädigung von Mitbewerbern (hier: anderer Ärzte) ist daher, anders als bei irreführenden Werbungen im Bereich des Einzelhandels, nicht zu befürchten. Die Anzeige begründet bei lebensnaher Betrachtung auch keine lauterkeitsrechtlich erhebliche Gefahr, dass der Patient sich durch die bei der Kontaktaufnahme mit der Beklagten erfolgende Aufklärung über die Unzulässigkeit einer zunächst begehrten Leistung zu der Inanspruchnahme einer anderen, zulässig angebotenen Leistung bewegen lässt, die er ansonsten bei einem Mitbewerber hätte durchführen lassen.
Aus dem mit Schriftsatz vom 14.02.2012 erstmals erfolgten Vortrag des Klägers, dass sich Leser der Anzeige ohne vorherige telefonische Kontaktaufnahme per Taxi nach Wismar haben bringen lassen, um dort zu erfahren, dass die Taxi-Kosten mangels "Transportschein" der Krankenversicherung nicht übernommen werden können, ergibt sich ebenfalls keine geschäftlich relevante Irreführung. Denn Wortlaut und Erscheinungsbild der Anzeige begründen eine solche Gefahr für den durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Patienten angesichts der in ihr enthaltenen ausdrücklichen Aufforderung zur telefonischen Kontaktaufnahme nicht. Es erscheint gerade aufgrund des enthaltenen Angebotes einer Terminsvergabe fernliegend, die Anzeige so zu verstehen, dass eine ohne vorherige Absprache in Anspruch genommene Taxifahrt von der Beklagten ohne weiteres erstattet wird. Der Kläger trägt im übrigen nicht vor, wie häufig es zu diesen "Irrfahrten" gekommen sein soll.
c) Einen wettbewerbsrelevanten Verstoß dahingehend, dass die Beklagte in ihrer Klinik Leistungen entgegen der §§ 115 ff. SGB V tatsächlich anbietet, hat das Landgericht zu Recht abgelehnt, weil hierzu kein Vortrag des Klägers vorliegt (S. 6, 2. Absatz des Urteils).
Nach alledem liegen auch die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach § 2 Abs. 1 UKlaG, den der Kläger gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG geltend machen könnte, nicht vor.
2. Unterlassungsanspruch wegen des Angebots eines kostenlosen Patiententransports
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unterlassung des Angebotes oder der Durchführung von kostenlosen Patiententransporten aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1 UWG. Weder die Voraussetzungen von § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 7 Abs. 1 S. 1, 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG noch die anderer Unlauterkeitstatbestände sind erfüllt.
a) Das Landgericht hat die streitgegenständliche Werbung zu Recht als reine Unternehmenswerbung eingeordnet, die nicht dem Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes unterfällt. In diesen Geltungsbereich einbezogen ist allein die produktbezogene Werbung (Produkt- und Absatzwerbung), nicht dagegen die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- und Imagewerbung), die ohne Bezugnahme auf bestimmte Produkte für das Ansehen und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein wirbt (Köhler/Bornkamm a.a.O., § 4 UWG Rz. 11.134 m.w.N.). Ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Unternehmenswerbung ist, hängt maßgeblich davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte im Vordergrund steht (BGH v. 26.03.2009, GRUR 2009, 1082 - DeguSmiles & more, Tz. 15, zit. nach juris; BGH v. 31.10.2002, GRUR 2003, 353 - Klinik mit Belegärzten, Tz. 45, zit. nach juris).
Mit der vorliegenden Werbung werden keine bestimmten oder individualisierbaren Produkte oder Leistungen der Beklagten bzw. ihres Krankenhauses angepriesen. Die Werbung bezieht sich vielmehr auf das gesamte Spektrum an ambulanten Untersuchungen und stationären Behandlungen des Krankenhauses. Die mit dem Taxi-Service angebotene Dienstleistung steht auch nicht in inhaltlichem Zusammenhang mit bestimmten Leistungen des Krankenhauses oder nimmt werbend auf diese Bezug. Es handelt sich aus Sicht des durchschnittlich informierten und aufmerksamen Patienten vielmehr um eine zusätzliche Dienstleistung, durch die in allgemein werbender Form die Serviceorientierung des Krankenhauses insgesamt herausgestellt werden soll. Keinen wesentlichen Unterschied macht es, dass auf der rechten Seite der Anzeige das gesamte Leistungsspektrum des Krankenhauses dargestellt wird. Denn auch insoweit wird kein bestimmter Bezug des Taxi-Service zu bestimmten Leistungen des Gesamtangebotes hergestellt.
