Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. August 2003
Aktenzeichen: 7 W (pat) 310/02

(BPatG: Beschluss v. 13.08.2003, Az.: 7 W (pat) 310/02)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I Die Erteilung des Patents 100 35 110 mit der Bezeichnung "Körper aus kohlenstoffaserverstärktem Siliziumkarbid und Verfahren zu seiner Herstellung", für das die Priorität einer inländischen Voranmeldung vom 24. März 2000 (100 14 693.7) in Anspruch genommen ist, ist am 7. Februar 2002 veröffentlicht worden.

Gegen die Erteilung haben Herr B... in M... (Einsprechen der I), die S... AG in W... (Einsprechende II) und die D... AG in St... (Einsprechende III) Einspruch erhoben. Die Ein sprüche sind mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, daß der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei. Die Einsprechende II hat zudem geltend gemacht, daß die Ansprüche, soweit nicht auf ein Herstellungsverfahren gerichtet, keine vom Fachmann nacharbeitbare Lehre enthielten. Der Einsprechende I hat seinen Einspruch zwischenzeitlich zurückgenommen.

Zur Begründung ihrer Einsprüche haben die Einsprechenden neben der schon im Prüfungsverfahren genannten europäischen Patentschrift 0 558 991 ua noch auf die europäische Patentschrift 0 508 294 sowie auf einen Sonderdruck aus Keram. Z. 40 (1988) u. 41 (1989) "Technische Keramik - ie Technologien der modernen Siliciumcarbidkeramiken", Teil I: Rohstoff und Formgebung, S. 1, Teil II: Sintertechniken, S. 7 bis 11, verwiesen.

Die Einsprechenden II und III beantragen, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin, die mit Schriftsatz vom 11. August 2003 neue Unterlagen eingereicht hat, stellt den Antrag, das Patent aufrechtzuerhalten mit den jeweils am 11. August 2003 eingereichten Patentansprüchen 1 bis 14 nach Hauptantrag, hilfsweise nach Hilfsantrag I bzw. II, jeweils mit Beschreibungseinschüben vom 11. August 2003.

Sie vertritt die Auffassung, daß der Patentgegenstand in der verteidigten Fassung der Patentansprüche nicht durch den aufgezeigten Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt sei.

Die Patentansprüche 1 und 8 gemäß Hauptantrag lauten:

"1. Körper aus kohlenstoffaserverstärktem Siliziumkarbid mit einer Oberfläche, die mindestens einen als Spiegelfläche ausgebildeten Funktionsabschnitt aufweist, d a d u r c h g e k e n n - z e i c h n e t , daß der Körper mindestens im Bereich des als Spiegelfläche ausgebildeten Funktionsabschnittes mit einer Deckschicht aus Schlickerflüssigkeit versehen ist, die mindestens Siliziumkarbid-Pulver und Kohlenstoff-Pulver enthält, die in einem Umwandlungsschritt zu einer Siliziumkarbidschicht umgewandelt ist.

8. Verfahren zur Herstellung eines Körpers aus kohlenstoffaserverstärktem Siliziumkarbid, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß der Körper mindestens abschnittsweise zur Bildung einer Spiegelfläche mit einer Deckschicht aus einer Schlickerflüssigkeit versehen wird, die mindestens Siliziumkarbid-Pulver und Kohlenstoff-Pulver enthält und die in einem Umwandlungsschritt zu einer Siliziumkarbidschicht umgewandelt wird."

Die Patentansprüche 1 und 8 gemäß Hilfsantrag I lauten:

"1. Körper aus kohlenstoffaserverstärktem Siliziumkarbid mit einer Oberfläche, die mindestens einen als Spiegelfläche ausgebildeten Funktionsabschnitt aufweist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h - n e t, daß der Körper mindestens im Bereich des als Spiegelfläche ausgebildeten Funktionsabschnittes als oberflächenbearbeitete Spiegelfläche ausgebildet und mit einer Deckschicht aus Schlickerflüssigkeit versehen ist, die mindestens Siliziumkarbid-Pulver und Kohlenstoff-Pulver enthält, die in einem Umwandlungsschritt zu einer Siliziumkarbidschicht umgewandelt ist.