Zwar kann eine Werbung auch dann produktbezogen im Sinne des HWG sein, wenn sie sich auf das gesamte Sortiment des Werbenden bezieht. Das setzt aber voraus, dass Sinn und Zweck des Gesetzes dies gebieten, weil sich die Gefahr der unsachlichen Beeinflussung des Patienten aus einer das ganze Sortiment des Werbenden umfassenden Werbemaßnahme ergibt (BGH a.a.O., DeguSmiles & more - Tz. 16), wovon vorliegend nicht ausgegangen werden kann. Denn Sinn und Zweck des HWG sind darauf ausgerichtet, eine unsachliche Beeinflussung des Absatzes von Heilmitteln durch Zuwendungen an den Patienten zu verhindern (BGH a.a.O.). Die Verbraucher sollen durch das HWG bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nicht unsachlich durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben beeinflusst werden (BGH v. 06.07.2006, - Kunden werben Kunden -, GRUR 2006, 949 ff., Tz. 24, zit. nach juris). Die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Absatzes der angebotenen ärztlichen Leistungen ist vorliegend aber nicht gegeben. Kein Patient wird sich durch den kostenlosen Taxiservice dazu veranlasst sehen, eine Leistung in Anspruch zu nehmen, die er ohne den Taxiservice nicht in Anspruch genommen hätte. Soweit der Patient durch den Taxiservice veranlasst wird, die medizinische Leistung bei der Beklagten in Anspruch zu nehmen, betrifft dieser Effekt gerade den Bereich der allgemeinen Imagewerbung, der durch das HWG nicht begrenzt werden soll. Da eine Beeinflussung des Absatzes bestimmter Leistungen durch das Angebot also nicht gegeben ist, ergibt sich der für die Anwendbarkeit des HWG erforderliche Produktbezug auch nicht daraus, dass der Patient nur bei gleichzeitiger Inanspruchnahme einer medizinischen Leistung in den Genuss der Taxifahrt kommt.
Soweit mit den Vorschriften des HWG auch vermieden werden soll, dass durch Werbemaßnahmen unter Ausnutzung der Autorität der Heilberufe der Eindruck erweckt wird, bestimmte Behandlungen seien besonders wirksam (BGH v. 01.03.2007 - Krankenhauswerbung -, GRUR 2007, 809 f., Tz. 19, zit. nach juris), bietet der angebotene Taxiservice, dessen Werbewirksamkeit sich nicht aus der Inanspruchnahme heilfachlicher Autorität ergibt, ebenfalls keinen Grund zur Beanstandung.
b) Aus diesem Grund liegt auch die für eine Verwirklichung von § 7 Abs. 1 HWG erforderliche, auf einer unsachlichen Beeinflussung beruhende mittelbare Gesundheitsgefährdung für den potentiellen Patientenkreis nicht vor.
Die Tatbestände des Heilmittelwerbegesetzes sind vor dem Hintergrund der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsausübungsfreiheit des Werbenden verfassungskonform auszulegen. Ihre Verwirklichung setzt voraus, dass die Werbung geeignet ist, das Laienpublikum unsachlich zu beeinflussen und dadurch zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung zu bewirken (BVerfG v. 30.04.2004, GRUR 2004, 797; BGH v. 01.03.2007, GRUR 2007, 809 ff. - Krankenhauswerbung -, Tz. 19; BGH v. 06.05.2004, GRUR 2004, 799 f. - Lebertrankapseln -, Tz. 9 ff., alle zit. nach juris).
Durch den angebotenen Taxi-Service wird der angesprochene Patient durch die versprochene Vergünstigung nicht veranlasst, auf die Inanspruchnahme einer ärztlichen Leistung zu verzichten oder nur wegen der Vergünstigung eine solche Leistung in Anspruch zu nehmen. Er wird auch nicht veranlasst, ein indiziertes Medikament nicht oder in falschen Dosen einzunehmen oder zu einer nicht veranlassten Selbstmedikation zu greifen. Der angesprochene Patient wird durch die Werbung der Beklagten lediglich in seiner Entscheidung beeinflusst, ob er eine bestimmte Untersuchung oder Behandlung bei der Beklagten, in einem anderen Krankenhaus oder bei einem niedergelassenen Arzt in Anspruch nimmt. Hierdurch wird keine mittelbare Gesundheitsgefährdung begründet und auch sonst keine Beeinflussung ausgeübt, die durch das HWG verhindert werden soll.
c) Auch aus berufsrechtlichen Gesichtspunkten ergibt sich keine Unlauterkeit des angebotenen Taxiservice.
Berufsrechtliche Werbebeschränkungen unterliegen als Berufsausübungsregelungen dem Maßstab des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG und sind deshalb nur zulässig, wenn sie durch Gemeinwohlerwägungen gedeckt sind und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Eine Werbemaßnahme ist daher nur unzulässig, wenn sie berufswidrig ist (Köhler/Bornkamm a.a.O., § 4 UWG Rz. 11.84 m.w.N.).
Das Angebot der Beklagten ist nicht berufswidrig. Ärzten ist berufsbezogene und sachangemessene Werbung erlaubt. Der einzelne Berufsangehörige kann entscheiden, in welcher Weise er sich für die interessierte Öffentlichkeit darstellt, solange er sich in den durch schützende Gemeinwohlbelange gezogenen Schranken hält (BVerfG v. 01.06.2011 - Arztwerbung -, GRUR 2011, 838 ff., zit. nach juris). Bei Kliniken ist zusätzlich zu beachten, dass sie anders als niedergelassene Ärzte gewerbliche Unternehmen sind und deshalb nicht unter die ärztlichen Berufsregeln fallen. Deshalb gelten für sie nicht dieselben Werbebeschränkungen, wie für niedergelassene Ärzte (BVerfG v. 17.07.2003, NJW 2003, 2818 ff., Tz. 10, 19; BVerfG v. 04.07.2000, NJW 2000, 2734 f., Tz. 18, beide zit. nach juris).
Dem Angebot des kostenlosen Taxiservice stehen schützenswerte Belange des Gemeinwohls nicht entgegen. Eine Gesundheitsgefährdung ist - wie schon dargelegt - nicht zu befürchten. Das Angebot ist auch bei Würdigung der Interessenlage des Krankenhauses und der Bedürfnisse von Patienten nicht sachlich unangemessen. Das gilt insbesondere für das mit der Maßnahme verfolgte Ziel der Beklagten, Patienten anzusprechen, die sich bisher bei niedergelassenen Ärzten oder in anderen Krankenhäusern im Landkreis ... behandeln lassen. Denn Konkurrenzschutz und Schutz vor Umsatzverlagerungen sind auch im Gesundheitsbereich keine legitimen Zwecke, die die Einschränkung der Berufsausübung rechtfertigen können. Auch im Gesundheitsbereich liegt der eigentliche, nicht zu beanstandende Zweck der Werbung darin, Patienten zu Lasten der Konkurrenz zu gewinnen (BVerfG v. 26.09.2003, GRUR 2004, 68 ff., Tz. 30, zit. nach juris). Ein darüber hinausgehendes beanstandenswertes Ziel verfolgt die Beklagte nicht.