8. Verfahren zur Herstellung eines Körpers aus kohlenstoffaserverstärktem Siliziumkarbid, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß der Körper mindestens in einem als Spiegelfläche ausgebildeten Funktionsabschnitt oberflächenbearbeitet wird und mindestens im Bereich des Funktionsabschnittes mit einer Deckschicht aus einer Schlickerflüssigkeit versehen wird, die mindestens Siliziumkarbid-Pulver und Kohlenstoff-Pulver enthält und die in einem Umwandlungsschritt zu einer Siliziumkarbidschicht umgewandelt wird."

Die Patentansprüche 1 und 8 gemäß Hilfsantrag II lauten:

"1. Körper aus kohlenstoffaserverstärktem Siliziumkarbid mit einer Oberfläche, die mindestens einen als Spiegelfläche ausgebildeten Funktionsabschnitt aufweist, d a d u r c h g e k e n n - z e i c h n e t , daß der Körper mindestens im Bereich des als Spiegelfläche ausgebildeten Funktionsabschnittes als oberflächenbearbeitete Spiegelfläche ausgebildet und mit einer Deckschicht aus Schlickerflüssigkeit versehen ist, die mindestens Siliziumkarbid-Pulver und Kohlenstoff-Pulver enthält, die in einem Umwandlungsschritt zu einer Siliziumkarbidschicht umgewandelt ist, wobei die Pulverbestandteile in verschiedenen Korngrößen vorliegen.

8. Verfahren zur Herstellung eines Körpers aus kohlenstoffaserverstärktem Siliziumkarbid, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß der Körper mindestens in einem als Spiegelfläche ausgebildeten Funktionsabschnitt oberflächenbearbeitet wird und mindestens im Bereich des Funktionsabschnittes mit einer Deckschicht aus einer Schlickerflüssigkeit versehen wird, die mindestens Siliziumkarbid-Pulver und Kohlenstoff-Pulver enthält und die in einem Umwandlungsschritt zu einer Siliziumkarbidschicht umgewandelt wird, wobei die Pulverbestandteile in verschiedenen Korngrößen vorliegen."

Dem Patentgegenstand liegt die Aufgabe zugrunde, einen Körper aus kohlenstoffaserverstärktem Siliziumkarbid mit einer Oberfläche, welche mindestens einen Funktionsabschnitt aufweist, derart auszubilden, daß die Oberfläche zumindest in dem Funktionsabschnitt eine erhöhte, insbesondere definierte Qualität aufweist (Patentschrift Sp 4 Abs 0025).

Die Ansprüche 2 bis 7 sind auf Anspruch 1, die Ansprüche 9 bis 14 auf Anspruch 8 rückbezogen. Sie betreffen Weiterbildungen der Gegenstände der Bezugsansprüche.

II Über die Einsprüche ist gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Ziff 1 PatG, eingeführt durch das Gesetz zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 (Art 7), durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

Die frist- und formgerecht eingelegten Einsprüche sind zulässig. Sie sind auch sachlich gerechtfertigt.

Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt keine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

1. Die verteidigten Patentansprüche sind zulässig.

Ihre Merkmale sind aus den erteilten Ansprüchen sowie der Beschreibung der Patentschrift hergeleitet und auch ursprünglich offenbart.

Sie weisen auch die nötige Klarheit auf, so daß der Fachmann in der Lage ist, die Erfindung anhand der Offenbarung praktisch zu verwirklichen. Als hier zuständiger Fachmann wird ein an einer technischen Hochschule ausgebildeter Ingenieur angesehen, der mit der Entwicklung von Spiegeln und Reflektoren mit keramischen Trägermaterialien befaßt ist und über vertiefte Kenntnisse auf dem Gebiet der Siliziumkarbid(SiC)-keramiken verfügt. Dieser Fachmann versteht das Merkmal im Patentanspruch 1, wonach der Funktionsabschnitt des Keramikgrundkörpers mit einer Deckschicht aus Schlickerflüssigkeit versehen ist, die in einem Umwandlungsschritt zB zu einer Siliziumkarbidschicht umgewandelt ist, so, daß die flüssig aufgetragene Deckschicht nach dem Umwandlungsschritt eine ausgehärtete Siliziumkarbidschicht bildet, die beispielsweise als Spiegelfläche nutzbar ist. Keinesfalls wird er das gleichzeitige Vorliegen einer flüssigen und ausgehärteten Phase in der Deckschicht des Keramikkörpers annehmen. Insoweit ergibt sich kein Anhalt für eine fehlende Ausführbarkeit der Lehre des Anspruchs 1.

2. Der mit Hauptantrag verteidigte Körper aus kohlenstoffaserverstärktem Siliziumkarbid mit einem als Spiegelfläche ausgebildeten Funktionsabschnitt gemäß Anspruch 1 und das mit Hauptantrag verteidigte Verfahren zur Herstellung dieses Körpers gemäß Anspruch 8 beruhen jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die europäische Patentschrift 0 558 991 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung von keramischen Bauteilen, deren Oberflächen für die Verwendung als Spiegel geeignet sind. Als Grundkörper werden aus einer Kohlenstoffmatrix und Verstärkungsfasern aus Kohlenstoff bestehende sog. CFC-Verbundwerkstoffe oder - zum Zwecke der Steigerung der Oxidationsbeständigkeit - daraus durch Infiltration mit keramischen Komponenten, z.B. Silizium, entwickelte CMC-Verbundwerkstoffe, sog. Ceramic Matrix Composites, verwendet, wobei die CMC-Körper Siliziumkarbid und Silizium enthalten können. (Sp 1 Z 3 bis 6, Sp 6 Z 2 bis 50, Sp 9 Z 13 bis 17). Auf die zu verspiegelnden Flächen dieser Spiegelträger können Siliziumformkörper oder Siliziumwafer appliziert und die applizierten Schichten zu hartem Siliziumkarbid (SiC) umgewandelt werden (Sp 10 Z 51 bis Sp 11 Z 10). In der Streitpatentschrift ist hierzu ua als nachteilig herausgestellt, daß die flächendeckende Aufbringung der Siliziumkörper aufwendig sei und das beschriebene Verfahren zur Verbindung der Siliziumkörper mit dem Grundkörper zu Inhomogenitäten des Siliziumgehaltes im Grundkörper führen könne (Sp 3 Z 44 bis Z 64).

Von diesem bekannten Körper unterscheidet sich der gemäß Anspruch 1 durch das zur Erzeugung der Siliziumkarbid-Deckschicht verwendete und im Anspruch 8 beanspruchte Verfahren, nach welchem die Deckschicht als mindestens Siliziumkarbid-Pulver und Kohlenstoff-Pulver enthaltende Schlickerflüssigkeit auf das Spiegelträgersubstrat aufgebracht und in einem weiteren Schritt zu einer Siliziumkarbidschicht umgewandelt wird.

Ein derartiges Verfahren zur Gewinnung einer Siliziumkarbidschicht auf Flächen von Kohlenstoffkörpern ist bereits in der europäischen Patentschrift 0 508 294 beschrieben (vgl Anspruch 1). Der hier eingesetzte wäßrige Schlicker enthält feinverteiltes Siliziumkarbid, feinverteilten Kohlenstoff und ein Bindemittel. Im Umwandlungsschritt wird das Bindemittel durch Erhitzen zerstört und der Überzug durch Kontakt mit flüssigem Silizium siliziert. Der Anteil an Kohlenstoff im Schlicker kann hierbei so berechnet sein, daß das nach der Zerstörung des Bindemittels vorhandene freie Volumen bei der Silizierung durch neugebildetes Siliziumkarbid theoretisch ausgefüllt wird (Sp 2 Z 44 bis 54), so daß der Überzug im wesentlichen nur aus Siliziumkarbid besteht.