Auch einer unerwünschten übermäßigen Kommerzialisierung des ärztlichen Bereichs, dem die - auf die Beklagte ohnehin nicht unmittelbar anzuwendenden - berufsrechtlichen Werbebeschränkungen (vgl. § 27 Abs. 1 - 3 der Ärztlichen Berufsordnung Mecklenburg-Vorpommern) entgegenwirken sollen, wird durch das Angebot selbst oder dessen Art und Weise der Präsentation kein Vorschub geleistet. Denn eine hiernach erforderliche Verunsicherung des Patienten oder die Einschränkung seiner Befähigung, als mündiger Mensch von der freien Arzt- oder Klinikwahl sinnvollen Gebrauch zu machen (vgl. BVerfG v. 17.07.2003 a.a.O., Tz. 9) ist nicht zu befürchten. Mit dem Angebot werden keine sachfremden oder irreführenden Informationen verbreitet. Dem Patienten wird lediglich die Möglichkeit gegeben, die mit der kostenlosen Inanspruchnahme der Taxifahrt verbundenen Vorteile gegen die ihm bekannten, möglicherweise mit einem Arztwechsel verbundenen Nachteile (z.B. Aufgabe eines bestehenden Vertrauensverhältnisses, Unkenntnis über die Qualität der durch die Beklagten angebotenen medizinischen Leistungen) gegeneinander abzuwägen. Dieser Abwägungsprozess beinhaltet keine Überforderung des durchschnittlich informierten und mündigen Patienten, auch wenn dieser ein medizinischer Laie ist. Die durch den Patienten vorzunehmende Abwägung enthält auch keine Elemente, die dieser bei sonstigen Entscheidungen im Rahmen der freien Auswahl seiner Ärzte nicht ebenfalls berücksichtigen müsste.
Eine übermäßige Kommerzialisierung ergibt sich auch nicht dadurch, dass dem Patienten mit dem Taxiservice eine kostenlose geldwerte Leistung angeboten wird. Grundsätzlich sind Preisnachlässe, Zugaben oder Geschenke - außerhalb der Anwendungsbereiche des HWG und der Gebührenordnungen - nicht ohne weiteres zu beanstanden, wie sich aus § 4 Nr. 4 UWG ergibt. Das gilt auch für den Gesundheitsbereich, so dass auch in diesem Bereich eine sachfremde Beeinträchtigung des Patienten vorausgesetzt ist, über die die Rationalität der Verbraucherentscheidung typischerweise zurückgedrängt wird oder Mitbewerber gezielt behindert werden (OLG Rostock v. 04.05.2005, Az.: 2 U 54/04 m.w.N., zit. nach juris, dort Tz. 14 für den Bereich der Apothekenwerbung). Die vorliegende geldwerte Leistung ist jedoch - anders als z.B. Bonuspunkt- und ähnliche Systeme - schon im Ansatz kaum geeignet, den Patienten zu sachfremden Kalkulationsüberlegungen zu veranlassen, denn der mit dem Service verbundene geldwerte Vorteil erschöpft sich darin, den mit einer Anreise aus dem Landkreis ... nach ... in der Regel einhergehenden (auch finanziellen) Mehraufwand nicht erbringen zu müssen, so dass der Patient bei Inanspruchnahme des Angebotes im Ergebnis wirtschaftlich nicht spürbar besser dasteht, als wenn er einen anderen, in der Regel nähergelegenen Arzt innerhalb seines Landkreises aufgesucht hätte. Der geringe wirtschaftliche Vorteil, der darin besteht, dass bei Aufsuchen eines nähergelegenen Arztes auch (allerdings geringere) Anreiseaufwände angefallen wären, wird in aller Regel nicht dazu geeignet sein, die Rationalität der Verbraucherentscheidung eines mündigen Patienten zurückzudrängen. Vielmehr wird der Patient diesen Vorteil - wenn er ihm überhaupt irgendeine Bedeutung beimisst - in seinen Abwägungsprozess einbeziehen.
Nach alledem liegen die Voraussetzungen einer unlauteren Handlung nicht vor.
3. Abmahnkosten
Dem Kläger steht deshalb auch der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von 208,65 € zzgl. Zinsen aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG nicht zu.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.
Die Revision ist nicht gem. § 543 ZPO zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
OLG Rostock:
Urteil v. 14.03.2012
Az: 2 U 22/10
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