Zwar zielt die Beschichtung im bekannten Fall darauf ab, Kohlenstoffkörper gegenüber der Einwirkung von schmelzflüssigem Silizium unempfindlich und dauerbeständig zu machen (Sp 2 Z 4 bis 7). Das hindert den Fachmann aber nicht daran, in dem in der europäischen Patentschrift 0 508 294 offenbarten Beschichtungsverfahren einen Weg zu sehen, die Herstellung der Siliziumkarbidschicht auf einem Spiegeltragkörper aus kohlenstoffaserverstärktem Siliziumkarbid gemäß der europäischen Patentschrift 0 558 991 zu vereinfachen. Denn eine wäßrige Schlickerschicht ist durch Streichen, Sprühen oder Spritzen und unabhängig von der Form und der Güte der zu beschichtenden Oberfläche aufbringbar. Der Fachmann konnte daher am Prioritätstag durch Zusammenschau der genannten Entgegenhaltungen in naheliegender Weise zur Lehre der Ansprüche 1 und 8 nach Hauptantrag gelangen.

3. Die mit Hilfsantrag I verteidigten Hauptansprüche 1 (Erzeugnis) und 8 (Herstellungsverfahren) unterscheiden sich von denen nach Hauptantrag dadurch, daß die Funktionsabschnitte für die Spiegelflächen oberflächenbearbeitet sind.

Die Bearbeitung zB durch Schleifen und Fräsen (Streitpatentschrift Sp 9 Abs 0057, Sp 12 Abs 0086) von Oberflächen, auf denen Spiegelflächen ausgebildet werden sollen, liegt wegen der üblichen hohen Anforderung an die Güte der Spiegelflächen (vgl EP 0 558 991 B1 Sp 3 Z 11 bis 14) im Griffbereich des Fachmannes. Im übrigen weist schon die europäische Patentschrift 0 588 991 auf das Schleifen der für die Spiegelfläche vorgesehenen Oberflächen an CMC-Bauteilen hin (Sp 15 Z 55 bis Sp 16 Z 5). Dieses zusätzlichen Merkmal vermag daher eine erfinderische Tätigkeit der Lehren der Ansprüche 1 und 8 nach Hilfsantrag I nicht zu begründen.

4. Die Ansprüche 1 und 8 gemäß Hilfsantrag II enthalten gegenüber denen nach Hilfsantrag I zusätzlich das Merkmal, daß die Pulverbestandteile in der Schlickerflüssigkeit in verschiedenen Korngrößen vorliegen. Mit dieser Maßnahme soll eine hohe Packungsdichte im Schlicker gewährleistet werden (Sp 14 Z 67 bis Sp 15 Z 3). Die Wahl unterschiedlicher Korngrößen ist für den Fachmann jedoch ein bekanntes Mittel, um die Dichte einer aus Pulvermaterial erzeugten Schicht, zB einer Siliziumkarbidschicht, einzustellen (vgl Sonderdruck S 10 liSp vleAbs). Es bietet sich besonders bei der Schaffung von Spiegelflächen zur Erzielung sehr glatter und daher präzis reflektierender Strukturen an. Folglich kann auch dieses Merkmal den Gegenständen dieser Ansprüche keine erfinderische Bedeutung geben.

5. Daß in den den Hauptansprüchen 1 und 8 nachgeordneten Ansprüchen 2 bis 7 bzw 9 bis 14 nach Haupt- und Hilfsanträgen noch Merkmale von patentbegründender Bedeutung enthalten seien, hat die Patentinhaberin nicht geltend gemacht und ist für den Senat auch nicht ersichtlich. So ist das Aufbringen einer Wasser als Lösungsmittel und ggf Binder enthaltenden Schlickerschicht vor der Endsilizierung (Ansprüche 2, 3, 5 bzw 9, 10, 12) aus der europäischen Patentschrift 0 508 294 (Anspruch 1) bekannt. Anregung zu einer bimodalen Kornverteilung in der Schlickerflüssigkeit (Ansprüche 4 u 11) gibt der Sonderdruck (S 10 liSp vleAbs) und die Viskosität der Schlickerflüssigkeit gemäß Ansprüchen 6 und 13 geeignet einzustellen, damit die dem Fachmann geläufigen Aufbringtechniken gemäß Ansprüchen 7 oder 14 zum Einsatz kommen können, liegt im Rahmen fachnotorischen Wissens und Könnens.

Das Patent ist nach alledem nicht rechtsbeständig.

Dr. Schnegg Eberhard Köhn Frühauf Hu






BPatG:
Beschluss v. 13.08.2003
Az: 7 W (pat) 310/02


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